Protokoll der Sitzung vom 13.11.2014

Eine frohe Botschaft des Koalitionsvertrages zu Europa lautet: „Die sächsischen Interessen müssen auf EU-Ebene besser vertreten werden.“ Ja, wir wollen Europa in Sachsen und zum anderen Sachsen in Europa, das heißt die aktivere Vertretung sächsischer Interessen in der EU. Wir nehmen positiv zur Kenntnis, dass entsprechende strukturelle Voraussetzungen geschaffen werden sollen: die Einrichtung eines Europaausschusses hier im Sächsischen Landtag und die Verstärkung der Verbindungsbüros in Brüssel, Prag und Wrocław sowie die Wiedereinführung des Personalpools Europa in der Staatskanzlei.

Wir wünschen uns aber, dass – wie in Brandenburg – eine Mitwirkung des Landes an der sozialen Dimension der EU stattfindet. Dort haben SPD und LINKE unter anderem vereinbart: „In besonderer Weise sehen wir uns in der Verantwortung für die Stärkung der sozialen Dimension der Europäischen Union, vor allem der Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit und Armut. Soziale, ökologische, rechtsstaatliche und demokratische Standards sollen gestärkt und nicht ausgehebelt werden.“ – So lesen sich Aussagen in Koalitionsverträgen, wenn DIE LINKE mitregiert.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass im Koalitionsvertrag keine Silbe zur weiteren Modernisierung der Landesverfassung enthalten ist, enttäuscht uns. Es gab am Ende der Legislaturperiode Einigkeit zwischen den Fraktionsvorsitzenden, weitere Vorhaben zur Änderung der Sächsischen Verfassung voranzubringen. Wir müssen um die Fortschreibung einer einstmals modernen Verfassung ringen, wenn wir nicht den Zug der Zeit verpassen wollen. Dazu laden wir Sie ausdrücklich ein.

(Beifall bei den LINKEN)

Zu den Problemen, die die Menschen bewegen, gehört die drohende und zum Teil schon eingetretene Mietsteigerung durch Wohnungsmangel in Dresden und Leipzig oder durch Sanierungsmaßnahmen. Den Vorschlag der LINKEN aus der vergangenen Legislaturperiode, Baukosten

zuschüsse mit Mietpreisbindung als erstrangiges Instrument aufzunehmen, haben Sie leider nur halbherzig, also ohne Mietpreisbindung und eben nachrangig, aufgenommen. Damit werden Sie die Refinanzierungslücke aus Baukosten und entsprechendem Nettokaltmietenpreis einerseits und der Einkommensentwicklung andererseits bei der Schaffung von günstigem, barrierefreiem sowie energetisch saniertem Wohnraum nicht schließen können.

Sie beginnen zwar im Koalitionsvertrag mit der Kultur, aber die Theater und Opernhäuser sind chronisch unterfinanziert und die Beschäftigten arbeiten zum großen Teil mit Haustarifverträgen, was meist weniger Lohn und mehr Freizeit bedeutet, von der erheblich größeren Selbstausbeutung bei den vielen kleineren Kultureinrichtungen ganz zu schweigen. Wenn man von den drei Seiten Kultur im Koalitionsvertrag die Grundsatzerklärung und Bekenntnisse abzieht, dann bleibt an kulturpolitischer Substanz leider nicht viel übrig.

In der Hochschulpolitik hat sich die CDU mit ihren Forderungen gegen die SPD durchgesetzt. Das Kapitel „Hochschule und Wissenschaft“ im Koalitionsvertrag trägt die Handschrift der CDU. Das Beispiel Leipzig zeigt, wie in Sachsen die Profilbildung an den Hochschulen erfolgt: unkoordiniert und zulasten der Geistes- und Sozialwissenschaften. Es darf nicht sein, dass die Staatsregierung unter Berufung auf die Autonomie der Hochschulen diesen den Schwarzen Peter zuschiebt und nun von ihnen fordert, die Stellenkürzungen vorzunehmen – dort, wo sie es für richtig halten.

Die von Ihnen, Herr Ministerpräsident, als Träger der Richtlinienkompetenz letztlich zu verantwortenden

konzeptionslosen Kürzungen lassen langsam den humanistischen Geist aus der sächsischen Hochschullandschaft weichen. Mit den 85 Millionen Euro, die Sachsen durch die Bundesfinanzierung des BAföG ab 2015 zusätzlich für die Bildungsfinanzierung zur Verfügung hat, wäre es aber zum Beispiel möglich, die vielfältigen Geisteswissenschaften – einschließlich der Theaterwissenschaften – an der Universität Leipzig als Studiengänge zu erhalten. Im Namen der Wissenschaft: Gehen Sie bitte diesen Weg!

