(Zuruf von den LINKEN: Müssen aber nicht! – Rico Gebhardt, DIE LINKE: Sind schon 30 Sekunden vorbei!)
Ich habe genug Zeit, Herr Gebhardt. – Lassen Sie es mich gleich vorwegnehmen: Der Antrag und auch der Widerspruch sind eigentlich keine zehn Minuten Redezeit wert.
Der Antrag der Fraktion DIE LINKE zielt im Wesentlichen auf drei Ziele ab: ein handwerkliches Ziel und zwei inhaltliche Ziele – das handwerkliche, was sich gleich selbst erklären wird, nämlich dass aufgrund von Fachchinesisch niemand außerhalb dieses Hauses den Inhalt des Antrages verstehen möge und selbst einzelne Abgeordnete in diesem Haus Verständnisschwierigkeiten haben könnten,
Danach soll der Sächsische Landtag grundsätzliche Bedenken gegen eine von Ihnen so bezeichnete Hypertrophierung der inneren Tatseite, mens rea, ohne Nachweis weiterer objektiver Tatbestandsmerkmale und eine Anhäufung unbestimmter Rechtsbegriffe in der vorgesehenen neuen EU-Richtlinie zur Terrorismusbekämpfung erheben und die Staatsregierung auffordern, für den Freistaat Sachsen Subsidiaritätsbedenken im Rahmen des Subsidiaritätsfrühwarnverfahrens auf europäischer und Bundesebene zu erklären. – So weit der Inhalt Ihres Antrags.
Der erste Teil des Antrags hat mit Subsidiaritätsbedenken des EU-Vertrages rein gar nichts zu tun. Vielmehr handelt es sich um die Erhebung inhaltlicher Einwände ohne jeglichen Subsidiaritätsbezug. Es stellt sich daher die Frage, ob es sich insoweit überhaupt um einen zulässigen Antrag gehandelt hat.
(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Das lassen Sie mal den juristischen Dienst prüfen! Da brauchen wir die AfD nicht!)
Laut Begründung des Antrags geht es der Fraktion DIE LINKE insbesondere darum, die im Richtlinienvorschlag angeblich festzustellende zu starke Bindung der tatbestandsmäßigen Beschreibung terroristischer Aktivitäten bereits im Vorfeld einer Rechtsgutverletzung auf der inneren Tatseite kritisch infrage zu stellen.
Meine Damen und Herren! Hinsichtlich dieser sogenannten Hypertrophierung der inneren Tatseite weise ich darauf hin, dass wir Vergleichbares bereits im deutschen Strafrecht kennen.
So wird nach § 30 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 des Strafgesetzbuches nach den Vorschriften über den Versuch eines Verbrechens bestraft, wer sich nur mit einem anderen verabredet, ein Verbrechen zu begehen oder zu ihm anzustiften. Die bloße Verabredung zu einem Verbrechen stellt also nach deutschem Strafrecht bereits eine strafbare Handlung dar. Die Strafbarkeit wird hier bereits weit ins Vorfeld der Begehung des Verbrechens verlegt. Genau das, was DIE LINKE an dem Entwurf der EU-Richtlinie zur Terrorismusbekämpfung kritisiert, gibt es bereits im deutschen Strafrecht. Mit Subsidiaritätsbedenken hat der Antrag insoweit gar nichts zu tun. Die Überschrift über dem Antrag der Fraktion DIE LINKE ist diesbezüglich eine glatte Täuschung aller Beteiligten.
