Protokoll der Sitzung vom 17.05.2017

Aber jetzt geht es weiter in der Rederunde. Für die AfDFraktion spricht Frau Dr. Muster.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Luther war ein Mann des Friedens. Luther lehnte gewalttätige soziale Unruhen und Bauernkriege ab.

Im Jahr 1525 haben die Bauern zwölf Artikel verfasst. Es ging um die Aufhebung der Leibeigenschaft, den freien Holzeinschlag, die freie Jagd, den freien Fischfang und vieles mehr. Und wie reagierte Luther?

(Zuruf des Abg. Mirko Schultze, DIE LINKE)

Luther äußerte in seiner Zwei-Reiche-Lehre etwas karg: Das Reich Gottes verbindet alle Christen in Liebe und Gewaltlosigkeit. Ungerechtigkeit in der weltlichen Obrigkeit muss der Christ erdulden. Der Christ hat kein Widerstandsrecht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie sich das einmal auf der Zunge zergehen: „Erdulden“ – „kein Widerstandsrecht!“.

Luther schrieb zu den zwölf Artikeln der Bauernbewegung im April 1525 die Schrift „Ermahnung zum Frieden“ und rief die Fürsten zum gewaltfreien Maßhalten auf. Als die Bauernkriege sich verschärften, veröffentliche Luther die Schrift „Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern“, in denen er sich deutlich von ihnen absetzte und deutlich sagte, dass er ihr Verhalten für falsch hält.

Ganz anders Lutherschüler Thomas Müntzer. Er hat sich für eine christliche Demokratie mit Waffengewalt eingesetzt. Im März 1525 hat er in Mühlhausen das Gottesreich auf Erden gegründet. Er verband die Lehre der Bibel mit sozialrevolutionären Forderungen. Wir wissen aber auch alle: Er starb durch das Schwert.

Zusammenfassend möchte ich sagen: Luthers Menschenbild war neu. Es gab keine Rangordnung mehr, es gab keine Gesellschaftsschichten mehr. Luther startete eine Bildungsoffensive. Alle Menschen sollten lesen lernen. Was würde er wohl zu unserem heutigen Schulgesetz sagen, zu dem ewig langen Entstehungsprozess? Was würde er wohl sagen, dass Frau Ministerin Kurth von der CDU Lehrer und Eltern ausdrücklich aufforderte, Änderungen zum Schulgesetz vorzuschlagen? 660 Änderungen kommen zusammen, und Frau Kurth setzt diese nicht um.

Luther liebte die deutsche Sprache. Der heute exzessiv zelebrierte Genderismus wäre ihm, um es freundlich auszudrücken, fremd. Luther übrigens, liebe LINKE, war

in der Lage, mit bloßem Auge Mann und Frau zu unterscheiden.

(Beifall bei der AfD – Heiterkeit bei der AfD und der CDU – Zuruf der Abg. Sarah Buddeberg, DIE LINKE)

Was hätte Luther zur inneren Sicherheit in Sachsen gesagt, der Kernkompetenz der „C“, also christlich – der CDU? Was hätte er zu den rapide angestiegenen Kriminalstatistiken gesagt? Auf jeden Fall hätte er den Ministerpräsidenten ermahnt, ein guter Fürst zu sein, und hätte Ergebnisse eingefordert.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD – Rico Gebhardt, DIE LINKE: Er denkt, dass er es ist!)

Frau Dr. Muster war das gerade für die AfD-Fraktion. Jetzt könnte die Fraktion GRÜNE noch einmal das Wort ergreifen. –

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Nein, danke, Herr Präsident!)

Das ist nicht der Fall. Wir könnten eine dritte Rederunde eröffnen. Wie sieht es bei der einbringenden CDUFraktion aus? – Die miteinbringende SPD-Fraktion? – Möchte eine Fraktion das Wort in einer dritten Rederunde ergreifen? – Das kann ich nicht feststellen.

Jetzt kommt die Staatsregierung zu Wort, Frau Staatsministerin Kurth. Die Kirchen gehören zu Ihrem Geschäftsbereich.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich freue mich, dass wir im Jahr des 500. Reformationsjubiläums im Parlament auch dieses zentrale Thema beleuchten: Kennen und leben christlicher Werte in unserer Zeit.

