Protokoll der Sitzung vom 01.02.2017

Beginnen wir mit dem Thema Suizidprävention. Die Landesarbeitsgruppe Suizidprävention hat ein Verfahren zur Einschätzung von suizidgefährdeten Gefangenen erarbeitet, das die Expertenkommission ausdrücklich gelobt hat. Dies gilt natürlich auch für die Fortbildung der Bediensteten. Wir wissen, dass die Psychologin nach allen fachlichen Gesichtspunkten eine richtige Einschätzung des Gefangenen al-Bakr getroffen hat. Die Kommission hat aber auch deutlich gemacht, dass die Betreuung und nicht die Kontrolle unzureichend gewesen ist.

Es gibt aber in Deutschland – das wurde mehrfach angesprochen – überhaupt keine Erfahrung, wie man mit ISAttentätern bzw. Selbstmordattentätern konkret umgeht. Das hat bei den Bediensteten zu Verunsicherung geführt. Es ist nun einmal ein sehr sensibler Vorgang, in jeder Situation sowohl die Eigen- als auch die Fremdgefährdung richtig abzuwägen.

Um in dieser sensiblen Situation die erforderlichen Gespräche sprachlich wie auch inhaltlich führen zu können, fehlen Dolmetscher und auch die Psychologen, die sofort und unmittelbar vor Ort zum Einsatz kommen können. Es wurde angesprochen, es bedarf weiteren Fachpersonals und – darüber können und sollten wir später noch einmal sprechen – digitaler Kommunikationsmittel. Nicht zuletzt muss auch die Überwachung der Gefangenen gerade in solch schwierigen Situationen überdacht werden.

Der Minister hat gerade die Planung eines neuen Haftraumtyps erörtert. Das ist ein Thema für eine länderübergreifende Zusammenarbeit.

Nun zur Personalsituation in den Justizvollzugsanstalten. Die Expertenkommission empfiehlt in ihrem Bericht, die personellen Kapazitäten der Sicherheits- und auch der Justizbehörden in Bund und Ländern aufzustocken. Wir haben mit dem aktuellen Doppelhaushalt bereits ein Zeichen gesetzt und auch reagiert.

Es wurde gesagt: Der Stellenabbau im Justizvollzug ist weitgehend gestoppt. Die 105 Stellen für den Justizvoll

zug sind zur Verfügung gestellt worden, und die Ausbildungskapazitäten wurden bereits im Jahr 2016 von 20 auf 60 Plätze erhöht. Das darf aber nur der Anfang sein. Die Statistiken zeigen: Der Bedarf an geschultem Fachpersonal aufgrund von Altersabgängen – das haben wir gerade im Justizvollzug – steigt. Die geschaffenen Personalstellen sind gerecht zu verteilen und schnell einzusetzen. Dazu muss, Frau Kollegin Meier – darauf kommen wir später noch einmal –, nicht noch eine weitere Kommission eingesetzt werden.

(Katja Meier, GRÜNE: Doch, doch!)

Es ist entschlossenes Handeln gefragt. Der Justizminister hat mit der Einrichtung einer handlungsfähigen Stabstelle im Justizministerium reagiert.

Nächster Punkt: Die Zusammenarbeit und insbesondere der Informationsaustausch der Behörden wurden von der Expertenkommission kritisiert. Tatsache ist, dass hier in Sachsen der Polizeieinsatz zur Verhinderung des Terroranschlags erst durch das schnelle, verantwortungsvolle und entschlossene Ersuchen des Landeskriminalamts bei der Staatsanwaltschaft angelaufen ist. Der Generalbundesanwalt hätte wesentlich zeitiger tätig werden müssen.

Dass der als suizidgefährdet geltende mutmaßliche Terrorist ohne jedwede Vorabinformation, also quasi inkognito an die JVA Leipzig überstellt wurde, hat die Expertenkommission ebenfalls völlig zu Recht kritisiert. Hierbei werden Informationslücken geschlossen. Entweder das Gericht oder die Staatsanwaltschaft muss unverzüglich der zuständigen Justizvollzugsanstalt die notwendigen Informationen übermitteln. Das ist unterblieben. Das muss künftig stattfinden. Nur so können sich die Mitarbeiter vor Ort entsprechend vorbereiten und die Eigen- und Fremdgefährdung konkret abwägen. Auch das Fachpersonal, die Psychologen und Dolmetscher, kann dann vorab organisiert werden.

