Protokoll der Sitzung vom 16.03.2016

(Katja Meier, GRÜNE: Ist es! – Zuruf des Abg. Marco Böhme, DIE LINKE)

Bahn ist nicht deshalb gut, weil es Bahn ist, und Bus ist nicht deshalb gut, weil es Bus ist, sondern es geht immer um die Frage nach Attraktivität und Sinnhaftigkeit. Es wurde schon in der Debatte darauf hingewiesen: Es geht um Kundenfreundlichkeit, und es geht darum, schnell von A nach B zu kommen, gute Umsteigemöglichkeiten zu haben und vor allem das Ziel zu erreichen, dass die Regionen nicht abgehängt werden.

Arbeiten Sie doch mit an diesem Ziel und machen Sie nicht an einer Stelle Panik und Angst, wo wir gerade dabei sind, Haushaltsverhandlungen zu führen, um zu fragen: Wie können wir die fehlenden Regionalisierungsmittel vernünftig kompensieren? An diesem Punkt sind wir nicht. Wir sind dabei, ungefähr zu ahnen, was wir weniger vom Bund bekommen, und dementsprechend unsere Haushaltspolitik zu gestalten.

Ich finde es fahrlässig sowohl von Ihnen, wenn ich Ihre Pressemitteilungen lese, als auch von bestimmten kom

munalen Vertretern, über Streckenstilllegungen öffentlich zu diskutieren und damit schon fast eine Liste vorzulegen, welche Strecken stillgelegt werden können,

(Zuruf der Abg. Katja Meier, GRÜNE)

von Leuten, die kein Interesse am ÖPNV haben, sondern daran, Geld zu sparen. Das kann nicht unser gemeinsames Interesse sein.

(Beifall bei der SPD und der CDU – Dr. Jana Pinka, DIE LINKE: So ein Quatsch!)

Wenn wir Sachsen zu einem attraktiven Bahnland machen wollen, dann machen Sie bitte keine Panik, sondern üben Schulterschluss!

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Meine Damen und Herren! Die 2. Aktuelle Debatte ist beendet, und ich schließe den Tagesordnungspunkt.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 5

2. Lesung des Entwurfs

Gesetz zum Vertrag zur Änderung des Vertrages des Freistaates Sachsen

mit dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden

Drucksache 6/3570, Gesetzentwurf der Staatsregierung

Drucksache 6/4436, Beschlussempfehlung des Verfassungs- und Rechtsausschusses

Es gibt eine allgemeine Aussprache. Es beginnt die Fraktion der CDU, danach folgen DIE LINKE, SPD, AfD, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn sie es wünscht. Ich erteile nun Herrn Abg. Modschiedler von der CDUFraktion das Wort.

(Präsidentenwechsel)

Herzlichen Dank. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 2. Lesung – wir haben heute über den Vertrag zur Änderung des Vertrages des Freistaates Sachsen mit dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden zu entscheiden.

1994 wurde der Vertrag mit den jüdischen Gemeinden in Sachsen erstmals beschlossen, und 2006 wurde er verlängert. Nun mussten beide Teile des Vertrages überarbeitet und angepasst werden, ein Anlass, alle Vertragspartner – die Gemeinden in Sachsen, den Landesverband und den Freistaat Sachsen – an einen Tisch zu rufen und die gemeinsame Grundlage für die Fortschreibung dieses Vertrages zu suchen. Zunächst sollen die Leistungen durch den Freistaat Sachsen von bisher 725 000 auf 950 000 Euro ab dem Jahr 2015 angehoben werden.

Wie bislang bleibt es Aufgabe des Landesverbandes, in Vollziehung der vertraglichen Vereinbarungen die ihm zugewiesenen Mittel den verbandsangehörigen jüdischen Gemeinden im Freistaat zuzuleiten. Mit Blick auf die Rechtsprechung wird nunmehr klargestellt, dass der Freistaat Sachsen mit der zur Verfügung gestellten Landesleistung nicht ausschließlich den Landesverband, sondern die gesamte jüdische Glaubensgemeinschaft in Sachsen zur Erhaltung und Pflege des jüdischen Lebens in Sachsen unterstützt.

