Aus den Statistiken kann man Folgendes herauslesen – ich will nur ein Beispiel nennen, denn Sie, Frau Schaper, haben uns ja mit Zahlen überfrachtet.
98 % aller Rettungsdienste sind besetzt. Wir werden dieses Jahr sicherlich ähnliche Zahlen haben, wie dies im Jahr 2015 der Fall war.
Wenn wir über die anderen 2 % sprechen, die nicht besetzt sind, heißt das nicht, dass der Rettungsdienst oder der Notarztwagen nicht kommt, sondern das heißt, dass der Rettungsdienst oder der Notarzt von einem anderen Standort an diese Stelle fährt und ebenfalls Hilfe leistet.
Lassen Sie mich aber noch einmal das System erklären, denn ich glaube, das ist wichtig. Wie funktioniert die Notfallrettung im Freistaat Sachsen, welche Elemente gibt es?
Wir haben ein Element, das jeder kennt: den Rettungsdienst. Das ist das Auto, das mit Blaulicht kommt, wenn man die „115“ ruft. Wann ruft man dieses Auto? Man ruf es, wenn ein Unfall passiert ist oder wenn eine lebensbedrohliche Erkrankung vorliegt. Man ruft das Auto nicht, wenn einem ein bisschen schlecht ist oder man irgendwelche Tabletten verschrieben haben möchte.
Das zweite Element ist relativ bekannt: die Notfallambulanz. Das heißt: Ich fahre ins Krankenhaus, wenn ich ein Problem habe. Im Krankenhaus wird mir dann geholfen.
Das dritte Element ist ein bisschen unbekannter, und ich glaube, wir alle können ein wenig dafür werben. Ich freue mich, dass die Kassenärztliche Vereinigung und Frau Staatsministerin Klepsch das in dem 90 a-Gremium mit allen Beteiligten besprochen und vereinbart haben, dass es bekannter gemacht werden muss. Es geht darum, dass wir einen kassenärztlichen Bereitschaftsdienst haben. Das heißt, ein Hausarzt, der Bereitschaftsdienst hat, fährt raus und leistet Hilfe.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dafür gibt es auch eine einheitliche Rufnummer. Kann mir jemand sagen, wie die lautet?
Kollege Schulz hat den ersten Preis gewonnen, er hat es richtig gesagt: die 116 117. Das ist die Rufnummer, die wir noch bekannter machen müssen, damit man weiß: Wenn etwas ist – man hat zum Beispiel eine Grippe und kommt nicht mehr aus dem Haus –, dann kann man diese Rufnummer wählen. Dafür muss man nicht ins Krankenhaus fahren und dort die Notfallambulanz verstopfen, sondern dafür ist der kassenärztliche Bereitschaftsdienst da.
Wenn man sich mit einigen Ärzten unterhält, dann sagen die einem: Diese drei Systeme gibt es, aber es gibt einen Missbrauch in den Systemen. Der Deutsche Ärztetag hat das im Jahr 2015 mit einem Beschluss unterlegt, indem gesagt wurde: Es gibt eine große missbräuchliche Inanspruchnahme des Rettungsdienstes bzw. der Notfallambulanzen. Sie haben deshalb eine Gebühr gefordert. Der Hartmann-Bund als Standesorganisation der Ärzte hat das in Sachsen ebenfalls gemacht, die Kassenärztliche Vereinigung als Gremium der Selbstverwaltung der Ärzte gleichfalls. Diese sagen uns: Erhebt bitte eine Gebühr für die Menschen, die den Notfalldienst in Anspruch nehmen,
Ich habe mich mit einer Hausärztin in meiner Nähe, die im Bereitschaftsdienst unterwegs war, unterhalten. Sie hat mir gesagt, dass sie zu einem Patienten gerufen worden sei. Sie sei dann dort hingefahren – bei uns fährt man auch mal 20 Minuten oder eine halbe Stunde –, und als sie dort ankam, wurde ihr die Frage gestellt, ob Angina ansteckend sei. Nachdem die Ärztin diese Frage beantwortet hatte, sei sie wieder nach Hause gefahren. Dass diese Ärztin frustriert war und sich gefragt hat, was sie dort eigentlich sollte, kann man sehr gut nachvollziehen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Sie mal ins Krankenhaus gehen und sich mit den Ärzten unterhalten, die in der Notfallambulanz arbeiten, oder wenn Sie mit Rettungsassistenten, Rettungssanitätern bzw. Notfallsanitätern sprechen, dann sagen diese Ihnen das Gleiche, nämlich, dass sie häufig Fälle haben, bei denen sie sich fragen, ob derjenige, der da jetzt kommt, wirklich richtig krank ist.
