Albrecht Pallas

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Wohnen ist die soziale Frage unserer Zeit. Jeder Mensch hat das Recht, angemessen und sicher zu wohnen. Zu dieser Betrachtung gehören auch die Wohnungskosten.
Wir wissen aus der eben schon zitierten Studie des Wohnungsgenossenschaftsverbands in Sachsen, dass immer mehr Menschen mehr als 30 % oder bis zu 50 % ihres Einkommens für Wohnkosten aufbringen müssen. Betroffen sind vor allem kleine Haushalte, Alleinverdiener, Alleinerziehende, junge Menschen und Rentner. Das ist ein erhebliches Armutsrisiko.
Die SPD will, dass die Menschen in Sachsen zukünftig nicht mehr als ein Drittel ihres Einkommens für die Warmmiete aufbringen müssen. Das ist für die Mehrheit der Menschen in Sachsen eine wichtige Frage. Bei einer Eigentumsquote von gerade einmal 33 % sind wir ein Mieterland. Das betrifft sowohl die Ballungsräume als auch die ländlichen Räume.
Aber die Entwicklung – darin muss ich Ihnen absolut recht geben – ist sehr unterschiedlich. Wir erleben die Folgen des demografischen Wandels. Wir haben Wanderungsprozesse, die zum Wachstum der Ballungsräume und zur Schrumpfung in anderen Kommunen führen. Dies führt auch zu einer zwar unterschiedlich ausgeprägten, aber kontinuierlichen Überalterung der Bevölkerung.
Wir haben in den Ballungsräumen eine steigende Wohnungsknappheit, obwohl sich dort das Hauptbaugeschehen abspielt. Die Bautätigkeit reicht nicht, und dadurch steigen die Mieten. In der Fläche haben wir zwar noch einen recht hohen Leerstand, aber noch vergleichsweise günstige Mieten. Diese Wohnungen müssen aber auch saniert werden, und das wiederum hätte auch im ländlichen Raum Mietenanstieg zur Folge. Wir brauchen passende Lösungen für die unterschiedlichen Wohnungsmärkte.
Als SPD konnten wir in der Koalition in den letzten Jahren bereits einiges erreichen. So sind wir endlich in Sachsen wieder in die Zuschussförderung des sozialen Wohnungsbaus eingestiegen. Seit 2017 stellen wir jährlich 40 Millionen Euro bereit, die momentan nach Dresden und Leipzig gehen. Dort läuft der soziale Wohnungsbau langsam an. Zur Wahrheit gehört aber auch, Herr Böhme, dass in den Jahren 2017 und 2018 nicht das gesamte Geld verbaut wurde, sondern nur ungefähr die Hälfte; der Rest musste zurückgegeben werden.
Das gehört zur Ehrlichkeit dazu. 2019 stellen wir wieder 40 Millionen Euro bereit und 2020 sogar 50 Millionen Euro. Langfristig wird es noch mehr werden müssen, wenn die Bautätigkeit in den beiden großen Städten und vielleicht sogar in noch weiteren Kommunen endlich gut funktioniert. Wir müssen diesen sozialen Wohnungsbau langfristig absichern und diese Förderung auch für Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen öffnen, die an diesen Mietwohnmärkten mittlerweile ebenfalls Probleme haben.
Wir tun noch mehr und erfüllen weitere soziale Zwecke im Bereich der Wohnbauförderung. Ich erwähne nur die Wohnraumanpassung und das Seniorenwohnen mit barrierearmen Wohnungen, das Familienwohnen und die Unterstützung der Eigentumsbildung bei jungen Familien.
Damit bin ich beim ländlichen Raum. Wir haben hierbei zwei Hauptaufgaben zu erfüllen, wobei es vor allem um Haltefaktoren geht. Wir können mit der neuen Förderrichtlinie „Wohnen im ländlichen Raum“ einen ersten Schritt leisten, der aber auch nur Eigentumsbildung beinhaltet. Das Zweite ist, dass wir auch für die Mieterinnen und Mieter etwas tun müssen. Das hat zur Folge, dass wir in Zukunft zwingend für den Bereich der kommunalen und genossenschaftlichen Unternehmen einen Weg finden müssen, wie wir Sanierungstätigkeit unterstützen, ohne dass die Mieten auch im ländlichen Raum auf exorbitante Höhen ansteigen. Wir brauchen also einen Pakt für gutes und bezahlbares Wohnen im ländlichen Raum zwischen dem Freistaat, den Unternehmen und den Mieterinnen und Mietern.
Meine Damen und Herren, auch in Sachsen finden sich Mieterinitiativen zusammen, die am letzten Wochenende unter dem Stichwort „Mietenwahnsinn stoppen“ demonstriert haben. Ich finde das nachvollziehbar, weil im Verhältnis zur Einkommenssituation die Mieten gerade in
den beiden großen Städten davongaloppieren. Deshalb müssen wir das Thema Mieten auch in den Griff bekommen, meine Damen und Herren! Ich appelliere daher von der SPD-Fraktion als Allererstes dafür, dass wir endlich auch in Sachsen die Mietpreisbremse an den beiden Wohnungsmärkten Dresden und Leipzig einführen.
Die SPD will auch nicht länger akzeptieren, dass Mieten durch Zweckentfremdung und Spekulation mit Wohnimmobilien zusätzlich steigen, gerade weil wir in ostdeutschen Großstädten keine Verhältnisse wie in München, Hamburg oder Berlin wollen. Wir brauchen mehr Kontrolle über Grund und Boden.
Gerade weil Eigentum verpflichtet, meine Damen und Herren, empfinde ich – damit spreche ich für die SPD – das Instrument der Enteignung zumindest als letztes Mittel als gerechtfertigt.
Wir müssen zuvor alle anderen Instrumente ausreizen: Wohnungsbau, Baupflicht durchsetzen usw. Aber als letztes Mittel – da können Sie als Konservative oder Neoliberale schimpfen, wie Sie wollen – besteht dieses Instrument im deutschen Recht. Also lassen Sie es uns auch nutzen, genauso wie wir es beim Straßenbau, beim Bau von Energietrassen und in anderen Bereichen längst tun. Warum nicht für bezahlbares Wohnen?
Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte in der zweiten Runde auf Gesagtes reagieren und beginne zunächst mit der Kritik der LINKEN, die ich überhaupt nicht nachvollziehen kann, und zwar die Kritik an der SPD; nicht nur, weil es die SPD ist, die im Bund erst für die Mietpreisbremse und auch für deren Weiterentwicklung sorgt, die sich für Verbraucherschutzinteressen einsetzt, die dafür gesorgt hat, dass die Modernisierungsumlage abgesenkt wird. Nicht nur, weil es die SPD ist, die sich in der Koalition in Sachsen für die Einführung des soziales Woh
nungsbaus und eine millionenschwere Förderung eingesetzt hat.
Nein, vor allem kann ich es nicht nachvollziehen, weil es DIE LINKE ist, die zum Beispiel in der Landeshauptstadt Dresden sozusagen in Regierungsverantwortung ist. Sie tragen Verantwortung für die Steuerung des Unternehmens „Wohnen in Dresden“. Ich habe vorhin schon ausgeführt, dass es dieses Unternehmen leider nicht geschafft hat, die vom Freistaat Sachsen zur Verfügung gestellten Mittel in Projekte des sozialen Wohnungsbaus umzusetzen. Das wird sich sicher bessern, aber auch das gehört zur Wahrheit. Dann stellen Sie sich hierhin und üben harsche Kritik. Das muss ich einfach zurückweisen,
umso mehr, als die Situation in Dresden bis heute von der damaligen Entscheidung bestimmt wird, die Woba zu verkaufen. Herr Schollbach, das kann ich Ihnen nicht ersparen: Zur Ehrlichkeit gehört eben auch, dass die damalige PDS-Fraktion zur Hälfte diesem Verkauf zugestimmt hat.
