Protokoll der Sitzung vom 17.12.2015

Wieso bringen wir erkannte Stärken und Wachstumschancen nicht entschlossen im harten internationalen Wettbewerb voran? Ich kann mich nicht erinnern, eine lautstarke Forderung nach einem wirksamen Markteinführungsprogramm des Bundes etwa für die E-Mobilität auf dem heimischen Pilotmarkt aus der Sächsischen Staatsregierung gehört zu haben, obwohl wir hier bei uns in Sachsen das wohl modernste E-Mobil-Konzept in einer beispielhaft nachhaltigen Produktion in Leipzig stehen haben.

Sie scheinen auch nicht an die Fähigkeiten der Wirtschaft in Sachsen zu glauben, auf globalen Wachstumsfeldern innerhalb von 20 Jahren wenigstens einige Hundert neue Jobs zu schaffen. Wie sonst soll man es interpretieren, dass Sie sich globalen Megatrends um Klima- und Umweltschutz sowie erneuerbaren Energien weiter in den Weg stellen, um vorhandene Strukturen zu konservieren? Für Strukturkonservatismus greifen Sie lieber immer wieder beherzt in fallende Messer und lassen sich große Chancen für Sachsen durch die Lappen gehen.

(Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf des Staatsministers Martin Dulig)

Wenn Sie die Außenwirtschaft als Motor für die sächsische Wirtschaft bezeichnen, dann schauen Sie sich bitte auch immer die Steuerungssoftware des Motors kritisch an, um unliebsame Überraschungen zu vermeiden. Vor allem analysieren Sie strategisch die globale Entwicklung, und stoppen Sie Ihre Geisterfahrten auf ganz entscheidenden Pfaden wie der Energiewirtschaft, und zwar wenigs

tens dann, wenn Sie selbst nicht mehr übersehen können, dass der Gegenverkehr immer dichter wird.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Dr. Lippold beschloss für die GRÜNEN die erste Rederunde. Wir beginnen jetzt die zweite. Sie wird erneut durch die einbringende CDU-Fraktion eingeleitet, und zwar durch Herrn Kollegen Pohle.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst freut es mich, dass alle Vorredner, insbesondere die Redner der Regierungskoalition, die Außenwirtschaft positiv beleuchtet haben.

(Zuruf des Abg. Sebastian Scheel, DIE LINKE)

Herr Scheel, auch Ihr Redner Nico Brünler hatte sehr viele positive Worte für die Erfolge der sächsischen Wirtschaft, die nicht wegzudiskutieren sind. Innerhalb von 15 Jahren von 10 auf 34 Milliarden Euro zu steigern, ist eine nicht wegzudiskutierende Erfolgsmarge.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Natürlich gab es kritische Worte. Das ist verständlich, die Opposition muss kritische Worte finden; das ist auch gut so. Es macht eine gute Opposition aus, dass sie das Augenmerk auf Dinge legt, die ihr wichtig sind, die uns vielleicht nicht so wichtig sind, weil wir uns auf die wesentlichen Dinge konzentrieren.

(Zuruf des Abg. Sebastian Scheel, DIE LINKE)

Ich sagte bereits, dort, wo Erfolg ist, kann noch mehr Erfolg hinkommen.

In Vorbereitung meiner Rede habe ich einige aktuelle Dinge aus der Leipziger Region betrachtet. Die Russische Föderation ist leider nur noch der neuntwichtigste Partner der Region. Herr Brünler sagte, ihm erschloss sich nicht so recht, was die Aktuelle Debatte sein sollte. Im Januar 2016 wird darüber diskutiert, ob das Embargo ausläuft. Wir hoffen natürlich, dass das Embargo ausläuft bzw. abgeschwächt wird, weil traditionell viele Betriebe in Sachsen mit der Russischen Föderation zusammenarbeiten.

Ich habe in der Vorbereitung mit mehreren Betrieben gesprochen, die damit zu tun haben. Unter anderem habe ich mit der Mechanik Taucha Fördertechnik GmbH gesprochen. Das ist ein Stahl- und Kranbauer in Taucha bei Leipzig. Dort brachen durch das Embargo 10 Millionen Euro weg. Das ist ein Drittel des Jahresumsatzes. Etwa 10 % der Belegschaft verloren daraufhin ihren Arbeitsplatz. Mit Sorge blickt der Geschäftsführer in die Zukunft. Nach dem Ende der Sanktionen muss er nicht nur das Vertrauen bei seinen Partnern in Russland wiedergewinnen, sondern auch qualifiziertes Personal suchen. Das Personal ist auch in der Leipziger Region nicht gut zu finden.

