Protokoll der Sitzung vom 16.03.2016

(Beifall des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE – Lachen bei der AfD)

und gegen die Beschlussempfehlung des Ausschusses – oder so ähnlich.

Vielen Dank.

(Vereinzelt Beifall bei den LINKEN)

Ich rufe jetzt die CDU-Fraktion auf; Herr Abg. Schiemann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube nicht, dass es am politischen Willen gemangelt hat, denn der Europaausschuss hat ja eine Sondersitzung durchgeführt und sich innerhalb der Sondersitzung mit dem Antrag auseinandergesetzt. Ich möchte für meine Fraktion in Anspruch nehmen: Wir haben ein großes Interesse an der aktiven Beteiligung des Sächsischen Landtags an Fragen der EU-Gesetzgebung im Rahmen des Frühwarnsystems. Wir haben dieses Interesse, weil wir unser Land entsprechend auch in Europa vertreten wollen und weil wir nicht wollen, dass europäische Entscheidungen in unser nationales Recht, aber auch nicht in unser Recht des Freistaates Sachen in ungebührlicher Art und Weise eingreifen.

(Beifall bei der CDU)

Es steht deshalb außer Frage, dass wir die Frage der Subsidiaritätsrüge und der Subsidiaritätsbedenken, aber auch die Möglichkeit, im Rahmen des politischen Dialogs in diesem Verfahren zu wirken, hier im Sächsischen Landtag aufgreifen. Wir stehen als Sachwalter für die Interessen der Menschen, die sich im Freistaat Sachsen zu Hause fühlen. Und das haben wir auch in der Beratung im Europaausschuss getan.

Der Europaausschuss des Sächsischen Landtags hat sich in seiner Sondersitzung am 27. Januar 2016 sehr umfassend und ausgiebig mit dem Antrag zur Erklärung von Subsidiaritätsbedenken nach Artikel 12 b des EU

Vertrages befasst. Dabei hatten wir zu prüfen, ob die Gesetzgebungskompetenz des Freistaates Sachsen betroffen ist. Konkret stelle ich hier die Frage, ob es sich um Polizeirecht oder Strafrecht handelt. Diesen Prüfmaßstab, haben wir vereinbart, immer in Anspruch zu nehmen, wenn es um Subsidiaritätsrügen oder -bedenken geht.

Beim Strafrecht bezüglich des Terrorismus befinden wir uns in der konkurrierenden Gesetzgebung und damit klar bei der Gesetzgebungskompetenz des Bundestages. Die

Richtlinie betrifft klar und deutlich die Schaffung strafrechtlicher Normen. Der einreichenden Fraktion ist es auch nicht gelungen, mit dem Verweis auf die Überhöhung der inneren Tatseite in Artikel 3 der Richtlinie Subsidiaritätsbedenken zu begründen. Gerade Artikel 3 ist bereits inhaltsgleich Bestandteil des Rahmenbeschlusses vom 13. Juni 2002 – ich wiederhole: des Rahmenbeschlusses vom 13. Juni 2002 – zur Terrorismusbekämpfung unter Artikel 1 aufgeführt. Dieser Rahmenbeschluss wurde mit dem Umsetzungsgesetz vom 22. Dezember 2003 in deutsches Recht umgesetzt. Damit wird auch klar Bundesrecht beschrieben und in der Zwischenzeit seit 2003 bis 2016 hat niemand diese Umsetzung des Bundesrechts kritisiert.

Auch und besonders die Frage zu Artikel 9, ob es sich dabei noch um Strafrecht handelt, wurde im Ausschussverfahren geprüft. Dabei geht es um die Norm der Unterstrafestellung von Ausreisen zum Zwecke der Vorbereitung schwerer staatsgefährdender Gewalttaten. Dabei ist die Kritik an Artikel 9 nicht von der Hand zu weisen. Der Deutsche Bundestag hat in seiner Entscheidung vom 20. Juni 2015 durch die Änderung des Gesetzes zur Änderung der Verfolgung der Vorbereitung von schweren staatsgefährdenden Gewalttaten in § 89 a Strafgesetzbuch bereits reagiert.

Dennoch wird der nationale Gesetzgeber Deutscher Bundestag vor einer schwierigen Herausforderung bei der Umsetzung des EU-Vorschlages dieser Rahmenrichtlinie stehen. Ich hoffe, dass nach Klarstellung der EU-Kommission die aufgestellten Grundsätze im Rahmen des europäischen, internationalen und besonders des Verfassungsrechts der Länder und des Grundgesetzes umsetzbar sind.

Das bedeutet im Besonderen: Einhaltung geltenden deutschen Verfassungsrechts, keine Schaffung von Straftatbeständen, die sich dem Vorwurf des Gesinnungsstrafrechts aussetzen, Beachtung des Rechtsstaatsprinzips und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.

Die EU-Kommission und die Nationalstaaten haben sich aber dennoch in Vorbereitung von Richtlinien strenger der Frage der Bestimmtheit der Norm zu stellen. Das ist etwas, was man verfassungsrechtlich durchaus insbesondere im Artikel 9 kritisch bemerken muss. Es ist aber deutlich zu sagen, dass es keine subsidiäre Herausforderung für den Freistaat Sachsen ist, sondern es ist später für den Bundesgesetzgeber eine Aufgabe, sich hier dann auch rechtskonform dem Grundgesetz entsprechend zu verhalten und das Recht umzusetzen.

