Protokoll der Sitzung vom 22.06.2016

Das dritte ist das schon angesprochene Thema Schulsozialarbeit. Als Koalition haben wir uns schon im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, dass wir diesbezüglich mehr tun wollen.

Sie sehen, wir haben eine ganze Vielfalt von Förderrichtlinien und Strategien in der Kinder- und Jugendpolitik. DIE LINKE greift sich jetzt eines davon heraus – eines – und fordert drei Dinge: Sie will die Jugendpauschale erhöhen, sie will das Instrument evaluieren und sie will es weiterentwickeln. Konkrete Vorschläge zur Weiterentwicklung macht sie nicht.

Ich möchte mit dem letzten Punkt beginnen. Mein Kollege Alexander Dierks hat schon richtig ausgeführt: Die Evaluation und Weiterentwicklung von Instrumenten in dieser Koalition läuft. Wir arbeiten daran. Wir haben einen Koalitionsvertrag. Wir haben eine Arbeitsgruppe, die daran arbeitet. Davon nun ein einzelnes Instrument herauszunehmen macht überhaupt keinen Sinn.

Zweitens möchte ich Sie gern noch einmal auf den aktuellen Beschlussvorschlag 6/2016 des Landesjugendhilfeausschusses hinweisen: Der Landesjugendhilfeausschuss

beauftragt den Unterausschuss, aus seiner „Mitte eine Arbeitsgruppe zu gründen, die sich für die laufende Legislaturperiode mit der Situation der Jugendarbeit im Freistaat Sachsen beschäftigt.“ Dabei geht es genau darum.

Was Sie hier in den Ziffern 2 und 3 fordern, tun wir bereits. Nun komme ich noch einmal zu Ziffer 1.

Sie möchten gern die Jugendpauschale erhöhen und fordern dies, indem Sie – – Eine Woche, nachdem die Haushaltsklausur des Kabinetts gelaufen ist, wollen Sie die Regierung damit beauftragen, im nächsten Doppelhaushalt eine Erhöhung zu verankern. Wissen Sie was? – Die Messen sind da gelaufen.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Das Parlament entscheidet den Haushalt, nicht die Staatsregierung!)

Entschuldigung! Herr Gebhardt, jetzt reden Sie sich ein wenig um Kopf und Kragen. Dann müsste im Antrag etwas anderes stehen. Darin steht, dass die Staatsregierung beauftragt wird, im Entwurf für den nächsten Doppelhaushalt etwas zu machen.

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Dieser ist durch. In diesen drei Punkten – und ich versuche es ganz vorsichtig auszudrücken – – Herr Gebhardt, bleiben Sie mal ruhig!

(Unruhe im Saal)

Sie erwecken – ich sage nicht, dass es so ist – den Anschein, als ob Sie nicht wüssten, wie es im Bereich der Kinder- und Jugendpolitik läuft.

Ich möchte einmal etwas zur Höhe sagen. Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich viel und lange für die Kinder- und Jugendpolitik in Sachsen kämpfe und dass ich mir immer mehr vorstellen kann, auch bei der Jugendpauschale. Aber ich möchte Ihnen noch einmal sagen: Wir sind jetzt drauf und dran, ein Landesprogramm „Schulsozialarbeit“ zu schaffen, für das wir im nächsten Doppelhaushalt 30 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Wenn ich diese 30 Millionen Euro nehme und das, was wir schon im aktuellen Doppelhaushalt über Jugendpauschale für überörtliche Förderung auf den Tisch gelegt haben, sage ich Ihnen, dann haben wir in dieser Legislaturperiode bis jetzt im Bereich der freiwilligen Mittel für die Jugendarbeit den Etat nahezu verdoppelt. Ich finde, das ist ein ordentlicher Erfolg dieser Regierungskoalition, und das muss man an dieser Stelle auch einmal sagen dürfen.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Mein Wunsch an Sie, weil wir gerade mit der Linksfraktion zum Thema Kinder- und Jugendpolitik in diesem Hause sehr gute Debatten geführt haben: Im Interesse Ihrer Glaubwürdigkeit im Bereich der Kinder- und Jugendpolitik würde ich Ihnen eigentlich raten, diesen Antrag zurückzuziehen. Kommen Sie am Freitag in den Landesjugendhilfeausschuss, beteiligen Sie sich an

