Man könnte meinen, dass die nicht allzu hohe Zahl von 392 eingeleiteten Ermittlungsverfahren in der gesamten Bundesrepublik im Bereich Menschenhandel im Jahr 2014 uns signalisieren solle, dass wir uns keine Sorgen zu machen brauchen, weil wir das Phänomen im Blick, gar unter Kontrolle hätten. Wenn wir uns aber den Bericht der Internationalen Arbeitsorganisation ILO anschauen,
zeichnet sich ein anderes Bild ab. Demnach sind, über die EU verteilt, 880 000 Sklavenarbeiterinnen und Sklavenarbeiter tätig, von denen 270 000 sexuell ausgebeutet werden. Mit Menschenhandel macht organisiertes Verbrechen einen Profit von rund 25 Milliarden Euro pro Jahr.
Diese Fakten sollten uns wachrütteln. Aber wenn wir uns die sächsischen Zahlen anschauen, stellen wir gravierende Abweichungen fest. Das Bundeslagebild verzeichnet für 2014 sachsenweit acht eingeleitete Ermittlungsverfahren. Auch die sächsische Polizeiliche Kriminalstatistik verzeichnet nur zwölf Fälle von Menschenhandel. Die Strafverfolgungsstatistik der Justiz verzeichnet keine
einzige Verurteilung für das betreffende Jahr. Man muss allerdings dazusagen, dass momentan drei weitere Verfahren anhängig sind.
Für weitere Unklarheit sorgt das Phänomen, dass die Zahl der Ermittlungsverfahren in Sachsen trotz der Grenzlage zu Polen und Tschechien sich zwischen null und acht bewegt und damit äußerst niedrig ist. In Niedersachsen sind allerdings 50, in Berlin 68, in Nordrhein-Westfalen 74, in Hamburg 39 und sogar in Bayern 50 Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Gerade, was die bayerischen Zahlen angeht, verwundert mich das doch sehr, zumal Sachsen und Bayern Flächenländer sind und beide eine Grenze zu Tschechien haben.
Ist das Problem des Menschenhandels also in Berlin oder Bayern ungleich größer als in Sachsen? Oder fehlt es in Sachsen einfach an auf diese Ermittlungen spezialisiertem Personal? Wie erklären Sie sich die riesigen Differenzen zu den Zahlen der Internationalen Arbeitsorganisation? Vielleicht bringen Ihre Redebeiträge gleich ein bisschen Erhellung.
Längst überfällig sind eine Erhöhung der Kontrolldichte im Bereich des Menschenhandels und eine umfassende statistische Erfassung. Das fordern wir in unserem Entschließungsantrag; die Neufassung haben Sie auf Ihren Plätzen liegen. Umso notwendiger wird es sein, dass für derartige Straftaten Spezialdienststellen bei der Polizei eingerichtet und dass die Fachstellen personell gut ausgestattet werden. Das Hauptproblem bei der Strafverfolgung von Zwangsprostitution, Zuhälterei und Menschenhandel ist doch derzeit die Beweisführung.
Um der Fragilität des Zeugenbeweises und der Instabilität der Zeuginnen zu begegnen – darin sind sich nahezu alle Strafverfolger einig –, muss es eine neue Strategie mit den Opfern geben, die darin besteht, dass potenzielle Zeuginnen medizinisch und psychosozial betreut werden, dass eine angemessene Bedenkzeit eingeräumt wird, dass es einen gesicherten Aufenthaltstitel gibt und dass finanzielle Absicherung gewährt wird.
In Sachsen haben wir mit KOBRAnet genau eine Fachberatungsstelle. In den letzten Haushaltsverhandlungen ist sie auf etwas festeren finanziellen Boden gestellt worden,
sicherlich auch dank der SPD. Aber eine Stelle für ganz Sachsen ist sicherlich nicht ausreichend. Ich denke, wir müssen dafür in den nächsten Haushaltsverhandlungen noch einmal Geld in die Hand nehmen.
Dass die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit Tschechien recht gut funktioniert, haben wir heute Mittag von Herrn Gemkow gehört. Anders als bei Drogen- oder Diebstahlsdelikten geht es bei Zwangsprostitution um Menschen, um junge Frauen, um Frauen. Eine grenzüberschreitende Kooperation sollte deswegen in diesem Bereich unbedingt ausgebaut werden.