Es sei Ihnen zugestanden, dass es seitdem einen Wanderungsprozess aus der PDS heraus gegeben hat.
Aber die damalige Hälfte der PDS-Fraktion, die auf dem Ticket der Partei PDS in Dresdner Stadtrat gesessen hat, hat mit der CDU, der FDP und der Bürgerfraktion zusammen die Dresdner Woba verkauft. So und nicht anders ist die Lage.
Noch ein Wort zur Frage der Enteignung und damit zusammenhängenden Themen. Ich bitte das richtig zu verstehen. Gerade in den Städten, wo wir jeden Zentimeter Immobilie, Wohnraum brauchen, ist es ein Unding, dass manche Eigentümer ganz gezielt Grundstücke unbebaut lassen, um im Laufe der Zeit einen höheren Verkaufspreis zu erzielen. Da gibt es Möglichkeiten, die weit unter der Enteignung liegen, wo die Kommunen tätig werden können. Ein Stichwort ist hier die Bebauungspflicht aus dem Baurecht. Dafür gibt es wirklich viele Instrumentarien.
Wir können es uns aber nicht bieten lassen, dass am Ende Eigentümer dazu beitragen, dass sich die Mietpreise weiter erhöhen. Deshalb muss dieser Bestandteil der bundesrepublikanischen verfassungs- und baurechtlichen Wirklichkeit weiterhin als Drohszenario bestehen bleiben und als Ultima Ratio zur Anwendung kommen können.
Aber klar ist auch: Das, was wir brauchen, ist Wohnraum. Wir brauchen bezahlbaren Wohnraum. Da muss gebaut werden. Der Markt richtet das nicht. Deshalb brauchen wir den sozialen Wohnungsbau und die entsprechende öffentliche Förderung.
An dieser Stelle noch ein Wort zu Herrn Fischer. Ich finde es unsäglich, wenn sich jemand hier hinstellt und sagt: Solange Leerstand im ländlichen Raum herrscht, wird er den sozialen Wohnungsbau in den Städten bekämpfen.
Das kann doch nicht die Wahrheit sein. Gerade weil wir so unterschiedliche Probleme haben und weil Mieterinnen und Mieter in Stadt und Land unter der Situation leiden, dürfen wir die Großstädte und die ländlichen Regionen nicht gegeneinander ausspielen. Wir müssen es zusammendenken. Darum geht es, meine Damen und Herren.
Dafür müssen wir die uns zur Verfügung stehenden Instrumente und deren Wirksamkeit genau überprüfen, und das tun wir auch in der Koalition. Wir müssen für mehr Gerechtigkeit am Wohnungsmarkt sorgen, egal ob in Klein-, Mittel- oder Großstädten oder in den ländlichen Räumen. Es zählen mietpreispolitische Maßnahmen, wie Kappungsgrenze und Mietpreisbremse, ebenso dazu wie Zuschussförderung für Bautätigkeit. Dazu gehört auch deren Erweiterung, damit kleine und mittlere Einkommen irgendwann davon profitieren können und nicht gezwungen sind, aus ihrem angestammten Stadtteil wegzuziehen, da die Mietpreisentwicklung dort ein Wohnen unmöglich macht.
Darum geht es doch. Niemand will den Leuten irgendetwas vorschreiben, aber es kann nicht sein, dass wir die Probleme im ländlichen Raum dadurch lösen, dass die Mieterinnen und Mieter in den Städten weiter leiden müssen.
Es gibt ein Hemmnis bei dieser Frage: Es ist das Denken in Gebietskörperschaften. Das wird ein Stück weit aufgelöst durch die regionalen Planungsverbände, aber ich denke, dort müssen wir noch besser werden.
Ich komme zum Schluss. – Wir brauchen integrierte Entwicklungskonzepte, interkommunal abgestimmte Flächen- und Siedlungsentwicklung, gemeinsame Wohnraumversorgungskonzepte und – das haben wir bereits gehört – eine attraktive Anbindung der Städte in ihr Umland durch ÖPNV- und SPNV-Ausbau.
Dann haben wir eine Chance, diese Entwicklung zum Wohl aller Mieterinnen und Mieter und Sächsinnen und Sachsen zu verbessern.
Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht heute um die zweite Beratung zum Gesetz über den Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern im Freistaat Sachsen, kurz: Whistleblower-Schutzgesetz, von den GRÜNEN.
Aus Sicht der SPD-Fraktion ist es ein wichtiges und aktuelles Thema,
und das besonders in einer sich immer weiter digitalisierenden Gesellschaft bzw. auch Welt. Aber um es vorwegzunehmen: Ich halte den Gesetzentwurf der GRÜNEN für nicht geeignet, um das Problem zu lösen, lieber Kollege Lippmann.
Das Ziel ist klar und wird von der SPD-Fraktion auch geteilt. In deutschen bzw. in sächsischen Behörden soll ein rechtliches Umfeld geschaffen werden, in dem es Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern, also den Whistleblowern, möglich ist, gravierende Missstände, Verfehlungen bis hin zur Korruption in den Behörden aufzudecken. Dem stehen Geheimschutzinteressen sowie Beamten- und Beschäftigtenpflichten entgegen.
Das Problem bei diesem Gesetzentwurf ist, dass er nicht in der Lage ist, dieses Umfeld zu schaffen; denn die GRÜNEN führen selbst im Vorblatt zu ihrem Gesetzentwurf aus – ich zitiere –: „Die wesentlichen Regelungen müssen allerdings durch den Bundesgesetzgeber getroffen werden und liegen nicht in der Gesetzgebungszuständigkeit des Freistaates.“
Selbstverständlich verbleiben Regelungslücken und
Gesetzgebungsbefugnis auf Landesebene. Es ehrt Sie, liebe GRÜNE – das möchte ich ausdrücklich sagen –, dass Sie versucht haben, die bestehende Regelungslücke mit Landesrecht zu schließen, aber der grundsätzliche Rechtsrahmen muss auf europäischer und bundesdeutscher Ebene getroffen werden.
So verwundert es auch nicht, dass der Gesetzentwurf von mehreren Sachverständigen in der Anhörung als „Krücke‘“ bezeichnet wurde, und ich meine, auch Sie, Herr Lippmann, haben bei dieser Gelegenheit das Wort selbst in den Mund genommen.
Das ist nachzulesen im Protokoll. – In der Anhörung wurden auch konkrete Mängel am Gesetzentwurf benannt. So wurde kritisiert, dass insbesondere die Regelungen zum Vergabegesetz für die Rechtsanwender in der Form des Gesetzentwurfs nicht handhabbar seien. Es ist auch durch das Landesgesetz nicht lösbar. Ein zweiter Kritikpunkt ist die aus Ihrem Gesetz folgende Ungleichbehandlung zwischen Beamten und tarifbeschäftigten Kolleginnen und Kollegen. Auch das führt im Ergebnis dazu, diesen Gesetzentwurf abzulehnen.
