Protokoll der Sitzung vom 16.12.2016

(Dirk Panter, SPD: Oh Gott! Sie haben eine Glaskugel oder was?)

Die Ministerpräsidenten haben ein gutes Gespür für schwindende Akzeptanz, wenn sie Beitragserhöhungen ab dem Jahr 2021 mit allen Mitteln vermeiden möchten. Die Ministerpräsidenten treffen sich in der Rundfunkkommission. Wir haben das schon gehört.

(Dr. Kirsten Muster, AfD, dreht sich zum Präsidenten um.)

Sie sind bereits im März dieses Jahres all die Probleme, die Sie versuchen kleinzureden, angegangen.

(Christian Piwarz, CDU: Sie müssen ins Mikrofon sprechen!)

Herr Jaeckel ist doch einer der Chefs der Arbeitsgruppe, die aufgrund des –

(Zuruf aus dem Plenum)

Herr Staatsminister Jaeckel – Auftrags zur Strukturoptimierung der Rundfunkanstalten darüber nachdenken, was man alles ändern muss.

(Dirk Panter, SPD: Einer muss schuld sein!)

Frau Raab, die Staatssekretärin an seiner Seite in der Arbeitsgruppe, hat im September ein Interview gegeben. Dort hat sie Folgendes gesagt: „Erstes Thema ist: Wir wollen klar den Auftrag beschreiben. Wir sehen mit großer Besorgnis die AfD-Kampagne ‚Genug abgezockt‘. Zweitens: Chancen der Digitalisierung nutzen. Drittens: Den rechtlichen Rahmen justieren. Viertens: KEFVerfahren modernisieren.“ Im Übrigen ist dies ein schönes Beispiel für eine Lückenpresse. Eine Berichterstattung habe ich in den Tageszeitungen darüber kaum gefunden.

(Zuruf der Abg. Anja Klotzbücher, DIE LINKE)

Wir merken Folgendes: Selbst die Ministerpräsidenten und die Staatssekretärin Raab spüren dringenden Handlungsbedarf. Wahrscheinlich wird es in den nächsten Rundfunkstaatsverträgen ein wenig an den KEFSchrauben zu drehen geben. ARD und ZDF bauen Dop

pelstrukturen ab. Das ZDF wird das Gutachten von Prof. Dörr über Cloud-TV in die öffentlich-rechtlichen Rundfunkstaatsverträge einbauen lassen.

War es das dann? Nein, wir brauchen keine Schwemme von neuen Rundfunkstaatsverträgen, die völlig veraltet sind, wenn sie ratifiziert sind. Es muss endlich eine Aufgabenteilung zwischen dem privaten und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk und zwischen den Presse- und Rundfunkangeboten im Internet, Stichwort Apps, geben. Über nonlineare und lineare Angebote muss nachgedacht werden. Es muss auch über die Finanzierung gesprochen werden. Beweisen Sie Mut, stimmen Sie unserem Antrag zu!

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Es scheint keinen weiteren Redebedarf vonseiten der Fraktionen zu geben. Dann bitte ich jetzt die Staatsregierung, das Wort zu nehmen. Herr Minister Dr. Jaeckel, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete des Sächsischen Landtags! Die Initiative zur Kündigung des Rundfunkstaatsvertrages und weiterer rundfunkrechtlicher Staatsverträge, wie es die AfD-Fraktion im Landtag begehrt, ist nicht neu. Zuletzt war es die NPD-Fraktion im Landtag von MecklenburgVorpommern, die bereits im Jahr 2013 gefordert hat, den Rundfunkstaatsvertrag zu kündigen.

(Christian Piwarz, CDU: Abgeschrieben!)

