Protokoll der Sitzung vom 16.12.2016

Gestatten Sie jetzt eine Zwischenfrage?

Nein. – Wenn Sie an Ihren ehemaligen Ministerpräsidenten Georg Milbradt denken, wenn Sie an den Vorgänger von Herrn Staatsminister Dr. Jaeckel, Herrn Baermann, denken, so haben die sehr viel deutlichere und sehr viel kräftigere Worte zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk gefunden.

Es ist kein Geheimnis, dass Herr Milbradt mit seinem SMS-Papier sicherlich in manchen Punkten noch weit vor der AfD steht.

Sie haben ein sehr schlechtes Gedächtnis. Das kann ich auch verstehen. Auch Herr Baermann hat einige knackige Sachen gesagt, die Sie scheinbar schon wieder vergessen haben. Das macht nichts.

Ich glaube, Sie können sich auf den Staatsminister Dr. Jaeckel ganz gut verlassen; er wird das sehr leise umsetzen, was die AfD auch für wichtig hält: eine grundlegende Reform.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Das glaube ich nicht!)

Dass dort einiges im Argen ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, das lässt sich nicht verschweigen.

Ich möchte enden mit einem kleinen Zitat von Bundestagspräsident Lammert, der nun nicht in der Gefahr steht, bei der AfD als Lohnempfänger zu stehen.

(Zuruf des Abg. Patrick Schreiber, CDU)

Und zwar sagte er über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk: „Mit souveräner Sturheit stellen sie die Unterhaltung vor Information.“ Die Finanzierung des öffentlichen Rundfunks nannte Herr Lammert ein „üppig dotiertes Privileg“. Ich ende mit diesen beiden Zitaten.

(Luise Neuhaus-Wartenberg, DIE LINKE: Was hat das denn mit der Kündigung zu tun?)

Das ist ein Grund für die Kündigung. Ich lade Sie ein, unserem Antrag zuzustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD – Unruhe bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Ich stelle nun die Drucksache 6/7086 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Die Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei keinen Stimmenthaltungen und wenigen Stimmen dafür ist der Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt worden.

(Sabine Friedel, SPD, steht am Mikrofon.)

Frau Friedel, möchten Sie etwas zum Abstimmungsverhalten sagen? – Ja? Bitte, Frau Friedel.

Vielen Dank! Frau Präsidentin, ich habe gegen diesen Antrag gestimmt – wie auch viele andere Fraktionen hier in diesem Haus –, weil ich die vorgetragenen Argumente der Fraktionen, die gegen den Antrag geworben haben, überzeugend fand.

Ich habe bei Frau Dr. Muster im Redebeitrag gehört, dass sie sich für die interessante Debatte bedankt hat und hoffe, dass die AfD das so verstanden hat, dass wir aus inhaltlichen Gründen gegen ihren Antrag gestimmt haben und nicht, weil er von der AfD kommt.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wenn es keine weiteren Erklärungen zum Abstimmungsverhalten gibt, schließe ich den Tagesordnungspunkt.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 4

Erste Beratung des Entwurfs

Gesetz zur Aufnahme der deutschen Sprache

als Kulturgut in die Sächsische Verfassung

Drucksache 6/7209, Gesetzentwurf der Fraktion AfD

Es liegt keine Empfehlung des Präsidiums auf allgemeine Aussprache vor. Deshalb spricht nur die einreichende Fraktion. – Frau Abg. Kersten, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf beantragt die AfD-Fraktion eine Änderung der Verfassung des Freistaates Sachsen.

In Artikel 5 soll ein neuer Absatz wie folgt eingefügt werden: „Die deutsche Sprache ist ein Kulturgut. Diese schützt und fördert der Freistaat Sachsen.“

„Wir wohnen nicht in einem Land, sondern in einer Sprache“, notierte der Schriftsteller Émile Cioran. Sprache ist Wohnung, Sprache ist Heimat, Sprache ist ein Werkzeug der Weltaneignung und das Hauptverkehrsmittel im Umgang mit anderen Menschen. Mit Worten formulieren wir unser Wissen und unsere Pläne. Mit Worten bringen wir unsere Freude zum Ausdruck, aber auch unseren Kummer. Mit Worten preisen wir das Leben und tragen wir Konflikte aus, so auch demnächst den Konflikt darum, ob die deutsche Sprache besonderen Schutz braucht. Wir sind dieser Ansicht. Wir wollen, dass Artikel 5 der Sächsischen Verfassung um einen Absatz erweitert wird, der den Schutz und die Förderung der deutschen Sprache als Kulturgut festschreibt. Uns erscheint das Deutsche zugleich schützenswert und schutzbedürftig.

(Zurufe von der CDU)

Wir müssen also drei Fragen beantworten. Warum Kulturgut? Warum Schutz? Was bedeutet Förderung?

(Steve Ittershagen, CDU: Warum nicht Sächsisch?)

Eine Sprache wird zum Kulturgut, wenn hinreichend viele Menschen in ihr Bedeutendes geschrieben haben. Die deutsche Sprache ist ein Kulturgut, weil in tausend Jahren unendlich viel Kultur in ihr geronnen ist. Ich erspare mir jetzt eine Aufzählung deutscher oder deutschsprachiger Autoren von Weltrang. Aber sicher sind wir uns darin einig, dass die deutsche Literatur unter den Literaturen der Welt einen exponierten Platz einnimmt.