Wolfgang Topf, Geschäftsführer der Industriemontagen Leipzig GmbH und Präsident der IHK zu Leipzig, beklagt Produktionsrückgänge. Probleme verursachen seiner Firma aber auch bereits gefertigte Güter, die nicht ausgeliefert werden können und für die somit auch kein Erlös zu erzielen ist.

Die Geschäftsführer der Geo Sys GmbH und der EMAG in Leipzig schilderten mir, dass sie aufgrund ihrer Produktionspalette weniger unter der Embargoliste selbst als vielmehr an den Mängeln und Zeitverzögerungen der embargobedingten Kontrollbürokratie, langen Auslieferungszeiten und dem damit verbundenen Vertrauensverlust bei ihren russischen Partnern leiden. Letztere orientieren sich verstärkt um. Sie suchen nach Handelspartnern in Russland selbst oder – da wird es besonders fragwürdig – in anderen Staaten.

Deshalb ist es bedenklich, dass zum Beispiel die Geschäfte in Russland mit China, der Schweiz – die Schweiz hat immerhin 12 % Plus mit Russland zu verzeichnen – und den USA, die 15 % Plus zu verzeichnen haben – – Man erkennt, dass die Umgehung der Sanktionen zu berücksichtigen ist. Darüber muss diskutiert werden.

Insofern hoffe ich, mit diesen Beispielen gezeigt zu haben, wie aktuell diese Debatte ist und wie wichtig es ist, dass wir über diese Außenwirtschaftsstrategie nachdenken und sie weiterentwickeln. Ich hoffe, dass wir in der Debatte das eine oder andere Augenmerk darauf legen.

Recht vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Nach Kollegen Pohle, CDU-Fraktion, kommt jetzt Kollege Baum erneut zu Wort. Er vertritt die SPD-Fraktion. Diese Fraktion ist Miteinbringerin dieses Antrages.

Danke. – Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Außenwirtschaft ist mitunter durchaus schwierig. Das habe ich selbst erfahren, als ich noch unternehmerisch tätig war. Es ist vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen wegen des hohen Risikos bei hohem unternehmerischem Aufwand schwierig. Ein Instrument zur Umsetzung dessen ist hier in Sachsen die sogenannte Außenwirtschaftsinitiative Sachsen, kurz: AWIS.

Dazu möchte ich Ihnen kurz etwas erzählen. Beteiligt an AWIS sind das Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit, die sächsischen Industrie- und Handelskammern, die Handwerkskammern hier im Freistaat und auch die Vereinigung der sächsischen Wirtschaft, wobei die Federführung bei der Wirtschaftsförderung Sachsen liegt.

Die Außenwirtschaftsinitiative Sachsen umfasst sehr viele Punkte, die den gesamten Bereich der Außenwirtschaftsförderung einbeziehen, unter anderem das Heranführen von mittelständischen Firmen an das internationale Geschäft, aber auch die Vernetzung zwischen in der

Außenwirtschaft aktiven Organisationen der Wirtschaft. Sie umfasst auch die Begleitung des Mittelstandes in allen Phasen ihres Auslandsgeschäftes. Klar ist, dass die Außenwirtschaftsförderung mehr ist als nur eine reine finanzielle Förderung.

Ein wichtiges Instrument der Außenwirtschaftsinitiative war auch in diesem Jahr die sogenannte Sächsische Außenwirtschaftswoche, die im März hier im Internationalen Kongresszentrum Dresden stattfand und unter dem Motto stand: „Erfolg im globalen Wettbewerb – Wachstum durch Export“.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte feststellen, dass der Freistaat Sachsen ein engagierter und hilfreicher Partner im Außenhandel für unsere sächsische Wirtschaft ist. Deshalb möchte ich im Namen meiner Fraktion insbesondere der Wirtschaftsförderung Sachsen recht herzlich für ihre gute Arbeit bei der Unterstützung und Begleitung der sächsischen Wirtschaftsunternehmen im Außenhandel danken.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Lassen Sie mich in meiner zweiten Runde kurz etwas zum Thema Russland sagen. Festzustellen ist, dass die Wirtschaftssanktionen bei aller durchaus auch berechtigten Kritik an Russland und seiner politischen Führung keine grundlegende Wirkung zeigen. Sie schaden hingegen der europäischen und damit auch der sächsischen Wirtschaft, ohne dass dadurch diplomatische Erfolge erzielt wurden. Der EU-Gipfel muss sich mit der Verlängerung der Wirtschaftssanktionen gegen Russland befassen und darüber entscheiden. Ziel muss es aus unserer Sicht sein, vor allem die Gesprächskanäle offenzuhalten, weiter Kontakte zu den russischen Partnerregionen zu pflegen und die Unternehmerreisen nach Russland fortzuführen. Hier baue ich konkret auf unser hiesiges parlamentarisches Forum Mittel- und Osteuropa.