Kommen wir zum zweiten Teil unserer Anfrage. Uns war es wichtig, eine genaue Trennung vorzunehmen in Menschenhandel und Zwangsprostitution auf der einen Seite und Prostitution auf der anderen Seite, auch wenn die Übergänge manchmal fließend sein mögen.
Ich möchte nun nicht mit Ihnen darüber diskutieren, ob Prostitution akzeptabel ist oder nicht. Fest steht: Prostitution ist eine gesellschaftliche Realität. Die Aufgabe der Politik – unsere Aufgabe – muss es sein, die rechtliche und soziale Situation von Prostituierten zu verbessern und dafür zu sorgen, dass sie größtmöglichen Schutz erfahren.
Dazu gehören natürlich der Ausbau von Beratungsangeboten und das Aufzeigen von beruflichen Alternativen zur Prostitution. Doch wenn ich mir die Antwort auf unsere Große Anfrage anschaue, dann stelle ich vor allem eines fest: die Unwissenheit der Staatsregierung in diesem Bereich. Sie weiß nicht annähernd, wie viele Prostituierte in Sachsen tätig sind. Genauso wenig weiß sie, wie viele Prostitutionsstätten es in Sachsen gibt. Beratungsstellen gibt es in ganz Sachsen – keine einzige!
Sie schlussfolgern daraus, dass es keinen Handlungsbedarf gebe. Denn wo es kein offensichtliches Problem gibt, muss man auch nichts tun. Aber ich bin mir ganz sicher, dass weder Prostituierte noch Freier einen Bogen um Sachsen machen, weil hier die CDU regiert. Wir wissen – das zeigt sich, wie gesagt, in der Antwort auf die Große Anfrage – viel zu wenig über Prostitution und Sexarbeit in Sachsen. Deshalb fordern wir in unserem Entschließungsantrag, dass in einem ersten Schritt statistische Daten zu den Umständen der Prostitution in Sachsen viel genauer erfasst werden. Genauso fordern wir, dass gemeinsam mit den Kommunen spezifische freiwillige Beratungsangebote für Prostituierte etabliert werden, die natürlich mit den Gesundheitsämtern zu verzahnen sind. Die Informationsmaterialien dürfen nicht nur auf Deutsch, sondern müssen auch in anderen Sprachen zur Verfügung stehen. Genauso bedarf es einer entsprechenden Zahl an Dolmetschern.
Eine zentrale Forderung – übrigens auch der Gewerkschaft der Polizei – ist, dass bei der Polizei spezielle Fortbildungs- und Sensibilisierungsmaßnahmen stattfinden.
Wir wollen aber nicht nur die Prostituierten, sondern auch die Freier in den Blick nehmen. Wenn sie den Verdacht auf eine Zwangslage haben, sollen sie die Möglichkeit haben, sich anonym zum Beispiel bei einer Hotline des Landeskriminalamtes zu melden und dort Hinweise zu geben.
Doch all diese vorgeschlagenen Maßnahmen können nur ein Anfang sein. Wir dürfen meines Erachtens nicht nur über Prostituierte und Bordellbetreiberinnen und Bordellbetreiber reden, sondern wir müssen vor allem mit ihnen reden. Deswegen fordern wir einen „Runden Tisch Prostitution“, wie er in anderen Ländern schon gang und gäbe ist. An diesem Tisch sollen Fachleute aus Behörden, der Politik, von Beratungsstellen, Gleichstellungsbeauftragte und natürlich auch die Polizei, die Wissenschaft und auch Prostituierte und Bordellbetreiber miteinander diskutieren, um gemeinsam Maßnahmen zu entwickeln.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie uns endlich gemeinsam Menschenhandel und Zwangsprostitution den Kampf ansagen. Vor dem Hintergrund des Berichts der ILO sind die lediglich acht eingeleiteten sächsischen Ermittlungsverfahren beschämend. Sollten diese Zahlen nur annähernd stimmen, so könnte dies heißen, dass in Sachsen nur ein Bruchteil des Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung in den Fokus der Polizei gerät. Wir haben uns als Gesellschaft zum Ziel gesetzt, für alle Menschen ein selbstbestimmtes Leben zu gewährleisten. Unsere Werte akzeptieren die sexuelle Ausbeutung Einzelner nicht.
