Protokoll der Sitzung vom 29.09.2016

se gibt, dann wäre das natürlich auch der gerichtlichen Überprüfung zugänglich, aber im Grundsatz würde – glaube ich – bei der anstehenden Gesetzeslage niemand zunächst einmal unterstellen, dass diese Einrichtungen gesetzeswidrig wären oder darauf angelegt wären, gesetzwidrig zu handeln. Das ist aber vorhin hier ganz breit unterstellt worden, und das halte ich auch für problematisch.

Was wir vielleicht auch berücksichtigen müssten, ist, dass ja inzwischen Teile dieses Vertrages öffentlich geworden sind und dass es dort Anlass zur Kritik gab. Wir wissen zum Beispiel von der Kritik des Berliner Datenschutzbeauftragten, die allerdings inzwischen auch schon Monate, ich glaube fast ein Jahr alt ist. Die Anhörung des Datenschutzbeauftragten wie auch anderer Behörden dient ja dazu, diesen Staatsvertrag zu qualifizieren.

(Zuruf des Abg. Enrico Stange, DIE LINKE)

Ich verstehe gut, Herr Kollege Stange, dass Sie gern insgesamt früher informiert worden wären. Wir müssen aber auch einmal festhalten, dass solche Staatsverträge natürlich zunächst einmal in ihrer Aushandlung und Verhandlung exekutiver Bereich sind. Dass wir also nicht von Anfang an eingebunden sind als Parlament, ist – glaube ich – nachvollziehbar. Dass wir allerdings spätestens dann, wenn solche Verträge anderswo öffentlich geworden sind, auch hier meines Erachtens vollumfänglich informiert werden müssten, versteht sich. Insofern bin ich eben auch nicht so ganz glücklich mit der Vorgehensweise.

Ich meine aber, insgesamt sollten wir das Anliegen nicht per se verdammen und schon gar nicht irgendwelche Prozesse stoppen. Wir müssen natürlich umfassend informiert werden und können dann darüber entscheiden, ob wir die Haushaltsmittel dafür zur Verfügung stellen. Ich glaube, das ist der geeignete Weg.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, und nun die AfD-Fraktion, Herr Abg. Hütter.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Es ist schon erschreckend, wie transparent in diesem Fall gearbeitet wurde. Durch eine Internetveröffentlichung im Jahr 2015 hat unsere Fraktion von einem Vorhaben zur Bildung eines gemeinsamen Kompetenz- und Dienstleistungszentrums auf dem Gebiet der polizeilichen Telekommunikationsüberwachung der Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Berlin und Brandenburg erfahren. Die komplette Ausarbeitung eines Vertragsentwurfes inklusive der Investitionssumme und der geplanten Standorte wurde dort eingestellt. Von so viel Transparenz durften wir bisher immer nur träumen. Wir Abgeordnete der Opposition hatten uns schon daran gewöhnt, wichtige Dinge frisch aus der ortsansässigen Presse zu erfahren. Sehr geehrte Staatsregierung, für die neuerliche Form des

Umgangs mit sensiblen Informationen zunächst einmal unsere Anerkennung und unseren herzlichen Dank.

Nun aber zur Sache. Die grundsätzliche Idee einer Zusammenlegung von Einzelbehörden und umfassender Neuausstattung des geplanten gemeinsamen TKÜZentrums bewerten wir zunächst einmal als positiv. Die Begründung der antragstellenden Fraktion mit den grünen Aluhüten ist größtenteils purer Populismus, und die AfDFraktion kann Teile des Antrages kaum nachvollziehen. Die Sorge, dass die datenschutzrechtliche Trennung von personenbezogenen Daten im hochsensiblen Bereich des Polizeirechts durch ein gemeinsames Rechen- und Dienstleistungszentrum nicht gewährleistet werden kann, teilt meine Fraktion nicht.

Da wundert es uns doch umso mehr, dass die Fraktion der LINKEN gemeinsam mit der Fraktion der GRÜNEN im sogenannten NSU-Untersuchungsausschuss mehrfach den Versuch unternommen hat, durch gezielte Befragung von Zeugen die schlechte und unzureichende länderübergreifende Zusammenarbeit der Polizeien und Dienste darzustellen und dementsprechend ein schlechtes Bild der Behörden zu zeichnen. Der Ansatz der Staatsregierung zur Einrichtung eines gemeinsamen TKÜ-Zentrums müsste Ihnen doch gerade deshalb recht kommen. Oder verfolgen Sie einen völlig anderen politischen Plan?

(Zuruf von den LINKEN: Ja!)

Ja, offensichtlich. Sie schüren mit Ihrem Antrag unbegründete Ängste in der Bevölkerung vor einer Superbehörde und erwecken den Eindruck von einem schnell fortschreitenden Weg zu einem allumfassenden Überwachungsstaat. Die Vorteile für ein effektives Arbeiten, frühzeitiges Erkennen von geplanten oder schon durchgeführten Straftaten und deren Aufklärung führen Sie gezielt nicht auf.