Meiner Ansicht nach ist der Handlungsbedarf erkannt worden. Es muss und wird Verbesserungen geben. Ungeachtet dessen müssen sich die Bundes- und Landesbehörden noch stärker austauschen, sei es in der Kommunikation untereinander oder beim Erfahrungs- und Datenaustausch zwischen den Bundesländern und dem Bund.

Ergebnisse aus einem solchen stetigen Austausch müssen schneller zur Verantwortungsübernahme führen. So können beispielsweise Fehlentscheidungen vermieden werden wie die, dass die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen viel zeitiger, bereits am 8. Oktober hätte übernehmen müssen – das wurde von allen genannt.

Was können wir besser machen? – Der sächsische Verfassungsschutz hat gut mit den Bundesbehörden zusammengearbeitet. Die Expertenkommission hat das bestätigt. Die dezentrale Struktur hat sich durchaus bewährt. In der Kommunikation und Abstimmung müssen die Behörden allerdings wesentlich besser werden. Deshalb sehe ich, wie es die Expertenkommission angeführt hat, die Notwendigkeit, bewährte Instrumente in der deutschen

Sicherheitsarchitektur an ihren Schnittstellen untereinander zu verbessern.

Es gilt vor allem, Regelungen im Hinblick auf die Zuständigkeiten zu schärfen und dabei vorhandene Ressourcen besser zu nutzen. Es kann nicht sein, dass jeder sein eigenes Süppchen kocht sowie Informationen nicht ausgetauscht und nicht durchgestellt werden. Wir benötigen ein koordiniertes Vorgehen, eine gemeinsame Sprache und vor allem ein gemeinsames Handeln.

Das sollte sinnvollerweise aber der Bund koordinieren, gerade bei solchen länderübergreifenden Gefahren wie der des Terrorismus. Eine zentrale Unterbringung bestimmter Tätergruppen in besonderen Justizvollzugseinrichtungen, länderübergreifend oder im Bund, lehnen wir ab. Wir sollten nicht bei jedem Problem gleich unsere föderale Struktur aufgeben. Wir können das in Sachsen leisten. Der länderübergreifende Fachpersonalpool, den die Expertenkommission angesprochen hat, ist eine gute Anregung.

Was ist mit Blick auf die Dolmetscher und die Psychologen zu tun? Es wurde mehrfach angesprochen. Es werden immer wieder Forderungen laut, dass rund um die Uhr alle Justizvollzugsanstalten einerseits mit Psychologen und andererseits mit Dolmetschern ausgestattet werden sollen. Das ist ein hehres Ziel. Sinnvoller ist es aber – das hat Herr Prof. Landau in seinem Bericht auch angeregt –, auch auf Videokommunikation zu setzen. Nachdem also ein fremdsprachiger Gefangener in die jeweilige Justizvollzugsanstalt eingeliefert wurde, nimmt der Bedienstete seinen Computer zur Hand und meldet sich einfach einmal bei einem Videodolmetschersystem an. Also, innerhalb kurzer Zeit hat er für viele Sprachen rund um die Uhr beispielsweise über Skype – so machen es die Österreicher – einen Übersetzer, über den er die Kommunikation mit dem Gefangenen und damit dessen Grundversorgung sofort abwickeln kann. Kommunikation führt zu mehr Vertrauen auf beiden Seiten, und dies führt in der Folge zu mehr Sicherheit.

Ein Nebenpunkt ist, dass auch medizinische Beratungen zeitnah durchgeführt werden können und nicht erst auf den speziellen Dolmetscher gewartet werden muss und fraglich ist, ob er am nächsten Morgen kommt oder nicht. So können auch etwaige Suizidgefahren unmittelbar abgeklärt werden. Das war nämlich auch der Kritikpunkt nach der Inhaftierung von Herrn al-Bakr.

Übrigens, in Österreich wird dieses Videodolmetschersystem schon seit etwa 2014 eingesetzt. Der Freistaat Bayern testet das System seit geraumer Zeit, Hessen macht es ebenso. Warum sollen wir es nicht auch tun?

