Protokoll der Sitzung vom 17.05.2017

(Susanne Schaper, DIE LINKE: Das liegt aber daran, dass wir weniger Kinder haben!)

Kein Land in der Bundesrepublik Deutschland tut gegen Kinderarmut so viel wie Sachsen, wenn Sie Ihre Definition anlegen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU – Widerspruch der Abg. Susanne Schaper, DIE LINKE)

Im Westen ist die Zahl sogar gestiegen. – Nein, Entschuldigung: Die Zahl der Kinder im Hartz-IV-Bezug ist deutlich gesunken. Das hat etwas mit der Arbeitsmarktpolitik zu tun.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Es sind weniger Kinder, Herr Krauß!)

Wir können an die Debatte von heute Morgen anknüpfen: Wenn es uns gelingt, dass die Wirtschaft funktioniert, wenn Arbeitsplätze vorhanden sind, wenn Menschen mit ihrer Hände Arbeit etwas verdienen, dann geht es auch den Kindern dieser Familien gut.

Da kann man einmal schauen, was hier in den vergangenen Jahren geleistet worden ist. Wir haben in Sachsen mittlerweile eine Arbeitslosenquote von 6,9 %. Wer hätte das vor zehn Jahren gedacht?

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Wir sind nicht nur besser als Mecklenburg-Vorpommern, als Berlin, als Sachsen-Anhalt und als Brandenburg – nein, wir haben auch westdeutsche Bundesländer über

holt. Wir sind besser als Bremen, besser als Hamburg, besser als das größte westdeutsche Bundesland – Nordrhein-Westfalen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Dann füge ich als Erzgebirger noch einen Satz hinzu: Wir waren einmal das Schlusslicht in ganz Deutschland, wir hatten in der Arbeitslosenstatistik einmal die rote Laterne. Im vergangenen Monat sind wir zum ersten Mal unter den Bundesdurchschnitt gerutscht. Der Erzgebirgskreis liegt in der Arbeitslosenstatistik unter dem Bundesdurchschnitt. Hätte ich das vor fünf Jahren gesagt, hätten Sie mich für verrückt erklärt – zu Recht.

(Susanne Schaper, DIE LINKE: Sie haben im Erzgebirge keine Menschen mehr, die arbeitslos werden können!)

Jetzt schauen Sie sich die Entwicklung dort einmal an. – Nein, das hat auch etwas damit zu tun, dass wir Industrie haben, die gut funktioniert, dass neue Jobs entstanden sind. Schauen Sie sich an, wie viele neue Jobs entstanden sind. Das ist der Punkt. Deswegen gibt es auch mehr sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, deswegen gibt es weniger Hartz-IV-Empfänger, und das ist gut so.

(Susanne Schaper, DIE LINKE: Aber noch jede Menge Aufstocker!)

Dann schauen wir uns einmal an – auch das ist wichtig –, wie dieser Hartz-IV-Satz eigentlich berechnet wird.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Ja, das frage ich mich auch!)

Da gibt es die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe, bei der man sich die unteren Prozente der Haushalte anschaut: Haushalte, in denen die Mutter um 6 Uhr früh aufsteht, die Schnitten schmiert und das Kind in den Kindergarten bringt, aber nicht toll verdient, weil sie vielleicht Krankenschwester ist. Man schaut dann, was die unteren 20 % bekommen. Das soll auch jemand bekommen, der Hartz IV bezieht.

(Susanne Schaper, DIE LINKE: Die Kinder sollen es bekommen!)

Das finde ich nicht ungerecht, das ist nicht zu wenig – und bei Kindern gilt das Gleiche. Früher hat man gesagt: Wir nehmen bei Kindern einen prozentualen Abschlag von einem Erwachsenen vor. Was hat man dann getan? Dann hat man sich die Kinder ganz genau angeschaut und ermittelt, was der Bedarf bei einer normalen Familie ist. Das entspricht auch dem Bedarf eines Hartz-IV-Kinds; das ist doch vollkommen anständig. Ich finde, ein HartzIV-Kind soll für Kleider genauso viel bekommen wie mein Kind.

(Sarah Buddeberg, DIE LINKE: Das ist ja nicht so!)

Aber eben auch nicht mehr, denn es muss sich auch ein bisschen lohnen, dass die Leute noch arbeiten gehen.

(Sarah Buddeberg, DIE LINKE: Ja, genau! – Zuruf von der CDU: Natürlich!)

Dann schaue ich mir einige andere Sozialleistungen an. Beim besten Willen: Wenn ich Sie höre, habe ich das Gefühl, wir lebten hier in bitterster Armut.

(Zuruf von den LINKEN)

Ich will gar nicht darüber sprechen, dass wir vorige Woche mit dem Sozialausschuss in Vietnam waren. Wenn man sich das einmal anschaut, kann man sagen, dass wir hier auf einem Stern der Glückseligen leben. Aber solche Vergleiche möchte ich gar nicht bringen.

