Protokoll der Sitzung vom 02.02.2017

Die Schule hat nach wie vor eine sehr große Aufgabe. Ich meine, hier ist auch für die Jugendbildung mehr zu tun,

damit eben nicht Schüler aus der Schule entlassen werden, die von Anfang an zu den Verlierern gehören.

(Kerstin Köditz, DIE LINKE: Richtig!)

Das ist ein Punkt, den man bei der Extremismusbekämpfung bedenken muss; denn es ist nicht allein Aufgabe der sächsischen Polizei, hier zu handeln; vielmehr muss auch in diesem Bereich die entsprechende Arbeit geleistet werden.

(Beifall bei den LINKEN)

Zusammenfassend: Wir brauchen eine stärkere Prävention. Es war für uns in den Neunzigerjahren das Schlüsselwort. Prävention ist die beste Investition in die Zukunft.

(Beifall bei den LINKEN)

Wer in die Prävention investiert, der wird auch in Zukunft mehr gegen Straftäter tun.

Der Freistaat Sachsen ist und bleibt ein gastfreundliches und offenes Land. Das werden und wollen wir bleiben. Vier Millionen Sachsen dürfen sich nicht weiter von 4 000 Extremisten die Früchte der harten Arbeit der zurückliegenden Jahre kaputt machen lassen.

(Beifall bei der CDU)

Sachsen bleibt weltoffen.

Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und den LINKEN)

Herr Schiemann, vielen herzlichen Dank. – Ich rufe die SPD-Fraktion auf, Herrn Abg. Homann. – Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Antworten auf die Große Anfrage der LINKEN zeigen es einmal mehr: Wir haben in Sachsen ein rechtsextremistisches Problem. Ganz nüchtern. Aber wir haben ein solches Phänomen nicht nur in Sachsen. Es ist wahr, dass es sich so mancher in Westdeutschland etwas einfach macht, wenn er mit dem Finger auf die Sachsen zeigt. Dabei haben sie selbst genug Rechtsextremisten. Es ist ebenfalls wahr, dass das Phänomen auch in anderen ostdeutschen Bundesländern weit verbreitet und eine reale Gefahr im Alltag vieler Menschen und der Demokratie ist.

Doch die Antworten zeigen auch: Sachsen hat ein besonderes Problem. Wenn ich lese, dass die rechte Szene 62 Räume in diesem Land für ihre Aktivitäten nutzt,

(Kerstin Köditz, DIE LINKE: 45!)

wo wir es nicht geschafft haben, die bis heute stillzulegen, dann zeigt das, welche Infrastruktur die in diesem Land haben. Wenn ich lese, dass die Straftaten seit 2015 massiv zugenommen haben und rein rechnerisch seit 2011 mindestens fünf rechtsextreme Straftaten in Sachsen am Tag begangen werden, dann zeigt das, wie weit das im Lebensalltag im Freistaat Sachsen schon fast in der Normalität angekommen ist. Das zeigt sich auch – da gab es,

glaube ich, gerade Irritationen – in den Zahlen. Der Verfassungsschutz sagt, dass es in Sachsen im Jahr 2015 2 700 Rechtsextremisten gab, Tendenz steigend – im Vergleich dazu, ich will das nicht werten: 780 Linksextremisten.

Das sind die nackten Zahlen. Das andere ist aber der konkrete Fall. Wenn man wie Polizisten und THW-Helfer in Heidenau mit Steinen angegriffen wird, wenn man in der Straßenbahn auf einmal angepöbelt, bespuckt oder auf der Straße angegriffen wird – diese Zahlen sagen eben nichts über diese ganz konkrete Erfahrung und die Bedrohungsgefühle und manchmal auch die Bitterkeit der Opfer aus. Deshalb ist es richtig, dass wir das in diesem Haus immer wieder thematisieren, dass wir diese Zahlen mit Einzelschicksalen unterlegen, darüber berichten und diskutieren.

Es ist kein Zufall, dass Sachsen solche Zahlen aufweist. Rechte Strukturen und Netzwerke konnten hier lange Jahre wachsen, weil das Problem unter den Teppich gekehrt wurde.

(Frank Kupfer, CDU: Jetzt reicht es aber!)

Gleichzeitig wurden die demokratischen Gegenspieler immer wieder geschwächt. Die Zahlen sind kein Zufall, weil wir auch weltweit beobachten können: Dort, wo auf offener Straße nicht nur im Internet Gefühle gegen Minderheiten aufgewiegelt, ja aufgehetzt werden, besteht die Gefahr, dass aus Worten Taten werden. Seit der gehässigen rechtspopulistischen Kampagne für den Brexit beobachtet man in Großbritannien eine Zunahme rassistisch oder religiös motivierter Übergriffe um 41 %. In der Folge wurde auch ein 40-jähriger polnischer EU-Bürger von einer Gruppe britischer Jugendlicher zusammengeschlagen. Er starb an den Folgen.

Wir sehen auch: Nach dem Hass- und Lügenwahlkampf von Donald Trump gehen die Anschläge und die Straftaten in Amerika hoch. Es ist kein Zufall, dass in Kanada, kurz nachdem der kanadische Ministerpräsident Justin Trudeau Flüchtlingen Schutz bot, die dem Dekret von Donald Trump zum Opfer fallen, sechs Menschen muslimischen Glaubens umgebracht wurden.

