Schaut man sich die Summe der Dotation an und vergleicht sie mit den Verträgen in anderen Bundesländern, so sieht man: Der Freistaat gibt deutlich weniger Geld pro Gemeindemitglied aus als andere Bundesländer – weniger als Sachsen-Anhalt, weniger als Thüringen, weniger als Brandenburg. Das ist kein Ruhmesblatt für Sachsen. Man kann zu Horst Seehofer stehen, wie man will – als GRÜNE ist es für mich manchmal recht schwierig –, aber mit Blick auf den klaren politischen Willen zur Stärkung der Jüdischen Gemeinden, die in Bayern nie Bittsteller sind, kann sich Sachsen mehr als eine Scheibe abschneiden. „In Bayern“, sagt Seehofer, „sind wir stolz auf unser jüdisches Kulturerbe. Wir unterstützen die Jüdischen Gemeinden im ganzen Land. Dafür erhöhen wir die jährlichen vertraglichen Leistungen auf 11 Millionen Euro.“ Das hat er 2015 zur Anpassung des Vertrages gesagt. Damit werden die israelitischen Kultusgemeinden in Bayern in die Lage versetzt, laufende Aufgaben im Bereich der Kinder-, Jugend- und Familienbetreuung, der Integration neuer Zuwanderer jüdischen Glaubens oder der Kultur- und Bildungsarbeit noch besser zu erfüllen.
Ich glaube, wir sollten uns mit dem Vertrag nicht selbst beweihräuchern, sondern schauen, wie gut es in anderen Ländern läuft. Ich habe mir von Vertretern der Jüdischen Gemeinden sagen lassen, dass mit Staatsminister Jaeckel und Kultusministerin Kurth ein doch etwas neuer Zug in die Vertragsverhandlungen gekommen ist, als dies in der Vergangenheit der Fall war. Wir hoffen, dass das so bleibt und sich künftige Staatsverträge auch an aktuelle Entwicklungen anpassen. Da der Vertrag trotz seiner Defizite eine Verbesserung des bisherigen Zustandes darstellt und Änderungen in der Debatte nicht möglich sind, wird unsere Fraktion diesem Vertrag zustimmen.
Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde. Gibt es aus den Reihen der Fraktionen Redebedarf für eine zweite Runde? – Das kann ich nicht feststellen. Ich frage die Staatsregierung: Wird das Wort gewünscht? – Herr Staatsminister Gemkow, bitte sehr; Sie haben das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Im Jahr 1990 bestand die jüdische Gemeinschaft in Leipzig aus 26 Mitgliedern – heute sind
es 1 300. Damit bietet Leipzig mit Ausnahme von Berlin der größten Jüdischen Gemeinde in Ostdeutschland eine Heimat.
In Sachsen gibt es drei Jüdische Gemeinden – ihre Sitze haben sie in Leipzig, in Dresden und in Chemnitz – und zusammen kommen sie auf über 2 600 Mitglieder. Das sind, gemessen am Mitgliederstand zur friedlichen Revolution, beeindruckende Zahlen.
Die Gemeinde in meiner Heimatstadt Leipzig bereichert mit ihren Mitgliedern und ihren Gemeindetätigkeiten das kulturelle und religiöse Leben in meiner Heimatstadt, und das weiß ich aus eigenem Erleben. Genauso ist es auch bei den beiden anderen Gemeinden.
Nach dem für unsere jüdischen Mitglieder dramatischen 20. Jahrhundert ist das jüdische Leben wieder in Sachsen zu Hause – Gott sei Dank! Auch deshalb ist es mir heute eine Ehre, über den Gesetzentwurf zum Vertrag zur Änderung des Vertrages des Freistaates Sachsen mit dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden im Namen der Staatsregierung zu sprechen.
Entsprechend der Ressortzugehörigkeit wurde unter Federführung der Staatskanzlei verhandelt; Herr Staatsminister Dr. Jaeckel, den ich hier vertreten darf, bedauert, dass er wegen anderweitiger Terminverpflichtungen heute hier nicht sprechen kann. Er hat mich aber gebeten zu betonen, in welch einer offenen, freundlichen und von gegenseitigem Vertrauen geprägten Atmosphäre die Vertragsgespräche stattgefunden haben. Ich glaube sagen zu können, dass am Ende der Verhandlungen ein für alle Seiten sehr zufriedenstellendes Ergebnis steht.
Besonderer Dank gilt an dieser Stelle dem Vorsitzenden des Landesverbandes, Herrn Aris, und den Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinden in Chemnitz, Dresden und Leipzig, Frau Dr. Röscher, Frau Dr. Goldenbogen und Herrn Kaufmann, die sich für diesen Vertrag eingesetzt und wesentlich zum erfolgreichen Abschluss beigetragen haben. So konnte der Vertrag durch den Ministerpräsidenten am 4. Dezember 2015 unterzeichnet werden. Gleichzeitig danke ich auch den Mitgliedern des federführenden Verfassungs- und Rechtsausschusses und des Haushalts- und Finanzausschusses für die einstimmige Zustimmung zum vorgelegten Gesetzentwurf.