Ich möchte nur noch sagen, was wir in den letzten Jahren getan haben. Sie, Frau Kollegin Schaper, haben es schon eingeführt: Das Bildungs- und Teilhabepaket ist auch eine solche Neuerung. Wir geben jenen Zuschüsse zum Mittagessen, die es sich nicht leisten können. Wir bezahlen die Mitgliedsbeiträge für den Sportverein. Wir bezahlen Nachhilfestunden extra. Wir bezahlen Schulausflüge. Wir bezahlen den Schulbedarf extra. In Klammern: Es gibt auch noch ein paar Familien, die ganz normal arbeiten und das ebenfalls finanzieren müssen – nur einmal nebenbei.

Wir sagen: Für Hartz-IV-Empfänger tun wir das – das ist in Ordnung, ich bin auch dafür. Jetzt aber so zu tun, als ob bei uns die große Armut ausgebrochen wäre, finde ich ein bisschen unanständig.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU – Susanne Schaper, DIE LINKE: 100 000 Kinder!)

Ich könnte die Sozialleistungen noch fortsetzen: Wer Hartz-IV-Empfänger ist, bezahlt keine Kita-Gebühren. Außerdem haben wir in Sachsen Ermäßigungen für Mehrkindfamilien – was auch richtig ist – und anderes.

(Zuruf der Abg. Susanne Schaper, DIE LINKE)

Die Hälfte zahlt im Kindergarten ermäßigte oder gar keine Gebühren. Alles richtig; das finde ich gut so. Jetzt aber zu sagen, das sei vollkommen unsozial, damit habe ich schon ein Problem.

(Susanne Schaper, DIE LINKE: Ich habe gesagt: Wir müssen jetzt etwas für die armen Kinder tun!)

Ja, das müssen wir auch tun.

Ich möchte noch einmal beim Geld beginnen, Frau Kollegin Schaper. Wenn Sie sagen – richtigerweise; ich hätte mich gar nicht getraut, das zu sagen –, die Zahl übergewichtiger Kinder sei bei den Hartz-IV-Empfängern besonders hoch und auch die Zahl der Raucher unter den Kindern im Hartz-IV-Bezug sei überdurchschnittlich hoch, muss man doch einmal die Frage stellen: Hat das damit zu tun, dass sie zu wenig Geld haben? Das kann ich zumindest daraus nicht ableiten. Das muss man erfragen.

(Patrick Schreiber, CDU: Sie bekommen es vorgelebt!)

Was sind die Gründe, wieso das so ist? Es liegt aber nicht daran, dass man zu wenig Geld zur Verfügung hat.

(Zurufe der Abg. Susanne Schaper, DIE LINKE, und Patrick Schreiber, CDU)

Ja, weil sie wahrscheinlich verpflichtet sind, zu rauchen.

(Patrick Schreiber, CDU: Weil sie es vorgelebt bekommen!)

Ja, das ist richtig. Es hat damit nichts zu tun. Wenn ich rauche, dann brauche ich Geld, um zu rauchen. Das ist nachvollziehbar. Deswegen muss man einmal fragen, ob man mit mehr Geld hilft oder ob man nicht mit anderen Instrumenten helfen sollte. Man sollte beim Thema Bildung anknüpfen. Bildung ist der Schlüssel zum sozialen Aufstieg.

(Susanne Schaper, DIE LINKE: Das stimmt!)

Ich finde, dass wir mit unserem Schulsystem viele gute Möglichkeiten bieten. Es gibt Studien dazu, dass dies bei uns besonders durchlässig ist. Gerade unser sächsisches Bildungssystem führt dazu, dass man individuell gefördert wird. Dazu könnte ich Ihnen die Studien nennen.

Wir haben gesagt, es ist richtig, dass wir eine Schule haben möchten. Wir möchten keine Schule für alle. Wir möchten die passende Schule für jedes Kind – jedem Kind seine Schule, jeder soll individuell gefördert werden. Das ist mit unserem Schulsystem möglich: Wir haben keine Einheitsbrei-Schule, sondern eine individuelle Förderung von Kindern.

(Beifall bei der CDU)

Lassen Sie mich mit Blick auf das Thema Armut noch einmal auf einen anderen Aspekt eingehen, den wir ansprechen müssen. Wir haben eine Armut an Kindern. Uns fehlen Kinder. Das ist eigentlich die gesellschaftliche Herausforderung, vor der wir stehen – nicht erst seit heute. Wir haben eine Geburtenrate von 1,4 Kindern je Mann und je Frau.

(Patrick Schreiber, CDU: 1,5!)

Wir sind das Bundesland mit der höchsten Geburtenrate in Deutschland. Egal, ob wir von deutschlandweit 1,4 oder in Sachsen 1,5 Kindern sprechen, es sind zu wenig. Bestandserhaltend sind 2,1 Kinder je Mann und je Frau. Das ist schade.

(Susanne Schaper, DIE LINKE: Das ist ein Armutsrisiko!)

Das ist kein Armutsrisiko.

(Zuruf der Abg. Susanne Schaper, DIE LINKE)