Ein letzter Stichpunkt, der auch angesprochen worden ist, heißt Videoüberwachung. Direkt nach der Ausschusssitzung des Innenausschusses und des Verfassungs- und Rechtsausschusses am 18. Oktober 2016 haben wir als CDU-Fraktion gefordert, dass es an der Zeit ist, in besonderen Fällen und auch nach Einzelprüfung die Videoüberwachung in Haftzellen zuzulassen. Auch die Exper

tenkommission hat sich nun ausdrücklich für den Einsatz ausgesprochen.

(Katja Meier, GRÜNE: Na, na, na!)

Sie hat sich dafür ausgesprochen. Das steht auch in der Pressemitteilung. – Jetzt wird das Staatsministerium der Justiz einen Vorschlag für die Schaffung der gesetzlichen Grundlagen erarbeiten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Terrorismus ist eine gesamtdeutsche, eine europaweite Bedrohung. Deshalb ist der verantwortungsvolle Umgang mit den im Expertenbericht gegebenen Empfehlungen für uns besonders wichtig. Ich bin mir sicher, dass hier in Sachsen auf der Grundlage der Empfehlungen der Expertenkommission die richtigen Maßnahmen – wir haben es vom Staatsminister der Justiz gehört – durch die Staatsregierung ergriffen und umgesetzt werden. Das ist die genannte Kultur der Verantwortlichkeit.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Als Nächstes hat jetzt die SPD-Fraktion das Wort, und Herr Kollege BaumannHasske wird es hier vorn am Rednerpult ergreifen.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich möchte das Augenmerk weniger auf den Bereich der Polizei und auf die Verfolgung des Terroristen, sondern mehr auf die Justiz und auf den Bereich dessen richten, was im Strafvollzug geschehen ist.

Es ist im Grunde schon von allen so gesehen worden: Die Bundesanwaltschaft hätte bereits am 7. Oktober 2016 die Ermittlungen an sich ziehen und die Leitung übernehmen können und müssen. Die Voraussetzungen lagen vor. Warum die Bundesanwaltschaft dies nicht getan hat, ist unverständlich. Ich sage das ausdrücklich nicht, um jetzt auf den Bund zu zeigen und zu sagen, dass da Verantwortung liegt, womit wir uns entlasten könnten; denn ich glaube, dass wir in Sachsen sehr viel eigene Verantwortung haben. Aber ich bin der Auffassung, dass diese Feststellung, die sich eindeutig aus dem Gutachten ergibt, notwendig ist.

Kommen wir zu dem Bereich der sächsischen Justiz. Dort hat es nach Ausführungen der Kommission einige organisatorische Probleme gegeben. Offensichtlich war die JVA Leipzig nicht frühzeitig darauf hingewiesen worden, dass sie es sein würde, die einen mutmaßlichen Terroristen aufnehmen sollte. Es hatte Informationen an alle Vollzugsanstalten in Sachsen gegeben, nicht aber ausdrücklich an diejenige Anstalt, die tatsächlich den mutmaßlichen Terroristen aufnehmen sollte. Allerdings scheinen sich daraus im weiteren Ablauf keine nachteiligen Folgen ergeben zu haben.

Ausdrücklich gelobt hat die Kommission – es ist jetzt schon vielfach erwähnt worden – das Konzept der Suizidprävention im Freistaat Sachsen, das ja umfänglich

entwickelt worden ist und letztendlich auch einen sogenannten Screeningbogen enthält, nach dem mit solchen suizidgefährdeten Personen verfahren werden soll. Im Ergebnis des Gutachtens bleiben Zweifel, ob dieses Konzept konsequent zur Anwendung gekommen ist, ob es konsequent umgesetzt worden ist. Dem wird meines Erachtens auch in der Vollzugsanstalt noch nachgegangen werden müssen.

Was wir entnehmen können, ist der Fakt, dass die JVA dem Gefangenen nicht in ausreichendem Maße ermöglicht hat zu kommunizieren, dass also über das Interview mit der Psychologin hinaus eine Kommunikation über Dolmetscher wohl nicht stattgefunden hat. Das ist natürlich eine Problematik, die in Zukunft mit Sicherheit so nicht fortbestehen darf. Auch hat der Betroffene keinen Ausgang gehabt. Das heißt, er konnte seinem Bedürfnis nach Aufenthalt im Freien nicht in ausreichendem Maße entsprechen.

