Protokoll der Sitzung vom 22.06.2016

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Der eingereichte Antrag und die Ausführungen der Abg. Frau Pfau machen deutlich, dass der Antrag teilweise an die richtige Adresse geht. Die Kinder- und Jugendhilfe nach dem SGB VIII, das ist bei den Vorrednern bereits zum Ausdruck gekommen, ist grundsätzlich eine kommunale Pflichtaufgabe. Damit obliegt den Landkreisen und kreisfreien Städten als Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Gesamtverantwortung für die Erfüllung der Aufgaben der örtlichen Ebene. Das schließt die Planungs- und Finanzierungsverantwortung mit ein. Das heißt auch, dass die Träger der öffentlichen Jugendhilfe den Bestand und Bedarf an Einrichtungen und Diensten selbst zu ermitteln und entsprechend zu unterstützen haben. Das heißt natürlich nicht, dass wir als Freistaat Sachsen nicht auch unseren Verpflichtungen nachkommen.

Der Bundesgesetzgeber hat den Ländern die Aufgabe übertragen, unter anderem die Tätigkeit der Träger der

öffentlichen und freien Kinder- und Jugendhilfe anzuregen und zu fördern. Ja, wir unterstützen mit den Zuwendungen auf der Grundlage der Förderrichtlinie Jugendpauschale die Träger der öffentlichen Jugendhilfe mit Landesmitteln, zum Beispiel bei der Stabilisierung und dem bedarfsgerechten Auf- und Ausbau örtlicher Angebote der Kinder- und Jugendhilfe. Ich halte die derzeitige Förderung von 12,40 Euro pro jungem Menschen unter 27 Jahren für eine zielführende Unterstützung. Zur Umsetzung der Förderrichtlinie Jugendpauschale sind im Entwurf des kommenden Doppelhaushalts entsprechende Mittel ebenfalls eingeflossen, um die derzeitige Höhe der Pauschale beibehalten zu können. Insofern möchten wir im kommenden Doppelhaushalt dafür Sorge tragen, dass der Freistaat Sachsen seiner gesetzlichen Aufgabe auch weiterhin gerecht werden kann.

Darüber hinaus – das wurde gerade im Beitrag von Herrn Homann sehr deutlich – möchten wir ab dem Jahr 2017 zusätzlich ein Landesprogramm zur Förderung der Schulsozialarbeit auf örtlicher Ebene anlegen. Wer heute die Presse verfolgt hat, konnte dies lesen. Wir leisten damit einen weiteren wichtigen Beitrag zur Ausgestaltung eines bedarfsgerechten öffentlichen Angebots.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das zweite Anliegen des Antrags, die Jugendpauschale anhand von Anregungen aus verschiedenen Stellungnahmen und Berichten zu evaluieren, ist bereits aufgegriffen worden. Basierend auf dem Koalitionsvertrag werden wir die bestehenden Förderrichtlinien im Geschäftsbereich des Sozialministeriums überprüfen und gegebenenfalls

überarbeiten. Das schließt die Richtlinie auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendhilfe in Sachsen mit ein. Somit ist aus meiner Sicht eine separate Evaluierung nicht erforderlich.

Ich komme zu guter Letzt auf Ihre Forderung zu sprechen, Vorschläge zur Weiterentwicklung des Förderinstruments in Bezug auf fachliche, demografische und räumliche Bedingungen in den Landkreisen und kreisfreien Städten zu unterbreiten. Ja, mit der Jugendpauschale in der derzeitigen Form berücksichtigen wir bereits weitgehend die unterschiedlichen Voraussetzungen in den Landkreisen und kreisfreien Städten. Mit der Kopplung der Landesförderung an die örtliche Jugendhilfeplanung werden die jeweiligen demografischen und räumlichen Bedingungen vor Ort beachtet. Die Schwerpunktsetzung für den Einsatz der Pauschalfördermittel sowie die konkrete Ausgestaltung der einzelnen Angebote erfolgen über die Jugendhilfeplanung des örtlichen Trägers der örtlichen Jugendhilfe und auf Grundlage der Beschlüsse des Jugendhilfeausschusses. Damit kann auch die Landesförderung, die wir ausreichen, passgenau eingesetzt werden. Aus meiner Sicht ist die Herangehensweise, so wie sie in den letzten Jahren praktiziert wurde, die richtige.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Das Schlusswort hat die Fraktion DIE LINKE. Frau Pfau, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Es ist bei allen Rednerinnen und Rednern klar geworden, dass wir handeln müssen. Uns freut es natürlich, dass nun die Schulsozialarbeit mit 30 Millionen Euro gefördert werden soll. Uns allen sollte aber klar sein, dass es nicht für alle Schulen in Sachsen ausreichen wird. Dementsprechend fehlt weiterhin Geld. Wir sollten für alle Schulen diese Möglichkeit vorhalten. Für eine flächendeckende, sichere und gute Kinder- und Jugendhilfe benötigen wir eine ausreichende Finanzierung. Diese sollte sich aber nicht auf einen fiktiv festgelegten Wert beziehen, sondern muss sich an dem tatsächlichen Bedarf der Kinder- und Jugendhilfe orientieren. Die Grundlage sollte der tatsächliche Bedarf der Jugendlichen sein. Zusätzlich ist es aber sinnvoll, dass in den ländlichen Regionen die Pro-KopfVerteilung überdacht werden sollte.

