Protokoll der Sitzung vom 09.11.2016

Als Antragsteller haben zunächst die Fraktionen CDU und SPD das Wort, die weitere Reihenfolge ist: DIE LINKE, AfD, GRÜNE; Staatsregierung, wenn gewünscht. Das Wort ergreift jetzt für die einbringende CDU-Fraktion Herr Kollege Lothar Bienst.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich zum Thema spreche, möchte ich an dieser Stelle denen meinen ausdrücklichen Dank sagen, die sich an der Vorbereitung und Durchführung dieses Maßnahmenpakets, um das es gleich gehen wird, beteiligt haben. Ich möchte meinen außerordentlichen Dank an das Kabinett aussprechen, das sich für ein 214-Millionen-Euro-Paket entschieden hat. Mein besonderer Dank geht auch an die Fraktionsspitzen und an die Mitarbeiter in den Ministerien, die sich nach stundenlangen Diskussionen auf dieses Maßnahmenpaket geeinigt haben. Meinen herzlichen Dank an dieser Stelle.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Dieses Paket brauchen wir, um zukünftig eine gute Stabilität in der Unterrichtsversorgung, weiterhin eine hohe Qualität in der sächsischen Bildung und nicht zuletzt in Leistungsvergleichen wie dem IQB-Bildungstrend 2015 wieder positive Ergebnisse zu haben. Dazu brauchen wir dieses Paket.

Ich möchte an dieser Stelle auch ein wenig Kritik äußern, also etwas Wasser in den Wein gießen. Wir hatten die Hoffnung, dass die Verhandlungen mit dem DBB und der GEW zu einem erfolgreichen Abschluss kommen. Leider ist dies nicht passiert. Das Ziel war, nach der Sommerpause ein solches Paket zu verabschieden. Wir mussten tätig werden, und das haben wir getan.

Die Situation im Lande ist folgende: Wir haben einen angespannten Lehrerarbeitsmarkt. Wir stehen bezüglich der Werbung des Lehrerkapitals in einem Wettbewerb der Länder untereinander. Wir haben den Generationswechsel vor Augen. Wir haben mit der Altersregelung zu kämpfen. Wir können, Gott sei Dank, eine steigende Schülerzahl in Sachsen verzeichnen. Wir setzen uns aktiv mit der schulischen Integration von Flüchtlingen und Asylbewerbern auseinander. Wir müssen neben attraktiven Angeboten für junge Lehrerinnen und Lehrer auch auf Seiteneinsteiger zurückgreifen – das ist ganz wichtig. Diese Seiteneinsteiger brauchen wir in unserem Land, um dieses Loch, welches wir momentan im Hinblick auf das Personal haben, zu stopfen. Das erfordert natürlich eine aktive Begleitung in der Schule durch unsere Lehrerinnen und Lehrer. Da müssen wir aber auch an die Lehrerinnen und

Lehrer, die die Seiteneinsteiger begleiten, ein Stück weit denken.

Dazu war ein Maßnahmenpaket erforderlich. Dieses Maßnahmenpaket hat nun weiß Gott nichts mit den Tarifverhandlungen zu tun. Nein, wir mussten ein Maßnahmenpaket schnüren. Wir haben es geschnürt, um Lehrkräfte zu gewinnen, zu unterstützen und anzuerkennen. So lautet auch der Titel unseres heutigen Themas.

Ich möchte die Kritik an diesem Paket ganz entschieden zurückweisen.

(Beifall bei der CDU und der SPD – Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Wir haben nicht mit der Gießkanne irgendwo Geld in das System hineingegossen, nein. Deshalb kann ich nur mein Unverständnis äußern, wenn die GEW heute hier vor dem Sächsischen Landtag die Initiative ergreift. Ich akzeptiere voll und ganz die Umfrage der Lehrerverbände, die sie unter ihren Mitgliedern durchgeführt hat, um die Meinung zu erfragen. Ich weiß aber auch – das mache ich mir zu eigen und wir werden es in Zukunft auch besser tun –, dass die Kommunikation mit der Lehrerschaft nicht optimal war. Das werden wir nachholen. Wir werden alle positiven Signale, die wir mit diesem Paket verbinden, in das Land senden.

Folgendes möchte ich Sie wissen lassen: Ich habe am Freitag ein Informationsgespräch mit vier Kolleginnen und Kollegen aus allen Schularten durchgeführt. Ich habe aus diesem Gespräch mitgenommen, dass das, was wir erreichen möchten – zum Beispiel eine Stundenentlastung bei den Grundschullehrern, was einer versteckten Gehaltserhöhung entspricht, oder die Erhöhung der Altersabminderung um eine Stunde –, bei den Kolleginnen und Kollegen noch nicht angekommen ist.

(Zuruf der Abg. Cornelia Falken, DIE LINKE)

Ja, die Schiebung brauchen wir, um dieses Loch zu stopfen.

Die Redezeit ist zu Ende.

Danke, Herr Präsident.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Fragen Sie doch einmal, wer das Loch geschaffen hat, Herr Bienst!)

