Protokoll der Sitzung vom 23.06.2016

Wir Länder wollen in Brüssel auch gegenüber dem Bund das Signal senden, dass unsere Interessen nicht übergangen werden dürfen. Dazu habe ich noch zwei kurze Bemerkungen.

Es bleibt die Frage im Raum: Ist die binnenplurale Aufsichtsstruktur in den Gremien des öffentlichen Rundfunks obsolet? Wenn man die Richtlinie liest, bekommt man das Gefühl.

Darf die Rechtsaufsicht über den öffentlichen Rundfunk nicht mehr von den Trägerländern ausgeübt werden?

Diese zwei grundsätzlichen Fragen werden bei der Bearbeitung dieses Themas am 23.09. in der Bundesratssitzung entschieden werden.

Heute hat der Wirtschaftsausschuss des Bundesrates getagt. Ich kann Ihnen hier mitteilen, dass das Ergebnis zu dieser Subsidiaritätsrüge im Wirtschaftsausschuss

13 : 0 : 3 war. Das heißt, die Mehrheit der Länder hat sich heute schon im Wirtschaftsausschuss für die Subsidiaritätsrüge entschieden.

Ich danke dem Hohen Haus und dem Ausschuss für Europa, dass die Staatsregierung morgen früh ebenfalls das Mandat hat, in den Gremien des Bundesrates ein solches Votum abgeben zu dürfen.

Meine Damen und Herren! Ich möchte gern mit einem Satz schließen, mit einem Aphorismus, den ich von Mark Twain entliehen habe. Er beschreibt ein Arbeitsverhalten, an dem sich die Staatsregierung in diesem Sommer definitiv nicht orientieren wird. Gestatten Sie mir gleichwohl, dass ich diesen Satz mit einem gewissen Augenzwinkern vortrage. Das Zitat geht folgendermaßen: „Sommer ist die Zeit, in der es zu heiß ist, um das zu tun, wozu es im Winter zu kalt war.“

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN, der SPD und der AfD)

Herr Staatsminister Dr. Jaeckel sprach für die Staatsregierung. Wünscht der Berichterstatter des Ausschusses, Herr Kollege Wippel, etwa das Wort?

(Heiterkeit)

Meine Damen und Herren! Wir stimmen nun über die Beschlussempfehlung des Europaausschusses in der Drucksache 6/5511 ab. Ich bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Keine. Stimmenthaltungen? – Einige Stimmenthaltungen. Damit ist der Beschlussempfehlung des Europaausschusses in der Drucksache 6/5511 zugestimmt.

Der Tagesordnungspunkt ist beendet.

Erklärungen zu Protokoll

Durch die Entscheidung des Europaausschusses vom 21.06.2016 hat der Sächsische Landtag erstmals Gelegenheit, sich mit einer Subsidiaritätsrüge zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie von 2010 „Audiovisuelle Mediendienste“ zu positionieren. Dabei stellen wir den notwendigen Änderungsbedarf der AVMD-Richtlinie nicht infrage. Vielmehr halten wir es für nötig, Antworten im Bereich der audiovisuellen Mediendienste auf neue technologische Entwicklungen zu geben.

Gleichzeitig fordern wir gleiche Wettbewerbsbedingungen für audiovisuelle Medien in Europa. Der Entwurf bleibt weit hinter den Erwartungen in dieser Frage zurück. Damit wird der Konvergenz der Medientechnologien, der Medienmärkte und der künftigen fairen Wettbewerbsbedingungen nicht Rechnung getragen. Maßstab unserer Prüfung bleibt aber das Subsidiaritätsprinzip, das wir durch diese Richtlinie verletzt sehen.

Bereits mit der Unterrichtung durch die Staatsregierung hat Staatsminister Dr. Jaeckel auf Subsidiaritätsbedenken hingewiesen. In Vorbereitung auf die gestrige Sondersitzung des Europaausschusses haben wir einen tiefen Eingriff in die Gesetzgebungskompetenz des Sächsischen Landtages festgestellt. Der Richtlinienvorschlag enthält in den Artikeln 30 und 30 a Vorgaben für die unabhängigen nationalen Regulierungsbehörden. Dies werten wir als Eingriff in die Zuständigkeit des Freistaates Sachsen. Der Sächsische Landtag hat als Gesetzgeber bereits gehandelt, und das in eigener Zuständigkeit. Regelungen im Privatrundfunkgesetz und im MDR-Staatsvertrag halten wir für ausreichend.

Nach § 167 des Kulturvertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union gilt es besonders daran zu erinnern: Die Europäische Union hat sich auf unterstützende und fördernde Maßnahmen im Bereich der Kultur zu beschränken. Die Regelungskompetenz obliegt den Nationalstaaten.