Die Kommission stellt fest, dass die Unterbringung in einer besonderen Zelle richtig war, sagt aber, es hätte Anhaltspunkte gegeben, die die Sicherung durch eine Stuhlwache gerechtfertigt hätte. An dieser Stelle möchte ich anmerken und mich dem anschließen, was unser Kollege Modschiedler eben bereits gesagt hat: Wir sollten uns in der Tat überlegen, ob wir für solche Fälle in ganz begrenztem Maße tatsächlich die Videoüberwachung eines solchen suizidgefährdeten Gefangenen nicht gesetzlich zulassen; denn der Eingriff, der einer solchen Person widerfährt, die durch eine Stuhlwache überwacht wird, ist meines Erachtens sehr viel tiefer als der Grundrechtseingriff, der durch die Überwachung durch Videokamera droht. Insofern wäre dieses Mittel wahrscheinlich effektiv und weniger grundrechtssensibel. Von daher werden wohl auch wir uns einem solchen Vorschlag nicht verschließen.

Der Kommission zufolge war die Befragung durch die Psychologin korrekt und ihre Schlussfolgerung, ein Suizid drohe zunächst nicht, konsequent. Das mag widersprüchlich erscheinen, wenn man auf das Ergebnis sieht, ist aber, wie die Kommission analysiert hat, tatsächlich so gewesen: Zu dem Zeitpunkt, da die Psychologin mit ihm gesprochen hat, schienen seine Äußerungen nicht darauf hinzuweisen, dass ein Suizid zu befürchten war.

Meine Damen und Herren! Ich komme noch einmal auf die Überschrift zurück, die die Kommission für ihren Bericht gewählt hat. Es geht um den Begriff der „Kultur der Verantwortlichkeit“. Ich glaube, dass alleine diese Forderung Mahnung und Auftrag zugleich an die sächsische Justiz und an die sächsischen Polizeibehörden ist. Die Kommission hat in Sachsen eine Kultur der Zuständigkeit festgestellt. Das heißt, sie hat im Grunde gesagt, in Sachsen sei es so, dass jeder darauf schaue, wofür er zuständig sei, dass man dazu neige, sich in allen anderen Bereichen für unzuständig zu erklären. Das führe dazu, dass eine übergreifende Verantwortlichkeit für die Aufgabe, die zu bewältigen ist, wohl weniger gesehen werde.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie uns in Polizei und Justiz die Kultur der Verantwortlichkeit entwickeln, wie die Kommission sie in ihrem Bericht gefordert hat!

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Das war Kollege Baumann-Hasske, SPD-Fraktion. Gibt es jetzt bei der AfD weiteren Redebedarf? – Ja, das Wort wird erneut von Kollegen Hütter ergriffen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen! Herr Innenminister, ich hatte letzte Woche Besuch aus Schneeberg, –

(Zuruf von der CDU: Aha!)

Ja, das gibt es.

eine Gruppe Polizeischüler aus Schneeberg, die die ewige Baustelle in ihrem Ausbildungsbetrieb mehrfach bemängelten. Bitte handeln Sie, Herr Innenminister!

(Staatsminister Markus Ulbig: Das ist nun einmal nicht zu ändern, wenn man eine neue Schule baut!)

Das ist so, aber man muss natürlich auch Rücksicht auf den Ausbildungsbetrieb nehmen, Herr Innenminister, und da scheint es wohl massive Probleme zu geben, denn das haben mir auch die Ausbilder bestätigt.

Das OAZ zu einem PTAZ oder mit der jetzigen Führungsstruktur aufzupumpen sehen wir als eher kritisch an. Fachausbilder für ihre Ausbilder zu finden, wird nahezu unmöglich werden. Wir werden mit Spannung Ihrem Umsetzungsbestreben in Schneeberg entgegensehen. Bitte bedenken Sie: Gefährder abschieben ist das Gebot der Stunde.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Als Nächstes hat jetzt die Fraktion GRÜNE das Wort. Frau Kollegin Meier, das Pult gehört Ihnen.