Mein Vorredner Herr Zschocke meinte, dazu gebe es schon verschiedene Vorschläge, wie man das machen könnte, beispielsweise, dass es zusätzlich zur Pro-KopfVerteilung eine Grundausstattung für die Flächenkreise gibt. Wir freuen uns, dass die Förderrichtlinie überdacht werden soll.

Zum Schluss möchte ich noch anmerken, dass sich die Ausgaben, die wir jetzt tätigen, um präventiv in der Kinder- und Jugendhilfe vorzugehen, später in den Folgen positiv niederschlagen. Leider ist es auch so, dass man Kinder- und Jugendarbeit nicht einfach an Zahlen nachweisen kann, sodass die Träger der Kinder- und Jugendhilfe meistens unter einem Legitimationsdruck stehen.

Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei den LINKEN)

Mir liegt noch ein Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE vor; er wurde schon eingebracht. Gibt es dazu noch Aussprachebedarf vonseiten der Fraktionen? – Das ist nicht der Fall.

Meine Damen und Herren! Ich lasse nun über den Änderungsantrag der Linksfraktion in der Drucksache 6/5508 abstimmen. Wer dem seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei einer Reihe von Stimmen dafür und ohne Stimmenthaltungen ist der Antrag dennoch mit Mehrheit abgelehnt worden.

Ich lasse über den Antrag in der Drucksache 6/2135 abstimmen. Wer dem seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Hier gibt es das gleiche Abstimmungsverhalten: Bei Stimmen dafür und ohne Stimmenthaltungen ist der Antrag mit Mehrheit abgelehnt worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 7.

Wir kommen zum

Tagesordnungspunkt 8

Umsetzung der im Jahresbericht 2015 geäußerten Kritikpunkte

des Sächsischen Rechnungshofes durch die Staatsregierung

Drucksache 6/5390, Antrag der Fraktion AfD

Die Aussprache beginnt die einreichende Fraktion. Danach folgen CDU, DIE LINKE, SPD, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn sie es wünscht. Ich erteile jetzt der AfD-Fraktion das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen! Warum wir den Antrag ins Plenum eingebracht haben, werden Sie sich sicherlich gefragt haben. Ganz einfach: Wir haben den Antrag eingebracht, um das Thema Steuerverschwendung überhaupt einmal wieder in den Fokus zu rücken. Die Frage müsste eigentlich anders lauten: Warum hat von den anderen Fraktionen bis dato in dieser Legislaturperiode niemand einen Antrag eingebracht, um das Thema Steuerverschwendung in den Fokus zu rücken?

Sehr geehrter Herr von Breitenbuch, ich wende mich direkt an Sie, um Ihnen mitzuteilen, dass ich mich zu diesem Thema direkt bei Prof. Binus, dem Präsidenten des Sächsischen Rechnungshofs, entschuldigt habe für meine Äußerung in der Stellungnahme der LVZVeröffentlichung vom 10. Mai dieses Jahres, wo ich eindeutig über das Ziel hinausgeschossen bin. Herr Binus und seine Behörde sind augenscheinlich unabhängig. Ich möchte mich als Vertreter der AfD-Fraktion für die unermüdliche Arbeit des Sächsischen Rechnungshofes ausdrücklich bedanken.

(Beifall bei der AfD – Lachen bei den GRÜNEN)

Sehr geehrter Herr von Breitenbuch, Frau Petry wird, wie angekündigt, dem Haushalts- und Finanzausschuss auch die entsprechende Stellungnahme zu meinem Fehlverhalten zeitnah zukommen lassen.