Ich fasse zusammen: Die Gesetzgebungskompetenz des Freistaates Sachsen ist betroffen. Wir lehnen Eingriffe der Europäischen Union in die Staatsorganisation mit Entschiedenheit ab, denn es handelt sich hierbei um einen unzulässigen Eingriff in die Staatsorganisation der Mitgliedsstaaten.

Ich bitte Sie, der Beschlussempfehlung „Subsidiaritätsrüge“ zuzustimmen.

Mit diesem Antrag wollen wir eine Subsidiaritätsrüge auf den Weg bringen.

Die Europäische Kommission hat erkannt, dass audiovisuelle Mediendienste über das Internet grenzüberschreitend zur Verfügung stehen und deshalb die Regelung ergänzt werden muss, die die Kontrolle im Sinne des Jugendschutzes und aus anderen Gründen enthält.

Mediendienste fallen nach den Verträgen aber nicht per se in die Kompetenz der Kommission: Es gilt das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung. Ansonsten sind diese Gegenstände Kompetenz der Mitgliedsstaaten, in

Deutschland sogar Kompetenz der Bundesländer. Deshalb ist unsere Kompetenz als Sächsischer Landtag betroffen.

Das ist kein Problem, mit der die Kommission regelt, dass für die Kontrolle die Herkunftsstaaten der Dienste zuständig sein sollen. Es wird dort zum Problem, wo Standards vorgeschrieben werden, die jenseits der Anforderung einer Unabhängigkeit der Behörde Vorgaben für deren

Anbindung und deren Ausgestaltung enthalten. Der Entwurf der Kommission legt nahe, dass genau solche Vorgaben beabsichtigt sind. Diese Ausgestaltung kann der Freistaat Sachsen, kann der Landtag selbst besser regeln als die EU.

Nicht nur Sachsen wird im Bundesrat Mehrheiten für eine Rüge suchen, viele andere Bundesländer bereiten das parallel vor, dabei so unterschiedliche wie Bayern und Thüringen. Für das Zustandekommen ist auf der europäischen Ebene ein beachtliches Quorum erforderlich. Sollte es dazu nicht kommen, versprechen wir uns von dem Antrag trotzdem eine erhöhte Sensibilität der europäischen Institutionen bei der Gesetzgebung.

Wir begrüßen die Initiative der Europäischen Kommission, die Richtlinie zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste im Hinblick auf sich verändernde Marktgegebenheiten anzupassen. Dass dieser Markt großen Veränderungen unterlag und auch weiterhin unterliegen wird, steht außer Frage.

Als Landtag kommt uns eine besondere Verantwortung zu. Es ist unsere Aufgabe, bei der Prüfung von Gesetzgebungsvorhaben der Europäischen Union genau hinzuschauen. Bedenken, die wir gegenüber der EU vorbringen, müssen deutlich machen, in welchen Punkten das europäische Gesetzesvorhaben die Gesetzgebungszuständigkeit des Sächsischen Landtags konkret berührt und ob damit das Subsidiaritätsprinzip verletzt wird. Der Vorwurf der Kompetenzüberschreitung ist dabei schnell erhoben. Subsidiaritätsbedenken oder eine Subsidiaritätsrüge

gegenüber der Europäischen Union müssen daher präzise begründet sein.

Die von den Koalitionsfraktionen angeführten Bedenken sind im Antrag dargestellt. Allerdings ist in der Begründung nicht dargelegt, inwiefern hier eine Kompetenzüberschreitung vorliegt und die angeführten Bedenken das Subsidiaritätsprinzip verletzen. Dem Antrag kann ich nicht entnehmen, inwiefern der Richtlinienentwurf den Gestaltungsspielraum innerhalb der mitgliedsstaatlichen Rechtsetzung einschränken könnte.

Halten wir einmal nacheinander fest: Die durch die Europäische Kommission vorgesehene Neu-Regulierung audiovisueller Mediendienste bewegt sich an der Schnittstelle von Binnenmarkt- und Kulturpolitik. Im Bereich des Binnenmarktes teilt sich die Union bekanntermaßen die Zuständigkeit mit den Mitgliedsstaaten. Darüber hinaus besitzt die EU die ihr zuletzt im Vertrag von Lissabon gegebene Kompetenz, die Kulturpolitiken der Mitgliedsstaaten zu unterstützen, zu koordinieren und zu ergänzen.

Insbesondere wegen der kulturellen Bedeutung der Medien begrüße ich es, dass Sie versucht haben, den von der Kommission vorgelegten Entwurf zur Änderung der bestehenden Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste einer genaueren Prüfung zu unterziehen.

Ein seriöses Subsidiaritätsbedenken oder gar eine Rüge muss, wie beschrieben, ganz klar hervorheben, wodurch genau die Union ihre Kompetenzen zur Unterstützung, Koordinierung oder Ergänzung überschreiten könnte. Das kann ich dem Antrag so nicht entnehmen.

