Ja, ich finde das auch gut. – An dem Diskussionsprozess – das haben wir jetzt mehrfach gehört – beteiligen wir uns auch.
Sie wollen die bereits bestehenden Möglichkeiten in der Sächsischen Verfassung, also den Volksantrag, das Volksbegehren und den Volksentscheid, angeblich leichter machen – so führen Sie im Ausschuss aus –, und dazu wollen Sie die Verfassung ändern. Das heißt, Sie wollen die Quoren in Artikel 71 und 72 der Verfassung des Freistaates Sachsen ändern und anpassen.
Ich halte das für einen sehr schwerwiegenden Eingriff, den man – wie wir in der letzten Legislaturperiode gesehen haben – sorgsam abwägen muss und der nur die Ultima Ratio sein sollte.
Warum möchten Sie die Quoren anpassen? Weil wir im Bundesdurchschnitt so schlecht dastehen? Wir haben es im Ausschuss gehört: Wir stehen gut da. Der Verein „Mehr Demokratie“ stellte in einem Ranking 2015 fest, dass der Freistaat Sachsen im Vergleich der 16 Bundesländer auf Platz fünf liegt. An der Spitze der neuen Bundesländer zu liegen halte ich für einen beachtlichen Platz.
Das liegt vor allem daran, dass unsere Verfassungsväter, die hier mehrfach genannt wurden – Verfassungsmütter, Verfassungsväter, wie wir gerade gehört haben –, diese genannten plebiszitären Elemente vor circa 25 Jahren weitsichtig mit eingearbeitet haben. Und noch eines: Das war parteiübergreifend.
Nun fordern die Menschen mehr direkte Demokratie auf der Straße, und alle fangen an, sich etwas einfallen zu lassen, wie man der Forderung nun gerecht werden könnte. Sofort geht es ans Eingemachte: Die Verfassung muss jetzt geändert werden! Aber wo bleibt denn da die Weitsicht? Befragt man nämlich die Bürgerinnen und Bürger, was sie mit dem Recht auf mehr Demokratie meinen, merkt man ganz schnell, dass sie sich vor allem
mit ihrer persönlichen Meinung in den politischen Prozess einbringen wollen, und das möglichst unmittelbar.
Die schon bestehenden Möglichkeiten und Hebel dazu kennen sie aber meist gar nicht. Die Bürgerinnen und Bürger wollen mitreden, und das ist auch richtig. Wir müssen aber auch das demokratische Mehrheitsprinzip beachten. Nicht derjenige, der am lautesten ruft, setzt sich durch, sondern die Mehrheit. Diese Mehrheit wird in einer repräsentativen parlamentarischen Demokratie wie in Sachsen alle fünf Jahre in das Parlament gewählt.
Und jetzt kommt es: Wenn man diese Mehrheit nicht mehr will, dann kann man sie zur nächsten Wahl abwählen. Aber für die fünf Jahre überträgt man das Mandat verbindlich auf die jeweiligen Abgeordneten. Das haben wir uns in der Verfassung so gegeben, und das wollen wir auch so beibehalten.
Aber nun knüpfen wir mit unserer Verfassung an die direkte Demokratie – in Ergänzung zu unserer repräsentativen Demokratie – an. Also, die Bürgerinnen und Bürger haben unstreitig die Möglichkeit, sich mittels Volksantrag, Volksbegehren und Volksentscheid direkt in die Politik einzuschalten.
Darin sind wir uns einig. Aber Sie wollen die Quoren absenken, da es bis jetzt den Bürgerinnen und Bürgern zu schwer gemacht werde – so im Ausschuss –, diese Quoren zu erfüllen und auf diese Weise an der Willensbildung teilzuhaben.
Wir meinen, dass die Diskussion das Problem nicht löst, da nach einem solchen Eingriff in die Verfassung – der etwas Besonderes bleiben soll, das ist uns wichtig – sich unserer Ansicht nach wenig bis unter Umständen nichts ändert. Sie wollen, dass sich die Bürgerinnen und Bürger in die Diskussion, in die politische Willensbildung einbringen. Dazu müssen wir die Verfassung aber nicht ändern. Wir müssen die Menschen über ihre Möglichkeiten aufklären. Sie haben direkte Mitwirkungsrechte und kennen sie nicht. Aber so kann man meiner Meinung nach auch nichts anwenden.