Eine wichtige, aber vielleicht auch nicht unerhebliche Information zum Paulinum in Leipzig, an dem sich das Ganze entzündet hatte, war, dass über Jahre die Kosten des Baues explodiert sind, und zwar nicht ein bisschen, also nicht 20, 30 oder 50 %, nein, die Kosten sind tatsächlich um nahezu 100 % explodiert.

Das ist noch nicht alles. Es ist so, dass wir auch einen Zeitverzug haben. Wir sind mittlerweile bei über sechs Jahren, die diese Baumaßnahme in Verzug ist, das sind 312 Wochen, um genau zu sein. Aber ganz offensichtlich stört das niemanden.

In der privaten Wirtschaft wäre so etwas ohne Schadenersatz undenkbar. In der privaten Wirtschaft geht es aber auch selten um Steuergelder. Bei Steuergeldern wird dem Anschein nach hingesehen, aber in Wirklichkeit wird gern tief in die Steuertasche gefasst. Der Staat hat ja ausreichend Steuergelder, erwirtschaftet von einer hart arbei

tenden Bevölkerung – eine Kuh, die gern und ausgiebig gemolken wird und sich leider Gottes auch melken lässt.

Schauen wir einmal in unsere Nachbarländer, zum Beispiel in die Schweiz. Dort hat man gerade einen Tunnel fertiggestellt, und man ist ein Jahr vor dem Planungstermin fertig geworden. Das ist eine Sache, die in Deutschland völlig undenkbar wäre. Oder schauen wir nach Norwegen. Dort hat man gerade die Oper in Oslo umgebaut. Auch dort ist man pünktlich fertig geworden – eine Sache, die in Deutschland mittlerweile völlig abstrus wirkt.

Ich kann Ihnen sagen: Es liegt nicht an den Bauingenieuren, denn deutsche Bauingenieure haben bei all diesen Projekten, die außerhalb Deutschlands stattgefunden haben, mitgewirkt. Das sind die gleichen, die auch hier wirken. Man sollte sich vielleicht überlegen, woran das liegt.

Aber was machen wir hier in Deutschland, in Sachsen oder in Leipzig? Wir haben in Leipzig auch einen kleinen Tunnel gebaut. Der kleine Tunnel hat auch etwas mehr Geld verschlungen als ursprünglich geplant. Es hat auch eine ganze Menge länger gedauert. Aber gestört hat das niemanden.

Oder nehmen wir den BER in Berlin, einen Flughafen, der vielleicht nie fertig wird. Er kostet Geld ohne Ende, und es passiert nicht wirklich etwas, es gibt kaum Konsequenzen. Oder nehmen wir die Elbphilharmonie in Hamburg – ohne Worte.

Wir sitzen hier in den Parlamenten, und statt den Herren und Damen Steuerverschwendern Feuer unterm Hintern zu machen, finden wir Ausreden oder verharmlosen und relativieren teilweise den Missbrauch von Steuergeldern. Wir machen uns mitschuldig, solange wir nichts tun. Ich habe hier ein Zitat von Edmund Burke in etwas abgewandelter Form: „Die Steuerverschwender triumphieren allein dadurch, dass pflichtbewusste und rechtschaffene Politiker nichts tun.“ Und ich frage mich, warum wir nichts tun.

Ich nehme hier aus dem Bericht einige Fakten: Das Mediencoaching für einen ehemaligen Regierungssprecher und Staatssekretär für insgesamt 53 000 Euro wurde auf Weisung des damaligen Chefs der Staatskanzlei ohne Rücksicht auf günstigere Vergleichsangebote vergeben. Die Ausgaben für das Mediencoaching überschritten deutlich die verfügbaren Mittel der Staatskanzlei für Aus- und Fortbildung. Die fehlenden Mittel wurden unter Verstoß gegen haushaltsrechtliche Bestimmungen aus

einem anderen, sachfremden Titel entnommen. Damit wurde das Budgetrecht des Parlaments umgangen.