(Beifall bei den LINKEN)

Es gibt eine Reihe von weiteren Baustellen, bei denen Sie den Pfusch der Vorgängerregierung beheben müssen:

dass Sachsen Schlusslicht bei den Krankenhausinvestitionen ist; hier hat sogar der auf Sparsamkeit getrimmte Rechnungshof dramatische Defizite aufgezeigt,

dass die Verkehrspolitik unter Morlok den öffentlichen Nahverkehr und den Zugverkehr benachteiligt und vielen Menschen, gerade auf dem Land, die notwendige Mobilität vorenthalten hat,

dass die Kommunen zu wenig Spielraum bei Investitionen in Eigenregie haben.

Die Reparaturmaßnahmen zu diesen und anderen Baustellen sind aus unserer Sicht unzureichend. Darüber werden wir hier in den nächsten Jahren noch oft zu sprechen

haben. Heute möchte ich mich zum Schluss auf einen aktuellen Brennpunkt konzentrieren: die Braunkohle.

Sehr geehrter Herr Tillich! Lieber Martin Dulig! Mit Bittprozessionen nach Schweden lassen sich langfristig Tausende von Industriearbeitsplätzen in der Lausitz nicht sichern. Wenn im vergangenen Jahr in Sachsen 37 Millionen Tonnen Braunkohle abgebaut worden sind – so viel wie seit 1995 nicht mehr –, zeigt das auch, dass Sie, meine Herren, die Braunkohle zurzeit nicht als Brücke in die Zukunft der erneuerbaren Energien, sondern in die Vergangenheit des fossilen Zeitalters nutzen. Das ist eine Sackgasse. Folgen Sie bitte der Intention unseres letzten Antrages im Sächsischen Landtag vor der Sommerpause, in dem wir ein staatliches Forschungsprogramm als Inspiration für einen langfristigen Strukturwandel in der Lausitz gefordert haben. Bisher zeigt Ihr kopfloser Umgang mit dem angekündigten Abschied von Vattenfall stellvertretend für den ganzen Start dieser Regierung: Es ist viel Kontinuität, aber wenig Dynamik dabei. Schade eigentlich!

Ich verspreche Ihnen als Vorsitzender der stärksten Oppositionskraft: Wir werden Ihnen ordentlich einheizen, damit es mit der Dynamik auch klappt.

Vielen Dank. Glück auf!

(Beifall bei den LINKEN und der Abg. Sabine Friedel, SPD)

Auf die Fraktion DIE LINKE, für die gerade Herr Kollege Gebhardt sprach, folgt nun für die CDU-Fraktion Herr Kollege Kupfer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst, Herr Ministerpräsident und Herr stellvertretender Ministerpräsident, darf ich Ihnen im Namen der CDU-Fraktion sehr herzlich zu diesem Kabinett gratulieren.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Meine Damen und Herren! Der MDR hat eine „Zufriedenheitsstudie 2014“ herausgegeben. Bei dieser wurden die Menschen in Sachsen nach ihrer Zufriedenheit befragt, und auf einer Skala von null bis 10 lagen wir bei einem Wert von 7,1.

(Zuruf des Abg. Enrico Stange, DIE LINKE)

Ab 8 wird in die Kategorie „Sehr zufrieden“ eingestuft. Wir sind also nah an der Einschätzung der Gesamtbevölkerung „Sehr zufrieden mit dem Freistaat Sachsen“. Das ist ein sehr gutes Ergebnis. Es ist eine Widerspiegelung der Realität und,

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Das sieht die SPD bestimmt anders!)

meine sehr geehrten Damen und Herren der Staatsregierung, eine Messlatte für die künftige politische Arbeit.

In Stadt und Land ist diese Befragung durchgeführt worden. Es gibt keinen Unterschied in der Zufriedenheit. Die Menschen in der Stadt sind nicht zufriedener als jene auf dem Land, und auch umgekehrt, obwohl es – das wissen wir alle – sehr wohl Unterschiede zwischen den Städten, den großen Städten und dem ländlichen Raum gibt. Im ländlichen Raum haben wir es mit Schrumpfung zu tun, und in den großen Städten haben wir es mit Wachstum zu tun. Wir haben uns deshalb im Koalitionsvertrag dazu verständigt, dass eine spezifischere Förderkulisse entsprechend den unterschiedlichen Bedürfnissen von Stadt und Land auf die Tagesordnung kommt.

Meine Damen und Herren! Mithilfe der bewährten Förderinstrumentarien werden wir im ländlichen Raum weiter für Aufschwung sorgen. Wir werden weiter die Lebensverhältnisse im ländlichen Raum verbessern. Die Integrierte Ländliche Entwicklung wird dazu einen Hauptbeitrag leisten können. Wir werden auch unser Augenmerk auf die Städte verstärken müssen. Mithilfe der bewährten Städtebauförderung durch den Bund und die Europäische Union sowie durch die entsprechende Ausgestaltung der Programme wollen wir gezielt eine integrierte Stadtentwicklung unterstützen. Dazu werden wir eine Überlagerung der Städtebauförderung mit den Fördergebieten der EFRE-Stadtentwicklung ermöglichen und Fördermöglichkeiten für nicht investive Maßnahmen durch ESF-Mittel verbessern. EFRE- und ESF

Programme sollen stärker miteinander verknüpft werden. Ergänzend zu Maßnahmen der Städtebauförderung wollen wir die Wohnraumförderung intensivieren.