Auch der Grundsatz „Keine Strafe ohne Gesetz“ muss deutlicher beachtet werden. Es darf keine Abstriche bei der Rechtsstaatlichkeit geben.

Ich fasse zusammen: In der Sondersitzung zur Prüfung der Subsidiaritätsbedenken der einreichenden Fraktion haben wir nach umfassender Diskussion festgestellt, dass es sich um Strafrecht handelt und damit Bundeskompetenz beschrieben ist und die Fragen des Freistaates Sachsen damit nicht in erstrangiger Form betroffen sind. Die

Gesetzgebungskompetenzen des Freistaates sind dabei nicht betroffen. In der weiteren Diskussion haben wir uns kritisch mit der Richtlinie der EU befasst. Wir haben auch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz diskutiert. Ich glaube, das gehört auch in die Phase des politischen Dialogs. Der Ausschuss hat mehrheitlich die Ablehnung des Antrags der Linksfraktion beschlossen.

Für die Zukunft halten wir es weiter für zwingend notwendig, den politischen Dialog im Rahmen der Subsidiaritätsprüfung zu führen.

(Beifall des Abg. Enrico Stange, DIE LINKE)

Wir werden das künftig so führen, dass wir uns nicht nur auf die Subsidiaritätsrüge und die Subsidiaritätsbedenken, sondern auch auf den politischen Dialog konzentrieren.

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Ich glaube, mit der Sondersitzung haben wir es getan. Ich kann Sie aber alle nur bitten, hier nicht politisch zu entscheiden, sondern der Beschlussempfehlung des Europaausschusses zu folgen.

Ich danke Ihnen für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der Staatsregierung)

Die SPD-Fraktion, bitte; Herr Baumann-Hasske.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Das, was ich vorbereitet hatte, ist etwas durcheinandergeraten, aber das macht nichts.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Das liegt an Herrn Schiemann!)

Ich möchte wirklich einmal auf den Punkt kommen. Wir diskutieren über die Frage, ob wir nur Subsidiaritätsrügen oder auch Subsidiaritätsbedenken zum Ausdruck bringen können. Herr Stange, ich fasse das jetzt einmal so zusammen, weil das der Punkt war, auf den Sie sehr stark zugesteuert hatten.

Ich glaube aber, dass wir uns schon seit Längerem darüber einig sind, dass sich der Europaausschuss selbstverständlich auch mit Bedenken auseinandersetzen darf.

Nichtsdestoweniger hat der Ausschuss in seiner Sondersitzung zunächst einmal geprüft, ob eine Rüge angebracht ist, und ist zu dem Ergebnis gekommen, die Gesetzgebungskompetenz des Freistaates sei nicht betroffen.

(Zuruf des Abg. Enrico Stange, DIE LINKE)

Wir haben dann schon über Polizeirecht diskutiert. Dabei haben Sie unter anderem vertreten: Dadurch, dass bei diesen strafrechtlichen Regelungen die Strafbarkeit so weit in den Vorsatz verlagert werde, könnte man meinen, dass Polizeirecht betroffen wäre und deswegen dann insoweit vielleicht doch die Gesetzgebungskompetenz des Freistaates betroffen wäre. Das wäre möglicherweise

Grund für eine Rüge gewesen. Das haben wir ausführlich diskutiert und sind zu dem Ergebnis gekommen, nein, eine Rüge ist nicht erforderlich, und dann war die Frage, ob wir Subsidiaritätsbedenken erheben. Dabei muss man auch noch einmal genau hingucken, worum es eigentlich geht. Der Kollege Schiemann hat das eben auch noch einmal etwas ausführlicher dargestellt.

Wir sollten uns darüber klar sein, dass diese Regelung auf europäischer Ebene eine Richtlinie, also Rahmengesetzgebung ist. Wenn man der Auffassung ist, dass in dieser Richtlinie zu viele unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet werden, die in der Rechtsanwendung dazu führen könnten, dass Menschen möglicherweise sogar willkürlich der Strafverfolgung unterzogen werden – das wäre, sehr knapp gefasst, der Vorwurf, der dahinter steht –, dann muss man natürlich bedenken, dass diese Richtlinie nicht unmittelbar anwendbares Recht sein wird, sondern dass es in der Tat um eine Aufforderung an die nationalen Gesetzgeber geht, Strafrecht zu schaffen mit diesem Inhalt. Wie die das machen, das hängt ganz wesentlich von der nationalen Gesetzesterminologie ab. Das heißt, sie müssen ihre strafrechtliche Terminologie so zur Anwendung bringen, dass sie in etwa das regeln, was die Richtlinie als Rahmengesetzgebung vorgesehen hat. – So.

