Protokoll der Sitzung vom 13.11.2014

Denn Datenschutz, meine Damen und Herren, darf kein Verbrecherschutz sein. Anfang 1994, meine Damen und Herren – daran darf ich noch einmal erinnern –, hatten wir in Sachsen eine Arbeitslosenquote von 17,3 %. Wir haben jetzt, Ende Oktober 2014, eine Arbeitslosenquote von 8,1 %. Das ist eine deutliche Entwicklung hin zu mehr Beschäftigung im Freistaat Sachsen.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Wie viele Beschäftigungsverhältnisse gibt es denn?)

Das ist zum einen gelungen durch die Politik im Freistaat Sachsen, das ist aber auch gelungen durch die vielen engagierten Unternehmer, die in Sachsen Arbeitsplätze und Lehrstellen geschaffen haben. Wir haben uns im Freistaat Sachsen auf unsere Traditionen zurückbesonnen, die der Schlüssel zum Erfolg sind, nämlich eine gute Mischung der Wirtschaftsstrukturen. Das ist und bleibt ein Markenzeichen im Freistaat Sachsen.

Als Freistaat, als Parlament, als Regierung haben wir immer Wert darauf gelegt, dass wir im Freistaat Sachsen eine hohe Investitionsquote haben. Ich bin außerordentlich dankbar dafür, dass dieser Fakt auch durch die Koalitionsverhandlungen getragen wurde und im Koalitionsvertrag seinen Niederschlag gefunden hat.

Eine Grundvoraussetzung für eine weitere gute wirtschaftliche Entwicklung ist das Angebot an gut ausgebildeten jungen, aber auch älteren Fachkräften. Wir haben ein duales Ausbildungssystem im Freistaat Sachsen. Das werden wir erhalten, weiter fördern und weiter ausbauen. Es ist für jedes einzelne Unternehmen wichtig, nicht nur gut ausgebildete junge Facharbeiter zu haben bzw. überhaupt das Angebot an Lehrlingen zu haben, sondern es ist genauso wichtig, die im Betrieb befindlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu qualifizieren und so zu entwickeln, dass sie einmal Führungsaufgaben in den Unternehmen übernehmen können. Das ist wichtig für den Freistaat Sachsen und die weitere gute wirtschaftliche Entwicklung.

Meine Damen und Herren! Wir haben für die Jahre 2015 und 2016 noch keinen beschlossenen Haushalt. Das ist der Wahl geschuldet. Wir werden uns aber als Parlament bemühen – das darf ich im Namen der CDU-Fraktion auf jeden Fall und, ich denke, auch im Namen der SPDFraktion sagen –, möglichst zügig einen Haushalt zustande zu bringen. Dieser muss natürlich durch die Staatsregierung vorbereitet werden.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Liegt doch alles vor!)

Deshalb meine Bitte an die Staatsregierung, möglichst schnell einen Haushalt vorzulegen, den wir im Parlament beraten und verabschieden können.

Es gibt bei den vielen engagierten Menschen im Lande, die in Vereinen und Verbänden arbeiten, die Sorge, dass sie nicht wissen, wie sie diese Lücke bis zur Bereitstellung der Mittel überbrücken sollen. Artikel 98 der Sächsischen Verfassung ermöglicht der Staatsregierung eine

vorläufige Haushaltsführung. Ich kann die Ressorts nur bitten, in eigener Zuständigkeit ihren Fokus in den nächsten Monaten darauf zu legen, dass die Vereine und Verbände eine Übergangsfinanzierung bekommen, damit es dort in der Arbeit keinen Abbruch gibt.

(Beifall bei den LINKEN und vereinzelt bei der CDU und der SPD)

Meine Damen und Herren! Es stehen noch große Aufgaben vor uns. Wir haben die Pflicht, das Land fit zu machen für das Jahr 2020. Wir wissen, dass nach dem Jahr 2020 der Solidarpakt ausläuft. Wir wissen auch, dass die neue EU-Förderperiode weniger Geld in den Freistaat Sachsen bringen wird. Wir wissen noch nicht, welche finanziellen Auswirkungen der Länderfinanzausgleich auf den Freistaat Sachsen haben wird.