unseren Debatten zum Thema eigenständige Jugendpolitik, kommen Sie zu den Fachforen, kommen Sie zu den Arbeitsgruppen, zu denen Sie eingeladen sind; denn wir und ich haben ein Interesse daran, die Kinder- und Jugendpolitik im Sinne des Ansatzes des Kinder- und Jugendhilfegesetzes ein Stück weit überparteilicher zu diskutieren, so wie auch ein Landesjugendhilfeausschuss durch die Beteiligung der freien Träger angelegt ist. In diesen Debatten würde ich mich freuen, wenn Sie ehrliches Interesse nachwiesen.

In diesem Sinne: Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Herr Homann hatte gerade das Wort und sprach für seine SPD-Fraktion. Jetzt spricht Herr Wendt für die AfD.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wurde am heutigen Tage schon hinreichend über die Jugendpauschale und den Zweck dieser Pauschale gesprochen, deshalb möchte ich nicht mehr näher darauf eingehen. Vorab stelle ich jedoch fest, dass es natürlich einer Unterstützung durch den Freistaat Sachsen im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe bedarf. So haben wir uns bereits in der Vergangenheit für eine Erhöhung der Jugendpauschale auf 14,30 Euro und damit zur Rückkehr auf das Niveau von 2009 ausgesprochen. Grundsätzlich muss man sich jedoch die Frage stellen, warum diese Art der Förderung überhaupt notwendig wird, warum wir beispielsweise Jugendsozialarbeit oder Maßnahmen zur Familienbildung benötigen, wie und ob sich die gesamten Fördermaßnahmen auf die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen auswirken bzw. ob diese erfolgreich von den jeweiligen Trägern praktiziert werden.

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Grundsatzdiskussion ist am heutigen Tage nicht Thema, da wir uns heute mit einem Antrag der Linksfraktion beschäftigen, der bereits im Jahr 2015 in den Geschäftsgang eingebracht worden ist. Grundsätzlich, meine sehr geehrten Damen und Herren der Linksfraktion – und damit gehe ich auf den Punkt 1 Ihres Antrages ein –, ist gemäß SGB VIII die Jugendhilfeplanung Aufgabe der Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Deshalb liegt die Verantwortung einschließlich der Planungsverantwortung bei genau diesen bzw. bei den Landkreisen und kreisfreien Städten.

Verbunden damit können wir einleitend konstatieren, dass der Freistaat Sachsen erst einmal seiner Verantwortung gemäß § 82 SGB VIII nachkommt, indem er die Landkreise und kreisfreien Städte finanziell unterstützt, aber gleichwohl auch dafür sorgen muss, dass Einrichtungen und Angebote flächendeckend angeboten werden. Dass man, wie von Ihnen beantragt, für etwaige Positionen und Vorhaben mehr Geld fordern kann, ist legitim und in der Öffentlichkeit sehr gut zu verkaufen. Wenn Sie jedoch in Ihrem Antrag von einer „deutlichen Erhöhung von Haus

haltsmitteln“ sprechen, ohne konkrete Zahlen zu nennen, ist das sehr unpräzise und hat offenbar damit eine leichte populistische Schlagseite, der schwer zuzustimmen ist.

Des Weiteren stellen Sie in Ihrem Antrag Behauptungen auf, die aufgrund fehlender Informationen schwer zu beweisen sind. So sprechen Sie in Ihrer Begründung davon, dass die Jugendpauschale demografischen Bedarfen nicht gerecht wird, und werfen damit indirekt den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe, die in ihren örtlichen Bedarfsplanungen genau diese Faktoren berücksichtigen können, Defizite vor.

Ergänzend dazu sollte man sich die Frage stellen, ob und in welchem Umfang flächendeckende bzw. vollumfängliche Jugendhilfeangebote und/oder fallspezifische Betrachtungen auch im Hinblick auf Verwaltungsstrukturen und Kosten überhaupt sinnvoll bzw. machbar sind. Hierbei machen Sie auch keine Vorschläge. Sie machen keine Vorschläge, wie man von einer Kopfpauschale wegkommen könnte, um Ihrem Antrag Nachdruck zu verleihen.

