Das, was Sie angesprochen haben Herr Schreiber, dass viele Lehrer nur noch für sich selber denken, ist genau das Problem, was Frau Friedel benannt hat. Wir müssen umdenken. Wir müssen anders mit uns umgehen, innerhalb der Lehrerschaft, aber auch darüber hinaus.
Das ist genau die Stelle: Diese Gesellschaftsordnung – wie es mein Fraktionsvorsitzender gerade hineingerufen hat – haben Sie doch gewollt. Genau diese Menschen wollten Sie doch: dass sie für sich allein agieren. Selbstverständlich, das ist genau die Gesellschaftsordnung, die Sie hier aufbauen.
Meine Damen und Herren! Gibt es aus den Reihen der Fraktionen weitere Wortmeldungen? – Das kann ich nicht erkennen. Ich frage nun die Staatsregierung. – Frau Staatsministerin Kurth, selbstverständlich haben Sie das Wort. Bitte sehr.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Zum 1. August 2017 müssen 1 400 Stellen im sächsischen Schuldienst besetzt werden. Die Anzahl der eingegangenen Bewerbungen ausgebildeter Lehrerinnen und Lehrer in fast allen Schularten ist hinter dem Bedarf zurückgeblieben. Wenn ich den Stand der besetzten Stellen zum gestrigen Tag betrachte, so haben wir 70 % der 1 400 Stellen, also knapp 1 000 Stellen, besetzt. Wir liegen damit im Trend der Vorjahre bei der Stellenbesetzung.
Die Problemlage der Bewerbersituation, meine Damen und Herren Abgeordneten, ist uns bekannt. Auch hat die Regierung – das habe ich gesagt und sage es heute hier noch einmal – in der Vergangenheit Fehler gemacht, die sich nicht wiederholen dürfen. Wir können keine Lehrerinnen und Lehrer einstellen, die vor sieben oder acht Jahren nicht ausgebildet wurden.
Und hektische Veränderungen im System der erfolgreichen sächsischen Schule helfen uns ebenfalls nicht weiter, wie das längere gemeinsame Lernen zum Beispiel. Das wissen wir seit Anfang der Woche von unseren Schülervertreterinnen und Schülervertretern, die einen hervorra
Die Schwierigkeit, meine Damen und Herren, besteht darin, Bedarf und Angebot in Übereinstimmung zu bringen. Das ist für die Bewerberinnen und Bewerber nicht immer attraktiv und entspricht nicht immer ihren Vorstellungen. Dann nehmen sie Einstellungsangebote in Sachsen nicht an. Aber eines kann ich sagen: Ich möchte Lösungen präsentieren. Wir setzen alles daran, jede potenzielle Lehrerin und jeden potenziellen Lehrer in Sachsen zu halten, der voll ausgebildet ist, Frau Falken, und der auch alle Prüfungen abgelegt und bestanden hat. Er bekommt von uns ein Einstellungsangebot.
Zweitens. Unser Hauptziel im Schuljahr 2017/18 ist es, trotz der angespannten Personalsituation die Stundentafel in den Grundschulen, Oberschulen, Gymnasien und berufsbildenden Schulen abzudecken. Deshalb werden wir auch in diesem Jahr wieder Seiteneinsteiger einstellen, die nach Abschluss individuell qualifiziert werden.
An dieser Stelle äußere ich, wie einige meiner Vorredner, meine ausdrückliche Bitte, die Chancen und Potenziale dieser Gruppe mehr in den Blick zu nehmen.
Als gestandene Fachleute bringen die Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger wertvolle Erfahrungen aus der Berufspraxis mit und sind ein Gewinn in besonderem Maße für die Berufs- und Studienorientierung an unseren Schulen. Wir begrüßen die Seiteneinsteiger ausdrücklich in unseren Lehrerkollegien.
Meine Damen und Herren, daran ändert auch die Presseberichterstattung der vergangenen Tage nichts, die auf die 15 % wieder ausgeschiedener Seiteneinsteiger abzielt. Nicht jeder ist für den Beruf des Lehrers geeignet. Es liegt in der Natur der Sache, dass diese Erkenntnis nicht vor dem ersten Schultag vorliegt, sondern sich erst mit eigenem Unterricht einstellt. Hier rechtzeitig Konsequenzen zu ziehen ist weder ungewöhnlich noch verwerflich; und wenn – positiv betrachtet, meine Damen und Herren – 85 % der Seiteneinsteiger im Schuldienst verbleiben, sich bis zum ausgebildeten Lehrer qualifizieren und engagieren, ausdrücklich engagieren, dann ist das ein nachhaltiger Erfolg unseres Systems der Ausbildung von Seiteneinsteigern im Freistaat Sachsen.
