Protokoll der Sitzung vom 16.12.2016

Das Partizip Präsenz aber beschreibt, was man in einem Moment tut und keinen Status. Studenten sind nicht immer studierend, sie haben auch Freizeit.

(Heiterkeit – Lachen der Abg. Kerstin Köditz, DIE LINKE – Gunter Wild, AfD: Das ist zu hoch für Sie!)

Was aber vor allem gegen diese Sprachkorrektur spricht, ist, dass sie Texte verschandelt, dass sie ästhetisch bisweilen sogar abstoßend ist. Eine Sprache muss sich dynamisch aus sich heraus entwickeln. Keinesfalls darf sie durch Dekrete von Gleichstellungsideologen von oben geändert werden.

Schlussendlich bin ich Ihnen noch einen Vorschlag schuldig, wie die deutsche Sprache konkret zu fördern wäre. Wissen Sie, was die Worte Briefwechsel, Bittsteller, Fernglas, Stelldichein und Marschflugkörper gemeinsam haben? Sie sind erfunden worden, um ein Fremdwort zu ersetzen. Heute sind sie uns vollkommen geläufig, aber bevor die deutsche Entsprechung eingeführt wurde, sagte man nur Korrespondenz, Supplikant, Teleskop, Rendezvous oder Cruise missile. Was wir heute wieder brauchen, sind kreative, fantasievolle Eindeutscher von Fremdworten, also Erfinder neuer deutscher Entsprechungen vor allem für englische Begriffe. Warum dafür nicht einen jährlichen Sprachneuschöpferpreis ausloben? Wortschatz heißt einer der treffendsten deutschen Begriffe. Dieser Schatz sollte täglich erweitert und vergrößert werden.

Meine Damen und Herren! Jean Paul hat geschrieben, die deutsche Sprache sei die Orgel unter den Sprachen. Sorgen wir dafür, dass sie noch lange und aus allen Registern ertönt!

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren, das Präsidium schlägt Ihnen vor, den Entwurf „Gesetz zur Aufnahme der deutschen Sprache als Kulturgut in die Sächsische Verfassung“ an den Verfassungs- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer der Überweisung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Damit ist die Überweisung beschlossen.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 5

Rettungsdienst und Notfallmedizin im Freistaat Sachsen

Drucksache 6/4892, Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE,

und die Antwort der Staatsregierung

Als Einbringerin spricht zuerst die Fraktion DIE LINKE, danach folgen CDU, SPD, AfD, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn sie es auch wünscht. Ich erteile Ihnen, Frau Abg. Schaper, das Wort.

Jetzt, meine sehr geehrten Herren der CDU. Sehr geehrte Frau Präsidentin!

(Patrick Schreiber, CDU: … und die Damen?)

Die Damen haben mich ja vorhin nicht angesprochen.

(Allgemeine Heiterkeit – Patrick Schreiber, CDU: Wie zickig Sie reagieren!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist jetzt ein Notfall. Sie müssen jetzt mal zuhören. Vorab eine Bemerkung zum Umgang dieser Regierung mit dem Informationsrecht des Parlaments – so wie immer – zu Ihrer Haltung gegenüber demokratisch gewählten Abgeordneten. Die Große Anfrage zum Thema Rettungsdienst und Notfallmedizin im Freistaat Sachsen umfasste 41 Fragen. Angesichts dieser relativ kleinen Zahl und der Zeit, die Sie für deren Beantwortung hatten, haben Sie sich einen sehr schlanken Fuß gemacht. Gerade zu den wichtigsten Fragen, wie etwa zu Hilfsfristen, hätte ich mir gewünscht, dass Sie die erfragten Daten auflisten, anstatt einfach auf Kleine Anfragen zu verweisen.

(Beifall des Abg. Valetin Lippmann, GRÜNE)

Zumindest sollten Sie dann aber prüfen, ob die Kleinen Anfragen, auf die Sie verweisen, die erfragten Daten auch liefern. Das tun sie nämlich nicht immer. So sind der Drucksache 6/4271 zu den Hilfsfristen nur die Zahlen für das erste Halbjahr 2015 zu entnehmen, da im Februar die Zahlen für das zweite Halbjahr noch nicht vorlagen. Ich kann aber wohl davon ausgehen, dass im Juni 2016 die Zahlen für das zweite Halbjahr 2015 bekannt waren. Auch wenn mit den Integrierten Rettungsleitstellen die Erfassung der Hilfsfristen neu geregelt wurde, sind die Statistiken weiterhin halbjährlich zu erstellen.