(Susanne Schaper, DIE LINKE: Wir wollen doch gar nicht wegkommen!)

Ja, ja, eben. Sie möchten aber eine flächendeckende fallunspezifische Abdeckung erreichen.

(Zuruf der Abg. Susanne Schaper, DIE LINKE)

Zudem lässt sich bezogen auf Punkt 1 und 2 Ihres Antrages ein kleiner Widerspruch erkennen. Sie prangern hierbei die fallunspezifische Vorgehensweise an, fordern aber unter Punkt 2, dass das Förderinstrument Jugendpauschale zum Erhalt und Ausbau eines gleichmäßigen Angebots evaluiert wird. Vielleicht können Sie uns darüber noch einmal aufklären, um dieses verständlicher herauszustellen. Ich habe das in Ihrer Begründung leider nicht finden können.

Was die geplante Überprüfung und eventuelle Überarbeitung der Förderrichtlinie angeht, warten wir auf das Ergebnis seitens der Staatsregierung. Wir sind hierbei bereits jetzt auf einen etwaigen Änderungsbedarf, auch Bezug nehmend auf die Stellungnahme des Sächsischen Rechnungshofes, vorbereitet.

Kommen wir abschließend zu Punkt 3 Ihres Antrages, dem man unter Umständen zustimmen könnte, da Anpassungen an veränderte Rahmenbedingungen hinsichtlich Personal- und Sachkosten in der Jugendpauschale explizit nicht berücksichtigt werden. Diesem Antragspunkt könnte man zustimmen, aber Sie haben vergessen, dass hierbei auch Tariferhöhungen mit einfließen sollten. Die sollten hier auf jeden Fall berücksichtigt werden.

Auch wenn wir die Stellungnahme des Sächsischen Rechnungshofes und der Liga der Freien Wohlfahrtspflege zum 4. Sächsischen Kinder- und Jugendbericht im Auge haben, werden wir Ihren Antrag ablehnen, da er konkrete und konstruktive Vorschläge bzw. Forderungen vermissen lässt. Ebenso stützt sich Ihre Kritik auf theoretische Überlegungen bzw. Annahmen oder Vermutungen.

Hier hätten wir uns belastbares Datenmaterial zur Untermauerung der aufgeworfenen Probleme gewünscht.

Somit muss man berechtigterweise die Frage stellen, ob die Probleme in der dargestellten Art und Weise – und das ist auch den vorliegenden Berichten und Stellungnahmen in Gänze nicht zu entnehmen – überhaupt existent sind.

Deshalb werden wir, wie bereits erwähnt, Ihrem Antrag die Zustimmung verwehren und ihn ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Nach dem Redner der AfD, Herrn Wendt, kommt jetzt für die Fraktion GRÜNE Herr Kollege Zschocke zu Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Staatsregierung betont in ihrer Stellungnahme zum Antrag, dass sich das Förderinstrument Jugendpauschale grundsätzlich bewährt hat. Meine Damen und Herren! Damit wird ein Teil der Diskussion um die Jugendpauschale bereits abgewürgt. Die Förderung der Jugendhilfe pro Kopf bleibt umstritten. Zum einen werden die ländlichen Regionen, das haben die Vorredner deutlich gemacht, benachteiligt. Dort ist es ungleich schwerer, Angebote in der Fläche zu halten. Zum anderen bestätigen viele Experten, dass die zu betreuenden Einzelfälle immer komplexer und schwieriger werden und das Rechenmodell zur Finanzierung der Jugendhilfe daher zu überdenken wäre.

Wir fordern seit Jahren eine Grundfinanzierung der Kreise und Städte, also einen Mindestbetrag für alle Regionen. Der im Jahr 2013 eingeführte Demografieausgleich in der Jugendpauschale gleicht den Stadt-Land-Unterschied aus unserer Sicht nicht ausreichend aus. Wenn sich das Instrument bewährt hat und es bei einem grundsätzlichen „Weiter so“ bleiben soll, dann sollte aber mindestens diskutiert werden, wie die Jugendpauschale weiterentwickelt werden muss.