Wie geht es nun aber mit dem Thema WhistleblowerSchutz weiter? Am 11. März 2019 wurden die TrilogVerhandlungen von Europaparlament, Kommission und Rat mit einer vorläufigen Einigung abgeschlossen. Der gemeinsame Vorschlag sieht erstmals EU-weite Vorschriften zum Schutz von Whistleblowern vor, wenn diese Verstöße gegen EU-Recht aufdecken. Konkret sind das dann Verstöße, wie etwa Steuerbetrug, Geldwäsche oder
Delikte im Zusammenhang mit öffentlichen Aufträgen, Produkt- und Verkehrssicherheit, Umweltschutz, öffentliche Gesundheit sowie Verbraucher- und Datenschutz.
Ziel dieses richtigen Entwurfs ist es, sichere Wege für das Melden von Verstößen einzurichten und Vergeltungsmaßnahmen gegen Whistleblower zu erschweren, also dieses sichere rechtliche Umfeld zu schaffen. Das heißt, unterm Strich kommt durch die europäische Ebene wieder Schwung in die deutsche Debatte zu diesem Thema, die zuletzt im Deutschen Bundestag abgebrochen war.
Die Europäische Whistleblower-Schutzrichtlinie wird dazu führen, dass die Debatte in Berlin wieder Fahrt aufnimmt. Insofern bin ich ganz zuversichtlich, dass wir in naher Zukunft einen effektiven europäischen und bundesdeutschen Rechtsrahmen haben werden. Die SPDFraktion wird das unterstützen. Dann werden wir auch im Rahmen der Gesetzgebungskompetenz im Freistaat Sachsen die hiesigen Lücken schließen können, lieber Herr Lippmann. Den vorliegenden Gesetzentwurf benötigen wir dafür jedenfalls nicht. Er hilft jetzt auch nicht, und deshalb lehnen wir ihn ab.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben hier die zweite Beratung zum Gesetz zur Einführung des Kommunalwahlrechts für dauerhaft in Deutschland lebende Ausländerinnen und Ausländer aus Nicht-EUStaaten. Die SPD-Fraktion will zu uns kommende Menschen konsequent integrieren. Dazu gehört, dass wir mehr Einbürgerungen erreichen wollen, auch wenn das nicht das Ende der Integration sein kann. Aber nur die Einbürgerung ermöglicht die volle politische Teilhabe in unserer Gesellschaft. Wir wollen grundsätzlich auch den hier schon länger lebenden Ausländern das kommunale Wahlrecht geben. Bei EU-Ausländern ist es schon längst Realität. Unser Ziel ist dabei, allen hier lebenden Menschen so viel Teilhabe wie möglich zu verschaffen.
Die Intention des vorliegenden Gesetzentwurfs entspricht also unserer Grundposition, aber wir können dem Gesetzentwurf dennoch nicht zustimmen. Es sind weniger die politischen Gründe, sondern eher verfassungsrechtliche Bedenken bezüglich des konkreten Gesetzentwurfs. Dies wurde vor allem durch die Anhörung bestätigt. Zum einen gibt es Bedenken gegen einen landesrechtlichen Alleingang, denn das verstößt nach der Meinung eines Sachverständigen gegen Artikel 38 des Grundgesetzes, vor allem gegen den Grundsatz gleicher Wahlen. Außerdem haben wir nach wie vor ein dieses Thema betreffendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Demnach ist die Ausübung von Staatsgewalt grundsätzlich dem Staatsvolk, also den Staatsangehörigen, vorbehalten. Das ist ein nicht änderbarer Kernbestand der verfassungsmäßigen Ordnung.
Demzufolge bliebe als einzige Option die Änderung oder Erleichterung der Möglichkeiten zum Erwerb der Staatsangehörigkeit; allerdings – das will ich auch nicht verheh
len – wurde in der Anhörung eine gegenteilige Meinung als Mindermeinung vorgetragen. Demnach müssten die schon recht alten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts aufgrund des Kommunalwahlrechts für EUBürger laut Artikel 28 Abs. 1 überdacht werden, denn durch das Wahlrecht für Unionsbürger ist der verfassungsrechtliche Begriff des Staatsvolkes aus Artikel 28 nicht mehr nur das deutsche Volk, kann es gar nicht mehr sein. Diesen Ansatz teile ich ausdrücklich. Ich finde es auch wichtig zu hinterfragen, ob das Modell des Staatsvolkes alter Prägung in unserer globalisierten Welt überhaupt noch sinnvoll ist.
Aber zurück zum Gesetzentwurf: Wir sehen ohne eine Änderung des Grundgesetzes an den Stellen, die ich genannt habe, zu große verfassungsrechtliche Risiken. Wir müssten zuerst das Grundgesetz anpassen, dann könnten wir in den Ländern den Ausländern, die schon länger hier leben, ohne verfassungsrechtliche Bedenken kommunales Wahlrecht geben und damit politische Teilhabe ermöglichen. Daher lehnen wir den Gesetzentwurf ab.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Nachdem wir jetzt dieses Theaterstück in mehreren Akten abgeschlossen haben und vielleicht feststellen können, dass durch das Hochhalten von Schildern der Freistaat Sachsen nicht besser wird und auch Polizeiarbeit nicht besser wird, können wir,
denke ich, zur sachlichen Debatte über den Gesetzentwurf zurückkommen.
Getroffene Hunde bellen, würde ich sagen.
Meine Damen und Herren! Nach monatelanger Debatte, nach jahrelanger Erarbeitung,
nach Veränderungen, nach Reflexionen und erneuten Veränderungen führen wir heute die abschließende Debatte und die Beratung zum Polizeigesetz.
Als SPD-Fraktion sind wir im Jahr 2014 hier angetreten, um Polizeiarbeit besser zu machen.
Erst mussten wir den schwarz-gelben Scherbenhaufen aufkehren,
dann haben wir den Stellenabbau gestoppt und die Einstellungszahlen von 300 auf 700 junge Menschen pro Jahr angehoben.
Wir haben den Polizeibau angekurbelt und sorgen für eine ausreichende, moderne technische und persönliche Ausstattung.
Heute beschließen wir das Polizeigesetz als die entscheidende rechtliche Grundlage zur polizeilichen Gefahrenabwehr;
gewissermaßen als letzten Baustein in dieser Legislaturperiode, um Polizeiarbeit besser zu machen.
Als SPD-Fraktion ging es uns darum, Sicherheitsaspekte mit den Freiheitsaspekten in einem angemessenen Verhältnis zu halten. Ich finde, das ist uns gelungen.
Es ist zweifelsohne eines der bedeutendsten Gesetzesvorhaben der Koalition und gleichzeitig eines der umstrittensten, wie wir am Verhalten der Fraktion DIE LINKE hier sehen.
Die Rollenverteilung in der Debatte sortiert sich dabei weniger nach Parteifarben, als nach der Trennung in Regierung und Opposition.
Das wird besonders deutlich, wenn wir uns einmal in anderen Bundesländern anschauen, welche Koalitionen in den vergangenen Monaten mit welchen Inhalten ihre jeweiligen Polizeigesetze verändert haben. Das führt nämlich zu ganz erstaunlichen Ergebnissen.
Nehmen wir als erstes Beispiel Bayern, wo die CSURegierung im Mai 2018 das Polizeiaufgabengesetz novelliert hat, das an vielen Stellen zu weit geht und meines Erachtens zu Recht auch beklagt wird.