Schauen Sie bitte einmal auf Ihre Uhr. Es ist Freitag, 14:45 Uhr. Das ist so eine Zeit, in der es in den Notfallambulanzen der Krankenhäuser schön hochläuft, weil die Arztpraxen zu dieser Zeit bereits geschlossen sind. Die Ärzte gehen in den Wochenenddienst, und da gibt es ganz viele, die glauben, man müsse jetzt ins Krankenhaus gehen.
Die Betriebskrankenkassen haben im Ergebnis einer Umfrage unter ihren Versicherten festgestellt, dass circa 12 %, also jeder Neunte, zugibt, dass er den Notdienst benutzt, um Wartezeiten in der Arztpraxis zu umgehen. Denn es ist natürlich – das muss man ehrlicherweise sagen – schon bequemer, wenn man am Wochenende ins Krankenhaus geht und das volle Sortiment der medizinischen Leistungen relativ zügig in Anspruch nehmen kann. Das ist einfach so. Darüber einmal nachzudenken, wie man das besser organisieren kann, finde ich schon hilfreich.
Jetzt habe ich diese drei Elemente genannt. Wir haben auch noch andere Bereiche, die ich am Rande kurz ansprechen möchte – weil dort alles funktioniert, wird kaum darüber gesprochen.
Ich bin aber dankbar dafür, dass Sie, Frau Staatsministerin, in Ihre Stellungnahme zum Beispiel das Thema des Apothekennotdienstes aufgenommen haben. Bevor ich darauf zu sprechen komme, könnte ich mir vorstellen, dass ich noch eine Frage beantworte.
Frau Präsidentin, vielen Dank. – Sie haben jetzt lange und ausführlich über den Missbrauch der Notaufnahme geredet. Mit Ihrer als Beispiel gebrachten Ärztin, die augenscheinlich ohne
Aber teilen Sie mit mir die Auffassung, dass ein Großteil der Besuche oder der Anrufe bei Notärzten, also die Notrufnummer, a) auf die Unkenntnis des kassenärztlichen Hausnotrufes und b) auf die Ausdünnung der ärztlichen Verfügbarkeit von Hausärzten im ländlichen Raum zurückzuführen ist? Es ist doch so, dass man schlichtweg ganze Räume hat, in denen man in der Woche kaum noch einen Hausarzt findet, zu dem man gehen kann. Die einzige Möglichkeit, wenn man Angst um seine Gesundheit hat, ist dann sozusagen die Notaufnahme des zum Glück meistens noch vorhandenen Krankenhauses in der Nähe. Es gibt also dafür sehr viele Ursachen und nicht nur den vorsätzlichen Missbrauch.
Ich kann Ihnen diesbezüglich vollumfänglich zustimmen. Sie haben das richtig analysiert. Der erste Punkt ist, dass die Rufnummer 116 117 zu unbekannt ist. Deswegen war es der richtige Ansatz. Wir haben dieses 90 a-Gremium. Das ist ein Gremium, bei dem wir als Landtag gebeten haben, dass die Staatsregierung das einsetzt und sich alle sektorenübergreifend, also nicht nur die niedergelassenen Ärzte oder die Krankenhäuser, einmal zusammensetzen, um zu besprechen, wie die medizinische Versorgung sichergestellt werden kann.
Der erste Beschluss war, dass wir diese Notrufnummer bekannter machen wollen. Wenn Sie mal die Versichertenzeitungen usw. durchblättern, dann sehen Sie, dass auch die Krankenkassen versuchen, diese Rufnummer bekannter zu machen.
Die zweite Begründung, die Sie gebracht haben, ist auch richtig. Natürlich hängt das damit zusammen, dass ich, wenn ich keinen Arzt mehr antreffe oder eine längere Wartezeit habe, dann eher geneigt bin zu sagen: Dann fahre ich doch lieber gleich ins Krankenhaus und bekomme dort relativ zügig zum Beispiel die Kinderarztbehandlung. Insofern hängt das zusammen. Ich komme dann übrigens noch auf die Lösungsansätze zu sprechen.
