Angesichts der Tatsache, dass Sport ein Staatsziel mit Verfassungsrang ist, habe ich dann doch über die sehr spärliche Stellungnahme von Minister Ulbig zum Antrag, insbesondere zu Punkt I, gestaunt. Zugleich wird dadurch aber deutlich, dass der geforderte Bericht, der Aufschluss über die Situation und die Perspektiven zur Betätigung von Menschen mit Behinderung im Sport geben soll, tatsächlich erforderlich ist.
Der Sächsische Behindertensportverband weist 41 000 Menschen aus, die Sport und Rehasport im Verband treiben. Die gelieferten Zahlen sind jedoch wenig aussagekräftig, wenn sie nicht ins Verhältnis gesetzt werden und nicht genauer hingeschaut wird, meine Damen und Herren. Der begehrte Bericht bildet die Grundlage für eine kritische und ehrliche Analyse. Er ist erforderlich, um überprüfen zu können, wie das Staatsziel in der Verfassung realisiert wird.
Zu Punkt II: Zur Beurteilung der Notwendigkeit eines Förderprogramms für Sportlerinnen und Sportler mit Behinderung leiten mich folgende Erwägungen: Fakt ist, dass es Förderlücken gibt. Das ist deutlich geworden. Fakt ist auch, dass diese geschlossen werden müssen, wenn wir die UN-Behindertenrechtskonvention und unseren Aktionsplan erst nehmen. Am Ende steht das Ziel, dass es auch für Menschen mit Behinderung selbstverständlich sein muss, im Verein Sport treiben zu können, idealerweise mit Freunden und Bekannten aus dem Wohnort. Das muss in Annaberg genauso möglich sei wie in Torgau oder in Leipzig.
Wenn es dafür Hürden gibt, meine Damen und Herren, dann müssen diese identifiziert und abgebaut werden.
Problematisch sind für die Sportlerinnen und Sportler immer wieder die Fahrtkosten zu Wettkämpfen und Trainingslagern. Da nützt der Verweis auf den ÖPNV nichts. Nach der gegenwärtigen Förderausrichtung durch den Landessportbund ist die Übernahme der Fahrtkosten zu Trainingslagern und Wettkämpfen eben nur bei paralympischen Disziplinen förderfähig.
Auch dürfen Ligaspiele, beispielsweise im Rollstuhlbasketball, nicht gefördert werden. Bezüglich des Lebensalters gibt es Einschränkungen, die nur eine Förderung von Sportlerinnen und Sportlern unter 27 Jahren ermöglichen. Ein Großteil des Breitensports ist dadurch ausgeschlossen. Hier gibt es definitiv eine Lücke, die geschlossen werden muss.
Auch die Anschaffung von besonderen, für den Behindertensport unverzichtbaren Sportgeräten bereitet Schwierigkeiten. Es ist zwar eine Bezuschussung durch den Landessportbund möglich, was in der Vergangenheit auch immer mal vereinzelt umgesetzt wurde. Problematisch war dann aber jeweils die verwaltungstechnische Einordnung dieser speziellen, individualisierten Geräte. Bei der Prüfung des SMI und des Landesrechnungshofes gab es dann regelmäßig Beanstandungen. Infolgedessen hat der SBV von der Kostenübernahme Abstand genommen.
Hinzu kommt, dass der Breitensport in diesem Bereich keine Berücksichtigung findet. Der SBV bezuschusst Sportgeräte nur bis 500 Euro, aber die vorher dargestellten, von Behinderten benötigten Geräte sind viel teurer. Die Eigenanteile sind dann immens hoch. Können die Sportlerinnen und Sportler und Vereine diese Kosten zum Beispiel mit Unterstützung von Sponsoren nicht aufbringen, dann sind die Sportangebote einfach nicht umsetzbar, meine Damen und Herren.
Zum Thema Zuschüsse zu baulichen Anpassungen von Sportstätten ist zu sagen, dass diese überhaupt nicht über den SBV realisierbar sind. Herr Rost und Herr Vieweg, der Verweis auf das Investitionsprogramm „Lieblingsplätze für alle“ trägt nicht.
Die meisten unserer Sporthallen sind nämlich in kommunaler Hand und werden für den Schulsport mit genutzt. Dabei handelt es sich um kein freiwilliges Angebot der Kommunen, und somit ist in dem Fall eine Förderung über „Lieblingsplätze“ ausgeschlossen.
Im Gegensatz zur Stellungnahme der Staatsregierung sehen wir hier enormen Handlungsbedarf. Bei diesem Ziel gehen wir auch mit dem Antrag der LINKEN konform.
Ich bin jedoch nicht der Meinung, dass wir einen Sondertopf oder ein Sonderprogramm für Behindertensport brauchen. Nein, die bestehenden Förderstrukturen und Haushaltsmittel müssen so ausgestaltet werden, dass dem Bedarf von Sportlerinnen und Sportlern mit Behinderung selbstverständlich entsprochen wird. Dazu haben wir einen Änderungsantrag vorgelegt, den ich dann noch einbringen möchte.