Zum Inhaltlichen: Der flächendeckende Aufbau der Integrierten Rettungsleitstellen ist bis auf Chemnitz weitgehend abgeschlossen. Über 53,6 Millionen Euro wurden investiert. Was diese Investitionen bringen, wird sich zeigen, wenn man im nächsten Jahr die Zahlen dazu abfragt. Dabei interessiert vor allem, ob die Hilfsfristen künftig tatsächlich eingehalten werden können. In den letzten beiden Jahren war das im Bereich Chemnitz nur bei rund 75 % der Einsätze der Fall. Das heißt, dass der

Rettungsdienst bei einem Viertel der Einsätze länger als die zwölf Minuten bis zum Einsatzort gebraucht hat. Im Notfall zählt aber jede Minute. Wer weiß, vielleicht könnte unser Genosse und Freund Lothar Bisky noch leben, wenn der Rettungsdienst damals eine Chance gehabt hätte, eher da zu sein.

Betrachtet man ganz Sachsen, so zeigt sich, dass die Hilfsfrist insgesamt nur in 86,5 % der Fälle eingehalten werden kann. Damit wird die Vorgabe von 95 % um 8,5 % verfehlt. Das klingt nicht sonderlich dramatisch, genau das ist es aber. Wir haben ein echtes Problem in Sachsen, was die Einhaltung von Hilfsfristen angeht. Das, meine Damen und Herren von der Staatsregierung, ist erschreckend; denn bei Notfalleinsätzen stehen Menschenleben auf dem Spiel.

2015 wurden über eine Million Einsätze vermittelt. Rund die Hälfte wurde mit dem Rettungswagen durchgeführt. Wie hoch die Kosten dafür waren, können oder wollen Sie uns nicht sagen. Zwar ist es richtig, dass Sie vom Informationsrecht nur Gebrauch machen dürfen, wenn Anhaltspunkte für eine Rechtsverletzung vorliegen; diese Argumentation aber von einer Partei zu hören, die sich gleichzeitig vehement für die Vorratsdatenspeicherung einsetzt, wirkt schon sehr befremdlich. Angaben wären schon möglich gewesen; denn ich nehme an, dass man die Einsätze den Rettungsleitstellen zuordnen kann. Die Kosten für den Einsatz eines Rettungstransportwagens kann man der Gebührensatzung entnehmen. Somit hätten Sie zumindest die durchschnittliche Pauschale pro Einsatz mitteilen können, ohne in die Selbstverwaltungsaufgaben der Rettungsdienste einzugreifen oder die Rechtsaufsicht zu verletzen.

Außerdem haben wir gefragt, wie viele Notarztdienste unbesetzt blieben und welche Ergebnisse die Auswertung der Arbeitsgemeinschaft Notärztliche Versorgung für das Jahr 2015 brachte. Der Antwort entnehmen wir, dass 2015 insgesamt 54 881 Zwölf-Stunden-Dienste zu besetzen waren, von denen aber nur 53 728 besetzt wurden.

Die Träger der Rettungsdienste unterhalten 79 Notarztstandorte. Nicht alle weisen aber eine Vorhaltezeit von 365 Tagen à 24 Stunden auf.

(Alexander Krauß, CDU: Das muss auch nicht sein!)

53 728 Zwölf-Stunden-Dienste entsprechen 26 864

24-Stunden-Diensten. Teilt man diese auf die 79 Notarztstandorte auf, sind diese an nur 340 Tagen besetzt. Das

bedeutet, dass man in der Summe an 25 Tagen unbesetzte Notarztstandorte hat. Da kann man ja nur hoffen!

Um zu erfahren, wie die Notärzte ausgelastet sind, haben wir gefragt, wie viele Rettungseinsätze 2015 mit notärztlicher Unterstützung erfolgten. Das waren etwa 275 000. Pro Tag ergeben sich demnach 753,4 Notarzteinsätze im Freistaat. Verteilt man das wiederum auf 79 Wachen, bedeutet das in 24 Stunden an jedem Standort 9,54 Einsätze. Jedoch ist nicht bekannt, bei wie vielen Einsätzen zusätzlich noch nachträglich notärztliche Unterstützung angefordert werden musste. Somit ist davon auszugehen, dass die Zahl sogar noch höher liegt. Es werden also mehr Notärzte gebraucht.