Zurzeit bestehen aber in Sachsen verbandsangehörige jüdische Gemeinden nur in drei großen Städten. Der Mehrbetrag ergibt sich aus den Mehrbedarfen der drei Gemeinden Dresden, Leipzig und Chemnitz und natürlich des Landesverbandes selbst. Wir dürfen und wollen dabei nicht vergessen, dass die jüdischen Gemeinden nach der friedlichen Revolution wieder erblüht und bis heute sehr stark gewachsen sind. Der Ansturm der Zuwanderer in den Gemeinden seit 1990 hat enorme personelle, strukturelle und auch finanzielle Herausforderungen mit sich gebracht. Sie haben die Zuwanderung in segensreicher Weise gemeistert und die Menschen in ihre Gemeinden integriert. Sie haben nicht gemeckert, sie haben gehandelt.

Man bedenke: Allein die jüdische Gemeinde in Dresden bestand 1933 aus 5 000 Mitgliedern. Nach dem Holocaust waren es in Dresden nur noch 41. 1990 hatten die drei Gemeinden Dresden, Leipzig und Chemnitz zusammen etwas mehr als 100 Mitglieder. Nun sind es schon 2 600, Tendenz steigend. Es bedarf also weiter der sozialen und der religiösen Integration, mit der wir die Gemeinden unterstützen wollen. Wir bekennen uns zu unserer Verantwortung. Bedenken und unterstützen möchten wir diese Aufbauleistung der jüdischen Gemeinden. Sie erfolgt ohne Ängste und ohne Fremdenfeindlichkeit, vielmehr mit Mut und Tatkraft. Gerade in dieser Zeit könnten wir uns ein Beispiel an ihnen nehmen. Eine tolle Leistung der Gemeinden!

Auf der Grundlage des Vertrages sollen die Belange der Rabbiner weiterhin gestärkt werden. Bisher war es so, dass der Landesrabbiner nicht einmal eine volle Stelle hatte und alles erledigen musste.

(Petra Zais, GRÜNE: Ja!)

Die seelsorgerische Arbeit kann nunmehr von drei Gemeinderabbinern vor Ort geleistet werden. Ich selbst weiß, wie wichtig es war, wenn ein Pfarrer als Ansprechpartner vor Ort in meiner Gemeinde zur Verfügung stand. Damit leisten die Rabbiner eine wichtige Sozialarbeit vor Ort.

Vertraglich wurde auch eine Evaluation vereinbart, die bisher alle zehn Jahre erfolgen sollte und nunmehr alle sechs Jahre erfolgt; der Evaluationsrahmen wurde also verkürzt. Im Hinblick auf die stetig steigenden Aufgaben, die die Gemeinden zu bewältigen haben, halte ich dies für eine sehr angemessene Lösung. Unser persönlicher Dank gilt den drei Gemeinden mit den Vorsitzenden Frau Dr. Ruth Röcher, Frau Nora Goldenbogen und Herrn Küf Kaufmann sowie natürlich dem Landesvorsitzenden Herrn Heinz-Joachim Aris. Sie haben, so wurde uns im Ausschuss berichtet, einvernehmlich und in freundschaftlicher Atmosphäre diesen Vertrag gemeinsam erarbeitet. Der Vertrag ist ausgewogen und an die aktuellen Vorgaben der Rechtsprechung angelehnt. Der Vertrag ist geprägt von einem Geben und Nehmen.

Ich bin Dresdner und habe den Bau der Synagoge miterlebt und manchmal auch mitgelitten: Welcher Entwurf setzt sich durch? Wie wird es genau aussehen? Wie wird sich der Bau in das Dresdner Bild einfügen? Kurzum: Die Synagoge und das Gemeindehaus als Ensemble stehen schon einige Jahre und prägen wieder als Kulturgut unsere Stadt mit. Schön, dass es so ist, und auch wirklich schön, dass es so sein kann! Der Unterhalt kostet aber auch etwas Geld, und die Gemeinde allein in ihrer Größe kann dies nicht aufbringen. Auch das dürfen wir nicht vergessen.