Wir werden in zwei Jahren eine Evaluation durchführen. Wir werden sehen, wie das Paket gewirkt hat. Wir werden uns der Kritik stellen bzw. positiv herausheben, was wir damit erreicht haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung – Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Kollege Bienst eröffnete für die einbringende CDU-Fraktion. Frau Kollegin Friedel von der SPD-Fraktion, ebenfalls einbringend, setzt fort.

Vielen Dank, Herr Präsident. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wurde bereits gesagt, wir konnten heute ein Interview in der Zeitung lesen, Frau Kurth, mit der bereits benannten Überschrift: „Die Proteste kann ich nicht verstehen.“ Es ist nachvollziehbar, dass man zu dieser Aussage kommt. Natürlich schmerzt es mich ebenso, wenn meine Telefone in den letzten Tagen nicht stillstanden und uns viele Leute ihre Probleme erzählt haben. Es schmerzt wegen der wochenlangen Arbeit, die wir hineingesteckt haben. Es schmerzt wegen des vergleichsweise guten Ergebnisses. Trotzdem muss ich sagen, dass ich die Proteste verstehe.

Treten wir einmal einen Schritt zurück und überlegen uns, in welcher Situation sich die Lehrkräfte befinden. Ich halte das für wichtig. Am Ende machen wir Politik für Menschen, die sich in einer konkreten Lebenssituation befinden. Die letzten zehn bis 15 Jahre, die unsere Lehrkräfte im Freistaat Sachsen erlebt haben, waren Jahre, in denen sich – nach ihrer und auch unserer Wahrnehmung – viel zu wenig getan hat. Das waren zehn bis 15 Jahre, in denen abzusehen war, in welche Schwierigkeiten wir kommen würden. Trotzdem wurde nur hin und wieder ein Paket beschlossen. Von vornherein war jedoch klar, dass das nicht der nachhaltige und langfristige Umsteuerungsprozess sein würde.

Wir haben uns mit Blick auf diese Situation gefreut, als es uns vor zwei Jahren gelungen ist, in dem Koalitionsvertrag die Einstellung von 6 000 neuen Lehrkräften zu vereinbaren. Wir wussten damals bereits, dass es ein erster Schritt ist und dieser nicht ausreichen würde. Wir haben – nach gescheiterten Verhandlungen mit den Gewerkschaften – ein Maßnahmenpaket besprochen, verhandelt und vereinbart, das eine gewisse Art einer Notreaktion ist. Hierbei ist wiederum klar, dass das nicht das Gelbe vom Ei ist. Es sind aber wichtige Schritte enthalten, auf die ich leider aus Zeitgründen nicht eingehen kann. Sie haben zum einen damit zu tun, dass wir junge Lehrkräfte anziehen möchten. Zum anderen möchten wir ältere Lehrkräfte entlasten. Es sind meiner Meinung nach Punkte dabei, die keine öffentliche Würdigung finden, aber viel für jede einzelne Lehrkraft bedeuten werden. Ich möchte hierbei das Stichwort Arbeitszeitkonto nennen.

Alles in allem ist das Maßnahmenpaket der Staatsregierung aus unserer Sicht kein Glücksfall. Es ist aber auch keine Katastrophe. Die Welt nur schwarz und weiß zu malen, wie es oft genug gemacht wird, ist kein Weg, der mir persönlich und uns als Fraktion sinnvoll erscheint. Dieses Paket ist ein erster Befreiungsschlag, nicht mehr, aber eben auch nicht weniger.

Wenn wir uns einmal überlegen, wie die Gerüchte in den Lehrerzimmern in den letzten Monaten und Jahren aussahen, dann fällt uns Folgendes ein: Streichung von Anrechnungsstunden oder auch Erhöhung der Pflichtstundenzahl. Diese Punkte sind mit diesem Paket vom Tisch, auch langfristig. Sie gelten über die Legislaturperiode hinaus. Man muss, auch wenn es nach nicht viel klingt, zunächst festhalten, dass sich die arbeitsvertraglichen oder die entgeltlichen Bedingungen für keine Lehrkraft verschlechtern, aber für viele Lehrkräfte verbessern werden.

Frau Kurth hat in ihrem Interview einen weiteren wichtigen Satz gesagt, der wie folgt lautet: „Die Verwaltung muss nun handeln.“ Das gilt eigentlich schon die ganze Zeit. Jetzt gilt es aber im Besonderen. Es ist am Ende die Umsetzung des Maßnahmenpakets, die dafür sorgen muss, dass Folgendes nicht passiert: Es darf nicht geschehen, dass der Schulleiter weniger als der Fachberater verdient, dass ausgebildete Lehrkräfte weniger als Seiteneinsteiger erhalten, dass sich Lehrkräfte, die seit 20 oder 30 Jahren viel für das System Schule tun, zurückgesetzt fühlen.

Wir haben an vielen Punkten des Maßnahmenpakets genau dafür die Voraussetzungen geschaffen. Es ist wichtig, dass wir miteinander sehr genau schauen, dass diese Voraussetzungen für eine verbesserte, faire und gute Struktur von Arbeitsbedingungen umgesetzt werden. Ich hatte es bereits gesagt: Ein Alles oder Nichts bei diesem Lehrerpaket war nicht möglich. Es ist weder ein Alles, so wie wir es uns vielleicht in unseren kühnsten Träumen erhofft haben, noch ein Nichts. Es ist viel mehr.

Wir sind über alles froh, was wir erreicht haben. Es ärgert uns an manchen Punkten, dass wir nicht mehr erreichen konnten. Regieren ist aber auch dazu da, um in kleinen Schritten voranzukommen. Je besser man sich einigt, desto größer sind die Schritte. Je schwieriger die Situation ist, desto vorsichtiger wird man mit Schritten sein müssen. Das ist dann eben so. Das wird uns nicht davon abhalten, all die Themen, die nicht Bestandteil des Maßnahmenpakets sind, im Auge zu behalten. Ich nenne hier einmal die Lehrerausbildung, schulorganisatorische

Fragen, wie „Wohin bringt uns die geteilte Schulträgerschaft?“, und Ähnliches oder Maßnahmen, die strukturell dazu beitragen, unser Bildungssystem fit fürs 21. Jahrhundert zu machen.

Ihre Redezeit, Frau Kollegin!

Dies weiterhin anzusprechen, uns dafür einzusetzen und zu streiten, dabei sind wir jetzt einen kleinen Schritt weiter. Das wird aber nicht der letzte Schritt sein.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Hannelore Dietzschold und Christian Piwarz, CDU)

Für die SPD-Fraktion sprach Frau Kollegin Friedel. Als Nächstes hat die Fraktion DIE LINKE das Wort, und es wird von Herrn Kollegen Gebhardt ergriffen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Lassen Sie mich an einem so geschichtsträchtigen Tag wie heute – der Präsident machte uns ja darauf aufmerksam – mit einem historischen Zitat beginnen: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“

(Lachen des Abg. Uwe Wurlitzer, AfD – Lothar Bienst, CDU: Dass Sie das sagen!)

Es ist schon zynisch, wenn Herr Bienst jetzt erklärt, er sei dankbar für das, was hier erreicht worden ist. Er erklärt uns, dass ein Loch entstanden sei. Herr Bienst, vor zehn Jahren hat meine Fraktion hier einen Antrag gestellt und erklärt, dass wir im Freistaat Sachsen eine solche Lehrerausbildung brauchen. Dieses Loch war voraussehbar, aber Sie wollten es nicht sehen. Das war Passivität, vielleicht war es Desinteresse, vielleicht auch nur Ignoranz. Da waren der Ministerpräsident, die Kultusministerin und der Finanzminister in einem tollen Trio gemeinsam der Meinung: Das brauchen wir alles nicht. Dabei hatten sie Unterstützung aus ihrer Fraktion.

(Beifall bei den LINKEN – Zurufe von der CDU)

Jetzt hatten Sie elf Verhandlungsrunden – elf. Da saßen also die GEW und der Lehrerverband mit dem Finanzminister und der Kultusministerin zusammen, und was haben sie zustande gebracht? Nichts. Null.

(Widerspruch von der CDU)

Elf Verhandlungsrunden! Es ist doch wohl absurd, dass Sie sich nicht darauf verständigen können, dass Sie einen Tarifvertrag hätten abschließen müssen. Aber Sie wollen gar keinen Tarifvertrag.

(Zuruf des Abg. Svend-Gunnar Kirmes, CDU)

Das würde nämlich den sozialen Ausgleich bedeuten. Aber das ist für Sie ja irgendetwas ganz Schlimmes. Sie finden es ja auch schlimm, wenn Menschen mit Ihnen nicht einer Meinung sind und protestieren. Frau Kurth, wenn Leute mit etwas nicht einverstanden sind, was tun sie dann? Sie gehen auf die Straße.

(Christian Piwarz, CDU: Man wird doch seine Meinung sagen können! – Unruhe bei der CDU)

Da können Sie doch nicht erklären, Sie könnten die Proteste nicht verstehen. Ich kann die Proteste verstehen, die dort auf der Straße stattfinden.

(Beifall bei den LINKEN – Christian Piwarz, CDU: Das ist ja logisch, weil ihr sie initiiert!)

Jetzt feiern Sie hier etwas, was – Entschuldigung! – Murks ist. Sie bringen weitere Ungerechtigkeit in die Lehrerschaft hinein. Sie unterstützen Leute, die neu hineinkommen. Solche, die älter sind, dürfen länger bleiben und bekommen dafür Geld. Aber was ist mit der

Masse der Beschäftigten? Die große Masse der Beschäftigten hat von diesem Bildungspaket nichts, gar nichts.

(Widerspruch bei der CDU)

Das sind diejenigen, denen Sie immer dankbar sind, wenn Sie sich als PISA-Sieger feiern. Das ist die Lehrerschaft, die Sie sonst eigentlich immer als etwas Herausgehobenes ansehen. Die gehen mit null nach Hause, weil Sie keinen Tarifvertrag abgeschlossen haben.