Protokoll der Sitzung vom 16.03.2016

Auseinandersetzung mit der politischen und der rechtsstaatlichen Ordnung.

Und: Die Staatsregierung hat am 4. März 2016 beschlossen, die Mittel für die Akteure der politischen Bildung aufzustocken. Unser Ziel ist es, Defiziten adressatengerecht entgegenzuwirken, meine Damen und Herren, damit Werte erfahren, vermittelt und selbstverständlich gelebt werden.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Meine Damen und Herren! Das Schlusswort haben die Fraktionen CDU und SPD. Es wird von Herrn Abg. Ittershagen gehalten. Bitte sehr.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Frau Falken, vielleicht noch einmal zur Klarstellung: Es geht uns um Wertevermittlung als Ganzes. Dazu gehören die christlichen Werte, aber es ist natürlich viel mehr als das. Es geht zentral um das Verstehen der Grundlagen unserer Gesellschaft.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Frau Dr. Petry, noch einmal ganz kurz zu Ihnen: Ich kann mich hier nicht mit Bundespolitik befassen. Ich würde das gern tun. Es wäre abendfüllend, aber es würde uns keinen Millimeter voranbringen. Wir müssen uns dem stellen, was wir hier vorfinden. Ich bin durchaus der Meinung, dass wir diese Herausforderung konkret angehen.

Ich hätte mich auch gern mit Ihnen über Ihre konkreten Vorschläge oder Konzepte unterhalten, wenn ich sie finden würde. Man kann darüber vortrefflich streiten, selbstverständlich. Aber dann müssen Sie etwas vorweisen. Das ist wahrscheinlich der Unterschied zwischen uns und Ihnen: Sie kritisieren – gut, das ist das Recht der Opposition –, Sie lamentieren, fabulieren und schwadronieren.

(Einzelbeifall bei der CDU)

Im Gegensatz dazu erkennen wir die Probleme und gehen diese Probleme konkret an. Ich bin froh, dass im weitesten Sinne dem Grunde nach Übereinstimmung in diesem Hause besteht.

Ich bitte um Zustimmung zum Antrag.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Damit kommen wir zur Abstimmung über die Drucksache 6/6464. Frau Falken, Sie sprachen von zwei Teilen. Stimmen Sie mit mir überein, dass der erste Teil „Feststellungsteil“ und der zweite Teil „Beschlussteil“ heißen könnte?

(Cornelia Falken, DIE LINKE: Ja!)

Dann lasse ich über den ersten Teil, den Feststellungsteil, abstimmen. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Danke sehr. Bei zahlreichen Stimmenthaltungen und Stimmen dagegen hat der Feststellungsteil des Antrags dennoch seine Mehrheit gefunden.

Ich lasse über den Beschlussteil abstimmen. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Vielen Dank. Ohne Gegenstimmen, aber bei Stimmenthaltungen mehrheitlich angenommen.

Ich komme zur Schlussabstimmung über die Drucksache 6/4464. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Vielen Dank. Ohne Gegenstimmen, aber bei zahlreichen Stimmenthaltungen ist die Drucksache 6/4464 mehrheitlich beschlossen.

Meine Damen und Herren! Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Wir kommen zum

Tagesordnungspunkt 7

Evaluation der Tätigkeit der Stiftung Sächsische Gedenkstätten

Drucksache 6/4433, Antrag der Fraktion DIE LINKE

Für die Aussprache ist folgende Reihenfolge vorgesehen: DIE LINKE, CDU, SPD, AfD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Staatsregierung, wenn das Wort gewünscht wird. Wir beginnen die Aussprache. Für die Fraktion DIE LINKE erhält Herr Abg. Sodann das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ihnen liegt heute ein Antrag der LINKEN zur Abstimmung vor, in dem die Vertreter der Staatsregierung mit der Stiftung Sächsische Gedenkstätten aufgefordert werden, auf eine Evaluierung der Arbeitsweise selbiger hinzuwirken.