Wie Sie in Ihrer Begründung selbst bemerken, wurde in einem Gutachten von Herrn Prof. Dr. Dirk Heckmann von der Universität Passau festgestellt, dass es offensichtlich rechtlich möglich sei, ein Zentrum zu errichten. Die zentrale Informationsveranstaltung der Datenschutzbeauftragten der Länder ist offenbar auch zu keinem negativen Ergebnis gekommen.

Ihre grundsätzliche Forderung zur Beantwortung der Fragen 1 bis 3 in Ihrem Antrag unterstützen wir, wobei es der AfD-Fraktion insbesondere auf die Darstellung der Wirtschaftlichkeit, der Gesamtkosten, der Qualität und der Leistungsfähigkeit des geplanten Zentrums ankommt.

Die Fragestellung unter Punkt 3 d, i und ii Ihres Antrages erscheint eher überflüssig, da es sich für unser Rechtsverständnis um eine Grundvoraussetzung aller polizeidienstlichen Aufgaben handelt.

Ihre Forderung nach Aufgabe des Projektes und sofortigem Stopp der Planungen lehnt die AfD-Fraktion aus den genannten Gründen ab. Aber auch wir bemängeln, dass anderthalb Jahre lang hinter verschlossenen Türen verhandelt wurde, ohne dass die dafür vorgesehenen Ausschüsse im Sächsischen Landtag umfassend informiert

worden sind. Dieser Umstand ist auch für uns unerträglich.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren, das war die erste Runde. Gibt es Redebedarf bei den Fraktionen für eine zweite Runde? – Für die GRÜNEN wird die Zeit nicht reichen. Für DIE LINKE reicht die Zeit nicht. CDU-Fraktion? – Das ist nicht der Fall. SPD auch nicht. AfD auch nicht. Jetzt frage ich die Staatsregierung. – Das Wort wird gewünscht. Herr Staatsminister Ulbig, bitte sehr, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Zunächst einmal in Richtung von Herrn Lippmann: Das Thema Überwachungswahn und Datenmissbrauch scheint ja eines Ihrer Lieblingsthemen zu sein, ebenso die Entfachung von Debatten dazu hier im Landtag. Ich kann nur sagen: Gerade in der letzten Zeit habe ich zu diesem Themenkomplex häufiger Stellung genommen, sei es beim Bericht zur Datenerhebung mit besonderen Mitteln oder bei der Diskussion über unser Polizei- und Sicherheitsgesetz gerade im Mai 2016.

Ich möchte am Anfang meines Beitrages klar und deutlich sagen: Uns in Sachsen kann keiner vorwerfen, Sicherheit und Datenschutz nicht sorgfältig im Einklang zu halten. Die Polizei geht sorgsam mit den betreffenden Mitteln um, und wir haben einen konstruktiven Austausch mit dem Datenschutzbeauftragten bei sämtlichen Vorhaben.

In der heutigen Debatte und bei dem Antrag geht es nun konkret um die Telekommunikationsüberwachung, kurz TKÜ. Zunächst einmal erinnere ich daran: Hier geht es um die Umsetzung eines gesetzlichen Auftrages. Die TKÜ ermöglicht es Richtern und unter bestimmten Umständen Staatsanwälten, die Polizei zu beauftragen, Daten der dann verpflichteten Telekommunikationsunternehmen entgegenzunehmen, um Verbrechen aufzuklären.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, genau dafür steht das geplante Kompetenz- und Dienstleistungszentrum der Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Berlin und Brandenburg, kurz: GKDZ. Ziel dieses Projektes ist, die gemeinsamen Kompetenzen auf diesem Gebiet zu bündeln, mit dem Stand der Technik einmal und nicht fünfmal parallel Schritt zu halten und letztendlich damit Ressourcen zu schonen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, für uns ist dieses Vorhaben eine wichtige Grundlage, um die TKÜ noch besser zur Verfolgung schwerer Straftaten zu nutzen und um letztlich technisch im 21. Jahrhundert auch polizeilich zu bestehen, natürlich auf der Grundlage geltender Vorschriften und nur nach richterlicher Anweisung.

Ich habe hier im Landtag dazu schon einmal gesagt: Es kann niemand ernsthaft etwas dagegen haben, dass solche technischen Mittel verwendet werden und jene, die für

Telekommunikationsüberwachung zuständig sind, auf der Höhe der technischen Ausstattung sind, damit sie überhaupt ihre Arbeit leisten können.