Damit ist die Reformationsgeschichte jedoch keineswegs beendet, denn, meine Damen und Herren, es geht nicht um Feiern, sondern um die Vergegenwärtigung dessen, was unser Gemeinwesen im Innersten zusammenhält.

Martin Luther sagte vor 500 Jahren, dass er dem Volk aufs Maul schaue, das heißt, er hat zugehört, was die Menschen bewegt. Dabei hat er sich ein Ziel gesetzt und eine Herausforderung bestanden; sein Ziel, die biblische Botschaft in einer verständlichen Sprache zu vermitteln. Die Herausforderung, die er dabei gemeistert hat, war, eine einheitliche Sprache zu finden, die es vorher so noch nie gab. Luther schuf Begriffe, Luther schuf Sprachbilder völlig neu. Immer vor Augen hatte Luther, einem Menschen Gottes Wort und sein Menschenbild zugänglich zu machen. Damals und heute geht es, meine Damen und Herren, um grundlegende Lebenshaltungen oder auch Werte. Bei dem Thema Werte möchte ich mich ganz kurz aufhalten.

Der heutige Wertekanon, meine Damen und Herren Abgeordneten, lässt sich aus den antiken Kardinaltugen

den ableiten – wie Gerechtigkeit, Tapferkeit, Klugheit und Mäßigung –, und er lässt sich aus der christlichen Botschaft Glaube, Liebe und Hoffnung ableiten. Da bin ich schon gleich beim Artikel 101 unserer Sächsischen Verfassung; denn unsere Sächsische Verfassung enthält im Artikel 101 ein ganz klares Bekenntnis zu den Grundwerten. Ich zitiere: „Die Jugend ist zur Ehrfurcht vor allem Lebendigen, zur Nächstenliebe, zum Frieden und zur Erhaltung der Umwelt, zur Heimatliebe, zu sittlichem und politischem Verantwortungsbewusstsein, zu Gerechtigkeit und zur Achtung vor der Überzeugung des anderen, zu beruflichem Können, zu sozialem Handeln und zu freiheitlicher, demokratischer Haltung zu erziehen.“

Meine Damen und Herren, auch in unserem neuen Schulgesetz ist ein ganz klarer Bildungs- und Erziehungsauftrag formuliert. Bildung, das sage ich hier ganz klar, ist für mich untrennbar mit christlichen Werten verbunden.

(Beifall bei der CDU, des Abg. Thomas Baum, SPD, und bei der Staatsregierung)

Menschen sind mündige Bürger. Sie hinterfragen Selbstverständlichkeiten, sie hinterfragen Institutionen, sie hinterfragen Traditionen. Die Äußerungen, meine Damen und Herren, in unserem Volk sind sehr vielfältig. Sie sind einmal lautstark oder sehr leise. Sie sind emotional bis sachlich, sie sind von absolut tabulos bis respektvoll, mal mehr, mal weniger klug.

Kirchentage, meine Damen und Herren Abgeordneten, bieten Menschen unterschiedlicher Herkunft, Meinung und Religion die Gelegenheit, miteinander ins Gespräch zu kommen. Sie sind gewissermaßen ein Forum für die Übersetzung christlicher Werte ins Heute. Unter dem Motto „Leipziger Stadtklang: Musik. Disput. Leben.“ bietet der Kirchentag auf dem Weg eine Fülle von Veranstaltungen. Christen wollen eben gerade nicht als fromme Gemeinde unter sich bleiben, sondern mit allen Menschen diskutieren – Fragen, die uns alle bewegen. Auch Sie, meine Damen und Herren von den LINKEN, werden aufgegriffen. „Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit – ein Grundrecht für alle?“, „5 000 Kilometer Flucht und Ankommen“, „Ohne Gott glücklich“ oder „Glaube und Wissenschaft – geht das zusammen?“, um einen kleinen Auszug aus dem Kirchentag auf dem Weg zu nennen. Das ist bei Weitem kein religiöser Kladderadatsch.

(Beifall bei der CDU, des Abg. Jörg Vieweg, SPD, und vereinzelt bei der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren, Kirchentage bieten Einzigartiges. Sie bieten Begegnung zwischen Religiösen und Nichtreligiösen. Sie bieten Begegnung zwischen Theorie und Praxis, zwischen Professionellen und einfach Interessierten. Kirchentage sind eine ganz offene Einladung zu politischer und gesellschaftlicher Debatte; denn eine friedliche Gesellschaftsordnung besteht nicht automatisch – die müssen wir Tag für Tag neu erkämpfen. Wir müssen im Diskurs der mündigen Bürger wie Luther die richtigen Worte finden und beherzigen. Dazu ist ein Kennen und

Leben christlicher Werte in unserer Zeit auf alle Fälle der richtige Kompass.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Das war Frau Staatsministerin Kurth für die Staatsregierung. Jetzt habe ich eine Kurzintervention am Mikrofon 1 durch Herrn Böhme.

Frau Staatsministerin, Sie haben jetzt die Debatte zusammengefasst; darauf möchte ich gern reagieren, und ich stelle mir die Frage: Ist Ihnen bewusst, dass ich auch ohne Glaube für Toleranz und für eine bessere Welt streiten kann; dass ich auch ohne Glaube Menschen in Not helfen kann; dass ich auch ohne Glaube für das Recht auf Religionsfreiheit, Meinungsfreiheit und das Demonstrationsrecht streiten kann und dafür auch kein Wir-Gefühl brauche oder mich in meiner politischen Arbeit auf christliches Handeln beziehen muss?

Ich finde es nicht nachvollziehbar, was Sie da gesagt haben, und damit spreche ich auch nicht gegen die Kirche oder gegen das Christentum an sich; das hat damit nämlich nichts zu tun. Die Kirchen – oder das Christentum – sind gerade die größten Verbündeten in diesen rauen Zeiten und auch gegen Ihre menschenverachtende Politik, die hier passiert.

(Beifall bei den LINKEN – Zurufe von der CDU)

Das nehmen wir auch immer mehr wahr in diesen Zeiten.

Da Sie Leipzig angesprochen haben – und damit will ich zum Thema Wende kommen –: Meine Eltern waren 1989 auch auf der Straße, aber nicht in der Kirche. Es braucht also auch dafür keinen Glauben, um für Toleranz, Demonstrationsfreiheit oder Reisefreiheit zu kämpfen.

(Beifall bei den LINKEN – Zuruf des Abg. Frank Heidan, CDU)

Auf die Kurzintervention, die sich auf den Redebeitrag von Frau Staatsministerin Kurth bezog, könnten Sie jetzt reagieren – wollen Sie das, Frau Staatsministerin? – Bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Natürlich können

Sie das alles auch ohne Glauben, aber sicher nicht ohne Wertekanon.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Jörg Vieweg, SPD)

Den Wertekanon und den Ursprung des Wertekanons – wenn Sie zugehört haben – habe ich in meinen Ausführungen ganz klar benannt.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Iris Raether-Lordieck, SPD – Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Eine weitere Kurzintervention trägt jetzt Herr Kollege Sebastian Fischer, CDUFraktion, vor; bitte.

Ich möchte mich auf die Staatsministerin beziehen und noch einmal illustrieren, was sie gesagt hat – ich teile ihre Meinung zu hundert Prozent.

Bei uns im ländlichen Raum in den Sechzigerjahren war das nämlich auch durch Ihre Vorgänger in Gefahr. Wir hatten eine schlimme DDR-Diktatur, die versuchte, nicht nur das Leben auf dem Land zu zerstören, sondern auch den Zusammenhalt der landwirtschaftlichen Bevölkerung bei uns. Das wurde damals illustriert von einer SED, die postulierte „Ohne Gott und Sonnenschein bringen wir die Ernte ein“. Ich habe von meinem Großvater eines gelernt – und das hielt ich Ihnen damals entgegen und das halte ich Ihnen auch heute entgegen: Ohne Sonnenschein und Gott –

Herr Kollege Fischer, es ist einzugehen –

– geht die ganze Welt bankrott!