Dann gehen wir nach Baden-Württemberg, wo die GRÜNEN mit der CDU regieren und im November 2017 ein Polizeigesetz verabschiedet haben mit verdeckter Handyüberwachung durch Staatstrojaner, also Quellen-TKÜ, mit der Bodycam, ohne Kennzeichnungspflicht.
Dann gehen wir nach Hessen, wo die CDU mit den GRÜNEN regiert und im August 2018 ein Polizeigesetz
verabschiedet hat mit der Quellen-TKÜ, mit OnlineDurchsuchung, mit Bodycam.
Im Ergebnis ist das Bild nicht mehr so klar, wer hier welche Position zum Polizeigesetz oder vermeintlich zum Rechtsstaat einnimmt; vielleicht mit Ausnahme der CSU im Freistaat Bayern.
Aber heute geht es um das Sächsische Polizeigesetz, meine Damen und Herren.
Warum hat sich die Koalition in Sachsen vorgenommen, das Polizeigesetz zu reformieren? Der erste Grund ist auch der Anlass – das kam schon zur Sprache: Das Polizeigesetz soll an das neue europäische Datenschutzrecht angepasst werden. Der zweite Grund ist: Natürlich geht es darum, das rechtliche Instrumentarium für die polizeiliche Gefahrenabwehr an gesellschaftliche und technische Entwicklungen, aber auch an veränderte Gefährdungslagen und veränderte Kriminalitätsphänomene anzupassen.
Der dritte Grund ist, dass der Freistaat Sachsen und die Kommunen beide mit geteilten Aufgaben an öffentlicher Ordnung und Sicherheit arbeiten und daher für beide Bereiche transparente und adressatengerechte Gesetze geschaffen werden sollen.
Das neue Polizeigesetz wird es der Polizei einerseits ermöglichen, sich mit neuen bzw. gewachsenen Kriminalitätsphänomenen angemessen zu befassen und diese möglichst zurückzudrängen. Dazu zählen zum Beispiel schwere Eigentumskriminalität, Gewaltkriminalität, aber auch religiös oder politisch motivierte Kriminalität bis hin zu schwersten terroristischen Straftaten.
Der Verweis auf die Polizeiliche Kriminalstatistik hinkt an mehreren Stellen. Sie wissen alle, dass die Kriminalstatistik nur das Hellfeld dessen abbildet, was der Polizei überhaupt bekannt wird.
Zum anderen muss es uns auch darum gehen, die Straftaten in ihrer Zahl zu verringern. Wir sind mit 280 000 Straftaten im Jahr nicht zufrieden, Herr Stange.
Andererseits verzichtet das Gesetz – im Gegensatz zu anderen Polizeigesetzen – auf plakative, jedoch verfassungsrechtlich fragwürdige Befugnisse, wie die verdeckte Handyüberwachung mit Staatstrojanern oder den Ewigkeitsgewahrsam aus dem Freistaat Bayern.
Als SPD-Fraktion wollen wir, dass die sächsische Polizei auch in Zukunft handlungsfähig ist. Gleichzeitig soll die Polizei nur diejenigen Eingriffsbefugnisse bekommen, die für eine effektive Aufgabenerfüllung erforderlich und auch angemessen sind.
Die Polizei muss nicht alle technisch möglichen Befugnisse bekommen. Es kommt darauf an, ihr die richtigen Befugnisse zu geben. Ich glaube, damit sind wir beim Kern der Debatte, welche Fraktion hier welche Befugnisse für die richtigen und ausreichenden hält. Ich möchte aber eines klarstellen: Auch aufgrund des bestehenden Polizeigesetzes darf die Polizei in Grundrechte eingreifen.
Ja, natürlich!
Wenn ich den Satz beendet habe.
Natürlich ist das so. Das ist nicht neu, aber es ist notwendig, damit die Polizei ihrem gesetzlichen Auftrag nachkommen kann. Das ist im alten wie im neuen Polizeirecht so.
Und jetzt gestatte ich die Zwischenfrage, Herr Präsident.
Herr Kollege Schultze, ich hielte es für unangemessen, wenn es so wäre. Aber es ist nicht so.
Durch die neuen Regeln im neuen Polizeigesetz wird es zu keiner flächendeckenden Überwachung kommen, wie Sie es hier suggerieren wollen.
Ihre Fragestellung ist schlichtweg unzutreffend.
Ich fahre in meiner Rede fort. – Je tiefer die Polizei in Grundrechte eingreift, desto höher müssen auch die gesetzlichen Hürden sein. Das haben wir selbstverständlich beachtet. Deswegen haben viele der Befugnisse, die es schon gibt oder die wir neu einführen, einen Richtervorbehalt. Beispielhaft: die Aufenthaltsanordnung oder das Kontaktverbot nach § 21, der Gewahrsam nach §§ 22 und 23 ff. oder die Maßnahmen zur Telekommunikationsüberwachung.
Der Staat muss in begründeten Fällen in Grundrechte seiner Bürgerinnen und Bürger eingreifen dürfen, um Gefahren zu verhindern. Aber dies muss möglichst mit offenem Visier geschehen und gerichtlich überprüfbar sein. Das macht den Rechtsstaat aus, meine Damen und Herren.
Deshalb sind für die SPD-Fraktion die Polizeikennzeichnungspflicht und die Stärkung der polizeilichen Beschwerdestelle mindestens genauso wichtige Themen wie die Entscheidung über die einzelnen Polizeibefugnisse.
Nun kann in einer Koalition zwischen zwei so unterschiedlichen Partnern nicht jeder Wunsch erfüllt werden. Das ist nun einmal so. Es ist bekannt, dass die CDUFraktion die rechtsstaatliche Normalität der polizeilichen Kennzeichnungspflicht ablehnt. Natürlich setzen wir uns als SPD-Fraktion weiterhin für eine anonymisierte Kennzeichnung ein mit der Möglichkeit, den konkreten Code auch zu wechseln.
Aber: Für mehr Transparenz wird ganz konkret die Aufwertung der Beschwerdestelle sorgen. Diese wurde doch überhaupt erst durch unser Betreiben im Jahr 2016 eingeführt, meine Damen und Herren. Mit dem Polizeigesetz entwickeln wir sie zur unabhängigen Vertrauens- und Beschwerdestelle. Sie bekommt eine gesetzliche Grundlage. Wir erleichtern es den Polizisten, sich dorthin zu wenden. Sie wird unabhängig von Polizeistrukturen – – Aus unserer Sicht wäre es optimal, sie an den Sächsischen Landtag zu geben;
aber mit dem Kompromiss, sie bei der Staatskanzlei anzusiedeln, bin ich sehr zufrieden. Im Übrigen ist das die Regelung, die auch im Bundesland Sachsen-Anhalt angewendet wird, in dem meines Wissens CDU, SPD und GRÜNE regieren.
Als SPD-Fraktion wollen wir eine wirksame parlamentarische Kontrolle der Polizeiarbeit.
Dazu komme ich gleich noch, jetzt der Reihe nach. – Seit September letzten Jahres, seitdem der Gesetzentwurf im Landtag behandelt wird, haben verschiedene Befassungen in den Ausschüssen stattgefunden. Die Anhörungen waren aus meiner Sicht wichtig, denn es ging darum, den Gesetzentwurf durch die Expertinnen und Experten zu hinterfragen und auf mögliche Fehlstellen abklopfen zu lassen. Es gab auch zahlreiche Briefe von Institutionen und Organisationen mit Änderungsvorschlägen oder pauschaler Kritik. Als SPD-Fraktion haben wir jeden dieser Kritikpunkte genau geprüft und an vielen Stellen ebenfalls Änderungsbedarf am Gesetzentwurf erkannt.
