Unsererseits ergeben sich nach der Sondersitzung der Ausschüsse und den dort vorgetragenen Ausführungen nach wie vor viele Fragen, die zu klären sind. Ein Ausschnitt daraus: Warum hat man nicht alle Personen, die dort unterwegs waren, geprüft? Warum ist die Alarmfahndung usw. erst so spät ausgelöst worden? All das sind Fragen, die, glaube ich, zu stellen sind. Aber – das sollte Teil der Aufarbeitung, der polizeilichen Nachbereitung sein – auch zu den Fragen, die mit der Ausrüstung sowie mit der Aus-, Fort- und Weiterbildung der Beamtinnen und Beamten für besondere Einsatzlagen wie Amok und Terrorismus verbunden sind, Fragen hinsichtlich der besonderen Aus- und Fortbildung sowie Trainingsstätten dafür –, hat der Landespolizeipräsident in der Sondersitzung ausgeführt und klargemacht, dass wir dabei erst am Anfang stehen.
Es steht also die Frage, ob die sächsische Polizei personell und in Fragen der Aus- und Fortbildung sowie des Einsatztrainings auf diese speziellen Einsatzlagen – Amok, Terrorismus – vorbereitet ist und ein Einsatz jederzeit durch jeden an jedem Ort, auch im Zusammenwirken mit persönlich unbekannten Polizistinnen und Polizisten – auch dies war eine Frage – anderer Länder und des Bundes erfolgreich gemeistert werden kann. Sind wir in Sachsen und in Deutschland insgesamt – Kollege Pallas, da bin ich völlig bei Ihnen – darauf wirklich vorbereitet?
In München liefen beim Amoklauf offensichtlich viele Polizeibeamtinnen und -beamte ohne jede Schutzausrüstung umher. Beim Einsatz am Hotel Fürstenhof in Leipzig bot sich ein, gelinde gesagt, seltsames Bild der Ausstattung der sächsischen Polizei.
Wir sind ja ein wenig darauf angewiesen, was in den Medien steht. – Schließlich wird nicht jeder Streifenbeamte die Schutzausrüstung des SEK tragen müssen. Der Kollege Pecher als Ausschussvorsitzender hat der Presse gegenüber auch von einem Mangel an „Schnellläufern“ bei der sächsischen Polizei gesprochen.
Es ist zu hinterfragen, ob das SEK eine ausreichende Personalstärke hat, falls wir häufiger mit solchen Einsatzlagen rechnen müssen. Wie muss eine Schutzausrüstung des Streifendienstes für den täglichen Gebrauch überhaupt aussehen, damit sie Schutz und gleichzeitig Beweglichkeit gewährt? Wie schnell und wie gut kommen wir mit dem Digitalfunk voran, und können wir über diesen Einsatz Informationen direkt und an jedem Ort vermitteln? Diese Fragen stehen vor dem Hintergrund der missglückten Festnahme des Terrorverdächtigen al-Bakr. Sie stehen vor dem Hintergrund der Folgen des massiven Personalabbaus bei der Polizei der letzten Jahre. Sie stehen vor dem Hintergrund des Erfordernisses des Zusammenwirkens der Sicherheitsbehörden der Länder und des Bundes sowie der allgemein bekannten Egoismen und Animositäten dieser Behörden untereinander.
Es tut not, die Lage ungeschönt zu ergründen und die erforderlichen Schlussfolgerungen zu ziehen. Dies wäre heute die Aufgabe unseres Antrages gewesen, wenn Sie ihm zustimmten. Es ist die Aufgabe des Antrages, hierbei ein Stück weit voranzukommen. Wer Vertrauen in den Staat und die Sicherheitsbehörden zurückerobern will – darum geht es an dieser Stelle unter anderem –, der muss diese Fragen stellen und an ihrer Beantwortung mitwirken. In diesem Sinne ist der Antrag geboten, und wir bitten um Ihre Zustimmung.
Herr Abg. Stange, Sie machen es mir als Präsidenten wirklich nicht sehr leicht. Ich muss Sie zur Ordnung rufen. Wenn Sie schon im Umgang mit der Thematik Sachlichkeit einfordern, gehört auch der Umgang mit nicht öffentlichen Sitzungen zur
gebotenen Sachlichkeit, auch, was Zitate betrifft. Ich weise auf die Geschäftsordnung hin, nach der Ihnen selbstverständlich auch die Möglichkeit gegeben ist, zu beantragen, dass die Öffentlichkeit aufgehoben wird und wir dann alle weiteren Dinge sagen; aber Sie können hier nicht einfach so überraschen. Für die Zukunft bitte ich das zu beachten, sonst gibt es gleich den Entzug der Rede mit dem Ordnungsruf.
(Beifall des Abg. Christian Piwarz, CDU – Christian Piwarz, CDU: Sehr gut! – Zuruf des Abg. Patrick Schreiber, CDU)
Meine Damen und Herren, es geht in der Aussprache weiter. Herr Abg. Modschiedler spricht für die CDUFraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Herzlichen Dank für die klaren Worte im Sinne des § 33 Abs. 3 GO, sonst hätten wir hier nämlich einen Präzedenzfall geschaffen. Für uns bleiben die Sitzungen immer noch geheim, und das soll auch so bleiben.
Nicht öffentlich, Entschuldigung! – Nach dieser interessanten und emotionalen Diskussion würde ich jetzt gern zum Inhalt kommen, und zwar zum Inhalt der Justiz. Ich möchte das einmal unter rechtspolitischen Aspekten inhaltlich beleuchten; denn auch hier haben wir intensiv und vor allem zeitnah über die Geschehnisse gesprochen – in der gemeinsamen Sitzung beider Ausschüsse; sie wurden jetzt auch mehrfach genannt.
Sie sprechen und vor allem, Herr Bartl, Sie schreiben in Ihrem Antrag jedes Mal von „absolutem Staatsversagen“. Der Staatsminister, der Direktor der Justizvollzugsanstalt Leipzig, Herr Jacob, und der Generalstaatsanwalt, Herr Fleischmann, haben dem Ausschuss Rede und Antwort darüber gestanden, was vom Zeitpunkt der Einlieferung des Herrn al-Bakr bis hin zu seinem Suizid alles unternommen wurde. Gut, die Zeitungen haben darüber im Nachgang teilweise objektiv berichtet, für andere war es, würde ich sagen, keine Sternstunde; aber es war von Anfang an transparent und nachvollziehbar.
Dass man nun nach allen Erörterungen und im Nachhinein manches anders gemacht hätte – klar, auch das ist nachvollziehbar. Nachher sind wir immer alle schlauer. Aber dennoch die Frage: Warum soll die Anstaltsführung nicht auf die Aussage der sachverständigen Psychologin vertrauen dürfen, und warum soll eine erfahrene Psychologin nach einem intensiven gutachterlichen Gespräch mit Herrn al-Bakr und der ebenso umfassenden Auswertung des Allgemeinzustandes des Gefangenen nicht zu dem Ergebnis kommen dürfen, dass der Gefangene aktuell nicht suizidgefährdet ist? Das Team der JVA hat gleichwohl mehr als angemessene Maßnahmen ergriffen, um Herrn al-Bakr vor sich, aber auch vor den anderen Häftlingen und die Strafvollzugsbediensteten vor der Gefährlichkeit, die von ihm ausging, zu schützen.
Letztlich 15-minütige Kontrollen, ein separater Raum mit einem Schutzgitter, keine Gemeinschaftstelle, dennoch – natürlich dennoch –: Herr al-Bakr ist tot. Er hat sich umgebracht. Ein Selbstmord zu viel – das steht für uns außer Frage. Dass dies aber ohne Weiteres zu verhindern gewesen wäre, das wird nun konstruiert. Es bleibt bei einer unbelegbaren Behauptung.
Allein die Deuter aus der Ferne, die nicht einmal den Sachverhalt richtig kannten, meldeten sich sofort zu Wort und sahen das Versagen der Sachsen. Einmal mehr, wie sie sagen.
Damit kommen wir zur ersten Subsumtion: Es gibt kein Staatsversagen im Fall al-Bakr. Ob und inwiefern im Detail hätte anders gehandelt werden können, aber vor allem, ob und inwiefern Entscheidungen zukünftig anders getroffen werden sollten und wo kommunikative Verbesserungen möglich sind – das wurde allgemein in diesen Thesen angesprochen –, dazu ist von der Staatsregierung zeitnah eine Expertenkommission eingerichtet worden. Sie hat ihre Arbeit schon aufgenommen, und sie will ihre Arbeit bis zum Ende des Jahres abschließen. Wir haben die voraus gearbeiteten Dinge heute Morgen schon in der gemeinsamen Ausschusssitzung vorgelegt. Die Ergebnisse der Arbeit der Expertenkommission – und da können wir uns sicher sein –, wird sich auch die CDU-Fraktion intensiv anschauen und umsetzen.
Also, warten wir das Ergebnis der Expertenkommission ab. Oder ist es wieder so, dass Experten nur dann richtig urteilen, wenn sie das tun, was die Opposition sich vorstellt? So sieht es nämlich jetzt aus. Die Antragstellerin scheint ihre Entscheidung nämlich quasi als Expertin bereits gefällt zu haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute Morgen mehrfach den 9. November zitiert. Es ist gut, dass in diesem Hohen Haus heute auf die Bedeutung dieses Tages in der deutschen Geschichte hingewiesen wurde. Uns als CDU-Fraktion liegt dabei am Herzen, dass wir uns in unserem politischen und staatlichen Handeln immer wieder auf diese Bedeutung besinnen. Herr Bartl, für uns gelten rechtsstaatliche Grundsätze. Das gilt auch für Terroristen und auch in Gefängnissen.
In der Ausschusssitzung ist nämlich deutlich geworden, dass all unsere staatlichen Behörden – von den Verfassungsschutzbehörden, über die Polizei, bis hin zur Justiz – die Einheit von Recht und Gesetz zum Maßstab ihres Handelns gemacht haben und dies auch zukünftig machen. Das ist kein Staatsversagen. Das ist verantwortungsvolles staatliches Handeln.
Mithin können wir mit den Ergebnissen der Kommission neue Sicherheitswege beschreiten und auch in anderen Ländern helfen, Sicherheitslücken zu schließen. Wir blicken nach vorn. Wir vertrauen darauf, dass unsere Staatsregierung auch in der heutigen gefährlichen Zeit mit Augenmaß und mit Entschlusskraft sich den Herausforderungen stellt. Deshalb stellen sich unser Ministerpräsident, der Staatsminister des Innern und der Staatsminister der Justiz ihrer Verantwortung. Sie treten nicht zurück. Zu Schulzeiten nannte man das nämlich feige. Sie stellen sich ihrer Verantwortung
und deswegen unterstützen wir den Ministerpräsidenten in seiner Arbeit. Da sollten wir nicht meckern, sondern wir sollten ihn ebenfalls unterstützen.
Meine Damen und Herren! Nun die SPD-Fraktion. – Keine Wortmeldung mehr. Gibt es weitere Wortmeldungen aus den Reihen der Fraktionen? AfD-Fraktion? – Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN? – Das ist nicht der Fall. Gibt es noch Wortmeldungen für eine dritte Runde? – Herr Bartl? – Nein.
(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Es gibt noch Redebedarf bei der CDU! Das ist eine gute Sache! Jetzt kann er es wieder gut machen!)
Herr Hartmann, das habe ich übersehen. Bei mir steht „eventuell“. Bitte sehr, ich erteile Ihnen das Wort.
Herr Stange hat mich auf „eventuell“ eingeladen, Herr Präsident. – Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Noch einmal zu dem Thema Bambule und wer damit angefangen hat: Herr Stange, Sie sind rhetorisch durchaus sehr begabt. Das ist zweifelsohne zu attestieren. Allerdings ersetzt Rhetorik nicht zwangsläufig den Inhalt.
Sie haben gesagt, wir sollten lesen. Das kann man in der Tat ab der Grundschule. Nur wäre zu dem Lesen der Fakt des Verstehens auch recht förderlich.
Insoweit muss man sich seinen eigenen Antrag dann schon durchlesen, ihn verstehen und das auch noch in den Kontext der Logik setzen.
Ich will Ihnen das erklären: Wir haben also eine Kommission, die bis Ende des Jahres entsprechende Ergebnisse erarbeiten und diesen Sachverhalt aufarbeiten soll. Allerdings sagen Sie im Beschlusspunkt 2, dass jetzt schon die entsprechenden notwendigen Maßnahmen einzuarbeiten sind und deswegen bis übernächste Woche – das ist nämlich der Zeitpunkt der HFA-Woche – die Ergänzungsvorlage vorzulegen ist.
Auch hinsichtlich der Regierungserklärung, die Sie jetzt beantragen, wollen Sie diese Ergebnisse nicht abwarten. Insoweit ist Ihr Antrag aus unserer Sicht in sich widersprüchlich.