Lassen Sie mich aber noch einen Satz zum Apothekennotdienst sagen, weil das ein aktuelles Thema ist. Dieser Apothekennotdienst funktioniert 24 Stunden. Rund um die Uhr bekommen Sie in Sachsen Ihre Medikamente, egal, wo Sie sich in Sachsen befinden. Ich möchte, dass dieser Apothekennotdienst erhalten bleibt. Er wird aber nur erhalten bleiben, wenn wir die Apotheke vor Ort haben.
Ein Punkt war besonders wichtig, als wir den Haushalt beschlossen haben: Wir haben gesagt, wir wollen weiterhin Pharmazeuten in Sachsen ausbilden, denn diese brauchen wir dazu. Wir haben eine neue Herausforderung durch eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes, bei der die Gefahr besteht, dass wir nicht mehr eine flächendeckende Versorgung mit Apotheken haben
Bundesgesundheitsminister Gröhe schlägt vor, den Versandhandel auf nicht verschreibungspflichtige Produkte zu beschränken. Das ist ein guter Ansatz und richtig. Das war jetzt in der Tat das Maß aller Dinge, um dafür zu sorgen, dass es dadurch nicht zu einem Problem für uns wird und die Versorgung mit Medikamenten nicht mehr sichergestellt werden kann. Ich bin deswegen auch der Staatsregierung dankbar, dass sie dieses Vorhaben unterstützt. Wir werben auch bei anderen Parteien dafür, dass diese sagen: Wir unterstützen dieses Anliegen. Es wäre uns eine große Hilfe, wenn es auch andere Parteien gebe, die das so sehen.
Lassen Sie mich jetzt aber zu den Aufgaben kommen, vor denen wir stehen, denn wir wollen nicht nur eine Istanalyse machen. Wichtig ist, dass das bestehende System der Notfallversorgung stabilisiert wird. Wir sind allen dankbar, die sich dafür engagieren: Notfallsanitäter, Ärzte sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im medizinischen Bereich, also das medizinische Personal. Die stärkste Säule, die wir dort haben, sind die freiberuflich tätigen Ärzte, die sich einbringen. Das muss auch so bleiben.
Wir hatten in diesem Jahr eine gewisse Unsicherheit durch ein Gerichtsurteil in Mecklenburg-Vorpommern, was zum Glück – es ging um die Frage der Scheinselbstständigkeit – nicht zu einer Hysterie unter den Ärzten in Sachsen geführt hat, weil die Rechtslage auch bei uns ein wenig anders ist. Aber wir müssen den Ärzten natürlich die Sicherheit geben, dass das, was sie machen, nicht unter den Begriff der Scheinselbstständigkeit fällt.
Der Bundesrat hat heute eine Entschließung verabschiedet mit der Bitte, dass gesetzlich klargestellt wird, dass die Ärzte sozialversicherungsfrei ihre Notdienste im ländlichen Raum leisten. Auf Bundesebene und auch im Bundesgesundheitsministerium wird man mit diesem Vorschlag offene Türen einrennen, da bin ich mir sicher. Aber es ist wichtig, dass wir dort auch eine gesetzliche Klarstellung hinbekommen, damit Rechtsunsicherheiten
Wie ist das jetzt bei uns mit dem ärztlichen Rettungsdienst? Das ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich geregelt. Dafür gibt es ganz unterschiedliche Modelle. Bei uns sind die Krankenkassen dafür zuständig. Sie haben eine Arbeitsgemeinschaft „Notärztliche Versorgung“ gebildet, die den Sicherstellungsauftrag hat. Nicht die Frau Staatsministerin hat den Sicherstellungsauftrag, nicht der Landrat hat den Sicherstellungsauftrag, sondern die Krankenkassen haben den Sicherstellungsauftrag dankenswerterweise übernommen. Ich finde auch, es könnte kein anderer besser machen, weil es eine schwierige Aufgabe ist, das hinzubekommen. Ich bin der ARGE NÄV – wie sie abgekürzt wird – dankbar, dass sie kreative Lösungen findet.