So haben wir mehr Transparenz, bessere Kontrolle und mehr Betroffenenrechte durchgesetzt, beispielsweise bei der zentralen Vertrauens- und Beschwerdestelle und bei der Ausweitung der Kontrollrechte des Sächsischen Datenschutzbeauftragten. Wir erweitern die Berichtspflichten an den Landtag, zum Beispiel bei den Themen Aufenthaltsgebot und Bodycam.
Über den Entwurf hinaus wird es eine Evaluation von Aufenthaltsverbot und Kontaktverbot, von Bodycam und automatisierter Kennzeichenerfassung sowie elektronischer Aufenthaltsüberwachung geben. Wir stellen bei der neu eingeführten Bodycam im Gesetz klar, dass die Betroffenen ein Einsichtsrecht in die Aufnahmen haben. Es gibt noch viele andere Änderungen mehr.
Damit setzen wir auch Punkte um, die sich aus den beiden Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom
18. Dezember 2018 zu Kfz-Kennzeichenkontrollen in den Polizeigesetzen Bayerns, Baden-Württembergs und
Hessens für Sachsen ergeben haben.
Auch die Staatsregierung hat das auf unser Bitten hin geprüft und uns bescheinigt, dass die konkreten Änderungen, die wir an dem Gesetz jetzt vornehmen, dazu führen, dass das Gesetz verfassungskonform bleibt.
Wir haben uns selbstverständlich auch intensiv mit der Stellungnahme des Sächsischen Datenschutzbeauftragten beschäftigt, der uns im Übrigen auch für die konkreten Regelungen bei der Bodycam gelobt hat und der einen Formulierungshinweis in Bezug auf die Regelungen über die Berufsgeheimnisträger gegeben hat – das haben wir im letzten Rechtsausschuss auch noch direkt geändert –, und er hat sich auch mit den Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen auseinandergesetzt.
Der Datenschutzbeauftragte als Institution sieht ein Restrisiko trotz Anpassungen am Gesetz: dass es eventuell verfassungswidrig sein könnte. Er muss in seiner Rolle auch besonders kritisch sein. Die Staatsregierung hat das überprüft, wir haben es überprüft, andere haben es über
prüft, und wir kamen zu einem anderen Schluss in diesen wenigen Punkten.
Im Ergebnis wurde der Gesetzentwurf der Staatsregierung durch den Innenausschuss am 28. März auf Antrag von SPD und CDU in wesentlichen Punkten geändert. Nicht zuletzt haben wir dadurch die Verfassungskonformität des sächsischen Polizeirechts gewahrt. Vor allem aber sind damit unsere Ziele für das Polizeigesetz erfüllt. Es wird nicht nur modernisiert, sondern Freiheit und Sicherheit bleiben in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander.
Dafür möchte ich zum Abschluss einen Mann zu Wort kommen lassen, der das sächsische Gesetz, aber auch das bayerische Polizeiaufgabengesetz gut kennt, weil er in beiden Gesetzgebungsverfahren als Sachverständiger gewirkt hat. Es ist der bayerische Richter am Landgericht München I Markus Löffelmann. Einige Änderungsvorschläge von ihm haben wir übrigens umgesetzt. Richter Löffelmann beklagte in einer Anhörung im Bayerischen Landtag zum dortigen Polizeigesetz einen Paradigmenwechsel. Ihm zufolge erhalte jeder bayerische Polizist mehr Befugnisse bei der Gefahrenabwehr als das Bundeskriminalamt im Kampf gegen den Terror.
In der Anhörung zum Sächsischen Polizeigesetz sagte er wörtlich: „Vor diesem Hintergrund sehe ich in dem gegenständlichen Entwurf eines Polizeivollzugsdienstgesetzes eine durchaus erfreuliche Ausnahmeerscheinung, denn dieser Entwurf enthält sich weitgehend dem Bestreben, neue eingriffsintensive und verfassungsrechtlich heikle polizeiliche Befugnisse zu schaffen, sondern er setzt mehr auf strukturelle Neuerungen, die die Rechtsmaterie besser handhabbar machen. Der Entwurf lässt nach meinem Eindruck durchgehend ein Bemühen um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Eingriffsintensität in polizeilichen Befugnissen und den Freiheitsinteressen Betroffener erkennen. Dieser defensive Ansatz ist meines Erachtens zu begrüßen.“
Nachzulesen auf Seite 19 des Wortprotokolls der öffentlichen Anhörung vom 19. November 2018 zum Gesetzentwurf.
Meine Damen und Herren, ich darf Ihnen hier verraten, dass dieser Sachverständige weder von der CDU noch von uns vorgeschlagen wurde.
Meine Damen und Herren, ich muss dem nichts mehr hinzufügen. Die SPD-Fraktion wird dem Gesetzentwurf zustimmen.
Vielen Dank.
Herr Kollege Bartl, ich möchte eine kurze Frage zu dem Thema der Gefahrenschwellen stellen. Sie haben ja eben ausgeführt, dass das bisher geltende Polizeigesetz prinzipiell von einer konkreten Gefahr ausgeht. Ist Ihnen bekannt, dass es im jetzigen Polizeigesetz das Konstrukt einer abstrakten Gefahr gibt, zu dem auch noch nichts Konkretes vorliegt?
Herr Kollege Bartl, geben Sie mir recht, dass bereits im jetzt bestehenden Polizeigesetz eine Regelung zum Präventivgewahrsam enthalten ist mit der maximalen Frist von 14 Tagen, und dass sich die Tatbestandvoraussetzungen, aber auch die Form- und Verfahrensvorschriften zwischen dem jetzigen Gesetz und dem neuen Gesetzentwurf dahin gehend nicht unterscheiden? Geben Sie mir fürderhin recht, dass auch diese Regelung im Sächsischen Polizeigesetz bisher nie verfassungsrechtlich beanstandet wurde?
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Vielen Dank, Herr Kollege Bartl, dass Sie noch einmal den Bezug zu dem Schreiben des Sächsischen Datenschutzbeauftragten hergestellt haben.
Würden Sie mir recht geben, dass in der Sitzung des Verfassungs- und Rechtsausschusses, dem Sie vorsitzen, über dieses Thema gesprochen wurde und dass wir auf das Anraten des Sächsischen Datenschutzbeauftragten, eine etwas klarere Formulierung zu verwenden, genau diese klare Formulierung in den Änderungsantrag geschrieben haben und der Sächsische Datenschutzbeauftragte danach zu Protokoll gegeben hat, dass diese Änderungen in seinem Sinne sind? Würden Sie mir darin recht geben?
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Problem bei der Polemik und der Ideologie ist ja, dass immer alles von den anderen kommt. Das beschreibt ein bisschen, wie ich die Debatte hier wahrnehme. Ich bedaure das zutiefst.
Ich möchte in meinem zweiten Redebeitrag auf schon Gesagtes eingehen und darauf reagieren.
Beginnen möchte ich ganz kurz mit dem Beitrag von Herrn Wippel und eine Sache ansprechen, die ich interessant finde: Sie versuchen immer darzustellen, dass alle bei Ihnen nur abschreiben. Sie hätten die Ideen zuerst gehabt usw. Sie haben das auch vorhin versucht und auf entsprechende Gesetzentwürfe und Anträge hingewiesen, die Sie im Sächsischen Landtag eingereicht haben und die wir zu Recht abgelehnt haben.