Das heißt also, ich kann die Richtlinie schlecht dafür kritisieren, dass sie generell und abstrakt formuliert, welche Strafbarkeit begründet werden soll, aber dann zum Beispiel aus deutscher Sicht nicht die richtige Terminologie trifft, die hinterher im Strafgesetzbuch zur Anwendung kommen kann, sondern konkretisiert wird es natürlich durch den nationalen Gesetzgeber. Insofern ist diese Kritik an dem Vorschlag der Kommission, glaube ich, nicht berechtigt.

Worüber man sich sehr streiten kann – dabei bin ich sofort bei Ihnen –, ist, ob es sinnvoll ist, Strafbarkeit so weit in den Bereich des Vorsatzes zu verlegen. Der objektive Tatbestand für Strafbarkeit läuft hier darauf hinaus, dass jemand eine Reise bucht und eine Reise antritt. Dann kommt der innere Tatbestand hinzu, nämlich der Vorsatz. Warum macht er das? Wenn er das in der Absicht macht, sich im Ausland für terroristische Zwecke ausbilden zu lassen, dann ist damit die Strafbarkeitsgrenze erreicht. Dann ist Strafverfolgung tatsächlich möglich. Das Problem an der Geschichte für jeden geschulten Juristen und, ich glaube, auch für jeden anderen, der sich damit beschäftigt, ist: Wie weise ich das bitte sehr nach?

Wir haben hier die Strafbarkeit von Personen, die sich auf Facebook rühmen, dass sie jetzt in den Dschihad ziehen und dann hinterher den Dschihad nach Europa oder Deutschland tragen wollen. Die will man strafrechtlich erfassen. Das ist auch nachvollziehbar. Das Problem ist nur: Was machen wir dann, wenn sie sich dessen nicht auf Facebook rühmen?

Wir haben eine Situation, dass wir die Auswirkungen der Richtlinien sogar schon ein wenig antizipieren könnten. Wie Herr Schiemann eben schon ausführlich dargestellt hat, haben wir in § 89 a Abs. 2 StGB die Regelung, die

die Richtlinie meint, eigentlich schon vorweggenommen. Das heißt, im deutschen Strafrecht ist schon etwas geregelt, was die Richtlinie erst vorgeben will.

Ich habe leider auch in Vorbereitung des heutigen Termins keine Zahlen gefunden, wie viele Ermittlungsverfahren oder sogar Anklagen es seit Inkrafttreten des Gesetzes vor ungefähr einem Jahr schon gegeben hat. Das wäre spannend gewesen. Also ich sage nur, ich habe meine starken Bedenken, ob dieses Gesetz Wirksamkeit entfalten wird. Das ist etwas, was man, glaube ich, letztlich aber nicht der Europäischen Union im Rahmen eines Subsidiaritätsverfahrens vorwerfen kann.

Wir betreiben europaweit Terrorismusbekämpfung und offensichtlich sind wir mehrheitlich der Auffassung, dass wir auch in diesem Bereich strafrechtliche Normen schaffen müssen. Das ist, wenn man es theoretisch durchdenkt, nachvollziehbar. Natürlich möchte niemand, dass sich Deutsche oder Deutschstämmige in Bürgerkriegsstaaten zu Terroristen ausbilden lassen. Die Frage ist aber, ob man das so erfassen kann. Ich kann diese Frage hier wirklich nur offenlassen.

Wir haben die Gesetzgebung in Deutschland im Grunde genommen bereits angepasst. Möglicherweise gibt es weitere Anpassungserfordernisse. Die Richtlinie geht auch noch etwas weiter. Herr Schiemann hat eben dargestellt, vor welchen Herausforderungen der deutsche Bundesgesetzgeber gestellt sein wird. Ich sehe diese allerdings nicht als so furchtbar schwierig an, weil das etwas ist, was der deutsche Bundesgesetzgeber eigentlich jeden Tag tut: verfassungsmäßig Recht schaffen. Das wird auch in diesem Fall so geschehen – es gibt also keine großen Schwierigkeiten, die jetzt durch eine Richtlinie der Europäischen Kommission geschaffen werden, sondern normaler gesetzgeberischer Alltag im Bundestag.

Meine Damen und Herren! Nach all dem bin ich nach wie vor der Auffassung, dass wir der Empfehlung des Europaausschusses folgen sollten. Ich sehe keine Veranlassung, ernsthafte Subsidiaritätsbedenken vorzutragen, weil, wie gesagt, die wesentlichen Bedenken, die auch im Bundesrat eine Rolle spielten, unter anderem dem Umstand geschuldet sind, dass es sich um eine Richtlinie handelt und nicht um unmittelbar geltendes Recht, wie wir es nach dem Grundgesetz zu messen und wie wir die Terminologie nach dem Grundgesetz zu wählen hätten. Insofern wird unsere Fraktion die Beanstandung ablehnen und der Ausschussempfehlung zustimmen, um es ganz präzise zu fassen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Für die AfDFraktion bitte Herr Abg. Barth.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Wie jede Fraktion hat jetzt auch meine Fraktion zehn Minuten lang die Gelegenheit, zum Widerspruch der Fraktion DIE

LINKE betreffend ihren Antrag, der im Europaausschuss abgelehnt wurde, Stellung zu nehmen.