Sie weisen lediglich darauf hin, dass die im Richtlinienentwurf aufgestellten Vorgaben über die Unabhängigkeit und die Organisation der nationalen Regulierungsstellen in Sachsen bereits gesetzlich geregelt sind. Diese Tatsache für sich genommen genügt uns allerdings nicht als Nachweis für einen möglichen Kompetenzübertritt.

Im Antrag heißt es, dass die Notwendigkeit darüber hinausgehender Vorgaben seitens der EU bezüglich der Aufsicht nicht erkennbar ist. Das ist ziemlich vage gehalten. Welche über die bestehende Rechtslage zur Medienaufsicht hinausgehende Vorgaben die Kommission aufstellt, lässt Ihr Antrag offen.

Die Bedenken gegenüber dem Richtlinienentwurf hätte man durchaus auf den Punkt bringen können; so etwa bei der Frage, ob in der Richtlinie wirklich Regeln getroffen werden sollten über die Entlassung von Leitungen der Regulierungsstellen. Man hätte im Subsidiaritätsbedenken auch fragen können, ob die Beschreibung des Beschwerdeverfahrens gegen Entscheidungen der Regulierungsstellen nicht über die Koordinierungskompetenz der EU hinausgehen.

Ein anderes mögliches Bedenken hätten sein können, ob die Einforderung von Haushaltsplänen von den Regulierungsstellen nicht besser der Entscheidung der Mitgliedsstaaten überlassen sein sollte. Ihr Antrag liefert solche konkreten Punkte nicht. Wir verstehen, dass dieses Thema besprochen werden muss. Ob eine Subsidiaritätsrüge mit Ihrem Antrag begründbar ist, stellen wir infrage.

Insofern wird sich meine Fraktion bei diesem Antrag enthalten.

Meine Damen und Herren! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Tagesordnung der 37. Sitzung des 6. Sächsischen Landtags ist abgearbeitet. Die parlamentarische Sommerpause steht ins Haus. Unser Plenarjahr endet.

Es war ein uns herausforderndes Jahr. Die im September 2015 mit Wucht über Europa und besonders über Deutschland hereingebrochene Flüchtlingskrise beschäftigte uns seither in allen Bereichen. Besonders nun, wo wir von der Aufnahme vieler Menschen zu ihrer Integration oder zur Organisation eines auskömmlichen Miteinanders übergegangen sind, zeigt sich die Dimension dieser Aufgabe.

Ich muss nicht erneut betonen, wie groß die Verantwortung für uns als Landtag ist, als Gesetzgeber und – was besonders wichtig ist – als politischer Mittler.

Begleitet war das Plenarjahr von Hass und Gewaltausbrüchen. Als Parlamentspräsident sehe ich dabei die Angriffe auf Abgeordnetenbüros mit besonderer Sorge. Sie sind nur ein Zeugnis einer inakzeptablen Verrohung des

politischen Klimas. Dem entgegenzuwirken, verehrte Kolleginnen und Kollegen, ist unsere Pflicht, auch und besonders hier in diesem Hohen Haus, auch und besonders in unseren Debatten.

Neben seinen 18 regulären Sitzungen hat sich der Landtag im vergangenen Plenarjahr zu zwei Sondersitzungen versammelt. Beide beschäftigten sich mit der Flüchtlingskrise. Auch die Aktuellen Debatten standen mehrmals im Zeichen von Flüchtlingskrise und Extremismus.

Das neue Plenarjahr startet schon am 11. August 2016 mit der Einbringung des nächsten Doppelhaushaltes. Das weitere Verfahren bis zur vorgesehenen Verabschiedung des Haushalts im Dezember wird die Arbeit in unserem Parlament maßgeblich bestimmen. Dabei müssen wir in den Verhandlungen – ich sagte es bereits in der Neujahrsansprache – mehr denn je eherne Grundprinzipien mit aktuellen Erfordernissen vereinbaren, also politische Handlungsfähigkeit ohne Neuverschuldung ermöglichen.

Das wird nicht einfach, aber es wird möglich sein, davon bin ich überzeugt.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Nun aber beginnt erst einmal die parlamentarische Sommerpause mit Zeit für Familie und Urlaub und mit – hoffentlich – anhaltend sonnigem Wetter. Bevor wir auseinandergehen, lade ich Sie sehr herzlich zum Sommerempfang ein, und ich freue mich auf gute Gespräche mit Ihnen und unseren Gästen.

Zum Schluss bleibt mir noch der Hinweis auf den Termin der nächsten Sitzung. Es ist, wie gesagt, der 11. August 2016. Der Beginn ist um 13 Uhr. Einladung und Tagesordnung liegen Ihnen bereits vor.