Protokoll der Sitzung vom 21.06.2017

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Haben Sie es gemerkt: Es hat gar keiner geklatscht?!)

Das muss man nicht.

(Staatsminister Markus Ulbig: Das ist doch selbstverständlich! – Zuruf von den LINKEN)

Ich denke schon, dass die das glauben.

Wir debattieren ja darüber; Herr Bartl hatte das Entree geliefert als Jurist, da hatte ich mir schon das eine oder andere überlegt, was er mir damit sagen wollte. Ich kam nicht so ganz dahinter, aber Herr Stange hat es noch konkretisiert.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Juristerei ist auch ein Handwerk, das man erlernen muss!)

Das ist in der Tat so, aber die Frage ist, zu welchem Zeitpunkt man dieses Handwerk erlernt hat; auch da muss man einmal nachschauen.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

Die alten Kamellen – das gehört sich nicht; Herr Bartl ist hier mittlerweile auch ein anerkanntes Mitglied –; aber den Ball sollten Sie flach halten an dieser Stelle.

Meine Damen und Herren, bei den GRÜNEN – Herrn Lippmann – hatte ich fast den Eindruck, Sie waren ganz schön nervös bei den Umfrageergebnissen; denn das war die Reaktion von Ertrinkenden, was Sie da wieder einmal gemacht haben. Na ja, Sie sind doch in Leipzig – auch Ihr Vorsitzender – nicht unbedingt ein Kind von Traurigkeit, was zum Beispiel bei Demonstrationsgeschehen passiert. Auch da müssen wir schauen, wie wir die Polizei ausrüsten, damit sie dem Demonstrationsgeschehen folgen kann. Wir brauchen nicht unbedingt mehr Polizei; wir müssen die Polizei mit den entsprechenden technischen Möglichkeiten versehen, damit sie dem Geschehen folgen kann. Nichts anderem diente diese Sicherheitskonferenz.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Sie haben noch gar nicht dazu gesprochen!)

Wenn ich mir noch einmal anschaue, was am Montag passiert ist, wie es heruntergeschrieben wird von der Presse – es wird von Vandalismus gesprochen –; nein, das war ein schwerer Anschlag! Man nimmt billigend in Kauf, dass durch diesen Eingriff in den Bahnverkehr nicht nur wirtschaftliche Güter zu Schaden kommen, sondern auch Leben. Ich habe mir das angeschaut: Bis in die Nacht hinein haben Techniker versucht, diese zerstörten Datennetze wieder zusammenzufügen. Es ist nichts anderes als eine Verunsicherung unserer Gesellschaft und das werden wir nicht hinnehmen.

Insofern ist von unserer Seite schon einiges gesagt worden und den Rest werden wir noch in einer dritten Runde ansprechen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Das war Herr Pohle für die CDU-Fraktion. Weiter geht es in dieser Rederunde mit der SPD-Fraktion. Es spricht erneut Herr Kollege Pallas.

Sehr verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Zunächst kurze Reaktionen auf zwei Vorredner: Herr Lippmann, Sie haben das Thema biometrische Identifizierung durch Videokameras angesprochen. Mir sind irgendwelche Parteizeitungen egal. Aber nach unserem Kenntnisstand zu den technischen Möglichkeiten – darauf hat Herr Stange schon Bezug genommen – ist es derzeit noch nicht möglich, den öffentlichen Raum so zu überwachen, dass man aus unterschiedlichsten Winkeln Gesichter tatsächlich erkennen kann. Ich weiß, dass Firmen daran arbeiten; aber es entspricht eben nicht dem Stand der Technik.

Auch um diese Möglichkeiten auszutesten – ich glaube, das kann man schon machen –, gibt es das gemeinsame Modellprojekt von Bundesinnenministerium und Deutscher Bahn am Bahnhof Berlin-Südkreuz. Das finde ich nicht per se schlecht. Ich bin jedoch skeptisch, ob uns insoweit in näherer Zukunft etwas gelingen könnte.

