Als Antwort beschlossen die Staats- und Regierungschefs der EU am 6. März 2014, den Visadialog zunächst auszusetzen. Wann der Prozess wieder aufgenommen wird, ist derzeit unklar.
Für den Freistaat Sachsen – das will ich nochmals deutlich machen – gibt es zwei wichtige Aspekte: Wir erwarten, dass der Visaliberalisierungsprozess wieder aufgenommen wird. Das ist der Anspruch an die Europäische Union. Aber wir erwarten auch von der Russischen Föderation, dass die Aufgaben, die mit dem eigenen Anspruch, diesen Visaliberalisierungsprozess wieder aufzunehmen, auch zugesagt sind, entsprechend umgesetzt werden.
Ich will darauf verweisen: Dies kann nur möglich sein, wenn auch die russische Führung dies will und bereit ist, verlorenes Vertrauen aktiv wieder aufzubauen; denn Russland hat im Februar 2015 das Minsker Maßnahmenpaket als Resolution in den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eingebracht.
Es wurde dort einstimmig beschlossen. Deshalb ist jetzt zu erwarten, dass Russland auch diese Minsker Vereinbarung umzusetzen hat.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, es ist für den Freistaat Sachsen nochmals wichtig festzustellen: Uns liegt daran, eine gute Partnerschaft mit vielen Nationen zu haben. Dazu zählen auch die Menschen in der Russischen Föderation. Für uns ist es wichtig, dass es Angebote der Kooperation zwischen den Menschen gibt, dass Jugendorganisationen, junge Menschen sich kennenlernen können.
Ich gehe davon aus, meine sehr geehrten Damen und Herren, der Freistaat Sachsen braucht sich in den partnerschaftlichen Fragen nicht zu verstecken. Wir werden unsere Staatsregierung ermutigen, dort die Verbindung weiter aufrechtzuerhalten, aber wir werden Ihrem Antrag nicht zustimmen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag der AfD-Fraktion begehrt im Wesentlichen das Einwirken der Staatsregierung auf die Bundesregierung zur Wiederaufnahme der Visaerleichterungsverhandlungen der EU mit der Russischen Föderation sowie weitere Projekte des Bildungs- und Wissenschaftsaustausches. In der Überschrift fordert der Antrag, die Partnerschaft zwischen Sachsen und Russland zu stärken. – So weit, so gut.
Sowohl der Antrag in seiner Begründung als auch die Stellungnahme der Staatsregierung gehen den Ursachen für die belasteten Beziehungen zwischen Sachsen und Russland – eigentlich müsste man sagen: zwischen dem Westen und Russland – nicht auf den Grund. Schweigt sich der Antrag über die Ursachen gänzlich aus, so schrammt die Stellungnahme der Staatsregierung an ihnen vorbei und bemüht den Ölpreisverfall und die schwindende Kaufkraft von Unternehmen und Privatpersonen, den Rückgang von Handel, Tourismus und Schüleraustausch zu begründen.
Allerdings öffnet die Staatsregierung, ohne dies zu vertiefen, zumindest den Blick für die tatsächlichen Ursachen, indem Sie verlauten lässt: „Visaerleichterungen sind zur Förderung der deutsch-russischen und damit sächsischrussischen Beziehungen zwar wünschenswert, jedoch ist die Visumspflicht in ihrer aktuellen Form nicht ursächlich für die aktuellen Herausforderungen. Sie galt auch auf dem Höhepunkt der wirtschaftlichen, kulturellen und akademischen Beziehungen.“
Wenn die Visumspflicht also nicht ursächlich ist, dann muss man fragen, worin die Ursachen liegen. Nähern wir uns dem: Die Sanktionspolitik gegen Russland anlässlich des Krim- und Ukrainekonflikts wird genannt und in keinen weiteren Kontext gestellt, obwohl sie massive volkswirtschaftliche Schäden – gut 300 Milliarden Euro in der russischen und gut 100 Milliarden Euro in der europäischen Volkswirtschaft nach jüngsten Schätzungen – generiert.
Das Gesamtverhältnis des Westens zu Russland als Grundlage für die Gesamtsituation wird nicht in Betracht gezogen. Selbst unter einem deutlich weniger selbstbewussten russischen Präsidenten Jelzin, aber geleitet von den Erfahrungen der europäischen Katastrophen des Ersten und Zweiten Weltkrieges sowie der Zeit des Kalten Krieges hat man einem wirtschaftlich schwächeren und staatsorganisatorisch chaotischeren Russland mehr Respekt zuteil werden lassen, als es heute der Fall ist. Schließlich war die Erkenntnis tief verwurzelt, dass man Sicherheit und Frieden in Europa niemals ohne oder gar gegen Russland für die Zukunft gestalten kann.
Heute schätzt man im Westen trotz eines gigantischen militärischen Potenzials Russland als Regionalmacht ein und wendet sich seitens des Westens bewusst gegen Russland. Um es gleich vorauszuschicken, meine Damen
und Herren: Es geht ausdrücklich nicht darum, alles, was Russland oder sein Präsident tun, gutzuheißen. Aber es geht darum, das Handeln von Super-, Groß- und Regionalmächten mit der gleichen und derselben moralischen Elle zu messen.
Betrachtet man die internationale Bewertung zum Kampf um Aleppo und legt daneben die zum Kampf um Mossul oder Falludscha, dann bekommt man eine Ahnung davon, wie unterschiedlich die militärischen Handlungen mit vielen, vielen zivilen Opfern bewertet werden.