Aber keineswegs nur in diesem Sinne ist eine Sprache ein Kulturgut. Jede Sprache verkörpert eine ganz bestimmte Art der Weltsicht und des Weltverständnisses. Die verschiedenen Sprachen sind Speerspitzen der kulturellen Evolution. Die Artenvielfalt der Sprachen ist deshalb so schützenswert wie die Artenvielfalt in der Natur.

Unter dem Druck der Globalisierung und der durchgesetzten englischen Weltsprache sind heute sämtliche anderen Sprachen mehr oder weniger bedrohte Arten. Selbst altehrwürdige Hochsprachen wie das Französische, das Italienische oder unser Deutsch stehen davor, in den nächsten 100 Jahren zu Regionalidiomen abzusinken, die irgendwann nur noch in der Gastwirtschaft oder beim Kartenspiel gesprochen werden, wenn wir nicht auf sie achtgeben.

(Zuruf der Abg. Kerstin Köditz, DIE LINKE)

Sie halten das für übertrieben? Dann sollten Sie an wissenschaftlichen Kongressen teilnehmen oder bei Konferenzen in deutschen Banken und deutschen Großunternehmen hospitieren. Überall redet man Englisch, sogar, wenn nur Deutsche am Tisch sitzen. Seit einigen Jahrzehnten zieht sich die deutsche Sprache aus immer mehr Wortschatzbereichen zurück. An Hochschulen wird zunehmend auf Englisch geforscht, gelehrt und publiziert. Das bedeutet zum einen Weltgewandtheit, gewiss, zum anderen aber, dass viele neue Gedanken und Begriffe gar nicht mehr ins Deutsche Einzug halten. Wenn man das konsequent weiterdenkt, gelangt man zu dem Schluss, dass dereinst komplexe Themen auf Deutsch nicht mehr darstellbar sein werden.

Wir wollen darauf nicht pessimistisch reagieren, sondern mit der Förderung der Artenvielfalt. Wir wollen keineswegs das Englische schwächen, ganz im Gegenteil, sondern das Deutsche stärken. Deutsch soll eine Sprache bleiben, in der jeder komplexe Gedanke ausgedrückt werden, in der man in der Höhe der Zeit bleiben kann. Texte lassen sich aus einer Sprache nie hundertprozentig in eine andere übersetzen. Das heißt, eine Sprache überlebt nur bruchstückhaft in einer anderen.

Die Länder der Europäischen Union haben mehrheitlich ihre Sprachen als Ausdruck ihrer Kultur in den jeweiligen Verfassungen verankert. In der Schweiz und in Österreich findet sich die deutsche Sprache verfassungsrechtlich normiert. Frankreich schützt seine Sprache seit 1994 durch ein eigenes Gesetz.

In einer repräsentativen Umfrage der TU Dresden aus dem Jahr 2009 sprachen sich 85 % der Deutschen für eine verfassungsrechtliche Verankerung der deutschen Sprache aus. Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland wird Deutsch als Nationalsprache bis heute nicht gewürdigt.

Mit dem derzeitigen Abs. 2 des Artikel 5 der Sächsischen Verfassung gewährleistet und schützt Sachsen zwar das Recht nationaler und ethnischer Minderheiten deutscher Staatsangehörigkeit auf Bewahrung ihrer Identität sowie auf Pflege ihrer Sprache, Religion, Kultur und Überlieferung; die deutsche Sprache hingegen ist nicht in den Schutzbereich einer Verfassungsnorm aufgenommen. Der explizite Minderheitensprachschutz auf der einen, die Nichterwähnung des Selbstverständlichen auf der anderen Seite, was den Schutz der deutschen Sprache anbelangt, führen faktisch zu einer Ungleichbehandlung. Diese soll durch unsere Verfassungsänderung beendet werden.

Die Verfassungsänderung dient der Sicherung einer einheitlichen Sprachkultur und einer identitätsfördernden Fortentwicklung des Deutschen. In einer Studie des Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung an der Humboldt Universität zu Berlin im vergangenen Jahr antworteten 95,5 % sowohl der Jugendlichen als auch der Erwachsenen auf die Frage, was für sie Deutschsein charakterisiere: die Fähigkeit, Deutsch sprechen zu können. Dies verdeutlicht den hohen Stellenwert, den die Sprache gesellschaftspolitisch einnimmt.

(Zuruf von den LINKEN)

Wir können allerdings auch beobachten, dass unsere Sprache nicht nur durch den ansteigenden Einfluss von Fremdwörtern geprägt, sondern auch durch ideologische Einflüsse verunstaltet wird. Dazu gehört vor allem die gendergerechte Sprache.

(Kerstin Köditz, DIE LINKE: Ah!)

Aus Sicht ihrer Verwender und Propagierer soll die vermeintlich geschlechtsdiskriminierende deutsche

Sprache im Sinne der Gleichbehandlung korrigiert werden. So werden etwa aus Studenten Studierende.

(Zuruf von der CDU: Das ist etwas ganz anderes!)