Der Unterschied zwischen Ihren Initiativen und dem hier vorliegenden Gesetzentwurf ist ganz einfach: Bei Ihnen geht es durchgängig darum,
in der Bevölkerung die Befürchtungen und die Angst vor bestimmten Gruppierungen und Entwicklungen zu schüren und immer wieder den Finger darauf zu legen.
Das können Sie so machen. Aber dass eine Koalition und auch andere Fraktionen hier im Sächsischen Landtag nicht so vorgehen, ist, glaube ich, ganz gut so.
Der Unterschied bei uns ist, dass den Entscheidungen, hier neue Befugnisse aufzunehmen, die sich mit dem Phänomen der politisch und religiös motivierten Kriminalität und dem Terrorismus beschäftigen, mehrere Empfehlungen der Innenministerkonferenz zugrunde liegen, die dem Ziel dienen, das möglichst harmonisch in die Polizeigesetze der Länder und des Bundes aufzunehmen. Das haben Sie bisher nie beachtet. Sie schwingen immer die Keule der Angst. Aber trotzdem müssen wir einen Weg finden, mit diesem Phänomen umzugehen.
Ich finde, wir tun das in unserem Gesetzentwurf recht ordentlich.
Zweitens. Wir haben von der Fraktion DIE LINKE jetzt einiges erlebt. Wir haben ihre Theatervorführung hier erlebt. Ich frage mich aber die ganze Zeit, ob das für Sie als größte Oppositionsfraktion Ihre Vorstellung von Verantwortung für dieses Land und für dieses Thema ist.
Das ist wirklich unglaublich.
Bei allem Verständnis für das Ringen um Freiheitsrechte, was uns genau so zu eigen ist,
vermisse ich gerade von Ihnen eine Antwort darauf, wie Sie mit dem neuen Kriminalitätsphänomen umgehen wollen. Kein Ton dazu, null! Stattdessen Zahlenspielereien, statistische Tricks von Kollegen Stange, die uns dabei überhaupt nicht weiterhelfen. Das, was fehlt, ist eine konkrete Abarbeitung der konkreten Punkte, die hier vorliegen.
Es kam ein kleiner Beitrag zur Bodycam von Kollegen Stange, der sich darauf bezog, dass keine wissenschaftlichen Erkenntnisse zu deren Wirkung vorliegen. Jetzt kann man von dem Abschlussbericht halten, was man will. Aber mich wundert dann schon, dass DIE LINKE im benachbarten Bundesland Brandenburg, die dort auch mitregiert, die Bodycam im Polizeigesetz mit einführt.
Das passt nicht so richtig zusammen, lieber Kollege Stange.
Herr Bartl, ich habe großen Respekt vor der Öffnung Ihrer persönlichen Historie und Ihrer Entwicklung in den letzten Jahrzehnten. Ich bin eine andere Generation und kann mit diesem Thema anders umgehen, aber ich spüre, dass es für Sie wichtig ist. Das nehme ich sehr ernst, und ich finde es auch gut und der Würde des Hauses angemessen. Aber ich bedaure sehr, dass Sie hier, an diesem Pult, mit Halbwahrheiten arbeiten, dass Sie Unterstellungen machen, wir würden als Koalitionsfraktionen in die Richtung eines Unrechtssystems gehen, wie es die DDR einmal war. Das haben Sie mit Ihrem letzten Beitrag unterstellt. Das geht einfach nicht, Herr Bartl.
Das ist der Debatte auch nicht würdig.
Ich gestatte eine Zwischenfrage, selbstverständlich.
Wie ist Ihre Frage?
Wie ist Ihre Frage?
Dann danke ich Ihnen für Ihre Frage, die mir Gelegenheit gibt, noch einmal auf Ihre Meinungsäußerung einzugehen. Sie haben vorhin die Fragestellung des vermeintlichen Vorrangs der Sicherheit vor Freiheitsrechten in den Kontext Ihrer persönlichen historischen Entwicklung gesetzt.
Das ist das Problem gewesen. Durch Ihre konkrete Nachfrage und die Erläuterung dazu haben Sie es zum Glück noch einmal in ein anderes Licht gerückt und es davon entkoppelt. Das finde ich in Ordnung.
Aber ich weise ebenfalls für meine Fraktion zurück, dass für uns Sicherheitsaspekte vor Freiheitsrechten stehen. Das ist nicht der Fall.
Wenn Sie ehrlich sind, dann erkennen Sie an jeder Stelle des Gesetzentwurfs und an jeder Stelle des Änderungsantrags, dass wir von vorn bis hinten genau um diese Balance gerungen haben, und wir haben sie hinbekommen, Herr Bartl.
Mich grämt dann aber, wenn sich der Abg. Bartl, der der Vorsitzende des Verfassungs- und Rechtsausschusses ist, darüber beschwert, dass die Debatten im Ausschuss nicht geführt werden konnten. Sie als Ausschussvorsitzender haben das Verfahren in der Hand.
Sie nehmen sich regelmäßig das Recht heraus, Fragen selbst zu stellen. Das ist auch in Ordnung. Gelegentlich ist es unnötig, aber es ist in Ordnung.
Sich aber hier hinzustellen und zu behaupten, es wäre nicht möglich gewesen, ist frech, und das sind einfach nur Fake News. Entschuldigung!
Sie haben vorhin unterstellt, wir würden Hinweise nicht ernst nehmen. Das Gegenteil ist der Fall, Herr Bartl. Das muss ich noch einmal so klar zu Protokoll geben. Das Gegenteil ist der Fall. Gerade wir sind diejenigen, die sich an den Hinweisen und Anregungen orientieren, an der Kritik aufreiben und miteinander darüber diskutieren. Das wissen Sie ganz genau. Diesen Vorwurf zu erheben ist schlicht falsch, und Sie können es auch gar nicht wissen, Herr Bartl.
Dann lassen Sie einfach solche Unterstellungen, denn das ist einfach Quatsch.
Ich möchte noch auf die GRÜNEN eingehen und kurz anmerken, dass ich es bedaure, dass wir diese Diskussion nicht stärker zu fachlichen Aspekten geführt haben,
sondern dass so etwas wie ein Wettstreit um Superlative geführt wird.
Ihnen geht es offenbar darum, dass markigste Zitat zu bekommen, damit Sie morgen schön weit oben in den Überschriften der Berichterstattung stehen.
Auch das ist der Wichtigkeit des Themas nicht angemessen. Ich bedaure das. Diese Frontalangriffe, Aushöhlung von Grundrechten, wir würden den Rechtsstaat zu Grabe tragen und immer würde die Koalition Befugnisse verschärfen – das ist Quatsch. Wir machen das zum ersten Mal mit dem Polizeigesetz.
Nein, ich möchte erst den Satz zu Ende führen.
Herr Lippmann, Sie ignorieren dabei völlig, dass auch GRÜNE in anderen Ländern Verantwortung tragen und dass GRÜNE Polizeigesetze verabschieden mit ähnlichen, teilweise noch schärferen Befugnissen. Dass Sie so in die Debatte gehen und mit diesen Superlativen Vorwürfe machen, zeigt leider, wie bigott Sie diese Debatte führen.