Meine Damen und Herren! Ich rufe die Fraktion der CDU, Frau Nicolaus. Bitte sehr, Frau Nicolaus, Sie haben das Wort.
Danke, Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gleich eingangs zu den Zahlen, die den Menschenhandel an sich betreffen. Generell können wir Gott sei Dank verbuchen – das können wir einem Bericht der Bundesregierung entnehmen –, dass die Zahlen beim Menschenhandel auf einen Stand von 2006 zurückgegangen sind. Ich denke, das ist ein allgemeiner Erfolg. Man könnte sagen, das sei in Sachsen bestimmten Dingen geschuldet, aber wenn der Stand gesamtdeutsch zurückgegangen ist, ist das vielleicht auch ein Erfolg der Ermittler oder von Dingen, die dort eingewirkt haben.
Wir müssen konstatieren, dass die meisten Opfer aus Osteuropa kommen. Das hat etwas damit zu tun, dass das Wohlstandsgefälle zwischen Deutschland und Ländern wie Rumänien so groß ist. Ich gebe Ihnen recht, Frau Meier, dass es verlockende Angebote und Inserate gibt, um die Menschen hierher zu locken. Es werden falsche Bedingungen vorgegaukelt, damit die zumeist jungen Frauen, aber auch Männer hierher kommen. Oftmals findet sogar die Erpressung der Eltern statt, sodass sie die
jungen Mädchen hierherbringen. Die Eltern wissen aber nicht, dass ihre Kinder dann zur Prostitution freigegeben werden. Wenn die zumeist jungen Frauen dann hier sind, werden ihnen die Pässe weggenommen und sie sind gleich in der Hand des jeweiligen Zuhälters oder desjenigen, der die Macht ausübt.
Es ist überhaupt keine Frage, dass dies zu beklagen und zu verurteilen ist. Es geht damit weiter, dass die Pässe in Rechnung gestellt werden, indem Kredite eingeräumt werden, die abgearbeitet werden müssen. Dann sind wir auch schon bei der Zwangsprostitution. Natürlich bedarf es polizeilicher Maßnahmen, um die Umstände aufzuhellen, unter denen das alles passiert. Aber nicht die Polizei allein kann dieses Problem lösen. Es bedarf auch der Zusammenarbeit mit der kommunalen Ebene vor Ort. Die Ordnungsämter wie auch Vereine müssen mit der Polizei und der Justiz zusammenarbeiten.
Ja, wir haben den Verein KOBRAnet, der in diesem Haushalt mit 75 000 Euro ausgestattet ist. Vielleicht sollten wir im nächsten Haushalt darüber nachdenken, hier etwas mehr Geld einzustellen.
Ich habe noch nichts versprochen. Ich habe gesagt, ich kann mir das vorstellen, weil wir schon seit mehreren Jahren nicht mehr über dieses Thema diskutiert haben. Dieses Thema möchte auch niemand wirklich an sich heranlassen. Das ist auch ganz klar, aber das Phänomen ist da. Der Menschenhandel ist da, die Zwangsprostitution ist da, und Prostitution an sich hat es schon immer gegeben und wahrscheinlich wird es sie auch immer geben. Deswegen brauchen wir Wege für die Prostituierten, um aus ihrer Situation wieder herauszukommen. Das kann die Betroffene zumeist nicht selbst. Die Frauen haben eine Schamgrenze und stecken bei der Zwangsprostitution sowieso in Zwängen, woraus sie sich nicht selbst befreien können.
Wenn man sich die Prostitution unabhängig von der Zwangsprostitution ansieht, so findet sie gleich vor der Haustür statt. Es sind die Studentinnen, die in ihren Autos an der Straße parken und warten, dass Freier kommen, um sich damit ihr Studium zu finanzieren. Es sind aber auch die alleinstehenden Mütter, die dann Besucher haben. So könnte man noch vieles benennen. Diese Frauen haben natürlich keinen Gewerbeschein und werden auch nicht entsprechend untersucht. Dabei ist zu benennen, dass diese Frauen von Krankheiten geplagt sein können und diese weitergeben.