Der eigentliche Vortrag zu Subsidiaritätsbedenken – Herr Gebhardt, Sie können hier viel lernen, wenn Sie weiter zuhören,
wirklich, ja! –, findet sich unter Ziffer 2 Nr. 3 des Antrages. Demnach soll die Staatsregierung wirklich aufgefordert werden – ich zitiere wieder Ihre Begründung – „mit Nachdruck darauf hinzuweisen, dass die im Richtlinienvorschlag dargestellten Anknüpfungspunkte für den Beginn einer Straftat (eines strafbaren Versuches) Subsidiaritätsbedenken hervorrufen, da sie rechtliche Grundsätze für die Bestimmung der Stadien einer Straftat nach dem deutschen Strafrecht überschreiten und auf Handlungsabschnitte weit im Vorfeld terroristischer Akte verweisen, die im Bereich des präventiven Polizei- und Ordnungsrechts geregelt werden und daher in die Gesetzgebungskompetenzen der Bundesländer fallen, für die jedoch keine Ermächtigungsgrundlage für Harmonisierungsmaßnahmen der Europäischen Union besteht.“
Wenn ich dieses Geschwurble – ich hatte ja vorhin schon darüber gesprochen, dass es Ihnen wohl darum ging, dass viele Menschen den Inhalt Ihres Antrages nicht verstehen – richtig verstehen soll, soll die vermeintliche Vorverlagerung der Strafbarkeit ins Vorfeld der Begehung der eigentlichen Straftat dazu führen, dass es sich eigentlich um präventives Polizei- und Ordnungsrecht handeln soll, wofür dann der Freistaat Sachsen zuständig sei.
Herr Gebhardt und Herr Stange, diese Konstruktion ist nicht nur gewagt, sie ist hanebüchen. Mit dieser Auffassung stehen Sie glücklicherweise ziemlich allein in diesem Plenum da. Völlig zu Recht haben in der Sitzung des Europaauschusses am 27. Januar dieses Jahres weder die Vertreter der anderen Fraktionen noch die Sachverständigenvertreter des Justiz- und Innenministeriums erkennen können, dass die vorgesehene EU-Richtlinie Polizei- und Ordnungsrecht und damit eine Landeszuständigkeit betreffen. Der Vertreter des Staatsministeriums der Justiz stellte kurz und knapp klar, dass, wenn man die Richtlinie richtig lese, sich die Frage, ob es sich um Polizei- oder Strafrecht handele, in keiner Form stelle. In keinem Artikel der Richtlinie werden die Worte Polizei oder Gefahrenabwehr erwähnt. Überall sei eindeutig und unmissverständlich die Schaffung von strafrechtlichen Normen gefordert.
Herr Gebhardt und Herr Stange, es nötigt mir allerdings einen gewissen Respekt ab, dass die Fraktion DIE LINKE nach dieser eindeutigen Klatsche, die sie im Europaausschuss bekommen hat, trotzdem durch Sie die Kühnheit besitzt, gegen den Ausschussbeschluss Widerspruch einzulegen und ihn hier ins Plenum zu bringen.
Ich rufe die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf, Herrn Abg. Lippmann. Sie haben das Wort, Herr Lippmann.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Vorweggenommen – wir schließen uns dem Ansinnen der Fraktion DIE LINKE an und werden den vorliegenden Beschluss ablehnen.
Zugegebenermaßen kann man jetzt eine umfassende Debatte über die Grundlagen von Subsidiaritätsbedenken führen. Ich versuche noch einmal auf einen Teil der materiellen Aspekte, die zur Diskussion stehen, zurückzukommen. Im konkreten Fall geht es um die Kritik insbesondere an Artikel 9 des Richtlinienvorschlages. Im Fall der Umsetzung des Richtlinienvorschlages würde eine Regelung geschaffen, die sich von objektiven Kriterien zur Begründung einer Strafbarkeit weitgehend verabschiedet und letztlich aus unserer Sicht tatsächlich nur noch eine der Gefahrenabwehr dienende vorbeugende Sicherungsverwahrung darstellen kann. Damit würde sich das Strafrecht in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise vom Gedanken des Schutzes eines bereits erkennbar
gefährdeten Rechtsgutes verabschieden und sich aus unserer Sicht so weit ins Vorfeld verlagern, dass eine Diskussion über die Frage, ob wir uns hier nicht primär im Gefahrenabwehrrecht und damit mittelbar im Polizeirecht bewegen, implizieren. Da finde ich die Argumentation, dass im Richtlinienvorschlag weder Polizei noch Gefahrenabwehr auftauchen, ein bisschen an den Haaren herbeigezogen. Mir geht es um die tatsächliche Auslegung dessen, was darin steht, und nicht, wie es benannt wird.