Russland, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, ist zweifelsfrei ein wichtiger Handelspartner für Sachsen. Daher müssen wir selbst den Dialog aktiv und kritisch begleiten.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Klar ist auch: Voraussetzung für ein Ende der Sanktionen ist die vollständige Umsetzung des Abkommens von Minsk. Dort liegt aber noch ein weiter Weg vor uns. Der benannte Rückgang der Exporte nach Russland hat jedoch aus unserer Sicht nicht ausschließlich mit diesen Sanktionen zu tun. In Russland herrscht eine Wirtschaftskrise, was der Hauptfaktor für die zurückgehende Handelsbilanz ist. Dies zeigt sich auch daran, dass die zurückgehenden Importe aus Europa nicht durch eine Zunahme der Importe aus Asien kompensiert wurden. Als Fazit bleibt für mich also stehen, dass wir uns trotz berechtigter Kritik an der russischen Führung nicht die Wege nach Russland verbauen sollten. Diese Wege haben Tradition und sind wichtig für unsere sächsische Wirtschaft.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Auf Herrn Kollegen Baum folgt jetzt für die Fraktion DIE LINKE Frau Kollegin Neuhaus-Wartenberg.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesrepublik Deutschland rühmt sich gern ihrer Exportstärke. Dabei übersieht die allgemeine Freude über Exportstärke, dass diese mit einem außerordentlich hohen Außenhandelsüberschuss einhergeht; „außerordentlich hoch“ meint hier für 2014: Es war der höchste weltweit.

Für Sachsen sehen die Zahlen ähnlich spannend aus. Zum einen hat der Freistaat jahrzehntelang den hiesigen Niedriglohnsektor als Standortvorteil verkauft und darüber hinaus beteiligt sich Sachsen am Exportüberschuss Deutschlands, und zwar überdurchschnittlich. Im Jahr 2014 standen den Exporten im Wert von fast 36 Milliarden Euro Importe im Wert von 20 Milliarden Euro entgegen. Sachsen hat einen Bevölkerungsanteil – und das ist eine wichtige Zahl für den Hinterkopf – von 5 % in Deutschland, trägt aber 7 bis 8 % des Außenhandelsüberschusses bei und ist somit auch an den Ungleichgewichten weltweit beteiligt.

Es bleibt meiner Meinung nach so, wie es ist: Der Überschuss des einen bedeutet das Defizit des anderen.

Die einseitige Orientierung auf den Export hat meiner Meinung nach einen weiteren Pferdefuß: Die Außenhandelsmärkte erweisen sich zuweilen als unsichere Kantonisten. Sind die Wachstumsraten Chinas einmal nicht zweistellig, schon werden die Börsen nervös, und Außenmärkte sind selbstverständlich – auch das haben wir gemerkt – politisch anfällig.

Auch ich erinnere – wie meine Kolleginnen und Kollegen zuvor – an die Auswirkungen des Embargos gegen Russland, das vor allem ostdeutsche Unternehmen betroffen hat. Das hat auch historische Gründe, das wissen wir.

Meine Fraktion hat vor einem Jahr in einem Antrag einen Schutzschirm für von Sanktionen betroffene sächsische Betriebe gefordert.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Sehr richtig!)

Daran möchte ich erinnern.

(Zuruf des Staatsministers Martin Dulig)

Ja, ich weiß; ich bin gleich dabei.

Ich weiß, die Bundesregierung führt den Einbruch des Geschäfts mit Russland auf andere Gründe zurück. Ich zitiere: „Aus Sicht der Bundesregierung treten die wirtschaftlichen Auswirkungen der EU-Sanktionen gegen die Russische Föderation auf Deutschland, etwa auf die Entwicklung der deutschen Exporte nach Russland, hinter andere Faktoren zurück.“

Die Vereinigung der Sächsischen Wirtschaft kommt hingegen zu der Einschätzung – ich zitiere: „Infolge des Ukrainekonfliktes sind die sächsischen Ausfuhren nach Russland 2014 um insgesamt 13 % eingebrochen.“ Und der Präsident vom VSW, Bodo Finger, hat uns erklärt, dass diese Sanktionen vor allem im Umgang zwischen deutschen und russischen Unternehmen einen großen Schaden angerichtet haben und es unglaublich schwerfällt, aufgrund von unfassbarer Unsicherheit die Kommunikation aufrechtzuerhalten.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?