In Sachsen können an sechs staatlich anerkannten Schulen Notfallsanitäter ausgebildet werden. Schulgeld darf allerdings nicht erhoben werden. Bei den Rettungssanitätern und Rettungshelfern sieht es anders aus. Diese Qualifikation kann man durch Kurse, welche entweder 520 oder 320 Stunden dauern, erwerben. Über die Erhebung von Kursgebühren liegen der Sächsischen Staatsregierung selbstverständlich auch keine Erkenntnisse vor.

Leider wissen Sie auch nicht, wie viele der bisherigen Rettungsassistenten die Ergänzungslehrgänge zum Notfallsanitäter in Anspruch nehmen. Damit wissen wir auch nicht, wie viele von den 3 745 Personen, welche als nicht ärztliches Fachpersonal beschäftigt sind, Notfallsanitäter, Notfallassistenten oder Rettungssanitäter sind. Die Qualität der Rettungsdienste lässt sich so wirklich nicht beurteilen.

Zur Einstiegsvergütung sind Sie ebenso wenig auskunftsfähig.

Im zweiten Teil unserer Großen Anfrage wollten wir etwas über den hausärztlichen Notdienst erfahren. Doch auch hier können Sie kaum Aussagen treffen. Wenn man beklagt, dass Rettungsdienste oft unnötigerweise anstelle des kassenärztlichen Notdienstes in Anspruch genommen werden, dann muss man doch die Gründe dafür herausfinden. Auch wäre es wichtig zu wissen, welcher Rettungsdiensteinsatz wirklich unnötig war. Hierzu werden schlichtweg keine Daten erfasst und ausgewertet. Somit verhallt jede Kritik, die dahin gehend geäußert wird, im Nirwana.

Zum Schluss wollten wir wissen, wie es um die Notaufnahme im Freistaat bestellt ist. Hier erfahren wir zum Stand November 2014, dass 68 von 79 Krankenhäusern über eine Notaufnahme verfügen. Aus den Antworten geht auch hervor, dass die Notaufnahmen zunehmend überlastet sind, da sie von Patienten in Anspruch genommen werden, die vertragsärztlich hätten behandelt werden können. Das ist aber auch Ergebnis einer zunehmenden medizinischen Unterversorgung, meine Damen und Herren.

Relevante Zahlen werden aber auch bei den Notaufnahmen in den Krankenhäusern nicht erfasst. So wissen Sie überhaupt nicht, wie viele Patientinnen und Patienten nach Selbstvorstellung, nach Einweisung durch den

Rettungsdienst oder aufgrund einer notärztlichen Anordnung aufgenommen wurden. Man bemängelt überlastete Notaufnahmen, weiß aber dann nicht, wie viele tatsächlich Notfälle sind. Daher kann man nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, ob die Überlastung wirklich, wie von Ihnen behauptet, vor allem durch Patienten verursacht wird, die im vertragsärztlichen Bereich behandelt werden müssten.

Insgesamt muss man feststellen, dass Sie über den Rettungs- und Notfalldienst nur unzureichend informiert sind. Angesichts der gerade beschriebenen Tatsachen ist das fahrlässig.

Die Linksfraktion dankt allen engagierten Menschen, die den Rettungs- und Notfalldienst trotz aller Widrigkeiten aufrechterhalten.

(Beifall bei den LINKEN)

Nicht nur ihretwegen, sondern im Interesse von uns allen fordere ich Sie, die Staatsregierung und die Koalition, auf: Verschaffen Sie sich endlich ein umfassendes Bild der Lage, damit Sie das Problem lösen können, und labern Sie nicht nur.

(Proteste bei der CDU)

Wir alle müssen medizinisch versorgt sein, und wir wollen das. Tun Sie etwas! Wir alle könnten eines Tages auf schnelle Hilfe angewiesen sein. Alle Menschen in Sachsen müssen sich darauf verlassen können. Dass diese Hilfe dann kommt, und zwar immer und überall, ist hauptsächlich Ihre Aufgabe.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Für die CDUFraktion Herr Abg. Krauß.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich am Anfang eine Feststellung treffen, damit man das Thema einordnen kann: Der Rettungsdienst und die Notfallversorgung in Sachsen funktionieren. Das Ziel der Arbeit muss sein, dass das so bleibt.

(Beifall des Abg. Georg-Ludwig von Breitenbuch, CDU)