Drittens, alle Schulen können und sollen Mittel aus dem Programm Unterrichtsversorgung nutzen, um den Unterrichtsausfall zu minimieren. Wir sprechen ja von der Absicherung des Unterrichts im Freistaat Sachsen und möchten heute Lösungsansätze bzw. Lösungswege benennen.
Außerdem, viertens, müssen und werden wir geeignete Personalmaßnahmen wie zum Beispiel Abordnungen und Versetzungen in Bedarfsregionen nicht nur in Betracht ziehen, sondern mit dem Ziel einer gleichmäßigen Aus
stattung der Schulen auch umsetzen. Ich lege Wert darauf, dass wir eine qualitativ gute Bildung in Stadt und Land anbieten und deshalb nicht über Bedarf in den großen Städten einstellen können und den ländlichen Raum hängenlassen.
Meine Damen und Herren, als weitere Herausforderung kommt hinzu, dass wir dem Mehrbedarf an Lehrern gerecht werden müssen, der sich aus dem Maßnahmenpaket ergibt, zum Beispiel für die Grundschulen im kommenden Schuljahr 275 Lehrerinnen und Lehrer zusätzlich.
Auch ein genereller Verzicht auf Klassenzusammenlegung, wie in Ihrem Antrag, Frau Falken, formuliert, kommt in der derzeitigen Situation nicht in Betracht. Wir werden unter Einhaltung der einschlägigen Regelungen zur Klassenbildung jeden Einzelfall prüfen. Dabei gilt die Zielsetzung, dass Klassen gut gefüllt sein sollen und Ausnahmen davon Ausnahmen bleiben müssen. Das ist unsere Verantwortung zur Absicherung der Unterrichtsstunden, denn Ziel ist und bleibt die Absicherung der Stundentafel.
Deshalb sind individuelle Lösungen gefragt, Frau Falken, und nicht, wie von Ihnen angegeben, vermeintliche Stundentafelkürzungen, die wir ausgegeben haben. Hier setze ich auf die Kompetenz und Flexibilität unserer Schulleiterinnen und Schulleiter, die einen sehr verantwortungsvollen Aufgabenbereich vor Ort zu erfüllen haben. Mit der Möglichkeit der schulscharfen Einstellung werden wir das Verfahren weiter optimieren – Sie haben es vielfach angesprochen – und noch diesen Herbst damit beginnen. Das ist nicht einfach so zu beginnen. Es müssen Programme und Konzepte dahinterliegen, damit tarif- und arbeitsrechtlich alles geregelt ist.
Die landesweite Gewährleistung der Unterrichtsversorgung gleichermaßen in allen Schularten und Regionen hat bei diesen schulscharfen Einstellungen Priorität. Eine Bevorzugung der Gymnasien über den geplanten Einstellungsrahmen hinaus ist daher weder angemessen noch anzustreben. Ich habe alle Schularten im Blick und das Herzstück unserer sächsischen Schullandschaft – die Oberschule – ist dabei besonders zu betrachten, denn sie hat mit der größten Heterogenität der Schülerschaft tagtäglich eine große Aufgabe und braucht ihre Lehrerausstattung wie auch die Gymnasien und die anderen Schularten.
Gleichwohl werden wir versuchen, die ausgebildeten Gymnasiallehrerinnen und Gymnasiallehrer mit allen dafür zur Verfügung stehenden Mitteln für einen schulartenfremden Einsatz zu motivieren. Meine Damen und Herren Abgeordneten, bei uns wird niemand weggeschickt, aber wir können auch niemanden zum Glück zwingen, der nicht bereit ist, sich an einer Oberschule oder Förderschule zum Beispiel im ländlichen Raum einsetzen zu lassen. Dort hinzugehen, wo der Bedarf am größten ist, erfordert eine gewisse Einsicht und auch eine
Seiteneinsteiger wurde konzeptionell ausgestaltet und organisiert. Alle neu eingestellten Seiteneinsteiger absolvieren unmittelbar nach ihrer Einstellung in den Schuldienst eine dreimonatige Einstiegsfortbildung zu wesentlichen Abläufen des Schulalltags und der Unterrichtsgestaltung. Niemand wird mehr ins kalte Wasser geworfen und steht unvorbereitet vor einer Klasse.