Wegen des staatlich sanktionierten Dopings in Russland verliert Sotschi die Bob- und Skeleton-Weltmeisterschaften. Die russische Mannschaft wird von den Paralympics ausgeschlossen. Richtig oder nicht richtig? Falsch ist in jedem Falle, das allgegenwärtige Dopingproblem politisch selektiv anzugehen und es als ein vorrangig oder allein russisches Problem erscheinen zu lassen.
und es wird eine europäische Offensive zu einer Gegenpropaganda, unter anderem im Europaparlament, ausgerufen. Russland wird Wahlbeeinflussung vorgehalten, und vonseiten der USA wird nun mit Vergeltung gedroht.
Unabhängig davon, dass hier plausible Beweise, soweit zu sehen ist, nicht vorgelegt werden – meine Damen und Herren, das kennen wir: die CIA hat schon mehrfach Beschuldigungen konstruiert, zum Beispiel Saddam verfüge über Massenvernichtungswaffen und Ähnliches –: Glaubt jemand allen Ernstes, dass die Datenpower der NSA von den USA nur passiv im Sinne geheimdienstlicher Kenntnis genutzt wird?
Das tiefergehende Thema des vorliegenden Antrages ist in der Tat von globaler Bedeutung und wäre einer ernsthaften Debatte zuträglich, da die Menschen in Sachsen durchaus besorgt sind über die Art und Weise, wie EU und NATO auf einen neuen Kalten Krieg mit Russland hinarbeiten oder ihn schon begonnen haben. Der vorliegende Antrag kommt dabei allerdings etwas schlicht daher. Sicherheit erschöpft sich eben nicht in Visa- und Einreisesicherheit.
Ohne jegliche Erörterung bleiben die sächsischen Interessen – welche sollen es denn sein? Auch da schweigt sich die AfD aus sowie zu weiteren Projekten und Initiativen ebenfalls.
Wenn Sie die Staatsregierung zu etwas bewegen wollen, dann sollten Sie schon auch einmal irgendwie inhaltlich orientieren, was Sie sich dabei gedacht haben, welche Interessen es sein könnten und welche Projekte es sein sollten. Doch mit diesen Fragen lässt uns die AfD allein.
Nun habe ich mich durchaus gefragt, weshalb die AfDFraktion zu dem jetzigen Zeitpunkt die Visaerleichterung mit Russland, nicht aber die Vertiefung und Vereinfachung der Wirtschaftsbeziehungen sowie die Erleichterung der Visabestimmungen zum Beispiel mit der Volksrepublik China, mit Indien, mit Malaysia oder mit Indonesien oder den Vereinigten Arabischen Emiraten aus dem Blickwinkel sächsischer Interessen betrachtet.
Die AfD ordnet sich sehr wohl in den Kontext und das Selbstverständnis der politischen paneuropäischen Rechten ein und sucht das deutlich angespannte Verhältnis des Westens zu Russland zu instrumentalisieren. Zugleich darf die Vermutung als begründet gelten, dass sie auch mit diesem Antrag im Zuge der Vorbereitung der kommenden Bundestagswahlen auf eine entsprechende Resonanz unter den Spätaussiedlern – sprich: Russlanddeutschen – zielt.
Insgesamt, wenn man das bewertet, werden wir diesen recht schlichten und inhaltlich durchschaubaren Antrag ablehnen.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich werde jetzt nicht den ganz großen weltpolitischen Bogen schlagen, der sich anbietet. Ich sehe auch, dass es hier nur zum Teil um die Erteilung von Visa geht. Bei diesem Antrag der AfD war ich versucht und habe gleich in den einzelnen Positionen gesucht, wann die Forderung nach Einstellung der Sanktionen gegenüber Russland kommt. Das steht in den Anträgen erstaunlicherweise gar nicht drin; damit hatte ich fest gerechnet.
Es kommt dann aber, wenn man genauer hinschaut, in der Begründung doch vor. Dort geht es darum, dass die Wirtschaftssanktionen wohl Anlass waren für das Abbrechen der Visaverhandlungen im Jahre 2014 und dass das ja sogar dem eigenen Wertekanon der EU widerspreche.
Meine Damen und Herren, tatsächlich hat der zitierte Forschrittsbericht 2013 erhebliche Anstrengungen Russlands festgestellt, den Anforderungen in den Bereichen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie in den Bereichen Außenbeziehungen zu entsprechen – bis 2013. Kollege Schiemann hat vorhin schon sehr deutlich ausgeführt, wie diese Verhandlungen verlaufen sind. Ich habe mich auch ein wenig darauf vorbereitet, will das jetzt aber weglassen.
Ich glaube nur, dass man wirklich klarmachen muss, dass der Kontext zur Krimkrise beim Abbruch in der Tat eine erhebliche Rolle spielte. Es ging nicht um den Kontext zu den Sanktionen, sondern um den Auslöser der Sanktionen. Insofern könnte man auch das Abbrechen der Visaverhandlungen als einen Teil dieser Sanktionen verstehen.
Nun haben Sie, werter Kollege, ausführlich dargestellt, welche unterschiedlichen Hintergründe, welches Verschulden den Westen, welches Verschulden Russland trifft, warum diese Situation so zusammengelaufen ist. Sie haben auch gesagt, Sie wollen Russland nicht unbedingt entschuldigen. Das Problem daran ist nur, dass Sie auch nicht benannt haben, dass Russland in der Situation bei der Krimkrise etwas getan hatte und eine Reaktion auf das, was da geschah, glaube ich, zwingend erforderlich war.
Wir können natürlich die Visaverhandlungen nicht einfach wieder aufnehmen, ohne dass die Voraussetzungen für die Einstellung der Sanktionen dann irgendwann auch einmal erfüllt werden.