Bertolt Brecht sagte 1952 auf dem Völkerkongress für den Frieden: „Das Gedächtnis der Menschheit für erduldete Leiden ist erstaunlich kurz.“ Darum braucht es Gedenkstätten. Aufgrund der vielen Stätten politisch verordneter und grausam umgesetzter Unmenschlichkeit zwischen 1933 und 1945, von 1945 bis 1949 und von 1949 bis 1989 in Sachsen gibt es hier seit 1994 die vom Freistaat gegründete und finanzierte Stiftung Sächsische Gedenkstätten. Sie soll mit ihrer Arbeit das Gedenken an die Opfer bewahren und die Verantwortung der Täter benennen. Sie soll die Strukturen und Methoden der jeweiligen Herrschaftssysteme offenlegen und den beispielgebenden Mut von Widerstand und Opposition würdigen.

Wie bedeutsam diese politisch-historische Bildung gerade hier, gerade heute ist, muss nicht nur der Sächsischen Staatsregierung inzwischen klar geworden sein. Jedoch müssen wir konstatieren, dass die Stiftung, in deren Trägerschaft unter anderem die Gedenkstätten Bautzen, Münchner Platz Dresden, Pirna-Sonnenstein, DIZ Torgau und Ehrenhain Zeithain sind, seit geraumer Zeit nicht in dieser Richtung wahrgenommen wird. Vielmehr zeichnet sie sich öffentlich und höchst unrühmlich durch interne Querelen aus, und das bundesweit.

„DIE ZEIT“, „DIE WELT“, „Der Tagesspiegel“, der „Focus“ oder „SPIEGEL ONLINE“ berichten über

Personalstreitigkeiten, Kündigungen von Mitarbeitern, Kündigungen von Kooperationsverträgen, Verleumdungen, ungleich verteilten Fördermitteln, Repressionen seitens der Geschäftsführung gegenüber Mitarbeitern und Institutionen. Immer wieder landet man vor Gericht. Das gipfelte zuletzt in einem Arbeitsrechtsstreit wegen angeblich geführter Schwarzkassen in Bautzen. Den von den Medien begleiteten Streit verlor die Stiftung. Die bis dato gekündigte Mitarbeiterin musste infolge des Urteils wieder eingestellt werden.

Öffentlich distanzieren sich mittlerweile Personalrat, Fördervereine und gesellschaftlich Aktive in der Gedenkpolitik von der Geschäftsführung, so unter anderem Frank Richter, Direktor der Landeszentrale für politische Bildung: „Ich wünsche mir im Sinne der politischen Bildung für die Gedenkstätten dringend wieder ein größeres Maß an Selbstständigkeit.“ Karl Wilhelm Fricke, ehemaliger Redakteur des Deutschlandfunks und 1956 einer der ersten politischen Gefangenen in Bautzen, sagt:

„Ich bin in großer Sorge um die Gedenkstätte.“ Prof. Uwe Hirschfeld von der Evangelischen Hochschule in Dresden stellt fest: „Die Stiftung ist stark zentralistisch organisiert und auf den Geschäftsführer zugeschnitten, der willkürlich agieren kann.“

Eine ehemalige Mitarbeiterin berichtet: „Jedes Detail musste man sich genehmigen lassen, jeden Kontakt zu anderen Einrichtungen oder gar Medien und Landtagsabgeordneten melden.“ Ständig sei mit disziplinarischen Maßnahmen gedroht worden. Und die erste Sprecherin des NS-Opferverbandes VVN-BdA sagt: „Die Stiftung verschleppt die NS-Aufarbeitung in Bautzen genauso wie in Torgau. Wir werden nicht eingebunden, kommen keinen Schritt weiter […] Die Zeit vor 1945 wird nicht angemessen berücksichtigt, die Zeit nach 1945 dagegen einseitig betont.“

Aber nicht nur über die Stiftung wird berichtet, sondern der stellvertretende Geschäftsführer Dr. Bert Pampel trägt

seine privaten politischen Meinungen über den TwitterKanal seines Geldgebers nach außen. Er schrieb: „Regierung, die sich nicht an Recht und Gesetz hält, trägt Mitschuld, wenn Bürger sich gegen illegale Einwanderung wehren“ – und das von einer Stiftung mit demokatischem Bildungsauftrag. Diese Anmaßung blieb folgenlos. Ach nein, nicht ganz: Der Account darf nicht mehr für private Zwecke genutzt werden – wie hart!

