Protokoll der Sitzung vom 01.09.2016

wirklich unerträglich, wenn gerade Rechtskonservative und Rechtspopulisten die Kinder- und Frauenrechte immer dann beschwören, wenn sie möglicherweise von Ausländern verletzt wurden.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Mit Herrn Kollegen Zschocke sind wir am Ende der ersten Runde angekommen, und ich gehe recht in der Annahme, dass wir eine zweite Runde eröffnen. Das Wort hat für die einbringende AfD-Fraktion Frau Dr. Petry.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich war schon gespannt vor dieser Debatte, wie man versuchen würde, bei einem so eindeutigen Thema, bei dem es einen Konsens aller Fraktionen braucht, im Sinne der betroffenen Minderjährigen, vor allen Dingen der Mädchen, daraus eine Spaltungsdebatte zu machen.

Herr Zschocke, an Sie vielleicht nicht die Frage, sondern die Feststellung: Sie sind ein sächsischer Politiker. Sie haben richtigerweise erkannt, dass wir hier sind, um Gesetze zu machen. Dann reden Sie doch nicht über die große weite Welt – Sie versuchen wieder einmal ein Feindbild aufzubauen –, sondern helfen Sie dabei, dass klare Regelungen geschaffen werden.

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Da wegen einer veränderten weltweiten Situation durch unkontrollierte Grenzen die ehemals halbwegs eindeutigen Regeln jetzt nicht mehr eindeutig ausreichen, müssen Wege gefunden werden, die betroffenen Mädchen zu schützen.

(Beifall bei der AfD)

Was das „Hochziehen“ betrifft, Herr Baumann-Hasske: Sie haben richtigerweise gesagt, es gibt Gerichte und Parlamente, aber auch Sie sind hier, um Gesetze zu machen, und wie wir in Bamberg sehen, konnte nicht im Sinne des Mädchens entschieden werden, weil am Ende ein Gericht entscheiden musste.

(Volkmar Zschocke, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, ich mache jetzt auch weiter.

(Zurufe der Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE, und Sebastian Scheel, DIE LINKE)

Grundsätzlich ist die Rechtslage von Herrn Anton dankenswerterweise sehr neutral dargestellt worden. Wir sehen, dass hierzu Handlungsbedarf besteht. Deswegen gibt es auf Bundesebene eine Arbeitsgruppe. Parlamentarische Debatten sind aber dazu da, diese Erkenntnisse auch zu den Bürgerinnen und Bürgern zu tragen.

Schauen wir uns an, was unter anderem der Kinderschutzbund in Person seines Vorsitzenden Herrn Hilgers dazu sagte. Er formulierte, dass die derzeitige Regelung in Deutschland – mit der wir seit Jahrzehnten gut gelebt haben, im Ausnahmefall auch eine Ehe unter der Volljährigkeitsgrenze von 18 Jahren zuzulassen – vor dem aktuellen Hintergrund beendet werden sollte. Die AfD schließt sich seiner Auffassung an.

Das internationale Privatrecht, der Artikel 13 des Einführungsgesetzes zum BGB, besagt derzeit, dass ausländische rechtsgültige Ehen in Deutschland grundsätzlich anzuerkennen sind. Wir halten das vor dem Hintergrund der aktuellen Migrationssituation, für dessen Ende die Bundesregierung kein Signal erkennen lässt, für änderungswürdig und werden uns dafür einsetzen.

Wir sagen, dass der Verstoß gegen die öffentliche Ordnung und die ausländische Ehe nicht erst über ein Gericht, sondern mehr oder weniger automatisch für ungültig erklärt werden muss und ihre Anerkennung verliert.

(Zurufe der Abg. Rico Gebhardt und Sebastian Scheel, DIE LINKE)

Wir möchten, ebenso wie der Kinderschutzbund – das wiederhole ich gern –, dass das Ehemündigkeitsalter für alle gemäß § 1303 BGB auf 18 Jahre ohne Ausnahme heraufgesetzt wird.

(Beifall bei der AfD – Zuruf des Abg. Harald Baumann-Hasske, SPD)

Wir möchten, gerade im Sinne der Betroffenen, dass der Kinder- und Jugendschutz auf sämtliche minderjährigen Ausländer ausgeweitet wird, die temporär und dauerhaft in Deutschland sind, um sie zu schützen.

(Zuruf der Abg. Juliane Nagel, DIE LINKE)

Wer in Deutschland leben will, so denken wir, muss diese Mündigkeitsgrenze akzeptieren oder dorthin zurückkehren, wo sie nicht gilt und wo er hergekommen ist.

(Beifall bei der AfD – Zurufe der Abg. Sebastian Scheel, DIE LINKE, und Georg-Ludwig von Breitenbuch, CDU)

Ich möchte noch ein Problem ansprechen, das meiner Ansicht nach zu wenig Erwähnung gefunden hat. Es geht um die Änderung des Personenstandsgesetzes aus dem Jahre 2009, namentlich um die Abschaffung der §§ 67 und 67 a. Was steckt dahinter? Es steckt dahinter, dass es bis zum Zeitpunkt der Änderung nicht möglich war, eine religiöse Eheschließung zu vollziehen, bevor man nicht auf dem Standesamt geheiratet hat, also die Zivilehe eingegangen ist. Durch die Abschaffung ist dies inzwischen anders möglich, und es führt dazu, dass wir häufig gar nicht wissen, wo im Vorfeld religiöse Ehen einer möglichen oder gar nicht beabsichtigten standesamtlichen Trauung eingegangen wurden. Das halten wir für nicht richtig.