Es handelt sich also um einen Wiedergänger, der nun durch Ihre Initiative, Frau Dr. Muster, durch die deutschen Landtage irrt. Dieses Herumirren spiegelt sich auch in Ihrer Antragsbegründung wider. Vorredner haben bereits darauf hingewiesen. Es finden sich unbelegte Vorwürfe und Anschuldigungen, die Sie, sehr geehrte Damen und Herren der AfD-Fraktion, in Ihrer Antragsbegründung wahllos aneinanderreihen. Es ist kein roter Faden zu erkennen. Ich möchte nicht die Beispiele wiederholen, die bereits vorher genannt wurden.

Ein Beispiel ist mir dennoch wichtig, weil Sie es zweimal erwähnt haben. Sie schreiben in Ihrem Antrag, dass der Wortlaut unserer Verfassung den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht kennt, und beziehen sich in Ihrer Darstellung auf Artikel 5 des Grundgesetzes. Gerade von Ihnen, die Sie sich als vermeintliche Hüter der Verfassung gerieren, hätte ich erwartet, dass Sie Artikel 20 Abs. 2 der Sächsischen Verfassung kennen. Es ist gut, dass Sie aus den Materialien des Entwurfs von Herrenchiemsee zitieren. Das war Ihr Zitat, es stammt aus dem Jahr 1949. Am 27. Mai 1992 hat der sächsische Verfassungsgeber entschieden, dass unbeschadet des Rechts, Rundfunk in privater Trägerschaft zu betreiben, der Bestand und die Entwicklung des öffentlichen Rundfunks gewährleistet werden. Das steht in unserer Sächsischen Verfassung.

(Patrick Schreiber, CDU: Die kennen die doch gar nicht!)

Dort steht der Begriff des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

(Georg-Ludwig von Breitenbuch, CDU: Hört, hört!)

Sie haben sich hinsichtlich der Konsequenzen Ihrer Initiative meines Erachtens auch keine Gedanken gemacht. In diesem Zusammenhang kann man noch einmal darauf hinweisen, dass die Initiative zur Vereinheitlichung des Beitragswesens in Deutschland damit zu tun hat, dass es zuvor eine entsolidarisierte Beitragsdebatte und -erhebung gegeben hat. Viele Menschen haben sich an dem Rundfunkbeitrag, obwohl sie Rundfunk genutzt haben, nicht wirklich beteiligt. Und die Initiative, die zum einheitlichen Rundfunkbeitrag geführt hat, hat dazu beigetragen, dass das ganze Problem nun solidarischer gelöst wurde. Deshalb ist es auch zu den Mehreinnahmen gekommen.

Nun noch einmal zu den Konsequenzen Ihrer Initiative. Da scheint es mir, dass Sie nicht wirklich vertieft nachgedacht haben. Eine Konsequenz wäre nämlich, dass der Freistaat Sachsen und die über unser Land verteilten Medienstädte und Medienstandorte, beispielsweise

Leipzig und Görlitz, im Falle einer Kündigung des Rundfunkstaatsvertrages massiven Schaden nehmen würden. Herr Fraktionsvorsitzender Panter hat auch schon darauf hingewiesen. Und nicht nur das. Die von Ihnen gerühmten privaten Rundfunkanbieter, die vielen Menschen, die in diesem Bereich tätig sind, würden ebenfalls massiven Schaden nehmen. Ich kann insofern an Herrn Panter anknüpfen.

Schließlich wäre es ja auch nicht so, dass es zu einer Neuorientierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks käme. Das ist nicht der Fall. Das Gegenteil würde passieren. Eine Kündigung zum Beispiel des MDR-Staatsvertrages hätte nämlich lediglich zur Folge, dass der Staatsvertrag zwischen den verbleibenden Staatsvertragsländern im MDR-Gebiet fortbesteht und der Freistaat Sachsen sich seinen eigenen Stuhl vor die Tür stellen würde. Das kann doch nicht das Ziel verantwortlicher Politik sein.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Der Freistaat Sachsen würde nämlich alle seine Gestaltungsmöglichkeiten verlieren. Er wäre nicht mehr in den Gremien der einzelnen Rundfunkanstalten vertreten. Er wäre von jeglicher Information abgeschnitten, und es würde niemanden mehr interessieren, welche medienpolitische Position wir einnehmen. Wir würden gar nicht mehr mitreden dürfen, wenn es um Fragen der sozial verträglichen Beitragsstabilität geht, wenn neue Angebote für die Herausforderung des digitalen Zeitalters entwickelt oder wenn neue Wege gesucht werden, wie man den öffentlichen Rundfunk, seinen Auftrag und seine Struktur fit für die Zukunft machen kann.