Denselben Mechanismus, dass aus Worten Taten werden, beobachten wir in Sachsen. Alles hat seinen Preis. Wenn Hass auf den Straßen durch rechtspopulistische Kampagnen geschürt wird, teils – wie die Antwort der Staatsregierung zeigt – organisiert von Mitgliedern der extremen Rechten, dann drohen Worte schnell zu Taten zu werden. Wenn Stimmungen aufgeheizt werden, dann hat das Folgen. Keiner kann hier seine Hände in Unschuld waschen. Wenn manche fantasieren, man stünde vor einem Bürgerkrieg, dann darf man sich nicht wundern, wenn wir solche Zustände in Heidenau sehen. Wenn manche mehr oder weniger direkt mit einer rechtsnationalistischen Revolution kokettieren oder vielleicht einen solchen Plan sogar selbst verfolgen, dann hat das seinen Preis. Rechtsextremisten gehen in die Offensive. Es gibt mehr Bedrohungen. Es gibt mehr Körperverletzungen. Aber es gibt

auch mehr Angriffe auf staatliche Einrichtungen und politische Gegner.

Wenn man demokratische Entscheidungen als illegal bezeichnet, weil es einem in die Kampagne passt, und darauf basierend Politiker auf die übelste Weise diffamiert, dann darf man sich nicht wundern, dass es mehr Angriffe auf Politikerinnen und Politiker in diesem Land gibt. Das ist die Realität. Aus Worten werden Taten.

Ich will in einem solchen Land nicht leben. Ich will nicht in einem Land leben, in dem Menschen Angst um ihr Leben und ihre Sicherheit haben müssen, nur weil sie anders aussehen, nur weil sie eine andere Hautfarbe haben, nur weil sie einer anderen Religion angehören, nur weil sie als jemand erkennbar sind, der eine andere politische Auffassung vertritt. Ich möchte in einem solchen Land nicht leben. Deshalb können wir auch nicht akzeptieren, dass es so etwas in Sachsen gibt.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Klar ist auch: Wir werden die Versäumnisse der letzten Jahrzehnte nicht mit einigen Gesetzen einfach aufholen. Wir müssen esr grundsätzlich angehen, und die Erfolge werden sich auch nur langfristig zeigen. Aber wir beginnen damit.

(Frank Kupfer, CDU: Die letzten fünf Jahre mit der SPD haben uns unwahrscheinlich zurückgeworfen!)

Sie können gern eine Zwischenfrage stellen, Herr Kupfer. Das steht Ihnen frei, auch als Fraktionsvorsitzender unseres Koalitionspartners.

(Heiterkeit – Beifall bei den LINKEN – Unruhe im Saal)

Wir haben uns auf den Weg gemacht. Wir stellen im Rahmen des Förderprogramms „Weltoffenes Sachsen“ weiter mehr Geld zur Verfügung.

(Frank Kupfer, CDU: Wo sind denn die Erfolge in den letzten zwei Jahren? Das sind doch eure Minister!)

Wir überarbeiten die Richtlinie. Wir verbessern damit die Durchschlagskraft der Programme, die auch Sie unterstützen, –

(Beifall bei den LINKEN)

um in diesem Land Weltoffenheit, Demokratie und Toleranz voranzubringen. Das tun wir gemeinsam, Herr Kupfer.

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE – Christian Piwarz, CDU: Halten Sie sich da mal raus!)

Wir tun es im Übrigen in Kontinuität; denn wir haben in der ersten Koalition zwischen SPD und CDU damit begonnen. Sie haben es auch ohne uns fortgesetzt, und jetzt führen wir es gemeinsam mit einer neuen Entschiedenheit nach vorn.

(Frank Kupfer, CDU: Dann machen Sie es!)

Man kann doch auch einmal anerkennen, dass wir an einem Strang ziehen. Das finde ich doch eine gute Sache.

(Beifall bei den LINKEN – Zurufe von der CDU)

Wir müssen aber nicht nur über Projekte sprechen, sondern über Regelstrukturen. Der „Sachsen-Monitor“ zeigt, dass wir zum Beispiel bei Erwachsenen zwischen 18 und 29 Jahren einen hohen Bedarf haben. Wir begrüßen deshalb die Qualitätsoffensive zur politischen Bildung des Kultusministeriums. Das war ein Lob. Es geht aber auch um einen höheren Verfolgungsdruck. Diesen höheren Verfolgungsdruck versuchen wir durch Verbesserung der Polizei zu gewährleisten. Wir werden die demokratische Bildung bei der Polizei verbessern. Sie sehen, wir sind auf dem Weg.

Das alles geht nicht von heute auf morgen. Nicht zuletzt geht es darum, in jedem Bereich, in jeder Institution, in jeder Verwaltung Haltung zu zeigen. Damit können wir schon heute beginnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, die AfD-Fraktion. Herr Abg. Hütter. Bitte, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Bevor ich zu meinem eigentlichen Redebeitrag komme, möchte ich kurz eine Pressemitteilung von Frau Juliane Nagel zitieren, die jetzt gerade, 13:26 Uhr am 02.02., herausgegeben wurde. Es geht dort um Angriffe auf Asylunterkünfte. Ich zitiere: „Das menschenfeindliche Getöse einer AfD gibt den Tätern Auftrieb, –

(Juliane Nagel, DIE LINKE: Richtig! – Beifall bei den LINKEN)

und die abschottungsorientierte Politik insbesondere der CDU trägt dazu bei, das gesellschaftliche Klima weiter anzuheizen.“