Aber es gäbe weder die Straßenprostitution noch die Hausfrauenprostitution, wenn es nicht diesen Markt gäbe. Der Markt ist da. Und da sind wir schon bei den Freiern. Gäbe es die Freier nicht, gäbe es auch nicht die Prostituierten. Man muss darüber nachdenken, wie man diese Dinge begrenzen und in den Griff bekommen kann. Es gibt auf EU-Ebene eine Resolution, die zumindest einen Ausweg zeigt. Das bedeutet, dass man der jeweiligen
damit sie sich aus ihrer Zwangssituation selbst befreien und auf anderem Weg zu Geld gelangen kann. Der Punkt ist, dass sie selbstständig arbeiten kann, ohne sich zu prostituieren.
Wir sind gehalten, dieser Resolution beizutreten. Es gibt auf Bundesebene momentan Bestrebungen, das 2002 unter Rot-Grün verabschiedete Gesetz zu novellieren. Damals sind aber auch einige Sachen abgeschmettert worden. Auf der einen Seite ist die Prostitution legalisiert worden, aber auf der anderen Seite sind die Sanktionsmaßnahmen im Gesetz abgeschwächt worden. Das darf man nicht verkennen. Momentan ist auf Bundesebene das Gesetzeswerk in Gang, aber die Bandbreite reicht von A bis Z. Das muss man einfach so sagen. Man kann sich seitens der Koalition auf Bundesebene noch nicht verständigen, wie man darauf einwirken möchte. Die einen sagen, Prostitution müsse verboten werden – aber das ist schon einmal in Schweden gescheitert. Die anderen sagen, die Freier müssten bestraft werden. Gut, darüber kann man sich unterhalten. Das geht bis hin zur EUResolution, die ich vorhin genannt habe mit dem Ziel, den Frauen bessere Arbeitsangebote zu unterbreiten. Ich will zum Schluss nicht verhehlen, dass es auch männliche Prostituierte gibt. Denen müssen genauso Hilfsangebote unterbreitet werden.
Sie sehen, wir befassen uns intensiv mit dieser Problemlage, wir haben aber auch noch nicht den goldenen Schlüssel gefunden, um das in den Griff zu bekommen. Wir hoffen auf die Bundesgesetzgebung, dass wir als Land eine Handhabe erhalten, um die Dinge besser in den Griff zu bekommen.
Meine Damen und Herren! Nun die Fraktion DIE LINKE, Frau Abg. Schaper. Frau Schaper, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Große Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN verquickt die Themenfelder Menschenhandel, Zwangsprostitution und selbstbestimmte Prostitution. Das geschieht auf eine Weise, die nicht ganz unproblematisch ist. Sie hinterfragt Erkenntnisse, die der Staatsregierung hierzu vorliegen, den von ihr vorgesehenen Handlungsbedarf in gesetzgeberischer und gesellschaftspolitischer Hinsicht allgemein sowie eventuell vorhandene Konzepte. Will man eine Gesamtbewertung der Antworten der Staatsregierung auf die insgesamt 104 Fragen vornehmen, so lautet diese: Die Staatsregierung weiß nichts, die Staatsregierung prüft nichts, die Staatsregierung plant nichts.
Was zunächst den Komplex „Menschenhandel“ angeht, überrascht uns das nicht. Dass bereits frühere Staatsregierungen in Sachsen das Phänomen Menschenhandel eher
gern verschwiegen und im Dunkeln gehalten haben, ist spätestens seit den Auseinandersetzungen um den sogenannten Sachsensumpf-Skandal bekannt, die 2007 begonnen hatten.