Der Verfassungs- und Rechtsausschuss hat sich in seiner letzten Sitzung nach der Beratung einstimmig positioniert, diesem Vertrag seine Zustimmung zu geben. Das ist der klare Verlauf, den wir im Parlamentarismus bei solchen Verträgen haben. Das Parlament hat hier das letzte Wort,

und so sei es auch. Auf viele weitere gemeinsame und fruchtbare Jahre mit den jüdischen Gemeinden und natürlich dem Landesverband! Das ist ein guter Vertrag!

(Beifall bei der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, nun die Fraktion DIE LINKE; Herr Abg. Schollbach, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor wenigen Wochen unterstrich die ehemalige Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland Charlotte Knobloch anlässlich des Holocaust-Gedenktages die Bedeutung des vorliegenden Staatsvertrages für die Bekämpfung der Judenfeindlichkeit in Sachsen. In ihrer Rede ging sie auch auf die aktuelle Situation im Freistaat ein und betonte aus aktuellem Anlass, dass Pegida, Legida & Co. keine Patrioten sind, sondern Scharfmacher und Brandstifter. Sie nahm dabei ausdrücklich auch auf die AfD Bezug. Wörtlich sagte Frau Knobloch: „Diese Partei bringt zu viele Gestalten und Thesen hervor, die nicht nur Geschmackssache sind, sondern radikal rechts, nationalistisch und somit gefährlich. Sie singen im Chor mit Pegida & Co., die offen rechtsradikal und antisemitisch sind, vielfach unterwandert und gesteuert von Neonazis.“ – So weit Frau Knobloch.

(Heiterkeit der Abg. Frauke Petry, AfD – Kerstin Köditz, DIE LINKE: So ist es!)

Sie hatte ganz offensichtlich den Nagel auf den Kopf getroffen, denn an dieser Stelle ihrer Rede verließ der Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion der sogenannten Alternative für Deutschland demonstrativ den Saal.

(Juliane Nagel, DIE LINKE: Hört, hört! – André Barth, AfD: Zum Thema wieder!)

Wenige Tage später, meine Damen und Herren, nämlich am 6. Februar, beschworen Pegida & Co. hier in Dresden die Festung Europa, und es war gewiss kein Zufall, dass deren Gesinnungsgenossen diese Gelegenheit nutzten, um demonstrativ gegen die Dresdner Synagoge zu pinkeln.

(André Barth, AfD: Zum Thema!)

Ich will es an dieser Stelle in aller Deutlichkeit sagen: Es ist beschämend, dass in unserem Land immer wieder jüdische Einrichtungen geschändet werden und sich unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger angesichts der jüngsten gesellschaftlichen Entwicklungen in Unruhe und Sorge versetzt sehen.

(Detlev Spangenberg, AfD, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Herr Schollbach, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herr Präsident, der AfD gestatte ich keine Zwischenfrage.

(Gelächter bei der AfD)

Meine Damen und Herren, in dieser Situation ist es ein wichtiges Signal, dass der Vertrag mit dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden erneuert wird und heute hier im Sächsischen Landtag eine breite Zustimmung erfährt.

(Beifall bei den LINKEN)

Gleichzeitig müssen wir uns allerdings bewusst machen, dass dies ein notwendiger, aber kein hinreichender Schritt ist. Deutschland hat in den Jahren von 1933 bis 1945 eine singuläre historische Schuld auf sich geladen. Der Umgang mit dieser Schuld und die daraus gezogenen Lehren zeigen sich weniger in offiziellen Feierstunden, auf denen in getragenen Worten an die Ereignisse der Vergangenheit erinnert wird. Sie zeigen sich auch weniger in staatlichen Verträgen, sondern vielmehr im gesellschaftlichen Alltag unseres Landes.

1938 brannten in Deutschland die Synagogen. Heute, im Jahr 2016, brennen in Sachsen die Flüchtlingsheime. Es hat sich erneut ein Klima des Hasses und der hemmungslosen Hetze ausgebreitet. Menschen werden angegriffen, nur weil sie eine andere Hautfarbe haben oder eine andere Kultur pflegen. Selbst vor Kindern und Frauen wird nicht haltgemacht.