Im Zusammenhang damit stellen sich eine ganze Reihe an Fragen. Im aktuellen Haushalt gab es eine leichte Erhöhung der Pauschale. Wofür fehlt trotz Anhebung das Geld? Wie ist der tatsächliche Bedarf? Wer eruiert das? Weiterhin ist Folgendes fraglich: Im 4. Sächsischen Jugendbericht wird deutlich formuliert, dass eine Neufassung der Förderrichtlinie notwendig ist. Was wird nun daraus? Was wird mit den Alternativvorschlägen zur Finanzierung der Jugendhilfe? Diese liegen auf dem Tisch. Es ist nicht so, dass es sie nicht gibt. Der Sächsische Landkreistag zum Beispiel schlägt ein Jugendbudget statt dieser Pauschale vor. Wie positioniert sich die Koalition dazu? Ebenso muss Folgendes geklärt werden: Wenn die Gelder gerade so ausreichen, um den problematischen Einzelfall zu betreuen, dann kann das dazu führen, dass kein Geld mehr für präventive Kinder- und Jugendarbeit vorhanden ist. Was tut der Freistaat dafür, dass es ausreichende Jugendhilfeangebote gibt, bevor Probleme entstehen und Hilfen zur Erziehung in Anspruch genom

men werden müssen? Diese sind natürlich um ein Vielfaches teurer.

Ich komme zum letzten Fragepunkt. Für die Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge müssen neue Konzepte erarbeitet werden. Sind die Mittel der Pauschale dafür ausreichend? Das sind alles Fragen und Probleme, die weiter unbeantwortet bleiben.

Ich wollte Anfang dieses Jahres von Frau Klepsch wissen, ob und in welche Richtung die Pauschale überarbeitet wird. Die Antwort der Ministerin lautete wie folgt: Eine Überarbeitung ist gegenwärtig nicht vorgesehen.

Die Kritik des Landesrechnungshofs an der Pauschale ist ebenfalls alarmierend. Die Höhe der Pauschale ist erstens von Anfang an willkürlich. Seitens des Ministeriums war allein die Kassenlage und nicht die Problemlage in den Regionen entscheidend. Zweitens sind die Fördergegenstände ungenau beschrieben und sorgen für Unklarheit. Drittens steuert das Sozialministerium nicht, sondern lässt den KSV die Pauschale ausreichen. Das ist der Stellungnahme zu entnehmen. Der gesetzliche Auftrag wird missachtet und man geht nicht auf die unterschiedlichen Gegebenheiten der Kreise und Städte ein. Die Verantwortung wird quasi an die Kommunen abgeschoben.

Das Fazit lautet wie folgt: Natürlich muss die Richtlinie dringend novelliert werden. Der Handlungsbedarf ist groß. Deshalb stimmen wir dem Antrag der Fraktion DIE LINKE zu.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Wir hörten gerade Herrn Zschocke für die Fraktion GRÜNE. Wir sind am Ende der Rednerrunde angekommen. Soll eine neue eröffnet werden? – Das kann ich nicht erkennen. Die Staatsregierung hat nun das Wort. Frau Staatsministerin Klepsch, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Der eingereichte Antrag und die Ausführungen der Abg. Frau Pfau machen deutlich, dass der Antrag teilweise an die richtige Adresse geht. Die Kinder- und Jugendhilfe nach dem SGB VIII, das ist bei den Vorrednern bereits zum Ausdruck gekommen, ist grundsätzlich eine kommunale Pflichtaufgabe. Damit obliegt den Landkreisen und kreisfreien Städten als Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Gesamtverantwortung für die Erfüllung der Aufgaben der örtlichen Ebene. Das schließt die Planungs- und Finanzierungsverantwortung mit ein. Das heißt auch, dass die Träger der öffentlichen Jugendhilfe den Bestand und Bedarf an Einrichtungen und Diensten selbst zu ermitteln und entsprechend zu unterstützen haben. Das heißt natürlich nicht, dass wir als Freistaat Sachsen nicht auch unseren Verpflichtungen nachkommen.