Mir ist es dabei wichtig, dass wir das Bauen preiswerter gestalten. Das kann man durch viele Maßnahmen tun, zum Beispiel durch Absenkung von Standards.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Nicht schon wieder! Das wollte die FDP schon machen!)

Das ist eine Aufgabe, die wir uns in den fünf Jahren auf jeden Fall vornehmen müssen: Standards abzubauen, um das Leben zu vereinfachen und das Bauen preiswerter zu gestalten.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Meine Damen und Herren! Wir verfolgen das Ziel, den Neubau bezahlbaren Wohnraums durch die Schaffung baukostensenkender Rahmenbedingungen zu erleichtern. Die Kommunen erhalten die Möglichkeit, ihre Grundstückspolitik stärker als bisher an den Bedürfnissen der Stadtentwicklung auszurichten.

(Enrico Stange, DIE LINKE: Wer bezahlt ihnen das?)

Ganz aktuell ist die Nachricht, dass Sachsens historische und kulturelle Denkmalschätze auch in diesem Jahr erneut Unterstützung durch den Bund erhalten. Das ist etwas, was mich persönlich sehr freut.

Der Freistaat Sachsen erhält circa 1,4 Millionen Euro, die 13 besonders hochwertigen Denkmalen im Freistaat Sachsen zugutekommen sollen – neben den Kirchen

beispielsweise dem Spalatinhaus in Torgau, das bis zum Reformationsjubiläum im Jahr 2017 in seiner alten Schönheit erstrahlen soll. Das war jetzt der Werbeblock in eigener Sache.

(Staatsministerin Dr. Eva-Maria Stange: Das haben wir mitbekommen!)

Als weiteres Beispiel darf ich Ihnen das UT Connewitz in Leipzig nennen. Das ist das älteste noch erhaltene Lichtspieltheater Leipzigs und gehört zu den ältesten in Deutschland. Es ist ein Kleinod, welches seinesgleichen sucht.

(Zuruf des Abg. Sebastian Scheel, DIE LINKE)

Meine Damen und Herren! Für die Beurteilung der Lebensqualität in Sachsen spielt bei den Menschen immer wieder die innere Sicherheit eine besondere Rolle. Bei der inneren Sicherheit – neben den harten Faktoren wie Ausstattung und Personal der sächsischen Polizei – setzen wir bewusst auf bürgerschaftliches Engagement. Als Beispiel ist mir der Sicherheitsstammtisch in Görlitz in guter Erinnerung: Partnerschaften und Kooperationen vor Ort, um die innere Sicherheit und die Wahrnehmung – das ist das eigentliche Problem – für innere Sicherheit zu erhöhen.

Die Sorgen und Nöte der Handwerksbetriebe sowie der kleinen und mittelständischen Unternehmen, die im grenznahen Raum leben, sind uns allen gegenwärtig. Die erlittenen materiellen Schäden, aber auch das verloren gegangene Vertrauen der Menschen, die von Einbruchsdelikten betroffen waren, sind nicht wegzudiskutieren. Hier besteht klarer Handlungsbedarf.

Ich habe dazu kürzlich ein Gespräch mit Vertretern der Handwerkskammern geführt und wir haben uns darauf verständigt, dass die gemeinsame Präventions- und Beratungsarbeit der Betriebe und der Privatpersonen mit der sächsischen Polizei ganz vorn auf der Agenda stehen muss. Es ist wichtig, nicht immer nur zum Staat zu schauen, was dieser machen kann, sondern es ist wichtig, selbst Sensibilität zu entwickeln und selbst etwas dazu beizutragen, dass die innere Sicherheit erhöht wird.

Eine Bitte habe ich in diesem Zusammenhang an die Medienvertreter, die diese Debatte verfolgen. Die Art der Berichterstattung kann viel Schaden anrichten, aber sie kann auch viel Gutes bewirken. Mir wäre es lieb – ich möchte die Medienvertreter dazu einladen –, wenn Sie mehr die Erfolge polizeilicher Arbeit kommunizieren. Das ist ein erheblicher Beitrag dafür, dass die Motivation in der Polizei erhöht wird. Ein wichtiger Aspekt der Wertschätzung ist es aber auf jeden Fall.

Zur Erhöhung der Motivation unserer Polizei gehört auch, dass wir den Polizisten die Möglichkeit zur Verbrechensverfolgung geben. Ich bin dankbar dafür, dass wir uns im Koalitionsvertrag auf die Kennzeichenerfassung einigen konnten.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)