Erlauben Sie mir zum Abschluss ein Zitat unseres ersten Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf. Er hat in seiner ersten Regierungserklärung am 8. November 1990 zum Abschluss gesagt: „Die Aufgaben sind groß, die Herausforderungen sind gewaltig, aber die Chancen, die uns geboten werden, sollten uns ermutigen. Die Bürger unseres Landes haben uns in freien Wahlen die Verantwortung für dieses Land übertragen. Lassen Sie uns gemeinsam dieser Verantwortung gerecht werden.“

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Kollege Kupfer sprach für die CDU-Fraktion. Jetzt folgt für die SPD-Fraktion Herr Kollege Brangs. Bitte, Sie haben das Wort.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Jetzt umdenken!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, auch ich habe zu denjenigen in diesem Haus gehört, die sich zunächst ein wenig gewundert haben, dass wir heute einen Tag nach Ihrer Vereidigung und nachdem gerade das neue Kabinett vereidigt wurde, eine Regierungserklärung von Ihnen hören. Aber nach meiner Verwunderung kam dann sehr schnell Freude, und zwar deshalb, weil ich jetzt hier stehen und die Replik unserer Fraktion auf diese Regierungserklärung geben kann. Es ist natürlich auch eine Ehre, dass ich als Parlamentarischer Geschäftsführer dieses zum ersten Mal und voraussichtlich auch zum letzten Mal tun darf.

Normalerweise würde mein Fraktionsvorsitzender hier stehen, aber er ist gerade zum Staatsminister für Wirtschaft und Arbeit ernannt worden. Es gehört aus unserer Sicht zur guten politischen Kultur, dass man die Trennung zwischen erster und zweiter Gewalt deutlich macht.

(Zurufe der Abg. Sebastian Scheel und Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Deshalb zunächst an dieser Stelle, lieber Martin, liebe Eva, liebe Petra und auch liebe Kolleginnen und Kollegen

der CDU-Fraktion in neuer Verantwortung: Herzlichen Glückwunsch für die Übernahme der neuen Funktionen!

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Ich bin aber auch in einer anderen neuen, alten Rolle. Ich habe von 2004 bis 2009 als Koalitionspartner bereits miterleben dürfen, wie es ist, regierungstragende Fraktion zu sein. Dazwischen gab es eine Episode, die ich mit den Worten eines bekannten SPD-Politikers umschreiben würde: „Und jetzt stehen wir wieder hier in Regierungsverantwortung.“

Aber ich glaube auch, dass die Zeit von 2004 bis 2009 nicht vergleichbar ist. Es gibt sehr, sehr viele Unterschiede. Sie alle kennen ja sicherlich das Sprichwort, dass man niemals in denselben Fluss einsteigen sollte. Das machen wir auch nicht, denn seit 2004 hat sich in der Tat viel verändert. Es gibt viele neue Herausforderungen und es gibt viele neue Sichtweisen auf Themen und deren Lösungsansätze. Natürlich haben sich auch die Stimmgewichte verschoben. Wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten gehen jetzt gestärkt, aber auch mit Respekt und mit einem gewissen Selbstbewusstsein in die neue Regierung.

(Zuruf des Abg. Sebastian Scheel, DIE LINKE)

Ein wichtiger Unterschied zu 2004 ist für mich, dass wir in den nächsten Jahren versuchen wollen, eine andere politische Kultur im Umgang miteinander zu finden. Damit meine ich nicht nur die gestrige Debatte zur Geschäftsordnung – das ist ein Beispiel dafür –, sondern ich meine, dass wir das als Koalition aus SPD und CDU vorleben könnten. Und das sollten wir auch tun.

Ich habe die Koalitionsverhandlungen, an denen ich mitgewirkt habe, in sehr konstruktiver Atmosphäre erlebt. Ich würde mir wünschen, dass wir genau dieses Miteinander, das wir praktiziert haben, fortführen. Wir haben eben nicht versucht, den einen oder anderen zu bekehren, sondern wir haben versucht, gemeinsam Lösungen zu finden, um das Land nach vorn zu bringen. Das sollte der Geist dieser neuen Koalition sein.

Natürlich gab es dabei auch Phasen, in denen wir uns gefragt haben, ob man da wirklich noch eine Einigung erzielen kann, weil wir sehr weit auseinander waren. Aber das ist für mich vollkommen klar und das ist auch gut so. Um es mit den Worten eines Regierenden Bürgermeisters zu sagen: Wir sind unterschiedliche Parteien, wir haben unterschiedliche Standpunkte und wir haben unterschiedliche Lösungsansätze. Aber trotzdem haben wir einen gemeinsamen Koalitionsvertrag verabschiedet, der sich sehen lassen kann. Davon bin ich fest überzeugt.

(Beifall bei SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Klar ist auch, dass solche Koalitionsverhandlungen keine Wunschveranstaltungen sind, sondern dass dort auch immer ein Kompromiss mitschwingt. Es wurde aus meiner Sicht nie der Punkt erreicht, an dem ich gedacht habe, jetzt geht es nicht weiter und hier werden wir uns so

weit auseinander bewegen, dass es keine Einigung gibt. Wir sollten diese Gemeinsamkeiten immer in den Mittelpunkt stellen und diese konstruktive Zusammenarbeit über die Koalitionsverhandlungen hinaus als Grundlage nehmen.

Ich bin davon überzeugt, dass wir mit diesem Koalitionsvertrag eine gute Basis geschaffen haben. Es freut mich, dass insbesondere die Themen Gerechtigkeit und Zukunftssicherung in Sachsen ein wesentlicher Teil in diesem Koalitionsvertrag sind.

Ich möchte auf die einzelnen Häuser zu sprechen kommen, die wir als SPD stellen. In einer gemeinsamen Regierung haben wir aus meiner Sicht Zukunftsthemen besetzt, und wir haben mit der Aufteilung der Ministerien diese Zukunftsthemen dokumentiert.

Uns allen muss klar sein, dass wir nach wie vor ein Riesenproblem mit der Arbeitslosigkeit haben. Sie sinkt zwar, aber wir sollten alles daran setzen, gemeinsam, in unterschiedlichen Rollen, dazu beizutragen, dass wir mehr junge Leute zu einem Schulabschluss und in Ausbildung bringen. Wir müssen dazu beitragen, dass Mädchen und Jungen in Sachsen die Chance bekommen, hier eine Perspektive zu haben. Trotz der guten Zahlen auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt haben wir ein Riesenproblem: Das ist das Thema Langzeitarbeitslosigkeit. Diesem Problem müssen wir uns stellen, auch wenn wir wissen, dass die sächsische Wirtschaft gut dasteht. Manche sagen sogar, dass sie brummen würde.

In diesem Koalitionsvertrag haben wir über das hinaus, was ich hier beschrieben habe, sehr viele gute Punkte benannt. Einige möchte ich nennen: Wir haben uns darauf verständigt – das freut mich sehr –, dass wir den Mittelstand stark fördern und in den Mittelstand investieren wollen. Wir haben das erfolgreiche Förderprogramm „Regionales Wachstum“ neu aufgelegt.

Viele Unternehmerinnen und Unternehmer haben mit uns gesprochen und wir haben darauf reagiert, indem wir das Thema Unternehmensnachfolge als wichtigen Punkt in dem Koalitionsvertrag angesprochen haben. Wir werden einen Fusionsfonds schaffen, damit sich kleinere Unternehmen besser zusammenschließen können und somit mehr Arbeitsplätze und Firmensitze erhalten werden können. Richtig und wichtig ist, dass wir die Gründerinnen und Gründer in diesem Land stärken werden.