Herr Stange, jetzt eine Reaktion auf Ihren Beitrag: Mir fällt auf, dass weder Herr Bartl noch Sie in irgendeiner Form Äußerungen dazu getätigt haben, wie wir und wie vor allem die Sicherheitsbehörden mit dem Problem des Terrorismus umgehen sollen.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Angemessene Instrumente nutzen! Nutzen Sie doch einfach das, was da ist!)

Ich höre von Ihnen ständig den Satz: Wir trauern gemeinsam um die Toten der Anschläge. Aber zu Vorschlägen zur Verhinderung habe ich von Ihnen nichts gehört. Ihr Engagement für Freiheitsrechte in allen Ehren; aber die Menschen in unserem Land müssen die Freiheitsrechte auch nutzen können.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Sie schränken sie doch ein!)

Es ist nun einmal so: Menschen, die in Unsicherheit leben, können ihre Freiheitsrechte nur eingeschränkt nutzen.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Deshalb kommt es auf die Balance zwischen dem Anrecht – Anrecht, nicht Grundrecht! – auf Sicherheit und den Freiheitsrechten der Bürgerinnen und Bürger an.

Jetzt gestatte ich die Zwischenfrage, Herr Präsident.

Bitte, Herr Stange.

Vielen Dank Ihnen beiden! Vielen Dank für die Möglichkeit, eine Zwischenfrage zu stellen! – Kollege Pallas, der sächsische Innenminister hat den jungen Marokkaner, der am 8. April in der Erstaufnahmeeinrichtung in Borsdorf festgenommen wurde, per Abschiebungsverfügung des Amtsgerichts nach Rheinland-Pfalz verbringen lassen.

(Staatsminister Markus Ulbig: Das entscheidet die Staatsanwaltschaft!)

Dann, am 2. Juni, ist er abgeschoben worden.

Mich würde interessieren, wenn es um die Sicherheit und um die Aufklärung – sprich: die Verhinderung – von Terrorismus geht, welche Erkenntnisse aus den Ermittlungen zu diesem Fall Ihnen vielleicht bekannt sind. Halten Sie es für sinnvoll, solche Verdächtigen abzuschieben, bevor Ermittlungsverfahren abgeschlossen sind, oder hielten Sie es für sinnvoller, die Ermittlungen durchzuführen, bis man den Fall aufgeklärt hat?

Ich habe – abgesehen von den öffentlich zugänglichen Informationen – keine Erkenntnisse aus dem Ermittlungsverfahren. Aber ich glaube, dass es Ihnen gar nicht darum geht. Ihnen geht es vielmehr um ein Bekenntnis, wie mit solchen schwierigen Konstellationen umzugehen ist. Wir reden bei den sogenannten Gefährdern in der Regel von Menschen, bei denen noch kein Tatverdacht vorliegt, sondern bei denen eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, dass es in Zukunft zu solchen Handlungen kommen könnte. Zum Zeitpunkt der Festnahme war das auch so. Später ist ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden; insoweit haben Sie recht.

Ich habe es vorhin sehr prägnant formuliert und wiederhole es gern, Herr Stange: Ja, natürlich, wenn es rechtlich und tatsächlich möglich ist, Menschen, die in so hohem Maße für eine Vielzahl von Menschen gefährlich werden können, abzuschieben, dann sollten wir das tun. Auch ich weiß, dass das keine Garantie dafür ist, dass sie nicht auf anderen Wegen Ihre Ziele umsetzen können. Aber wir, sowohl die Politik in Bund und Ländern als auch die Sicherheitsbehörden, haben die Verpflichtung, das, was möglich ist und was wir rechtlich und politisch verantworten können, zu tun, um so etwas zu verhindern, zumindest zu erschweren.