Mit Herrn Kollegen Zschocke haben wir jetzt die erste Runde abgeschlossen. Wir eröffnen eine zweite Runde. Für die einbringende Fraktion ergreift jetzt Kollege Wehner das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hätte zumindest gedacht, dass es mir nach der Debatte schlagartig besser geht, aber das Gegenteil ist der Fall. Ich hoffe trotzdem, dass ich noch ein wenig reden kann.
Herr Zschocke, vielen herzlichen Dank. Genau das ist das Anliegen unseres Antrags. Wir waren gemeinsam schon bei einigen Veranstaltungen, unter anderem beim Gehörlosenverband, wo es auch um die Belange der gehörlosen Menschen für die sportliche Betätigung ging.
Zum Beispiel wird die ehrenamtliche Tätigkeit des notwendigen Gebärdensprachdolmetschers im Gehörlosen-Sportverband nicht finanziert. Herr Rost, machen Sie uns doch nicht weis, dass das anders ist. Sie kennen im Übrigen ganz persönlich das Problem, weil der Chef des Verbandes in dieser Angelegenheit auch bei Ihnen gewesen ist. Soviel ich weiß, haben Sie bisher nicht erreicht, dass diese ehrenamtliche Arbeit jetzt gefördert wird. Genau das hinterfragen wir mit unserem Antrag.
Zu den „Lieblingsplätzen“. Es ist nicht nur so, dass diese Einrichtung überwiegend in kommunaler Hand liegt. Niedrigschwellig – Herr Vieweg, natürlich, aber Sie wissen doch ganz genau, dass die „Lieblingsplätze“ nur für Maßnahmen gefördert werden, die nicht mehr als 25 000 Euro kosten. Wo leben Sie denn, wenn da die Schaffung von Barrierefreiheit erforderlich ist? Das kostet oftmals mehr als 25 000 Euro, und dann fällt das nicht unter dieses Programm.
Wenn Sie darauf abstellen, dass Menschen mit erheblicher oder außergewöhnlicher Gehbehinderung die öffentlichen Verkehrsmittel kostenfrei nutzen können, dann sage ich: Jawohl, das ist eine Angelegenheit, die im Schwerbehindertenrecht geregelt ist. Wenn aber ein Behindertensportler, beispielsweise ein Rollstuhlfahrer, mit seinem Sportgerät von A nach B fahren muss, dann kommt er mit den öffentlichen Verkehrsmitteln einfach nicht zurecht. So viel Verstand müssen Sie selbst doch auch haben!
Wissen Sie, ich bin deshalb erregt, weil Sie genau wissen, dass ich in den Jahren 2003 bis 2015 aktiver Leistungssportler im Rollstuhltanzen war. Nun machen Sie mir nur noch weis, dass ich alle möglichen Fahrtkosten und die Trainerkosten übernommen bekommen habe und dergleichen mehr. Also, es ist doch einfach nicht wahr, was Sie den Leuten hier im Raum und in der Welt draußen erzählen. So ist es eben nicht!
Nein, ich gestatte keine Zwischenfrage, wenn jetzt danach gefragt werden sollte. – Es ist natürlich auch bei Menschen mit körperlichen, geistigen, seelischen oder Sinnesbeeinträchtigungen so, dass sie, wie die Fußgängerin und der Fußgänger, den Sport freiwillig ausüben. Dazu gehört selbstverständlich, dass man, wenn man den Sport gern machen möchte, vielleicht auch in seine Tasche greift. Aber es gibt für Menschen mit Beeinträchtigungen noch zusätzliche Hürden, damit sie ihren Sport ausüben können: Da ist die Barrierefreiheit der Sportstätte. Da sind die besonderen Anforderungen an den Übungsleiter und an den Trainer, und da sind die entsprechenden Hilfsmittel für die Sportgeräte, wie der Rollstuhl, der besondere Anforderungen erfüllen muss. Das ist alles so entwickelt worden.
Wenn Sie uns das auch erzählen wollen, dann möchte ich enorm widersprechen: Die Anschaffung dieser Geräte gehen eben nicht selbstverständlich zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung oder des Kommunalen Sozialverbandes. Bestenfalls für Menschen, deren körperliche Einschränkung auf einen Arbeitsunfall zurückzuführen ist, oder wenn es sich um Leistungen nach dem sozialen Entschädigungsrecht handelt, bei dem das sogenannte Alles-oder-nichts-Prinzip gilt, werden die Kosten für die Sportausübung möglicherweise übernommen. Alle anderen haben enorme Schwierigkeiten, dass diese Kosten übernommen werden können.
Sie in der SPD-Fraktion wissen doch auch, was zum Beispiel den Rollstuhlbasketball in Zwickau oder Chemnitz betrifft. Herr Vieweg, vielen Dank, dass Sie mich auf die Chemlympics hinweisen. Sie hätten aber auch dazusagen können, dass ich der Schirmherr dieser Veranstaltung bin, und das schon seit Jahren.