Vertragsverhandlungen zwischen dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden und der Staatsregierung haben mittlerweile auch im Freistaat Sachsen eine kleine Tradition und erfreuen sich gewisser Übung. Bereits am 7. Juni 1994 hatte der Freistaat Sachsen mit dem Landesverband einen ersten Vertrag geschlossen im Bewusstsein, für das jüdische Leben in diesem Land eine besondere Verantwortung zu tragen, die aus der Geschichte unseres Landes erwachsen ist, außerdem im Bestreben, das kulturelle Erbe des Judentums im Freistaat zu wahren und zu pflegen, und im Wunsch, das freundschaftliche Verhältnis zwischen Sachsen und der jüdischen Glaubensgemeinschaft zu fördern und zu festigen.
Damit war Sachsen neben Thüringen eines der ersten Bundesländer, das seine Beziehung zur jüdischen Gemeinschaft nach der friedlichen Revolution auf eine rechtssichere Grundlage gestellt hat.
Mit dem Abschluss eines Vertrages wird dem Auftrag unserer Verfassung entsprochen, der den Freistaat Sachsen dazu verpflichtet, seine Beziehung zu Kirchen und Religionsgemeinschaften durch einen Vertrag zu regeln.
Die inhaltliche Ausgestaltung des Vertrages bleibt bei der jetzigen Modifizierung unverändert. Wie bisher erfolgt der Vertragsabschluss mit dem Landesverband als Dachorganisation der drei jüdischen Gemeinden. Es bleibt auch weiterhin Aufgabe des Landesverbandes, in Vollziehung der vertraglichen Vereinbarung die ihm zugewandten Mittel den verbandsangehörigen Gemeinden zuzuleiten.
Mit Blick auf die Rechtsprechung wird aber klargestellt, dass der Freistaat mit der zur Verfügung gestellten Landesleistung nicht ausschließlich den Landesverband mit seinen Gemeinden, sondern die gesamte jüdische Glaubensgemeinschaft in Sachsen zur Erhaltung und Pflege des jüdischen Lebens unterstützt.
Die jährliche Landesleistung wird ab dem Jahr 2015 auf 950 000 Euro erhöht. Im Rahmen der Verhandlungen wurden Mehrbedarfe bei Objekt- und Personalkosten festgestellt. Auch rabbinische Belange wurden angesprochen; denn es ist so – das ist schon angesprochen worden –, dass anstelle des bislang eingesetzten Landesrabbiners jetzt drei Gemeinderabbiner tätig sind. Den Mehrbedarfen dafür wurde mit der Erhöhung der Landesleistungen Rechnung getragen. Außerdem werden die Vertragsinhalte und die Höhe der Landesleistung in Zukunft spätestens nach Ablauf von sechs Jahren überprüft.
Im am 4. Dezember 2015 unterzeichneten Vertrag wurde noch etwas zum Ausdruck gebracht, das auch ich für besonders wichtig erachte: dass nämlich das Unterrichtsfach Jüdischer Religionsunterricht bei Vorliegen der Voraussetzungen als ordentliches Lehrfach in Sachsen eingeführt werden soll. Beide Vertragspartner haben sich darauf geeinigt, die erwähnten Voraussetzungen dafür zu prüfen. Sollten sie vorliegen, soll der Religionsunterricht wenigstens in den Schulen der drei großen Städte eingeführt werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Warum ist dieser Vertrag überhaupt so wichtig für uns? Weil er die Grundlage für ein gutes Zusammenwirken von Freistaat und jüdischen Gemeinden schafft, weil er zeigt, dass wir uns der Verantwortung, die uns unsere Geschichte aufträgt, stellen, und weil es uns, einfach gesagt, wichtig ist, dass jüdisches Leben in Sachsen wieder wachsen und gedeihen kann.
Ich freue mich ehrlich darüber, wenn ich höre, mit welcher gegenseitigen Wertschätzung die Verhandlungen geführt wurden. Das ist ein gutes Zeichen, und der Vertrag ist ein gutes Ergebnis dieser Verhandlungen. Deshalb möchte ich Sie bitten, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen.
Meine Damen und Herren! Wir kommen gleich zur Abstimmung. Ich frage aber zunächst die Berichterstatterin des Ausschusses, Frau Meier, ob das Wort gewünscht wird. – Das kann ich nicht feststellen.
Aufgerufen ist das Gesetz zum Vertrag zur Änderung des Vertrages des Freistaates Sachsen mit dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden, Drucksache 6/3570. Abgestimmt wird auf der Grundlage der Beschlussempfehlung des Verfassungs- und Rechtsausschusses, Drucksache 6/4436.