Konkret ist geplant, dass die beteiligten Länder in der sogenannten Sicherheitskooperation (SiKoop) – das ist der Verbund, in dem die Länder sicherheitspolitisch zusammenarbeiten – das GKDZ ausschließlich für die Auftragsdatenverarbeitung und damit als technischen Hilfsdienstleister bei der polizeilichen TKÜ nutzen. Das GKDZ soll lediglich die TKÜ-Daten zur Verfügung stellen, deren Erhebung von den zuständigen Stellen, also von Polizei und Justiz, auf gesetzlicher Grundlage vorher veranlasst wurde.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie schon gesagt, liegt ein wesentlicher Vorteil dieser Zusammenarbeit darin, dass nicht jedes Land in eigene Strukturen investieren muss, um auf den Stand der Technik des geplanten GKDZ zu kommen. Die hier veranschlagten Kosten würden, wenn es jedes Land für sich machen würde, die des GKDZ um ein Vielfaches übersteigen.

Aus gutem Grund haben sich die beteiligten Länder deshalb in den letzten Monaten weiter kontinuierlich zusammengesetzt und daran gearbeitet, den betreffenden Staatsvertrag voranzubringen. Nach meinem Verständnis hat die Diskussion gerade noch einmal deutlich gezeigt, dass es – Herr Baumann-Hasske, Sie haben es zumindest in einem Satz richtig gesagt – erst einmal notwendig ist, dass sich die zuständigen Behörden auf ein Niveau verständigen, bevor man mit den unterschiedlichen Aspekten in die jeweiligen Debatten geht.

Dass es in einigen der Länder Wahlen gegeben hat, dadurch veränderte Zusammensetzungen und zum Beispiel noch einmal Diskussionsbedarf, ist für das Fortkommen und vielleicht auch für die Diskussion hier im Plenum schwierig, aber am Ende ist es Bestandteil dieses gesamten Prozesses, und ich kann Ihnen nur sagen: Weil das Ziel für mich das Richtige ist, werden wir uns auch weiterhin diesen mühsamen Aufwendungen stellen und den Diskussionsprozess voranbringen.

Zur Finanzierung wurde gesagt, dass 4,2 Millionen Euro im Haushaltsplan stehen und wir sie im laufenden Haushalt nicht ausgegeben haben, da das Projekt noch nicht in die Umsetzungsphase gekommen ist. Die Finanzierungsanteile für die jeweiligen Länder sollen sich nach dem Königsteiner Schlüssel, also nach einem Modell, entsprechend verteilen.

Die Verantwortung für die polizeiliche TKÜ verbleibt aber in jedem Fall in Länderhoheit. Das heißt, das GKDZ setzt die TKÜ lediglich technisch in dem Maße um, was auf der Grundlage der gesetzlichen Befugnisse zur Abwehr von Gefahren in anderen Bundesländern und zur Strafverfolgung in allen SiKoop-Ländern ohnehin rechtmäßig ist. Ich möchte es noch einmal klar und deutlich sagen:

Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Sofort. – Mit der Einrichtung des GKDZ werden keine neuen Eingriffsbefugnisse geschaffen.

Jetzt gestatten Sie aber eine Zwischenfrage?

Ja, selbstverständlich.

Herr Stange.

Vielen Dank. – Herr Staatsminister, Sie ließen uns gerade wissen, dass es nach Ihrer Auffassung richtig ist, diese Einrichtung zu schaffen. Vielen Dank dafür, dass Sie uns dieses Eingeständnis gemacht haben.

Halten Sie es dennoch an mancher Stelle für geboten, auch das Hohe Haus als Vertreter des Souveräns in diesem Freistaat zu befragen, ob gegebenenfalls die Vertreter dieses Hohen Hauses ebenfalls eine solche Einrichtung als richtig erachten? Denn bislang kenne ich keinen Willensbildungsprozess dazu.

Herr Stange, die Frage zielt darauf, ob es aus der Sicht des Fragestellers richtiger wäre, bevor man in einen Meinungsbildungsprozess einsteigt, den ich Ihnen gerade beschrieben habe und der aus der Sicht der Staatsregierung noch nicht abgeschlossen ist, schon ins Plenum zu gehen und sich eine Art Grundsatzbeschluss zu holen, oder ob man, so wie wir es betrieben haben,

(Enrico Stange, DIE LINKE: Ja! Auf diese Frage kam es mir an!)

die Idee als richtig erachtet, mit den Geldern, die uns zur Verfügung stehen, vernünftig umzugehen und ein Konzept für eine technische Plattform zu entwickeln, die es ermöglicht, einen gesetzlichen Auftrag mit weniger Mitteln umzusetzen, und wenn die Konstruktion steht, damit ins Plenum zu kommen und sie dem Landtag vorzustellen.

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Ich habe mich für die letztere Variante entschieden, und alle Länder ebenfalls.

Gestatten Sie dazu eine Nachfrage?

Selbstverständlich.

Herr Stange.

Herr Staatsminister, würden Sie mir zumindest insofern recht geben, dass Sie, gesetzt die Tatsache, dass die Mehrheit des Hohen Hauses Ihrem Ansinnen, wenn Sie damit ins Plenum kommen, nicht zustimmen würde, das Geld vorher umsonst verbraten hätten?