Das ist nicht schön, aber ich muss ganz ehrlich eines gestehen: Das eigentliche Problem bei der ganzen Angelegenheit ist nicht, dass wir die 53 000 Euro ausgegeben haben, und nicht, dass das aus einem anderen Topf genommen worden ist, sondern tatsächlich, dass der Beamte, der dafür ausgebildet worden ist, fünf Monate nach Beendigung dieser Maßnahme in den Ruhestand gegangen ist. Dafür, muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen, finde ich keine Worte. Ich glaube, wenn man solche Maßnahmen vergibt, hilft es unheimlich zu wirtschaften, wenn man in die Personalakte schaut, um das Geburtsdatum zu sehen und festzustellen, wann wer in Rente geht, um sich solche Maßnahmen zu verkneifen.

Wir haben zum Teil Kindergärten, wo die Dächer nicht gedeckt werden können und dort zur Hälfte abgesperrt wird. Dabei geht es um 30 000 oder 40 000 Euro. Diese Gelder haben wir nicht, aber hier werfen wir 30 000, 40 000 oder wie in diesem Fall über 50 000 Euro zum Fenster hinaus.

Das weitere Problem bei dieser ganzen Angelegenheit ist die Tatsache, dass die Staatsregierung überhaupt kein Einsehen hat, dass dabei irgendetwas falsch gelaufen ist. Ich lese Ihnen etwas vor. In ihrer Stellungnahme hat die Staatskanzlei die Ansicht vertreten, die Bewertung der Maßnahme sei unverhältnismäßig und unangemessen, sei subjektiv und entbehre jeder justiziablen Beweisführung. Ein Nachweis für einen Vermögensschaden sei nicht erbracht worden. – Ich habe ja für vieles Verständnis, aber an dieser Stelle hört es auf. Wenn jemand mit einer solchen Ausbildung nur fünf Monate tatsächlich dem Freistaat noch Nutzen gebracht hat – was denn noch, was für einen Beweis braucht man denn noch, dass das unsinnig gewesen ist?

Ein weiterer Fall: In Leipzig ist auf dem Campus der Universität eine Klinik für Forensische Psychiatrie, Haus F heißt es, gebaut worden. Dort hat es eine Erhöhung der Baukosten von 4,34 Millionen Euro gegeben. Das sind etwa 46 % der gesamten Baumaßnahme. Die Kostenerhöhung ist dadurch entstanden, dass verschiedene Variantenuntersuchungen durchgeführt worden sind, um herauszufinden, was die sinnvollste Variante sei. Das hat schließlich zu so extrem erhöhten Planungskosten geführt. Am Ende muss man feststellen, dass es keine Erhöhung des Raumbedarfs, keine Erhöhung der Nutzfläche und keine Erhöhung der Bettenzahl gegeben hat. Wir haben also 50 % obendrauf gelegt – für nichts.

Dazu muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen: Hier hört der Spaß auf. Die ganze Geschichte hat noch einen Schönheitsfehler. Es ist nämlich so, dass diese Baumaßnahme auf einem Grundstück stattgefunden hat, das dem Freistaat gar nicht gehört, sondern das der Stadt Leipzig gehört hat. Das Problem bei solchen Sachen ist, wenn man auf einem fremden Grundstück baut, dass das darauf Gebaute dann dem Eigentümer des Grundstücks gehört. Damit sind wir beim nächsten Punkt, wo ich ganz ehrlich

sagen muss: Man muss doch bei solchen Planungen etwas genauer hinsehen. Es kann doch wohl nicht wahr sein, dass hier Millionen zum Fenster herausgeworfen werden. Dabei rede ich jetzt einmal noch nicht von der Tatsache, dass wir 4,3 Millionen Euro mehr ausgegeben haben, sondern davon, dass dieses ganze Gebäude eben jetzt nicht dem Freistaat gehört, sondern auf dem Grund der Stadt Leipzig steht.

Ich muss Ihnen ganz ehrlich gestehen: Der Rechnungshof hat aufgrund der Tatsache, dass er nur begrenztes Personal hat, immer nur die Möglichkeit zu Stichproben. Ich stelle mir jetzt einmal vor, was wäre, wenn die sich alle Ausgaben richtig ansehen würden, und ich stelle mir weiterhin vor, dass wir alle diese Verfehlungen ahnden würden, um in Zukunft dafür Sorge zu tragen, dass sie nicht stattfinden. Der Finanzminister würde sich wahrscheinlich fürchterlich freuen, weil wesentlich weniger Geld ausgegeben würde bzw. das, was da ist, sinnvoller untergebracht werden kann.

Ich bin jetzt nach meinem Redebeitrag einmal gespannt, mit welchen Ausreden Sie kommen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Die CDUFraktion, Herr Abg. Colditz, bitte.