Meine Damen und Herren! Darf ich es wagen, bezüglich der artikelweisen Abstimmung die Überschrift, Artikel 1 und Artikel 2 en bloc aufzurufen?
Ich darf. Vielen herzlichen Dank. – Wer der Überschrift, Artikel 1 und Artikel 2 seine Zustimmung geben möchte, der zeigt das jetzt bitte an. – Gibt es Gegenstimmen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Bei keinen Gegenstimmen und keinen Stimmenthaltungen stelle ich Einstimmigkeit bei der Beschlussfassung fest.
Meine Damen und Herrn! Wir kommen nun zur Abstimmung über das Gesetz als Ganzes: Gesetz zum Vertrag zur Änderung des Vertrages des Freistaates Sachsen mit dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden in der in der 2. Lesung beschlossenen Fassung. Wer stimmt zu? – Stimmt jemand dagegen? – Enthält sich jemand der Stimme? Ich stelle Einstimmigkeit fest. Damit ist das Gesetz beschlossen worden, und dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.
Die Fraktionen nehmen wie folgt Stellung: CDU, SPD, DIE LINKE, AfD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, und die Staatsregierung, wenn das Wort gewünscht wird.
Wir beginnen mit der Aussprache. Für die CDU-Fraktion Herr Abg. Ittershagen. Herr Ittershagen, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Spracherwerb und Wertevermittlung als Schlüssel für schulische Bildung und Integration, das ist das Thema des vorliegenden Antrags der Koalition.
Die Entwicklungen des letzten Jahres, der massenhafte Zustrom von Flüchtlingen und Migranten nach Deutschland und Sachsen, stellen uns alle – Freistaat, Kommunen, ja, die gesamte Gesellschaft – vor enorme Herausforderungen.
Mit dem vorliegenden Antrag fassen wir die Erfahrungen und Entwicklungen der letzten Monate zusammen für einen verbesserten und institutionalisierten Spracherwerb und eine bessere Wertevermittlung mit dem Ziel einer tatsächlichen Integration.
Zunächst ist festzustellen, dass die wirklich großen Herausforderungen dann beginnen, wenn das rein Organisatorische erledigt ist, wenn die zu uns kommenden Flüchtlinge und Migranten ein Dach über dem Kopf haben und versorgt sind.
Die Herausforderungen beginnen dann, wenn ein Teil dieser Menschen einen gesicherten Bleibestatus hat und in
unsere Gesellschaft integriert werden muss. Spätestens dann beginnt ein Transformationsprozess vom schutzsuchenden Flüchtling hin zum bleibewilligen Migranten, der zunächst hier seine Lebensperspektive sieht. Dies muss in eine von beiden Seiten aktiv gewollte und akzeptierte Integration münden.
Zuwanderung und Integration brauchen konkrete Rahmenbedingungen und Regeln. Hierzu gehört zweifelsohne der rasche Erwerb der deutschen Sprache. Dies gilt ganz besonders für die Kinder der Migranten. Nur mit der konsequenten Erlangung von Sprachkompetenz wird ihnen die Chance eröffnet, aktiv am Bildungssystem und am Bildungserfolg teilzuhaben.
Obwohl wir schon auf einem guten Kurs sind, bleiben wir als Freistaat in einer dauerhaften Verantwortung. In Windeseile hat der Freistaat eine Vielzahl notwendiger DaZ-Lehrerstellen geschaffen. Das ist eine enorme Leistung. Die Kommunen stehen dem in nichts nach und haben als Schulträger unter starken finanziellen und organisatorischen Belastungen die notwendigen Infrastrukturen bereitgestellt, um einen möglichst organisierten DaZ-Unterricht zu realisieren.
Mittlerweile gibt es fast 7 000 Schüler in circa 450 Vorbereitungsklassen. Zum Vergleich: Zum Schuljahresbeginn gab es 3 700 Schüler in 290 Vorbereitungsklassen. Da Sachsen erst zwei Drittel der unbegleiteten minderjährigen Ausländer aufgenommen hat, zu deren Aufnahme das Land verpflichtet ist, kommen allein dadurch noch weite
re 1 000 schulpflichtige Kinder und Jugendliche dazu. Die Zahl der DaZ-Lehrkräfte ist von 330 zu Schuljahresbeginn in lediglich sechs Monaten auf 850 gestiegen.
Dabei treten jedoch nun auch nach und nach die Grenzen der Belastbarkeit der betroffenen Kommunen und auch des Freistaats zutage. Wir dürfen dies nicht unberücksichtigt lassen.
Alles in allem sind bereits kleine Erfolge sichtbar. Wenn die Kinder der Migranten rasch in die Lage versetzt werden, am gemeinsamen Unterricht mit den sächsischen Schülerinnen und Schülern teilzunehmen, dann ist das die beste Grundlage für eine erfolgreiche Integration. Auf dieser Basis baut sich alles Weitere auf: