Protokoll der Sitzung vom 09.11.2016

Drucksache 6/6892, Beschlussempfehlung des Verfassungs- und Rechtsausschusses

Wir beginnen mit der Aussprache in der Reihenfolge: CDU, DIE LINKE, SPD, AfD, GRÜNE und die Staatsregierung, sofern das Wort gewünscht wird. Für die CDU-Fraktion eröffnet Herr Abg. Modschiedler die Aussprache. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, herzlichen Dank! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir unterstützen die Staatsregierung dabei, dass das Sächsische Justizgesetz und das Richtergesetz des Freistaates Sachsen in einigen Punkten geändert werden. Im Wesentlichen geht es um die Erhöhung der Sicherheit in Gerichten und damit auch um die Stärkung der inneren Sicherheit.

Was passiert konkret? Die Befugnisse der Justizwachtmeister werden durch die Ausweitung der örtlichen Zuständigkeit auf den Bereich außerhalb des Amtsgebäudes erweitert. War es bis jetzt so, dass der Zugriff durch die Wachtmeister an der Tür des Amtsgerichtes bzw. des Amtsgebäudes endete, so können die Bediensteten jetzt auch vor dem Amtsgebäude sicher und schnell – und vor allem vor Eintreffen der Polizei – selbst handeln.

Weiter sind die Wachtmeister zukünftig befugt, verbotene Gegenstände von Besuchern im Rahmen der Beschlagnahme einzubehalten. Bis jetzt mussten verbotene Gegenstände, wenn der Besucher das Gebäude wieder verließ, von den Bediensteten wieder herausgegeben werden – für mich eine paradoxe Situation. Diese Situation ist nicht nur unbefriedigend, sondern für die Justizwachtmeister letztlich auch völlig demotivierend, und es ist vor allem auch gefährlich, zum Beispiel Messer wieder herausgeben

zu müssen. Nun dürfen sie seitens der Wachtmeister sofort einbehalten werden. Das unterstützt die Polizei, und es führt dazu, dass sich die Justizwachtmeister wertgeschätzt fühlen. Sie genießen in unseren Augen ein hohes Vertrauen. Wir trauen ihnen zu, mit dieser erweiterten Kompetenz zum Schutz unserer Gerichte – und damit zum Schutz aller unserer Bürger – verantwortungsbewusst umzugehen.

Des Weiteren wird mit dem Gesetz die Ernennungsbefugnis für Beamte der ersten Einstiegsebene der Laufbahngruppe 2 einheitlich auf den Generalstaatsanwalt übertragen. Das Verwaltungsgericht erhält über die bereits bestehende Zuständigkeit für das Personalvertretungsgesetz hinaus somit auch noch das Richterverwaltungsrecht, und schließlich soll die Arbeit der Justizkasse Chemnitz als Vollstreckungsbehörde bei der Entscheidung über die Stundung und den Erlass von Forderungen im Sächsischen Justizgesetz vereinheitlicht werden. – Das ist so der grobe Rahmen des Gesetzes. Den Gesetzentwurf der Staatsregierung unterstützen wir ausdrücklich.

Darüber hinaus möchten wir als Koalition durch unseren Änderungsantrag, den wir eingebracht haben und noch einbringen, die Entpflichtung aus dem § 42 a Sächsisches Justizgesetz einführen. Wesentlicher Inhalt des § 42 a Sächsisches Justizgesetz ist es, dass die Gerichtsvollzieher die Möglichkeit erhalten, zur Abwehr von Gefahr für Leib und Leben bei Vollstreckungsmaßnahmen, die zu einem schwerwiegenden Eingriff beim Schuldner führen, bei der zuständigen Polizeidienststelle über Hinweise zur

Gefährlichkeit oder zur Gewaltbereitschaft des Schuldners nachzufragen.

Diese Möglichkeiten haben die Gerichtsvollzieher aber aufgrund des Abs. 4 dieses Gesetzes nur auf Zeit. Die Möglichkeiten hierzu laufen am 31.12.2016 aus. Sie sollten bis dahin – das sind sie auch – durch das Justizministerium evaluiert werden.

Die Evaluation wurde mit allen Beteiligten, auch dem Datenschutzbeauftragten, durchgeführt. Den Evaluationsbericht haben wir in der letzten Sitzung des Verfassungs- und Rechtsausschusses erörtert. Aus dem Bericht geht hervor, dass die genannte Gefahrenabfrage wenig, aber dennoch erfolgreich von den Gerichtsvollziehern in Anspruch genommen wird.

Bedenken hatte der Datenschutzbeauftragte in der letzten Sitzung insoweit erhoben, als der Zeitraum der Evaluation zu kurz sei und deshalb keine messbaren Ergebnisse vorliegen würden, sodass eine Entscheidung auf dieser Grundlage nur schwer getroffen werden könne.

Rechtswidrig ist das Institut der Gefahrenabfrage der Gerichtsvollzieher auch nach Ansicht des Datenschutzbeauftragten nicht. Unserer Ansicht nach muss dieses Recht den Gerichtsvollziehern deshalb auch weiterhin zustehen. Alle Gerichtsvollzieher müssen weiterhin, also ab dem 01.01.2017, die Möglichkeit haben, bei der zuständigen Polizeidienststelle abfragen zu dürfen, ob die Person, gegen die vollstreckt werden muss, gefährlich ist oder nicht.

Zu eventuellen Einwänden, der Gerichtsvollzieher könnte Informationen an Dritte unberechtigt weitergeben, ist zu sagen: Dies mag datenschutzrechtlich bedenklich sein, aber erstens haben die Bedenken mit dem Gesetz und mit seinem Rahmen gar nichts, aber auch wirklich gar nichts zu tun. Über die ordnungsgemäße Wahrnehmung der gesetzlich geregelten Abfragemöglichkeit hat allein der Dienstherr zu wachen. Der Dienstherr tut es schon jetzt. Zweitens ist in Zeiten der sogenannten Reichsbürger wohl jedem klar – wir haben gerade in der Aktuellen Debatte intensiv darüber diskutiert –, wie wichtig es erscheint, eine solche Abfragemöglichkeit weiterhin zu erhalten.

Die Unversehrtheit des Gerichtsvollziehers ist oberstes Gebot. Der Schutz von Leben und Gesundheit der Gerichtsvollzieher hat ohne Wenn und Aber Vorrang. Bedenken wegen eines angeblich kurzen Evaluationszeitraums – liebe, verehrte GRÜNE, Sie haben das angebracht – haben da gar nichts verloren.

Führen wir uns bitte einmal vor Augen: Wenn ein Gerichtsvollzieher aus Bedenken des Datenschutzes heraus ab dem nächsten Jahr die Anfrage nicht mehr stellen darf, der Gerichtsvollzieher deshalb lebenswichtige Informationen nicht mehr einholen darf und in der konkreten Gefahr dann auch noch Schaden nimmt, dann möchte ich nicht wissen, wie Sie, liebe Damen und Herren der GRÜNEN, argumentieren würden.

Wir als CDU achten den Datenschutz – das ist klar –, aber Bedenken stehen hinter dem Recht auf Unversehrtheit

und Leben der Gerichtsvollzieher zurück. Das sehen die GRÜNEN anders. Dies ist aber im Hinblick auf die schwierige und gefährliche Arbeit eines Gerichtsvollziehers für mich unfassbar und macht mich fassungslos.

(Katja Meier, GRÜNE: Also!)

Wir fordern mit unserem Änderungsantrag die Entfristung des § 42 a Justizgesetz. Die Gerichtsvollzieher machen für uns eine tolle Arbeit, die durch ein solch sinnloses Geplänkel, wie wir es mehrfach im Ausschuss hatten, und eine solche Argumentation, gerade in der gefährlichen Zeit der sogenannten Reichsbürger, unnötig erschwert wird.

Wir bitten um Zustimmung zum Gesetzentwurf der Staatsregierung und zum Änderungsantrag der Koalition.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Nun die Fraktion DIE LINKE; Herr Abg. Bartl. Bitte sehr, Herr Bartl.

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf eines Mantelgesetzes zur Änderung des Sächsischen Justizgesetzes und des Richtergesetzes nimmt in beiden Gesetzen herangereifte Änderungen vor. Sie beinhalten auch viele redaktionelle Überarbeitungen, die nicht des Disputes wert sind.

Kollege Modschiedler hat es gesagt: Es geht im Kernstück um zwei Regelungen und die Änderung, die per Änderungsantrag eingebracht werden soll, die den § 42 des Sächsischen Justizgesetzes betreffen.

Justizwachtmeisterinnen und Justizwachmeister sollen künftig die ausdrücklichen Befugnisse erhalten, alle Gegenstände, deren Besitz gesetzlich verboten ist und von denen sie im Zuge der Dienstausübung Wahrnehmungen getroffen haben, zu beschlagnahmen. Das halten wir für verständlich, zumal der Gesetzentwurf vorsieht, dass diese Gegenstände an die Polizei abzuführen sind und dies der Verwaltungsvorschrift entsprechend geregelt wird. Es macht wirklich keinen Sinn, wenn Waffen oder gefährliche Gegenstände dem betreffenden Besucher beim Verlassen des Gerichtes wieder ausgehändigt werden. Da ist handgreiflich kein Sinn drin.

Einige Bauchschmerzen haben wir hingegen mit der vorgesehenen Neuregelung, wonach Bedienstete der Justizwachtmeistereien polizeiliche Befugnisse nicht nur im unmittelbaren Objekt, also im Amtsgebäude, haben sollen, sondern künftig auch – wörtlich – „in räumlicher unmittelbarer Nähe von Amtsgebäuden“. Gemeint ist: außerhalb der Gerichte.

Betreffs dieser Kompetenzerweiterung hat die Deutsche Justizgewerkschaft, der Landesverband Sachsen, der viele Justizwachtmeisterinnen und Justizwachtmeister angehören, in einer schriftlichen Stellungnahme schon Ende

Januar 2016 gegenüber dem Justizministerium Bedenken geäußert. Sie richten sich zum einen auf eine nicht vorhandene spezielle Ausrüstung der Justizwachtmeisterinnen und Justizwachtmeister, zum Beispiel auf fehlende sogenannte Stichwesten, aber auch auf den Umstand, dass die gesundheitliche und körperliche Befähigung der betreffenden Bediensteten nicht in jedem Fall für solche polizeilichen Handlungen geprüft bzw. gegeben ist, dass des Weiteren ohnehin eine schlechte personelle Ausstattung im Bereich der Justizwachtmeister besteht und die Verteilung in den Justizwachtmeisterbereichen eine solche Kompetenzerweiterung deshalb nicht hergibt. Das ist die Position der Gewerkschaft, die die Justizwachtmeisterinnen und Justizwachtmeister vertritt.

Kollege Modschiedler, da nützt es wenig, sich hinzustellen und zu sagen: Wir vertrauen den Justizwachtmeistern. Das mag ja sein. Sie selbst aber sagen: Das Vertrauen, das ihr uns entgegenbringt, ist ehrenwert, aber dann schafft mal die Voraussetzungen, dass wir die erweiterten Kompetenzen gefahrenfrei wahrnehmen können.

(Beifall der Abg. Katja Meier, GRÜNE)

Da gibt es Bedenken.

Es ist eine ganz legitime Forderung, die jeder Polizist ganz selbstverständlich hat: Wenn er in den Dienst zieht, will er sicher sein, dass die Eigensicherung funktioniert. Deshalb muss in aller Regel, wenn eine Handlung vorgenommen wird – in diesem Fall außerhalb des Gerichtsgebäudes –, mindestens ein zweiter Beamter dabei sein, der praktisch bei Gerichten ein- und ausgeht.

Ich sage Ihnen: Wenn ich als Anwalt in ein Gericht gehe, dann treffe ich in aller Regel – sei es beim Landgericht oder beim Amtsgericht – auf einen Wachtmeister, und daneben stehen die privaten Sicherheitsdienste. Nicht selten treffe ich nur auf private Sicherheitsdienste. Wenn jemand draußen handeln darf, dann ist es eigentlich der Justizwachtmeister. Das ist dann einer, der keine Stichweste und keine Bewaffnung hat – im Gegensatz zur Polizei, jedenfalls nicht in dieser Form – und dergleichen mehr.

Hinzu kommt die etwas schwammige Formulierung „im unmittelbaren Bereich“. Auf unsere Nachfragen konnte das Justizministerium nicht genau sagen, ob nun der Fußweg vor dem Gebäude gemeint ist. Dass der Innenhof dazu zählt, ist eindeutig. Es geht um Grundrechtseingriffe. Hier geht es um ganz eindeutige, handfeste Eingriffe in Grundrechte. Die betreffenden Bürger werden festgehalten. Sie werden unter Umständen zugeführt. Sie werden zur Übergabe an die Polizei für den Gewahrsam vorbereitet.