Im Anschluss daran qualifizieren sich die Seiteneinsteiger in Abhängigkeit von ihren individuellen Voraussetzungen, und dabei unterscheiden wir drei mögliche Wege: Die eine Gruppe absolviert das Referendariat und ist schon so vorgebildet, dass sie dieses absolvieren kann. Die zweite Gruppe durchläuft eine schulpraktische Ausbildung in einem Fach, und bei einer weiteren Gruppe ist zunächst eine wissenschaftliche Ausbildung in einem Fach notwendig, um danach ins Referendariat gehen zu können. Diese Studienkapazitäten müssen natürlich an unseren Universitäten geschaffen werden. Das ist eine große Herausforderung, und es kann zu Wartezeiten kommen, obwohl das Wissenschaftsministerium mit uns gemeinsam alles daransetzt, die Kapazitäten zu schaffen.
Eine generelle Verpflichtung aller Seiteneinsteiger, Frau Falken, auf eine viersemestrige Weiterbildung zeugt von der Unkenntnis und nicht seriösen Fachlichkeit Ihres Antrags.
Meine Damen und Herren Abgeordneten, abschließend möchte ich noch ein paar Gedanken zur Umsetzung des Maßnahmenpakets äußern. Angesichts der Komplexität der Maßnahmen kann die Umsetzung nicht von heute auf morgen gelingen. Wer etwas anderes behauptet, der verkennt die Hürden, die durch das geltende Recht – sei es im Tarifrecht, im Personalrecht oder in den untergesetzlichen Verordnungen – gegeben sind. Frau Falken, das müssten Sie aufgrund Ihrer langjährigen gewerkschaftlichen Tätigkeit sehr wohl wissen. Denn so wichtig ein ausdifferenziertes Recht für den Schutz des Einzelnen ist, so unflexibel ist es, bei der schnellen Umsetzung von scheinbar einfachen Maßnahmen – –
Dennoch, meine Damen und Herren, haben wir seit 1. Januar 2017 – und dafür danke ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bildungsagentur – im Rahmen der Umsetzung des Maßnahmenpakets 1 800 Höhergruppierungen und Personalmaßnahmen vorgenommen. Das kann sich sehen lassen und das Maßnahmenpaket und die
darin festgesetzten Maßnahmen wirken. Es wird ein bedeutender Teil bis zum 1. August 2017 umgesetzt sein.
Meine Damen und Herren, wir klären Probleme nicht per Knopfdruck. Wir sollten jedoch keine Einzelbeispiele perlenschnurartig aufzählen, für die es in fast allen Fällen eine Lösung gibt, sondern weiterhin konstruktiv und realistisch miteinander arbeiten, vor allem an umsetzbaren Lösungen.
Frau Falken, Sie sind ausgebildete Lehrerin, also sollten Sie doch ganz genau wissen, wie man im Unterricht ein Ziel erreicht. Für mich als Lehrerin war es ein hohes Gut, mit exakter Fachlichkeit und Sachlichkeit eine Unterrichtsstunde zum Ziel zu führen. Polemische Rhetorik habe ich aus meiner Lehrer- und Schulleitertätigkeit draußen gelassen. Das würde ich mir bei Ihnen als ausgebildete Lehrerin ebenso wünschen.
Meine Damen und Herren, das Schlusswort hat die Fraktion DIE LINKE. Das soll auch noch gehalten werden; Frau Abg. Falken, bitte sehr.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte in der letzten Woche ein Gespräch mit einer Grundschullehrerin in einer Schule, die große Probleme hat, den Unterricht fürs nächste Jahr abzudecken. Sie hat zu mir gesagt: Der- oder diejenigen, die für dieses Chaos an den sächsischen Schulen – oder an meiner Schule – verantwortlich sind, müssten fristlos gekündigt werden. Wenn ich mir so etwas leisten würde als Lehrerin, wäre ich schon raus aus dem System. Vielleicht sollten Sie einmal ernsthaft darüber nachdenken.
Frau Staatsministerin, alles in Ordnung, Ihre Worte: Wir liegen im Trend. Es wird alles gut. Wir sind auf demselben Level wie in den letzten Jahren.