Darüber hinaus gibt es aber eine geeignete Möglichkeit, um unterhalb der Schwelle der Verfassungsänderung etwas für die direkte Beteiligung zu tun. Das bewährte und immer wieder genannte Beispiel sind die sogenannten Dialogforen. Im Vorfeld eines Gesetzgebungsverfahrens werden an unterschiedlichen Orten
die sich dort zu speziellen Themen mit Änderungsvorschlägen einbringen und unmittelbar mit den Abgeordne
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Kollege, geben Sie mir recht, dass in der Verfassung nicht steht: „Die Bürgerinnen und Bürger des Freistaates Sachsen haben das Recht, an Dialogforen teilzunehmen“?, sondern dass dort steht, dass sie genau wie das Parlament das Recht haben, Gesetze einzubringen und an der Beschlussfassung über das Gesetz beteiligt zu werden?
Wie glauben Sie denn – wenn ich die zweite Frage stellen darf –, den Verfassungsanspruch – – Darf ich, Frau Präsidentin?
Wie glauben Sie denn, den Verfassungsanspruch, beteiligt zu werden, im Sinne unmittelbarer Gesetzgebungsakte einzubringen und dann über Volksentscheid beschließen zu können, im Dialogforum realisieren zu können?
Diese Frage stellt sich nicht, weil die Dialogforen nichts mit der verfassungsmäßigen Zuständigkeit zu tun haben. Sie wissen, dass diese unstreitig gegeben ist. Sie diskutieren ja nicht über das Ob, sondern über das Wie. Und wenn Sie mir jetzt diese Frage stellen, dann sage ich: Daran ändert sich nichts. Die Dialogforen wollen da gar nicht eingreifen, das brauchen sie ja auch nicht.
Jetzt kommen wir wieder zu dem Punkt des Dialogforums und des Umgangs miteinander. Noch einmal, Herr Bartl, kurz zu Ihnen.
Wir halten das, was die Verfassung hergibt, für anwendbar. Es muss nur den Leuten auch mitgeteilt werden. Sie sagen: Es funktioniert nicht, weil es die Leute nicht benutzen. Warum benutzen sie es nicht? Weil es die meisten nicht kennen. Wenn sie von direkter Demokratie reden, reden sie von irgendwelchen Sachen, die weder etwas mit der Verfassung noch mit dem Dialogforum zu tun haben. Sie sagen einfach nur: „Ich möchte mich einbringen.“
Bei dem Dialogforum haben sie die Möglichkeit, dass sie sich einbringen und über konkrete Themen reden können.
Jetzt kommen wir nämlich zu dem genialen Vorteil: Die Bürgerinnen und Bürger müssen das Gesetz nicht angreifen, sondern nur die Teile, die sie für verbesserungswürdig halten. Hören Sie den Leuten zu, wenn Sie mit ihnen reden. Sie sagen nicht: „Ich will das Gesetz nicht und brauche dafür Unterschriften“, sondern sie sagen: „Der Teil gefällt mir nicht an dem Gesetz, und darüber möchte ich mit Ihnen reden.“
Diese Ergebnisse aus den Dialogforen und aus den Diskussionen können dann entsprechend in diese Gesetze einfließen.
Das regeln aber auch nicht Artikel 71 und Artikel 72 der Verfassung und erst recht nicht Ihr Gesetzentwurf. Das müssen Sie auch wissen.
Wir können aber damit die unmittelbare Bürgerbeteiligung erreichen und müssten im Einzelfall – das ist das Wichtige – lediglich unsere Geschäftsordnung ändern. Das können wir auf jeden Fall tun. Ich halte es für sinnvoll, dass wir über diesen Weg miteinander diskutieren.
Eine Verfassungsänderung – das hatten wir ausdrücklich gesagt, und dabei bleiben wir auch – wird es mit uns auf diesem Wege nicht geben.