Das ist in hohem Maße unredlich. Gerade von Ihnen das zu erleben finde ich sehr schwierig. – Jetzt können Sie Ihre Frage stellen, wenn Sie wollen.
Ich kann mich erinnern, dass Sie Fragen gestellt haben, und Sie haben auch Antworten darauf bekommen.
Sie haben eine Antwort auf Ihre Fragen bekommen. Ob Ihnen die Antwort passt, das ist eine andere Geschichte, Herr Lippmann.
Unterm Strich stelle ich fest, dass in dieser Debatte im Laufe der Zeit Maß und Mitte verloren gegangen sind. Das muss ich so sagen. Damit tragen Sie als LINKE und Sie als GRÜNE mindestens genauso viel zur Verunsicherung von Bevölkerungsteilen bei, wie es dieser Gesetzentwurf vielleicht jemals kann.
Ich weiß auch, woran das liegt. Als der Gesetzentwurf zum ersten Mal in die Verbändeanhörung ging, wo er angeblich geleakt wurde – was Quatsch ist –, sprachen Sie von der Erwartung, das wird so ein Ding wie in Bayern.
Das wird das bayerische Polizeiaufgabengesetz. Sie wollten so richtig vom Leder ziehen, von Anfang an Druck entfalten gegen die bösen Regierungsfraktionen und die Koalition.
Aber es hat nicht funktioniert. Stück für Stück musste die Kritik abgeschmolzen werden. Am Ende sind sechs Punkte übrig geblieben. Aber die Qualität Ihrer Debattenbeiträge und die Qualität, wie Sie es vorangetrieben haben, ist immer noch in Bayern hängen geblieben, und das ist nicht gut für die Diskussion.
Trotzdem finde ich die Kritik wichtig. Auch die vielfältigen Protestformen finde ich deshalb wichtig, weil sie einmal mehr zeigen, wie elementar es in einem Rechtsstaat ist, dass bei solchen Gesetzgebungsvorhaben diese konkurrierenden Interessen – Sicherheitsinteressen und Freiheitsrechte – immer wieder aufs Genaueste gegeneinander abgewogen werden und wie sensibel das alles ist.
Ich nehme auch sehr ernst, dass bei vielen, mit denen ich persönlich gesprochen habe – mit allen war es nicht möglich, aber einige haben doch das Gespräch gesucht –, andere Themen Kern der Kritik sind. Sie haben persönlich teilweise negative Erfahrungen mit der Polizei gemacht.
Sie sind beeindruckt von Einzelfällen, von Verfehlungen,
die öffentlich ausgebreitet wurden. Ich verstehe, dass dadurch Vertrauen schwindet. Umso wichtiger ist es, dass wir ein sauberes Gesetz machen
und es heute mit dem Änderungsantrag noch einmal verbessern und die Transparenz stärken.
Kern der Kritik ist mangelndes Vertrauen. Kern der Kritik ist nicht der konkrete Gesetzentwurf.
Dass es uns nicht gelungen ist, das in der Debatte zu trennen, bedaure ich zutiefst; denn ich finde, das Gesetz hätte es verdient, es fachlich sauber zu diskutieren. Dass es auch heute hier nicht gelingt, mit all der Polemik, ist höchst bedauerlich, aber leider nicht zu ändern. Wir werden trotzdem zustimmen.
Vielen Dank. – Ich möchte es kurz machen. Zu dem angeblichen zweischneidigem Schwert:. Herr Lippmann, ich halte Ihnen das nur vor, weil Sie hier den Untergang des Rechtsstaats proklamieren. Dass die GRÜNEN in anderen Bundesländern, weil sie in einer anderen Rolle sind, ganz anders agieren, verschweige ich doch gar nicht.
Ich unterstelle aber auch nicht, dass Sie immer nur Böses tun, was Sie aber umgekehrt mit uns machen.
Ach, kommen Sie, Herr Lippmann. Sie sprechen sich doch ab.
Mit Sachsen-Anhalt schon! – Ich möchte Ihnen bezüglich der Redlichkeit nur zwei Zitate von Ihnen vorwerfen, die sozusagen das Ausmaß Ihrer Polemik deutlich machen: Wenn Sie von Grundrechts-Harakiri oder schamloser Grundrechtsaushöhlung sprechen, dann spricht das wohl für sich.
Zu Ihrem Vorwurf – den ich im Übrigen nicht verstehe –, dass wir sozusagen Protest entwerten, habe ich in meiner Rede ausdrücklich gesagt, wie wichtig der Protest auch ist, weil es so sensibel ist.
Die Einzigen, die hier diffamieren, sind Sie. Entschuldigung!
Demokratiefeinde freuen sich dann, wenn der Staat nicht mehr in der Lage ist, die Sicherheit wirklich zu gewährleisten
und gleichzeitig demokratische Prinzipien abzubauen. Das ist hier nicht der Fall.
Kollege Bartl, Sie sprechen wiederholt vom Paradigmenwechsel und unterstellen, dass zukünftig jeder Bürger unter dem Verdacht und im Fokus der Polizei stehe. Das ist grundfalsch. Ich glaube aber, dass ich weiß, warum Sie das denken.
Sie beweisen damit, dass ich vorhin recht hatte. Sie arbeiten mit der Gefahrenschwelle. Sie haben den Begriff der drohenden Gefahr aus dem bayerischen Polizeiaufgabengesetz im Kopf, unterscheiden aber nicht zwischen den beiden Gesetzen. In Bayern ist es so, dass dieser neue Gefahrenbegriff der drohenden Gefahr an die Generalklausel geknüpft ist. Das bedeutet, dass bei allen Betrachtungsebenen der Gefahrenabwehr die Einschreitschwelle weit in das Gefahrenvorfeld rücken kann.
Das machen wir ausdrücklich anders. Wir beziehen uns auf ganz konkrete Befugnisnormen, bei denen wir es für wichtig halten, dass frühzeitig erkannt wird, ob zum Beispiel eine Person Vorbereitungshandlungen für einen terroristischen Anschlag plant und eben nicht generell. Wir bedienen uns bei dieser Frage einer Definition, die das Bundesverfassungsgericht aufgestellt hat. Wie kann man noch mehr verfassungsrechtlichen Grundsätzen genügen als durch unser Vorgehen, Herr Kollege Bartl? Es geht nicht, und das wissen Sie sehr genau.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Wippel! Wir haben uns im Rahmen des Gesetzentwurfes bereits sehr intensiv über die Frage der Ermächtigung für den Erlass von Alkoholverbotsverordnungen Gedanken gemacht. Das gibt es bereits im Polizeigesetz.
Es ist natürlich so, dass es auf Basis der jetzigen Regelung nur einen Versuch gab, in der Stadt Görlitz, das zur Anwendung zu bringen. Dies ist aber vor dem Oberverwaltungsgericht gescheitert, weil die Regelung nicht richtig angewendet wurde.
Wir hatten die Aufgabe, einerseits eine praktikable Regelung aufzustellen, die den Kommunen dabei hilft, mit dem Phänomen des massenhaften Alkoholkonsums und den dadurch bedingten Straftaten an manchen Orten in den Städten umzugehen, und andererseits nicht zu sehr in die Freiheitsrechte der Menschen einzugreifen.