Wir möchten, dass der § 67 wieder eingeführt wird, um die Jugendlichen nicht erst in die desaströse Lage zu

bringen, aus der man sie mit langwierigen Gerichtsverfahren und entsprechender persönlicher, psychologischer und auch physischer Belastung gegebenenfalls wieder herausholt. Diese Abschaffung war ein Einfallstor, ist ein Einfallstor für Zwangsehen mit Minderjährigen.

Seien wir doch mal ehrlich: Wer glaubt denn ernsthaft, dass dies bei eingereisten minderjährigen Mädchen aus Syrien oder anderen Staaten des Mittleren Ostens, in denen das Schariarecht häufig mit Landesrecht kollidiert, aber keine eindeutige Regelung herrscht, freiwillige Ehen sind? Wer glaubt noch dazu ernsthaft,

(Zuruf des Abg. Georg-Ludwig von Breitenbuch, CDU)

dass Mädchen aus diesen Kulturkreisen auch nur im Entferntesten das Bildungsniveau und das Niveau einer gleichberechtigten Person bereits entwickelt haben wie in Deutschland? Nur wer die Augen vor den kulturellen Unterschieden verschließt, kann dies ernsthaft annehmen; aber eben zum Schaden der Betroffenen.

(Beifall bei der AfD)

Frau Dr. Petry hat die zweite Rederunde eröffnet. Bevor ich zur nächsten Rednerin komme, sehe ich eine Kurzintervention am Mikrofon 4 durch Herrn Kollegen Zschocke.

Frau Dr. Petry, Sie haben mir vorgeworfen, ein Feindbild aufzubauen. Ich möchte Ihnen einmal illustrieren, wie Sie Feindbilder aufbauen: Sie schreiben, dass Sex mit Minderjährigen durch die Hintertür legitimiert werde und eine schleichende Islamisierung unserer Rechtsprechung hingenommen werde.

(Dr. Frauke Petry, AfD: Genau!)

Dann illustrieren Sie das Ganze noch mit einer Kampagne „Neues aus Absurdistan: Scharia-Kinder-Ehen auf dem Vormarsch“, was einen aufgeputschten Nutzer Ihrer Facebook-Seite dazu bringt zu schreiben: „Das ist der blanke Hass. Ich kann den Dreck nicht mehr sehen, raus aus Deutschland!“ – So bauen Sie Feindbilder auf.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU, den LINKEN und der SPD)

Wird eine Reaktion gewünscht?

(Dr. Frauke Petry, AfD: Nein!)

Gut. – Wir gehen jetzt weiter in der Rednerliste. Jetzt spricht für die CDU-Fraktion Frau Kollegin Springer.

Danke. Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin schon etwas erstaunt. Die AfD hat es heute geschafft, ihre bisherigen Ansichten über Flüchtlinge und Menschen in Not, die sie ja in den letzten Wochen und Monaten immer beschimpft hat und aus Deutschland raus haben wollte, mit einer scheinheiligen Art zu umgehen,

(Sebastian Wippel, AfD: Das sind doch Lügen, das stimmt doch hinten und vorn nicht!)

indem sie jetzt plötzlich von Würde sprechen. Das hat mich sehr, sehr überrascht, und ich glaube auch, es wäre gut, wenn Sie sich einfach mal den Schaum vom Mund abwischen und ein kleines bisschen Realitätssinn an den Tag legen würden.

(Beifall bei der CDU und der SPD – Zuruf von der AfD: Das sollten Sie tun! Hören Sie doch einfach mal zu! – Weitere Zurufe von der SPD und der AfD)

Für uns ist der Schutz von Kindern und Jugendlichen – zusammengefasst: das Kindeswohl – der maßgebliche Kern unserer Forderungen.

(Zuruf von der AfD: Das ist doch Heuchelei!)

Die schutzwürdigen Interessen sind für uns das Allerallerwichtigste, und dafür haben wir geltende Gesetze, und diese Gesetze funktionieren – auch im Alltag. Wenn Sie das Beispiel Bamberg heranziehen, dann sollten Sie sich wirklich noch einmal die Rede von meinem Kollegen Anton anhören. Er hat sehr klar gesagt, warum das Urteil so ausgegangen ist, wie es ausgegangen ist.

(Sebastian Wippel, AfD: Es hätte auch anders ausgehen können!)

In aller Deutlichkeit, selbst wenn ich es hier zum wiederholten Male sage: Für uns ist die rechtliche Klarheit für den Schutz von Kindern und Jugendlichen – in welcher Lebensform, in welchen Familienverhältnissen auch immer sie gegenwärtig leben oder aus welchen Ländern sie kommen – das A und O.

Ihre unwahren Behauptungen – der Herr Zschocke hat es jetzt gerade in seiner Kurzintervention noch einmal verdeutlicht –, dass eine schleichende Islamisierung unserer Rechtsprechung stattfinde, sind doch gar nicht Ihr Ansinnen. Ihr Ansinnen ist es doch, hier nachzuweisen, dass eigentlich das Fremde, das Neue etwas ist, wovor die Leute Angst haben sollten. Das ist doch aber Quatsch. In Wirklichkeit scheren Sie sich doch um die Betroffenen keinen Deut!

(Beifall bei der CDU, den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Zurufe von der AfD)

Jetzt muss ich eines sagen – das hat auch Herr Zschocke dankenswerterweise schon zitiert, darum muss ich es nicht wiederholen –: