Das Präsidium hat hierfür eine Redezeit von 10 Minuten je Fraktion festgelegt. Die Reihenfolge in der ersten Runde lautet CDU, DIE LINKE, SPD, AfD, GRÜNE sowie der Sächsische Ausländerbeauftragte und die Staatsregierung, beides, wenn gewünscht. Wir beginnen mit der Aussprache. Wer möchte für die CDU ans Mikrofon treten? – Herr Kollege Voigt, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Wir müssen uns jetzt doch noch einem ernsten Thema widmen. Nachdem wir vieles über einfache Weltbilder gehört haben, kommen wir jetzt zum Bericht des Sächsischen Ausländerbeauftragten.
Dieser legt dem Parlament jährlich einen Bericht zur Situation der im Freistaat Sachsen lebenden Ausländer vor. Der Innenausschuss hat ihn in seiner 24. Sitzung vor circa zwei Wochen beraten und zur Kenntnis genommen. Das ist ein gutes Zeichen, denn alle Fraktionen haben Zustimmung signalisiert.
Aus meiner Sicht ist es eine erhebliche Wertschätzung der Arbeit von Geert Mackenroth und seinem Team.
Wie Sie beim Durchschauen des Jahresberichtes feststellen konnten, ist dieser Bericht mehr als eine bloße Dar
stellung der Arbeit des Sächsischen Ausländerbeauftragten. Es geht hier um mehr als um eine Auflistung von Zahlen der in Sachsen lebenden Ausländer.
Einige Punkte möchte ich unterstreichen, in erster Linie die Arbeit der Hilfsorganisationen. Sie ist zu würdigen, denn das ist hochprofessionelles Arbeiten. Ich möchte ausdrücklich den Helfern danken, dem DRK, den Johannitern, den Maltesern, der Bundeswehr, dem THW, der Volkssolidarität. Sie alle haben eine ausgezeichnete Arbeit geleistet und tun dies nach wie vor.
Das DRK hatte im vergangenen Jahr über 4 000 Helfer im Einsatz gehabt und 800 neue Jobs ermöglicht. Das zeigt noch einmal die Dimension, mit der wir es zu tun hatten. Das Kapitel „Das Jahr der Helferinnen und Helfer“ nimmt in dem Bericht einen besonderen Raum ein. Die Schwerpunktsetzung ist eine Würdigung zu Recht. Es ist auch sehr positiv, dass dort die gesamte Bandbreite der gesellschaftlichen Reaktionen von einer strikten Ablehnung bis hin zu einem kräftezehrenden Aufwand für Hilfsorganisationen, Verwaltungen und ehrenamtlichen Helfern abgebildet ist.
Der Jahresbericht stellt sehr anschaulich dar, wie alle Beteiligten – angefangen von der Staatsregierung über die Landkreise und kreisfreien Städte, die Kommunen bis hin zu den einzelnen Bürgern – festgestellt haben, dass die Auswirkungen der globalen Themen – Flucht, Asyl und Integration – auch bei uns im Freistaat angekommen sind.
Der Jahresbericht ist damit eine wichtige Grundlage und soll für uns auch in Zukunft die Situation erleichtern, zu vergleichen, welche Anforderungen es gibt und wie die Maßnahmen auf die betroffenen Menschen wirken. Herr Mackenroth, Ihnen und Ihrem Team herzlichen Dank!
Wir können auch feststellen, wie sich die Reform der Gesetzesregelungen dort verändert hat. Neben den Einzelfällen ist es jetzt auch möglich zu sehen, wie die Schritte der Integration angegangen werden müssen und dass es auch wichtig ist, eine schnellere Ausreise von nicht berechtigten Personen zu dokumentieren, auch durchzusetzen, weil damit natürlich auch die Akzeptanz der Schutzberechtigten in der Bevölkerung steigt; und Akzeptanz, meine Damen und Herren, ist ein wichtiger Punkt.
Wenn 2015 das Jahr der Unterbringung war, dann geht es in den nächsten Jahren um das Thema Integration. Geert Mackenroth bringt es sehr gut auf den Punkt, wenn er sagt: „Nur die schonungslose Offenlegung aller Rahmenbedingungen, Prognosen und Kapazitäten und die sachliche und unvoreingenommene Diskussion über die Lösungswege können zum Erfolg führen.“ Das möchten wir alle auch beherzigen.
Zwei Jahre ist der Sächsische Ausländerbeauftragte Geert Mackenroth tätig. Er ist neben den Ausländern auch Ansprechpartner und Anlaufstelle für die Bürgerinnen und Bürger in Sachsen. Das Amt umfasst also sowohl ausländische als auch inländische Belange.
Die Bilanz zeigt deutlich, welcher Aufwand an Kommunikation betrieben worden ist und wie wichtig es war, diese Kommunikation zu betreiben. Aus unserer Sicht ist es auch angebracht, noch einmal denen herzlich Danke zu sagen, die diese Dialogveranstaltungen für eine sachliche Diskussion genutzt haben.
Die zahlreichen Daten- und Faktenblätter zum Asyl waren eine vielfältige Arbeitshilfe, die auch von den Verwaltungen und den Ehrenamtlichen in den Wahlkreisen genutzt wurden.
Ein Ausblick ganz kurz: Wir sind uns einig, dass Ankunft, Registrierung und Unterbringung der Menschen nicht das Ende der Anstrengungen sind, sondern der Fokus muss in den nächsten Jahren ganz klar auf Integration derer liegen, die bei uns im Freistaat eine Zukunft haben. Integration ist kein Patentrezept, keine Musterlösung; man kann nur mit klarem Kopf und strukturiert an dieses Thema herangehen. Dazu müssen wir wissen, welche Defizite und welche Potenziale die Menschen haben, wir müssen wissen, welche Ausbildung, welche Sprachkenntnisse sie mitbringen und welche Eingliederungshilfen, Praktika und Ausbildung nötig sind. Wir müssen auch
Ein regelmäßig von der Staatsministerin für Integration, Frau Köpping, herausgegebenes Integrationsmonitoring, wie es auch Geert Mackenroth fordert, sehen auch wir als CDU-Fraktion als sinn- und wertvolle Grundlage für die Politik der Verwaltung, denn nur mit belastbaren Daten und Zahlen können wir zielgerichtet arbeiten.
Der Innenausschuss schlägt dem Plenum vor, den Jahresbericht 2015 des Sächsischen Ausländerbeauftragten zur Kenntnis zu nehmen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen über den Bericht des Sächsischen Ausländerbeauftragten, dem nach meiner Rechnung 23. seiner Art, und den ersten, der komplett in die Amtszeit von Geert Mackenroth fällt. Wir wollen uns auch als Fraktion zunächst bedanken für das umfangreiche Material – vor allem das Zahlenmaterial wurde gerade schon erwähnt – und den Rückblick auf ein sehr bewegtes Jahr 2015.
Gestatten Sie mir, zunächst diesen Rückblick kurz nachzuvollziehen und danach auf den Bericht einzugehen. Wie im Bericht erwähnt, ist eine gewisse Fokussierung auf das Thema Flucht und Asyl gegeben; darum wird das bei mir auch eine Rolle spielen – wohl wissend, dass das Spektrum der Migranten, der Ausländer, der Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft größer ist.
Die Zahl geflüchteter Menschen erhöhte sich nicht erst im Sommer 2015 mit der Öffnung der Grenzen, sondern bereits vorher. Bereits mit dem Jahresbeginn 2015 mussten die Aufnahmekapazitäten ausgebaut werden. Am Ende des ersten Quartals gab es elf Notunterkünfte, darunter zwei Turnhallen – alles nachzulesen im Bericht –; bis zum Jahresende stieg die Zahl weiter und wir erinnern uns gut: Die Aufnahmebedingungen waren an manchen Orten – ob Zelt, Messe, Leichtbauhallen oder umfunktionierte Baumärkte – menschenunwürdig.
Mit den zu uns flüchtenden Menschen brach sich auch ein Rassismus Bahn, der sich in Form von Aufmärschen gegen neu entstehende Asylunterkünfte und viel zu oft in gewaltvollen Angriffen ausdrückte. Mehr als 200 entsprechende Attacken waren im vergangenen Jahr zu zählen, darunter 18 Brandstiftungen. Wie auch der vorliegende Bericht ausweist, liegt Sachsen damit im bundesweiten Maßstab vorn. – Gut, dass diese Zahlen so aufgearbeitet wurden.