Es war schlimm genug, dass es erst einer Handvoll Mitarbeiter des 2003 im Landesamt für Verfassungsschutz eingerichteten OK-Referates bedurfte, dass sich überhaupt jemand mit folgender Frage befasste: Welche Rolle spielt das Phänomen Menschenhandel im Allgemeinen und Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung im Besonderen in den vorhandenen Strukturen der organisierten Kriminalität in Sachsen? Es reichte an die Schwelle kriminellen Regierungshandelns, wie mit diesen Erkenntnissen der Verfassungsschützer und anderer herausgehobener OK-Ermittler bzw. betreffenden Beamten selbst umgegangen wurde. Statt beispielsweise den Beobachtungskomplexen in Abs. 2 und Abs. 3 in Hülle und Fülle zusammengetragenen Anknüpfungstatsachen für manifeste Strukturen des organisierten Menschenhandels, zum Beispiel im Raum Vogtland, Westsachsen, Leipzig und Dresden, nachzugehen, wurden die Akten versenkt und die OK-Ermittler gleich mit.
Da wundert es auch nicht, dass sich die Staatsregierung gleich auf die erste Frage, welche Erkenntnisse ihr in Bezug auf Menschenhandel im Freistaat vorliegen – namentlich auch zur vermutlichen Dunkelziffer –, kurzerhand in die Antwort flüchtete, die Staatsregierung sei laut der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Frage des Auskunftsrechts der Abgeordneten nach Artikel 50 der Verfassung nicht verpflichtet, eine solche vorzunehmen. Aus unserer Sicht ist das eine recht erbärmliche Reaktion. Selbst jeder Beitrag, der zum Phänomen Menschenhandel über Google aufrufbar ist, nimmt Stellung, welche Rolle die sogenannte Dunkelziffer spielt. Auch die weiteren Antworten auf die Frage zum Komplex Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung und Ausbeutung der Arbeitskraft sind dürftig und weithin substanzlos.
Eines aber zumindest wird ganz deutlich: Aufwand und Ergebnis zielführender Ermittlungen und Verfolgungs- bzw. Präventionsmaßnahmen gegen Menschenhandel im Freistaat Sachsen sind bescheiden. Von 2005 an wurden von 140 Strafverfahren wegen Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung schlanke 98 – Stand März 2015 –, also mehr als zwei Drittel, eingestellt. Das geht aus der Anlage 1 der von der Staatsregierung wiedergebenen Statistik aus den Verfahrensdatenbanken der Staatsanwaltschaften hervor. Nur 26 Fälle in diesen zehn Jahren kamen überhaupt zur Anklage. Diese statistische Aussage bestärkt uns in der Überzeugung, dass der Freistaat Sachsen seiner besonderen Strafverfolgungspflicht bei Weitem nicht gerecht wird.
Diese Taten sind nach dem sogenannten Weltrechtsprinzip, ohne Rücksicht auf Täter, Recht des Täters und
Staatsangehörigkeit des Täters zu verfolgen. Das Motiv ist: Was an Straftaten des Menschenhandels in Sachsen nicht bekannt wird, gibt es nicht. Das schädigt demzufolge auch nicht den Ruf Sachsens als Musterländle. Wir belügen uns da weiterhin. Wir vertrauen im Übrigen auf die auf dem Gebiet gegen Menschenhandel tätigen Nichtregierungsorganisationen, Vereine und Verbände, für deren Tätigkeit wir uns in jeder Hinsicht nur bedanken können, denen wir unseren größten Respekt zollen und die das Gröbste abfangen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum Thema Prostitution und Zwangsprostitution zunächst eine Bemerkung grundsätzlicher Art. Wir unterscheiden sehr wohl nicht nur grundsätzlich zwischen Zwangsprostitution und selbstbestimmter Prostitution von Frauen und Männern. Wir sind auch keine Fans von Sexkaufverboten. Wir wünschen uns jedoch eine Welt und wir streiten für eine Welt, in der weder Frau noch Mann sich veranlasst sieht, geschweige denn gezwungen ist, den Lebensunterhalt oder wesentliche Teile davon durch die Hingabe eines Teils seiner persönlichen Integrität im herkömmlichen Sinne wie eine Ware verkaufen zu müssen. Wir missbilligen und bekämpfen die Herrschaftsstrukturen, in denen Prostitution weltweit stattfindet. Die ökonomische Ungleichheit zwischen Männern und Frauen, Regionen und sozialen Schichten wird nach unserer Auffassung auch in der Prostitution exemplarisch widergespiegelt. Die Frage, inwieweit der individuelle Umgang mit Prostitution diese Herrschaftsverhältnisse reproduziert, beschäftigt uns.