Nicht zuletzt – das sei mir gestattet – bin ich sehr froh darüber, dass wir diese Eierscheckenphilosophie beim Thema Fachkräfte endlich beerdigen.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Ich denke, allen muss klar sein, dass man es mit Kaffeekränzchen und Kuchen nicht leisten kann, eine Antwort auf dieses wichtige Thema zu geben. Wir werden es nur dann leisten, wenn wir eine echte Fachkräfteallianz weiterentwickeln zu einer Fachkräftestrategie. Das muss einhergehen mit einem klaren Bekenntnis für Weiterbildung und Bildung.

Es muss ein klares Bekenntnis zur dualen Ausbildung in Betrieb und Berufsschule geben. Allen muss doch klar sein: Es ist schon sehr seltsam, dass China und Spanien unser Modell kopiert haben, und wir selbst haben Probleme, die Zukunft der dualen Ausbildung sicherzustellen. Deshalb ist es gut und richtig, dass wir die duale Ausbildung stärken und absichern wollen. Ich finde es ebenso gut, dass wir den heimischen Mittelstand mit dem Kultusbereich, mit den Schulklassen zusammenbringen und dass wir gemeinsam darüber nachgedacht haben, sie ab der 7. Klasse verpflichtend zueinander zu bringen und das Thema in die Schulen zu transportieren. Das ist ein wichtiger, guter Punkt.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: UTP!)

Wenn die Kollegen der LINKEN das auch so sehen, dann würde ich mich sehr freuen.

Das ist wahrscheinlich nur ein Teil des Problems, warum wir eine außerparlamentarische Opposition haben, die von linkem Zeitgeist spricht. Ich finde, das ist eine Auszeichnung, und ich kann damit sehr gut leben. Wenn Holger Zastrow meint, es sei linker Zeitgeist, dass man sich für Gerechtigkeit, Solidarität und Soziales engagiert, dann machen wir alles richtig.

(Beifall bei der SPD und der Staatsministerin Petra Köpping)

Wir sind uns einig – und das freut mich –, dass wir in diesem Koalitionsvertrag gemeinsam gesagt haben, Sachsen steht für gute Löhne und Sachsen steht für gute Arbeit, und dass das die Grundsätze in der zukünftigen Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik sein sollen. Ich freue mich auch, dass wir uns darauf verständigt haben, dass wir im Rahmen der europäischen Anpassung das Thema Vergabegesetz noch einmal aufrufen werden. Wir werden uns dann genau anschauen, welche Form von sozialen und ökologischen Kriterien dabei eine Rolle spielt.

(Beifall des Abg. Jörg Vieweg, SPD)

Wichtig ist auch, dass wir das Thema des aktiven Arbeitsmarktes wieder stärker in den Fokus rücken. Ich will ein Beispiel bringen: Es gibt leider Gottes die Situation, dass Unternehmen pleite gehen. Das wollen wir alle nicht, und wir versuchen alles zu tun, dass es nicht dazu kommt. Wir haben mit einer Lösung – mit Transfergesellschaften – ein wichtiges Angebot im Koalitionsvertrag formuliert, indem wir versuchen wollen, mit solchen Transfergesellschaften Arbeitsplätze zu sichern und sie als Zwischenlösung anzubieten.

Wir haben ein weiteres Ministerium, das Ministerium für Wissenschaft, Kultur und Kunst, übernommen. Dabei geht es auch um die Frage der Zukunft, denn auch das ist ein Zukunftsministerium. Hier geht es darum, den Wissenschaftsstandort Sachsen weiter zu stärken und ihn attraktiver zu machen, dass wir uns für gute Forschung, Entwicklung und für Fachkräfte und Unternehmensgründung einsetzen werden.

Es ist gut und richtig, dass wir uns eindeutig zu den Studentenwerken bekannt und ein deutliches Signal gesetzt haben, dieses Geld aufzustocken. Ein richtiger Weg ist auch, dass der Stellenabbau im Bereich der Hochschulen zurückgenommen wird, wenn eine entsprechende Hochschulentwicklungsplanung 2025 bis zum Jahr 2016 vorliegt.