Frau Kollegin Schaper ist schon auf Chemnitz eingegangen. Wir waren mit Frau Ines Saborowski-Richter – Frau Schaper sehe ich jetzt nicht – Anfang des Jahres in Chem
nitz, als es darum ging, den Vertrag mit dem städtischen Klinikum zu unterschreiben, das dann die Sicherstellung übernommen hat. Das ist ein solches Modell neben den niedergelassenen Ärzten und den Krankenhausärzten, die es freiberuflich machen, dass ein Krankenhaus sagt: Wir übernehmen für eine Region die Sicherstellung des Rettungsdienstes und wir organisieren das.
Wie Sie wissen, hatten wir im Landkreis Mittelsachsen in diesem Jahr in dieser Hinsicht Probleme. Es ist gut, dass eine Lösung zum 01.11. gefunden worden ist. Nach Ausschreibung hat das Klinikum in Mittweida die Versorgung und damit die Sicherstellung übernommen.
Wir werden zum 01.01. in Chemnitz einen weiteren Verbund haben, der den Rettungsdienst begleitet, nämlich das Bethanien Krankenhaus und die DRK-Kliniken zusammen.
Solche Modelle sind in anderen Landkreisen und Gebieten möglich, wenn Sie zum Beispiel an den Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge denken. Die ARGE NÄV macht eine sehr gute Arbeit und wir sollten sie dabei unterstützen, damit sie das weiterhin tut.
Lassen Sie mich als einen weiteren Punkt die Notfallsanitäterausbildung kurz ansprechen. Hier im Landtag gab es viele Gespräche, auch mit dem Innenministerium, dem Kultusministerium, dem Sozialministerium, den Schulen, den Krankenhäusern und den Kassen, dass wir die Notfallsanitäterausbildung in die Spur bekommen und sie sicherstellen. Wir müssen es schaffen, dass es möglichst wenig bürokratische Hemmnisse gibt, dass es ein gutes Miteinander ist und dass jeder, der diesen Beruf ergreifen möchte, diesen auch ausüben kann, weil er entsprechend gute Ausbildungsbedingungen findet.
Lassen Sie mich auf einen dritten Punkt eingehen, der mir ganz besonders wichtig ist. Wir brauchen eine engere Verzahnung der bestehenden Systeme, sektorübergreifend. Wir müssen es schaffen, dass dort enger zusammengearbeitet wird.
In Thüringen gibt es schon eine engere Verknüpfung zwischen dem kassenärztlichen Bereitschaftsdienst und der Notfallambulanz im Krankenhaus. Wenn der Bereitschaftsarzt – von dem ich vorhin sprach, der bei uns immer durch die Gegend reist – im Krankenhaus ist und als Erstes nachschaut, wenn der Patient kommt: Ist das jemand, der Schnupfen oder vielleicht eine Grippe hat und einfach ein Medikament verschrieben haben möchte?, dann muss derjenige nicht in die Notfallambulanz, sondern dann kann der KV-Bereitschaftsarzt ihn an der Tür wegfangen, das Medikament oder das Rezept ausstellen und sagen „Auf Wiedersehen, Sie können wieder gehen“.
Wir wissen, dass circa 80 bis 90 % der Patienten mobil sind. Für sie ist es ohnehin kein Problem, zum Krankenhaus zu fahren. Dort, wo es ein schwieriger Fall ist, muss er natürlich schnell in die Notfallambulanz gebracht werden, wo es die technischen Geräte und die Fachärzte
Dort können wir auch vorankommen; denn es gibt eine große Offenheit bei den Krankenhäusern, die das wünschen. Es gibt bei vielen niedergelassenen Ärzten und bei der kassenärztlichen Vereinigung eine Offenheit für dieses Thema. Es gibt vielleicht regional unterschiedliche Lösungen. Ich kenne auch Ärzte, die sagen: Ich möchte eigentlich nicht im Krankenhaus sitzen, denn bei uns in der Stadt funktioniert das. Wenn es eine relativ kleinräumige Stadt ist, wo die Strecken nicht so lang sind, die ein Arzt im kassenärztlichen Bereitschaftsdienst fahren muss, dann sagt dieser Arzt: Für mich ist das unproblematisch; das geht.