Als Geschäftsführer der Stiftung installierte die CDU 2009 den Geophysiker Siegfried Reiprich, obwohl die Wahl des Stiftungsrats auf den Historiker und SPD-Mann Christoph Meyer gefallen war. Dieser konstatierte kürzlich: „An meinem Fall sollte ein Exempel statuiert werden. Ziel war es, die Stiftung so auszurichten, dass DDRUnrecht eindeutig im Vordergrund steht. Herr Reiprich steht als Person für diesen Ansatz.“ Wie zutreffend diese Einschätzung ist, fördert auch eine Kleine Anfrage der Kollegin Claudia Maicher von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zutage – vielen lieben Dank dafür.

In den letzten drei Jahren wurden circa 15 % der Fördermittel der Stiftung für den Themenbereich NSAufarbeitung und 85 % für die Themenbereiche Sowjetische Besatzungszone und DDR-Unrecht bewilligt. Die Begründung dafür, dass diese Kassenlage mit den Feierlichkeiten zu 25 Jahren deutscher Einheit zu tun hat, ist meines Erachtens hanebüchen. Hier ist eine Schieflage der Schwerpunktsetzung augenscheinlich.

Das passt doch alles in die derzeitige Entwicklung im Land. Wenn man jahrelang die Aufarbeitung der NSVergangenheit, und sei es nur projektbezogen, vernachlässigt, ist es infolgedessen doch kein Wunder, dass es auf Sachsens Straßen so aussieht, wie es aussieht. Nun sagen Sie, dies betreffe nur die Fördergelder, auf institutioneller Ebene sehe das alles ganz anders aus. Jedoch sollte man auch dort genauer hinsehen in Bezug auf die Ausrichtung der Tätigkeitsfelder, des Personals und der Gedenkstätten. Außerdem, finde ich, kommt hinzu, dass 800 000 Euro ausgereichte Fördermittel im Jahr 2015 beileibe kein Pappenstiel sind. Bei paritätischer Ausschüttung derselben wäre in Richtung NS-Vergangenheitsaufklärung viel mehr möglich gewesen.

Auch lasse ich Aussagen wie „Es gab zu wenige Anträge seitens der Verbände mit Themenbereich Nationalsozialismus“ nicht gelten. Diese sind auf dem Rücken der schon zahlreich verstorbenen Betroffenen und Augenzeugen zynisch. Es ist wohl auch originäre Aufgabe einer Stiftung, selbst Projekte in dieser Richtung anzuregen.

Eine Frage, die darum auch beantwortet werden muss, ist, wie die Stiftung ihre bildungspolitischen Aufgaben Aufklärung, Erinnerung und Bewahrung in Zukunft zu erfüllen gedenkt. Ein Konzept dazu gibt es freilich nicht. Trotz mehrfacher Aufforderung des Stiftungsrats hat die Geschäftsführung seit 2010 keine Stiftungskonzeption erarbeitet. Es liegt nur ein Entwurf von 2009 vor, den 2008 noch der Vorgänger Klaus-Dieter Müller geschrieben hat.

Auch hat die Stiftung in den vergangenen Jahren vieles darangesetzt, gesellschaftliche und bürgerliche Initiativen zur Erinnerung an die Opfer der NS-Zeit zu erschweren. Da gibt es zum Beispiel die sogenannte Gruppe Brenner, die aus bis zu 40 Personen besteht. Diese betreiben ehrenamtlich Grundlagenforschung zu den Opfern des NS in Sachsen. Durch deren Archivarbeit konnte die Zahl der ins frühere KZ Sachsenburg verschleppten Häftlinge erstmals annähernd genau bestimmt werden. Statt der bisher vermuteten 2 000 Internierten können nun über 6 000 Personen dokumentarisch belegt werden. Ebenso konnten mehr als 14 000 Verurteilte aus NS-Strafprozessen erstmals ermittelt werden.