Ganz anders ist die Sachlage bei deutschen Staatsbürgern, die sich radikalisieren und solche Handlungen ausführen wollen. Bei denen gibt es diese Möglichkeit ohnehin nicht. Ich habe von irgendjemandem gehört, dass diese Personen auch abgeschoben werden sollten; das ist Quatsch. Aber wir müssen der Tatsache ins Auge blicken, dass es solche Menschen gibt. Und ja, wir sollten sie abschieben.

(Enrico Stange, DIE LINKE, meldet sich erneut zu einer Zwischenfrage.)

Jetzt würde ich mit meiner Rede fortfahren.

Ja, bitte.

Ich bleibe bei dem Grundsatz: So viel Freiheit wie möglich bei so viel Sicherheit wie nötig. Wir müssen feststellen, dass wir in Sachsen eher ein Vollzugs- als ein Regelungsdefizit haben. Was ist denn gerade das Problem in Sachsen? Wer sich die Entwicklung der Polizeilichen Kriminalstatistik der letzten acht Jahre anschaut, erkennt eine Erhöhung der Straftatenzahlen und eine Verschlechterung der Aufklärungsquote in diesem Zeitraum.

Ich behaupte: Die Parallelität zum Stellenabbau ist kein Zufall. Dadurch, aber auch durch die gesellschaftliche Entwicklung in den letzten Jahren – wir erleben eine Zunahme von Hass und Gewalt – haben wir ein wachsendes Unsicherheitsgefühl in der Bevölkerung. Dieses Problem müssen wir angehen, meine Damen und Herren! Dies gelingt uns aber nicht – das ist meine feste Überzeugung – mit schärferen Gesetzen.

(Staatsminister Markus Ulbig: Nicht nur!)

Den meisten Menschen ist es wichtig, dass sie den freiheitssichernden, aber schützenden Rechtsstaat im Alltag spüren, dass sie seine Präsenz wahrnehmen.

Damit bin ich bei der Präsenz von Sicherheits- und Ordnungsbehörden in der Fläche, in allen Ecken des Freistaates Sachsen. Es gibt die gemeinsame Aufgabe des Freistaates – mit dem Polizeivollzugsdienst – und der Kommunen – mit den Ordnungsbehörden –, an diesem Problem zu arbeiten.

Als ausdrücklich positiv möchte ich folgende Beispiele erwähnen: Die Landeshauptstadt Dresden und jüngst auch die Stadt Freiberg haben in ihren Ordnungsämtern jeweils Besondere Einsatzgruppen eingerichtet – Dresden schon vor längerer Zeit, Freiberg vor einem reichlichen Jahr –, um genau dieses Problem anzugehen, das heißt, um bei bestimmten Verfehlungen gleich vor Ort zu sein und einzuschreiten und um mit den Bürgerinnen und Bürgern zu sprechen. Diese Art Präsenz benötigen wir.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich gestatte die Zwischenfrage von Herrn Wippel.

Vielen Dank, Herr Präsident! Herr Kollege Pallas, habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie soeben dem Innenminister widersprochen und mit Blick auf die PKS der letzten acht Jahre ausgeführt haben, dass sich die Sicherheitslage in Sachsen verschlechtert habe?

Ich habe gesagt, dass es eine Entwicklung gegeben hat. Mehrere Menschen beziehen sich regelmäßig auf das Ranking der Bundesländer, was bestimmte Indikatoren der PKS angeht. Und ja, der Stellenwert Sachsens als sicheres Bundesland – es ist immer noch sicher – hat sich im bundesweiten Vergleich

verschlechtert. Darauf habe ich Bezug genommen. Diese Entwicklung meine ich.

Das ist tragisch. Aber vielen Dank!

Ich würde jetzt mit meiner Rede fortfahren. – Ich bin bei der Präsenz und dem positiven Beispiel von Dresden. Ich wünsche mir, dass dieser kooperative Ansatz in weiteren Kommunen zur Anwendung kommt. Ich denke auch, dass wir insoweit gut vorankommen können.