Es ist schon so, dass es zur allgemeinen Freiheit gehört, dass ich mein Bier irgendwo trinken kann. Deswegen finde ich es außerordentlich schwierig, dass Sie die Schwelle für die Einrichtung von Alkoholverbotszonen im Umfeld von Schulen und anderen Einrichtungen für Kinder und Jugendliche auf Annahmen absenken wollen. Ich finde, es müssen Tatsachen dafür sprechen, dass alkoholbedingte Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten gehäuft auftreten. Ansonsten würde man es im Grunde genommen dauerhaft ermöglichen, dass um diese Einrichtungen herum der Konsum verboten werden kann. Das ist noch viel schwerer umzusetzen. Die Erweiterung auf 150 Meter kann ich nicht nachvollziehen. Wir finden
100 Meter ausreichend und insgesamt die Regelung im Artikel 2 mehr als ausreichend und verhältnismäßig. Deshalb lehnen wir Ihren Änderungsantrag ab.
Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Wippel, ja, über das Thema Taser haben wir schon mehrfach in diesem Hause diskutiert. Die Sachlage hat sich nicht geändert. Ich wiederhole noch einmal die wichtigsten Gründe, warum wir glauben, dass der Taser nicht flächendeckend verteilt werden sollte. Ich wähne mich da in Einigkeit mit der Polizeiführung und einem gültigen Innenministerkonferenzbeschluss, der allerdings schon ein paar Jahre her ist.
Es gibt zwei Hauptrichtungen. Zum einen ist es nicht per se tödlich, aber es besteht die große Gefahr für das Gegenüber, was vor allem darin liegt, dass Gesundheitsschädigungen vorliegen können, die von außen nicht erkennbar sind. Es gibt Studien aus den Vereinigten Staaten von Amerika, in denen es um Schwangere und Personen mit Herzfehlern geht und wo diese Geräte tödlich sein können. Das muss man in die Diskussion einbeziehen.
Zum anderen erfordert es von den Polizisten ein hohes Maß an Training, mit diesem Gerät gut umgehen zu können. Deshalb gibt es den Beschluss der Innenministerkonferenz, dass Taser durch Spezialeinheiten angewendet werden dürfen, die dieses hohe Trainingslevel haben und eine sichere Anwendung gewährleisten können, im Gegensatz zum normalen Polizisten, der auch trainiert, aber nicht so intensiv wie die Spezialeinheiten. Deshalb kann man das nur ablehnen.
Ein weiterer Grund ist mir auch noch wichtig. Jedes weitere Einsatzmittel, welches der Polizist im Einsatz mit sich herumträgt, kann ihn im Zweifel wichtige Sekunden kosten, in denen er sich entscheiden muss, was er am besten anwendet. Zwei Sekunden können darüber entscheiden, ob ich Opfer eines Angriffs werde oder nicht.
Deshalb wäre es eine zusätzliche Gefährdung für die Kolleginnen und Kollegen.
Wir haben uns sehr intensiv mit der Bewaffnung und Ausrüstung der Polizei auseinandergesetzt. Es war von der vermeintlichen Militarisierung die Rede. Das hat sich an den besonderen Waffen, die für Spezialeinheiten eingeführt werden sollen, entzündet. Das ist das Spezialeinsatzkommando, und das sind mobile Einsatzkommandos. Es geht nicht um den normalen Polizisten im Revier, sondern tatsächlich um Spezialkräfte.
Natürlich müssen sie, weil sie in gefährlichen Situationen einsatzfähig sein müssen, handeln können. Deshalb brauchen sie in besonders gefahrenträchtigen Lagen besondere Waffen.
Das wollte ich hier zur Diskussion beitragen, weil es dazugehört. Wir lehnen jedenfalls den AfD-Antrag ab.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Wippel, natürlich ist das, was hier vorliegt, ein Kompromiss. Der Kompromiss besteht unter anderem darin, dass sich ein Teil vorstellen konnte, Bodycams auch in Wohnungen zuzulassen, während sich ein anderer Teil – in Klammern: die SPD – dies nicht vorstellen konnte. Deswegen finden Sie eine Formulierung, dass im öffentlichen Bereich der Einsatz von Bodycams unter den Bedingungen, die beschrieben sind, möglich ist.
Was Sie aber nicht machen dürfen, ist Folgendes: Sie dürfen hier nicht suggerieren, dass bestimmte Bereiche nicht zum öffentlichen Bereich gehören, die aber doch dazugehören;
denn das Entscheidende ist der Wohnungsbegriff. Das ist ein Punkt, der nicht ausdiskutiert wurde, spannenderweise auch nicht während der Anhörung. Es geht nämlich um Büro- und Geschäftsräume während der Öffnungszeiten. Das sind ja Räume, die sozusagen dazu da sind, dass sie von Menschen betreten werden, von Kunden und dergleichen. Da gibt es durchaus die Auffassung, dass dies während der Öffnungszeiten quasi zum öffentlichen Bereich gehört. Insofern ist Ihr Beispiel da nicht ganz sauber gewesen.
Es war auch an der Stelle nicht sauber, weil Sie ein Beispiel gewählt haben, bei dem Straftaten passiert sind. Sie wissen als Polizist genau, dass nach Strafprozessordnung die Polizei alle Beweise sichern muss, und dazu gehört in einem solchen Gesamtgeschehen unter anderem ein Videobeweis, wenn man so will. Das heißt, an dieser Stelle dürften die Kameras sogar auf der Basis der Strafprozessordnung benutzt werden; wir bräuchten das Polizeigesetz gar nicht.
Insofern braucht es diesen Änderungsantrag nicht. Der Entwurf ist sachgerecht, er ist ausreichend, er begrenzt den Anstieg der Grundrechtseingriffe durch die Fokussierung auf den öffentlichen Raum und führt dazu, dass es praxisgerecht angewendet werden kann.
Vielen Dank.
Danke, Herr Präsident! Auch ich möchte eine Erklärung zu meinem Abstimmungsverhalten abgeben. Ich habe für das neue Sächsische Polizeirecht gestimmt, weil auch ich mir Sorgen um das Zusammenleben im Freistaat Sachsen mache und weil wir mit dem neuen Polizeirecht der Polizei die Möglichkeit geben, dieses Zusammenleben so friedlich, wie es sein sollte, auch zu schützen. Ich mache mir auch Sorgen um Minderheiten. Mit dem neuen Polizeirecht geben wir der Polizei die Möglichkeit, diese Minderheiten zu schützen.
Ich würde mir auch Sorgen machen, wenn sich Menschen nicht unbeobachtet durch den Freistaat Sachsen bewegen könnten. Aber ich habe heute zugestimmt, weil das mit dem neuen Sächsischen Polizeirecht nicht in Gefahr ist, da eben nicht flächendeckend überwacht wird.
Ich habe zugestimmt, obwohl auch ich bemerke, dass eine wachsende Zahl von Menschen Befürchtungen gegenüber der Polizei hat und polizeikritisch ist. Das nehme ich auch sehr ernst. Aber diese Polizeikritik hat nichts mit dem Sächsischen Polizeigesetz zu tun, sondern mit dem konkreten Agieren der Polizei.
Wir sind genauso besorgt wie Sie und haben mit konkreten Maßnahmen, zum Beispiel der Aufwertung der Vertrauens- und Beschwerdestelle und der Verlagerung aus dem Innenministerium, einen wirksamen Beitrag dazu geleistet, dass Vertrauen wieder aufgebaut werden kann.
Ich habe zugestimmt, weil der Gesetzentwurf auch durch die Änderungen zwischen Sicherheitsinteressen und Freiheitsrechten der Bürgerinnen und Bürger ausgewogen ist.