Diese Ereignisse sind nicht zuerst ein Imageschaden für Sachsen, sondern Indikator dafür, wie brüchig die Demo
kratie gerade hierzulande ist und dass eben kein humanistischer Konsens vorhanden ist. Die rassistischen Ausbrüche in Clausnitz, Bautzen oder Heidenau erst wieder am vergangenen Wochenende zeigen, dass noch längst keine Ruhe oder gar nachhaltige Veränderungen in den Köpfen eingezogen sind. Sicher unbeabsichtigt, illustriert diese Stimmung auch der Bericht des Sächsischen Ausländerbeauftragten mit einem Foto auf Seite 39, wo unter der Überschrift „Sachsens Bevölkerung reagiert“ ein Foto eines Pegida-Aufmarsches zu sehen ist.
Aber wir wissen auch, dass es die anderen Töne gab, dass es ein überwältigendes ehrenamtliches, mit den Schutzsuchenden solidarisches Engagement gab und weiter gibt. Es ist gut, dass der Bericht diesen humanitären und humanistischen Initiativen einen großen Platz einräumt. Doch es waren nicht nur die groß vorgestellten professionellen Träger wie DRK, Johanniter oder THW, sondern sehr, sehr viele kleine Initiativen von Menschen, die sich teilweise sicher zum ersten Mal ehrenamtlich für Geflüchtete einsetzten. Wir wissen auch, dass diese mithalfen, eine Katastrophe abzuwenden – und immer noch abwenden –, die auch im offensichtlich gewordenen Versagen bei der Aufnahme von Geflüchteten begründet lag.
Inzwischen ist mit dem rapiden Absinken der Zahl zu uns fliehender Menschen eine trügerische Ruhe eingekehrt; denn weder ist die Welt friedlicher – und sind damit die Fluchtgründe weniger geworden –, noch können wir ausblenden, dass gerade in anderen europäischen Staaten wie Griechenland und Italien Zehntausende Schutzsuchende festsitzen, ohne dass vereinbarte Verteilungsmechanismen wirklich funktionieren. Auch Deutschland glänzt da nicht besonders. Vom September 2015, als auf EU-Ebene diese Vereinbarung über ein RelocationProgramm getroffen wurde, bis September 2016 wurden gerade einmal 216 von 27 300 zugesagten Plätzen belegt, also Menschen aufgenommen.
Stattdessen feilt die verantwortliche Politik daran – und diese Töne werden auch verstärkt aus Sachsen auf die Bundesebene getragen –, Geflüchtete weiter draußen zu halten oder hinauszuwerfen und ihnen mit diversen Gesetzesverschärfungen das Leben schwer und so unmissverständlich deutlich zu machen, dass sie hier nicht erwünscht sind – zum Beispiel, wenn Geflüchtete von Integrationsangeboten qua unsicherer Bleibeperspektive ausgeschlossen sind, wenn ihnen dringend benötigte medizinische Behandlung aufgrund ihres Status nicht genehmigt wird, wenn ganze Familien durch Abschiebung zerrissen werden.
Genau diese Perspektive – die Perspektive der Betroffenen – bleibt auch im Bericht des Sächsischen Ausländerbeauftragten unterbelichtet, und der wird aus unserer Sicht seiner Aufgabe nicht gerecht. Im § 3 des Gesetzes über den Sächsischen Ausländerbeauftragten ist klar formuliert: „Der Ausländerbeauftragte erstattet dem Landtag einen jährlichen Bericht zur Situation der im Freistaat lebenden Ausländer.“ Wie bereits im Innenausschuss – dort konnten Sie die Kritik von uns auch schon
hören –, mahnen wir an dieser Stelle an, diese gesetzesfixierte Aufgabe in zukünftigen Berichten stärker zu beachten.
Dasselbe betrifft das Amtsverständnis des Sächsischen Ausländerbeauftragten – auch diese Kritik haben wir schon formuliert –, das gesetzlich zur Wahrung der Belange der im Freistaat lebenden Ausländer fixiert ist. Von einem Inländerbeauftragten ist dort nichts zu lesen.