Diese so wichtige Arbeit wurde durch die Stiftung minimal mit jährlichen Beträgen zwischen 1 000 und 3 000 Euro unterstützt, für die Erstattung von Fahrtkosten – bis zum Dezember 2013. Da wurde dann ohne Begründung die Verlängerung des jährlichen Kooperationsvertrags durch die Stiftung verweigert, obwohl die Forschungsarbeiten noch keineswegs abgeschlossen waren und sind. Die Suche nach einem gemeinsamen Gespräch blieb ergebnislos.

Apropos Gesprächstermine: Umsonst bat auch der Förderverein Zeithain um einen solchen, wurde doch der Kooperationsvertrag seitens der Stiftung gekündigt. Siegfried Reiprich begründet dies so: „Sie haben im November vorigen Jahres schwere Vorwürfe gegen meine Arbeit und die der Geschäftsführung gegenüber Staatsministerin Frau Dr. Stange geäußert, ohne diese mit mir zuvor besprechen zu wollen oder diese wenigstens im Nachhinein zu begründen. Die Bitte nach Übersendung Ihres Schreibens“ an mich „lehnten Sie ab.“ Die Nichtherausgabe eines Briefes an den Geschäftsführer der Stiftung führt also zur Kündigung eines Vertrages?

Ich meine, all diese Vorkommnisse rechtfertigen die Frage, ob die Stiftung in der derzeitigen Verfassung ihren gesetzlichen Auftrag überhaupt noch erfüllt oder erfüllen kann. Ministerin Stange distanziert sich als Vorsitzende des Stiftungsrats von der Geschäftsführung, jedoch habe sie keine weitere Handhabe. Das ist kaum zu fassen. Um als Freistaat die Handhabe wiederzuerlangen und weiteren Schaden vom Land und der Stiftung abzuwenden, fordern wir dringend eine Überprüfung der Stiftungstätigkeit, zumal es eine solche Überprüfung seit Gründung der Stiftung 1994 nicht gegeben hat.

Wir fordern, die Arbeit der Stiftung von einer Kommission evaluieren zu lassen, die mit externen – ich betone: externen – Fachleuten aus der historischen Forschung und der Gedenkstättenarbeit in anderen Bundesländern besetzt ist. Diese soll sich insbesondere der gedenk- und förderpolitischen Ausrichtung der Stiftung, der Überprüfung der Sachgerechtigkeit, der Organisations-, Personal- und Finanzstrukturen, der Arbeit des Geschäftsführers und der Gremien der Stiftung, der Verfahren und Kriterien zur Verteilung der Stiftungsmittel und der Zusammenarbeit mit bürgerschaftlichen Initiativen und Fördervereinen widmen.

Im Sinne der politisch-demokratischen Bildung gerade in der heutigen Zeit bitte ich Sie: Stimmen Sie unserem Antrag zu.

Haben Sie vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den LINKEN und der Abg. Katja Meier, GRÜNE)

Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion ist an der Reihe. Bitte sehr, Frau Abg. Fiedler, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Gestützt auf Traditionen der sächsischen Verfassungsgeschichte, ausgehend von den leidvollen Erfahrungen nationalsozialistischer und kommunistischer Gewaltherrschaft, eingedenk eigener Schuld an seiner Vergangenheit, von dem Willen geleitet, der Gerechtigkeit, dem Frieden und der Bewahrung der Schöpfung zu dienen“, so steht es in der Präambel unserer Sächsischen Verfassung, auf die wir alle hier einen Eid abgelegt haben. Dieser Duktus ist geprägt von zwei Diktaturen und der Verantwortung, die daraus erwächst, und spiegelt sich auch in dem fraktionsübergreifend beschlossenen Gedenkstättengesetz wider, welches im Konsens mit den Opferverbänden erarbeitet wurde.