Meinen Äußerungen können Sie entnehmen, dass wir in der Staatsregierung den Rundfunkstaatsvertrag, die Methode von Staatsverträgen, für genau das richtige Instrument halten, um einen Modernisierungsprozess im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der unstreitig gemacht werden muss, in Gang zu setzen.

All dies würden wir uns abschneiden. Und nicht nur das. Was mich noch mehr betrübt ist, dass die sozialen und gesellschaftlichen Gruppen und Organisationen, die wir in die Gremien entsenden, die Stimme, die unser Land in den Gremien hat, nicht länger gehört werden könnten. Zuletzt ist der Verband der Opfer des Stalinismus in den Hörfunkrat des Deutschlandradios gewählt worden oder der Sächsische Feuerwehrverband in den ZDF-Fernsehrat. Diese wären die Leidtragenden der Kündigung von Staatsverträgen.

Schließlich, meine Damen und Herren, würde die Kündigung des MDR-Staatsvertrages auch noch dazu führen, dass wir unser Landesfunkhaus in Sachsen, hier in Dresden, verlieren würden. Die mitteldeutsche Medienförderung und natürlich auch der MDR, die mit Abstand bedeutendsten Kapitalgeber im Medienbereich, würden in Mitteldeutschland schlichtweg ihre Aktivitäten einstellen müssen. Die beiden verbleibenden Staatsvertragsländer würden davon profitieren.

Auch das kann nicht das Ziel der sächsischen Landespolitik sein. Deshalb, meine Damen und Herren, nimmt der Antrag der AfD-Fraktion nur eines ins Ziel: eine massive Schädigung des Medienstandortes Sachsen. Das kann man nicht wollen, und das wird die Staatsregierung auch in keinem Fall unterstützen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Das Schlusswort hat die AfD-Fraktion. Frau Dr. Muster, bitte.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich noch einmal sehr ernsthaft bei Ihnen für die lebhafte Diskussion bedanken. Es war interessant, wenn auch nicht so furchtbar viel Neues, sondern sehr viel Ängstliches kam.

(Zuruf von der CDU: Ja, von Ihnen!)

Sie wollen das Bestehende behalten und die AfD – ich habe das am Anfang gesagt – möchte eine grundlegende Reform. Damit müssen Sie sich auseinandersetzen. Wenn ich jetzt noch einen Punkt sagen kann, der uns besonders wichtig ist, bei der Reform? Das ist die Berichterstattung.

(Sabine Friedel, SPD, steht am Mikrofon.)

Wir wünschen uns eine umfassende Information, –

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, derzeit nicht. – journalistische Unabhängigkeit und ausgewogene gründliche Recherche. Wir möchten, dass objektiv-nüchtern und nicht permanent einseitig informiert wird. Wir wünschen uns Wahrheit, Klarheit und Nüchternheit und die einfachsten Grundregeln: Wir wünschen uns auch die Trennung von Information und Kommentar.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist uns völlig unverständlich, warum die Praxis des Verschweigens jetzt auch noch schriftlich fixiert wurde.

Nehmen wir Ziffer 12.1 Pressekodex. Dort heißt es: Die Presse hat eine Selbstverpflichtung abgegeben, Herkunft und Religion des Straftäters nur ausnahmsweise zu nennen.

(Luise Neuhaus-Wartenberg, DIE LINKE: Ja klar, selbstverständlich!)

Wir wünschen uns, dass dieser Punkt überdacht wird.

Ihre Aufregung kann ich verstehen.

(Ines Springer, CDU, steht am Mikrofon.)