Natürlich kann Integration nur mit der angestammten Bevölkerung funktionieren. Natürlich muss diese sich zu Menschenrechten bekennen und vor allem in Sachsen lernen, Schutzsuchende ohne Rassismus und Argwohn zu empfangen. Es stellt sich in Anbetracht des Berichtes des Ausländerbeauftragten, des Amtsverständnisses – dem ist ja auch ein Extrakapitel gewidmet – und manchmal auch öffentlicher Äußerungen mitunter der Eindruck so dar, dass das Verständnis für die Vorbehalte der sogenannten Inländer doch mehr Platz einnimmt, als die Belange der Ausländer(innen) im Freistaat zu wahren. Letzteres hieße nämlich, auf Ungerechtigkeiten und Teilhabedefizite hinzuweisen und Partei zu ergreifen, sich im Zweifelsfall auch einmal gegen eine Abschiebung zu positionieren und nicht gebetsmühlenartig auf die schnelle und konsequente Ausreisepflicht hinzuweisen, wie es auch im Bericht passiert.
Schlussendlich blicken wir erwartungsvoll in die Zukunft – auf den neuen erweiterten Heim-TÜV – dieses erweiterte Spektrum, das dort untersucht werden soll, also auch Behörden –; das begrüßen wir sehr. Wir blicken gespannt auf den Prozess der Netzwerkbildung von Migrantinnen und Migranten – hier gibt es ja auch verschiedene Ansätze, die zusammengebracht werden müssen – und auf weitere Instrumente, die die Integration und Teilhabe von Migranten in Sachsen befördern. Wir hoffen, dass es gut in Kooperation mit der Integrationsministerin funktioniert, die ja auch einige Verdienste in den letzten zwei Jahren errungen hat.
Schließen will ich mit einem Zitat – das hören natürlich neue Beauftragte nicht so gern – von dem Vorgänger von Geert Mackenroth, mit einem Zitat von Martin Gillo. Die Berichte seiner Amtsperiode enthielten die schon im Titel sehr eindrucksvolle Rubrik „Mit Herz gesehen“. Im Jahr 2013 schrieb er in einem seiner Beiträge – es ist ein längeres Zitat –: „Indem wir andere Kulturen kennenlernen, lernen wir auch unsere eigene kennen, so wie der neugeborene Wal das Wasser erst beim Luftholen erkennt. Das ist wichtig, weil wir normalerweise nur die Schwächen der anderen und unsere eigenen Stärken gut sehen. Die Kenntnis der Stärken der anderen und unserer eigenen Schwächen müssen wir uns erst erarbeiten.“
Wir wünschen uns gerade in diesen Zeiten ab und zu mehr von diesen klugen Perspektiven auf eine sich durch Zuwanderung und Zuflucht suchende Menschen wandelnde Gesellschaft. Nicht zuletzt wünschen wir uns mit Blick auf das Thema auch mehr Herz.
Meine Damen und Herren! Für die SPD-Fraktion nun Frau Abg. Pfeil-Zabel. Sie haben das Wort. Bitte sehr.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Mackenroth, auch im Namen der SPD-Fraktion einen herzlichen Dank für den vorliegenden Bericht.
Ihre Aufgabe ist klar und kurz definiert. Nach § 1 des Gesetzes über den Sächsischen Ausländerbeauftragten sind Sie der Bewahrer der Belange der im Freistaat lebenden Ausländer. Wenn dies auch sehr klar und kurz formuliert ist, so ist die Aufgabe gerade in den letzten Jahren doch gewachsen.
Mit Blick auf die Zuzugszahlen der Jahre 2014, 2015, aber auch 2016 ist die Anzahl derjenigen, für die Sie Ansprechpartner, Vertrauter und Sprachrohr sind, deutlich gestiegen.
Mit Ihrem jährlichen Bericht zur Situation der im Freistaat lebenden Ausländer haben Sie gezeigt, dass die Sorgen, Ängste, aber auch Hoffnungen der Menschen, die zu uns kommen, die gleichen geblieben sind.
In vielerlei Hinsicht ist es schwer, den vorliegenden Bericht mit den vorherigen zu vergleichen. So ist an dieser Stelle auch klar die Arbeit der Staatsministerin für Gleichstellung und Integration Petra Köpping und ihr Geschäftsbereich zu nennen: von Sprachkursen über soziale Betreuung und psychosoziale Beratung bis hin zu Ehrenamtsförderung. Ich denke, wir sind uns darin einig, dass ohne diese Bemühungen und ohne die geleistete Arbeit der Bericht wohl voll mit Problemen misslungener Integration wäre. Ja, der Dank gilt an dieser Stelle auch klar dem SMGI.