Die Veranstaltung läuft dort nicht, weil sie vordergründig vom Freistaat Sachsen finanziert wird, sondern weil sich Menschen der Diakonie, der Lebenshilfe gGmbH und von „Miteinander statt Gegeneinander“, einer Vereinigung, zusammengetan haben und sich jährlich um dieses Event für circa 150 Menschen mit geistiger, körperlicher und/ oder Sinnesbeeinträchtigung kümmern. Das ist wirklich eine großartige Sache.
Wenn wir über inklusive Gesellschaft reden, dann tut mir dabei leid, dass wir es noch lange nicht gepackt haben, dass die breite Öffentlichkeit sich auch für solche Veranstaltungen interessiert. Ich finde es großartig, dass Sie
dabei sind und ich Sie dort begrüßen darf. Ihre Kollegin Hanka Kliese und Frau Saborowski sind dabei. Die Bundestagsabgeordneten aus Chemnitz habe ich dort auch begrüßen können. Das ist toll. Aber die breite Öffentlichkeit interessiert sich nicht. Meiner Meinung nach liegt das einfach mit daran, dass wir es in dem Gesamtkonzert, wie wir Sport im Freistaat Sachsen sehen, noch nicht hinbekommen haben, Leute allgemein auch dafür zu interessieren. Fußball ist ein enormes Geschäft – das läuft, da rennen die Leute hin –, und für viele anderen Dinge, die nicht so lukrativ sind, gibt es eben diese Nachfrage nicht.
Ich finde, wir sollten hier mehr tun, weil das auch für die Persönlichkeitsentfaltung und für die gesundheitliche Entwicklung wichtig ist. Jawohl, es ist großartig, dass Sie den Landessportbund hier loben, weil das wirklich tolle Leute sind, die dort arbeiten; genauso aber auch der Sächsische Behindertensportverband, der in den letzten Jahren so engagiert ist, dass tatsächlich auch ein bisschen Bewegung gerade auch in den inklusiven Sport gekommen ist.
Selbst wenn Sie dem Antrag heute nicht zustimmen sollten – was ich sehr bedaure; da hat Frau Kersten auch mit den Argumenten recht –, ist das Thema deshalb überhaupt nicht erledigt. Wir bleiben dran, und wir schaffen es vielleicht auch, dass Sie sich immer mehr dafür interessieren.
Kollege Wehner hat jetzt für die einbringende Fraktion DIE LINKE eine zweite Runde eröffnet, aber zuerst sehe ich eine Kurzintervention, bevor wir dann hier weitergehen. Kollege Vieweg, bitte.
Sehr geehrter Kollege Wehner! Ich möchte mich erst einmal entschuldigen, dass ich Ihr außergewöhnliches Engagement seit Jahren und Jahrzehnten für den Behindertensport nicht gewürdigt habe. Sie sind aus meiner Sicht jemand, der sich schon seit vielen, vielen Jahren und Jahrzehnten um den sächsischen Behindertensport verdient gemacht hat.
Ich würde mir aber wünschen, dass Sie anerkennen, wie wir in der Koalition um die Rechte für die Menschen mit Behinderung ringen. Ich würde mir wünschen, dass Sie anerkennen, dass wir den Zuwendungsvertrag mit dem Landessportbund auch in diesem Bereich geändert haben. Ich würde mir wünschen, dass Sie den Landesaktionsplan für Inklusion auch anerkennen; dass wir um die Belange von Menschen mit Behinderung ringen; dass es ein langer, langer Weg ist, den Sie schon viele Jahre gehen. Insofern wünschte ich mir zukünftig auch ein verstärktes gemeinsames Gehen bei diesem Ringen für die Anliegen von Menschen mit Behinderung.
Vielen Dank, Herr Präsident. Herr Vieweg, klar, Ihr Dank ist selbstverständlich auch angenommen. Aber, bitte, meinen Sie nicht, dass unser Antrag mit einer Nichtanerkennung der Vereinbarungen im Zusammenhang steht, die Sie im Koalitionsvertrag beschlossen haben oder die wir in den Haushaltsdiskussionen gemeinsam geführt haben? Das ist es eben gerade nicht, aber es geht um die weitere Untersetzung.
Selbstverständlich können Sie auf meine Unterstützung in der Angelegenheit zählen. Unsere Anträge sind eine solche Form dazu. Sie brauchten also nur zuzustimmen.
Ja, ich wollte Sie gerade fragen, Herr Kollege Vieweg, was Sie vorhaben; nur eine Kurzintervention ist möglich.
Jetzt geht meine Frage an die hier versammelten Kolleginnen und Kollegen: Gibt es in dieser zweiten Runde noch weiteren Redebedarf zum Antrag? – Das kann ich nicht feststellen. Möchte die einbringende Fraktion noch eine dritte Runde eröffnen? – Auch nicht. Damit hat die Staatsregierung das Wort. Herr Staatsminister Ulbig ergreift es jetzt.