Ich brauche Ihnen den Regelungsgehalt der Richtlinie in dem Punkt nicht noch einmal vor Augen zu führen. Allerdings ist die Debatte darüber zu führen, wie stark man im Zusammenhang mit dem Strafrecht ins Vorfeld geht und unter der möglichen Zuhilfenahme strafprozessualer Instrumente, die gegebenenfalls die Unterbindung der Begehung der Straftat implizieren, nicht so weit ins Vorfeld kommt, dass eine eher gefahrenabwehrmäßige Handlung vorliegt. Aus unserer Sicht impliziert sich das, da sie über den bisherigen Normbestand des Strafgesetzbuches, besonders § 89 a Abs. 2 a, deutlich hinausgeht, und wir diese Frage diskutieren müssen. Aus unserer Sicht ist es notwendig zu bejahen, dass es hier Anknüpfungspunkte gibt, dass wir im Gefahrenabwehrrecht sind und dafür in die entsprechende Gesetzgebungskompetenz der Länder zumindest mittelbar eingegriffen wird. Von daher halten wir die Bedenken, die die LINKEN vorgetragen haben, durchaus für gegeben und werden daher dem Beschluss des Europaausschusses nicht zustimmen, sondern teilen eher die Auffassung der Fraktion DIE LINKE, da es uns als Land, das für das Gefahrenabwehrrecht und das Polizeirecht zuständig ist, darum gehen muss, eine weitere Vorverlagerung und einen mittelbaren Eingriff in die Gesetzgebungskompetenz im eigentlich dem Bund obliegenden Strafrecht zu verhindern.
Gestatten Sie mir zum Schluss noch eine Anmerkung. Die Geschäftsordnung sieht nicht vor, dass wir über den Widerspruch der LINKEN abstimmen, sondern über den Beschluss des Europaausschusses. Dieser ist nicht mit einem Beschlusstenor versehen, sondern nur ein beigefügter Bericht. Das allein verwundert, schafft in der Folge allerdings auch ein Problem. Der dargestellte Bericht ist aus unserer Sicht nämlich fehlerhaft. Anders als das Ausschussprotokoll weist der Beschlussbericht aus, dass sich sieben Länder, darunter Brandenburg und Thüringen, gegen die abgegebene Stellungnahme des Rechtsausschusses des Bundesrats ausgesprochen hätten, darunter auch Sachsen. Richtig ist aber – und das können Sie dem Protokoll der Sitzung entnehmen –, dass sich nur fünf Länder gegen die Empfehlung des Rechtsausschusses ausgesprochen haben und diese deshalb mit den Stimmen von sieben anderen Ländern, darunter Thüringen und Brandenburg, verabschiedet wurde. Das ist eine eklatante Fehldarstellung im Bericht. Da wir als Fraktion nun vor der Wahl stehen, über einen nicht existenten Beschluss oder einen fehlerhaften Bericht abzustimmen, ist schon aus formalen Gründen für uns klar, dass wir hier nicht zustimmen werden.
Vielen Dank. Meine Damen und Herren, das war die erste Runde. Gibt es für die wenigen Minuten, die den Fraktionen noch verbleiben, Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall. Rein vorsorglich frage ich die Staatsregierung, ob sie sprechen möchte. – Das ist auch nicht der Fall. Herr Schiemann, wünschen Sie noch als Berichterstatter das Wort? –
Meine Damen und Herren! Wir kommen nun zur Abstimmung über den Ausschussbeschluss in der Drucksache 6/4012 als Beschlussempfehlung des Europaausschusses.
Wer zustimmen möchte, zeigt das jetzt bitte an. – Vielen Dank. Wer ist dagegen?– Vielen Dank. Gibt es Enthaltungen? – Bei einer Enthaltung, zahlreichen Stimmen dagegen ist der Beschlussempfehlung mehrheitlich zugestimmt worden.