(Zuruf des Abg. Martin Modschiedler, CDU)

In dieser Frage ist es aus unserer Sicht notwendig, klipp und klar zu sagen, wo der betreffende Justizwachtmeister diese Handlungskompetenz hat. Das muss eindeutig beschrieben sein, und das macht uns Schwierigkeiten.

Die gleichen Bedenken hat die Landesgruppe ver.di in ihrer Stellungnahme an das Justizministerium formuliert. Auch sie sagen, der im Gesetzentwurf vorgesehene Begriff des unmittelbaren räumlichen Umfeldes sei zu unbestimmt und zu unterschiedlich auslegbar. Damit gibt es keine Rechtssicherheit von und für Justizwachtmeisterinnen und Justizwachtmeister.

Was geschieht denn, wenn der Justizwachtmeister in dieser Nacheile vom Fußweg weggeht, auf der Straße eingreift und es dort zu einer Handlung kommt, in deren Folge der Bürger einen Schaden erleidet und Strafanzeige wegen Körperverletzung im Amt oder Ähnlichem erstattet? Ist er dann noch geschützt? Hat er dann noch sachgerecht gehandelt, wenn das nicht exakt definiert ist? Darin liegen für uns ganz handfeste Bedenken, die uns eine Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf nicht ermöglichen.

Bei allem Verständnis und allen vollziehbaren praktischen Erwägungen, Justizwachtmeisterinnen und Justizwachtmeister mit dieser Kompetenzerweiterung zu versehen, liegen aus unserer Sicht dort durchaus Probleme.

Was schließlich die Frage der Entfristung des § 42 Abs. 4 angeht, so erkennen wir selbstverständlich auch, Kollege Modschiedler, dass es gute Gründe dafür gibt – wir haben heute über die Reichsbürger gesprochen –, dass der Gerichtsvollzieher, bevor er den entsprechenden Hoheitsakt bei dem Bürger vornimmt, beschlagnahmt usw., weiß, mit wem er es zu tun hat. Das ist legitim. Ich denke, darüber gibt es keinen Streit.

Der Datenschutzbeauftragte sagt: Wir hatten circa 7 000 Anfragen prognostiziert. Es kommen in dreistelliger Zahl welche zustande, und damit ist also die Erwartung, die zu diesem Eingriffsrecht geführt hat, durch die praktische Evaluation, durch die Erhebung nicht bestätigt. Damit hat er als Datenschutzbeauftragter natürlich die Pflicht zu fragen: Ist das damit zweckmäßig, ist es damit notwendig, ist es damit verhältnismäßig? Das muss er logischerweise, das ist sein Amt. Und ich wiederum sage: Die Abwägung zwischen den Grundrechten, Kollege Modschiedler, zu sagen, das Datenschutzrecht achten wir schon, aber im Verhältnis zur körperlichen Unversehrtheit muss es zurücktreten, halten wir für schwierig. Das halten wir einfach für schwierig.

(Svend-Gunnar Kirmes, CDU: Jeder Einzelfall ist anders!)

Ja, im Einzelfall hätte ich da kein Problem. Das Problem ist letzten Endes, es gab zwei Botschaften an den Verfassungs- und Rechtsausschuss und jetzt an das Parlament. Die erste Botschaft war, dass es diese Evaluation noch nicht hergibt. Der Datenschutzbeauftragte hat sich nicht dagegen ausgesprochen zu entfristen; das hat er nicht gemacht. Er hat auch nicht gesagt, es gibt verfassungsrechtliche Bedenken oder verfassungsrechtliche Verstöße in der Sache; das hat er auch nicht gesagt. Aber die Bedenken sind eben an die Problematik gebunden. Da ginge es ja auch zu verlängern – wir könnten ja gern die

Frist verlängern – und dann zu sagen, wenn erneut die Evaluation ist: Jetzt tun wir das.

Deshalb haben wir auch mit diesem Änderungsantrag respektive mit der Änderung unsere Probleme, und insoweit werden wir uns der Stimme enthalten.

Wie gesagt, die praktischen und die Praxisbedürfnisse sehen wir, aber das Handling, wie es jetzt vorgesehen ist, halten wir nicht für bedenkenfrei.

Danke schön.

(Beifall bei den LINKEN)