Protokoll der Sitzung vom 31.08.2017

Mir ist natürlich klar, dass Ihnen mit einem solchen Beschluss, den wir heute – ich glaube, einstimmig – fassen werden, im Leipziger Wahlkampf der Rücken gestärkt wird. Aber ich bitte Sie doch, lieber Herr Gemkow, wenn wir das hier geschafft haben, sich wieder dem zu widmen, wofür Sie zuständig sind: der gesamten sächsischen Justiz.

(Frank Heidan, CDU: Meine Herrn!)

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, das war die erste Runde. Gibt es aus den Reihen der Fraktionen Redebedarf für eine weitere Runde? – Herr Abg. Mann für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich verspreche, es kurz zu machen. Ich möchte zunächst – das hatte Kollege Gebhardt schon eingeleitet – herzlichen Dank für die Unterstützung eines traditionsreichen Gerichtsstandortes sagen.

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Wenn dieser auch nicht immer historisch positiv in Erinnerung geblieben ist, so freut einen das als Leipziger natürlich, nicht zuletzt, wenn die Unterstützung aus Dresden und Chemnitz kommt. Herzlichen Dank dafür!

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Zur Historie wurde schon einiges gesagt. Es wurde auch bewertet, warum die Einrichtung des 6. Senates, wie es die Rutschklausel vorgesehen hatte, bis heute nicht gekommen ist. Das will ich jetzt nicht vertiefen, denn ich denke, auch da hätten wir Einstimmigkeit, wenn wir es nicht auf die Abstimmung ankommen lassen würden.

Ich will eher positiv festhalten, dass die Einstimmigkeit zu diesem Punkt, dass die Rutschklausel ziehen muss, offensichtlich konstant zu sein scheint, nämlich mindestens bei den vier Fraktionen, die diesen Beschluss, wie die Äußerungen hier zeigen, nicht nur am 20. Juni 2013 gefasst haben, sondern heute offenbar wieder so fassen wollen. Auch dafür herzlichen Dank!

Zu guter Letzt sei gesagt: Sollte es zudem so sein, dass wir diesen Beschluss auch ebenso wieder einstimmig fällen, dann möchte ich meiner Hoffnung Ausdruck verleihen, dass insbesondere die Kollegen, die gerade dabei sind, eventuell in den Deutschen Bundestag zu wechseln, sich dann mit der ähnlichen fraktionsübergreifenden Einigkeit dafür einsetzen, dass dieser kleine Teil der deutschen Einheit auch noch Realität wird.

In diesem Sinne bitte ich um deutliche Unterstützung für den Antrag. Wir sprechen uns sicherlich im nächsten Jahr wieder.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Meine Damen und Herren! Gibt es weitere Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall. Ich frage die Staatsregierung. – Herr Staatsminister Gemkow. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Mit dem Antrag möchten die einbringenden Fraktionen sicherstellen, dass die Staatsregierung den Standort des Bundesgerichtshofes und des Generalbundesanwaltes in Leipzig weiterhin stärkt und ausbaut.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie schon die Vorredner ausführten, wurde Leipzig lange Zeit als die deutsche Hauptstadt des Rechts bezeichnet, gerade als traditioneller Sitz des Reichsgerichtes. Der Freistaat hat sich deswegen nach der Wiederherstellung der deutschen Einheit sehr dafür eingesetzt, dass der Bundesgerichtshof in das alte Reichsgerichtsgebäude in Leipzig einzieht.

Die Geschichte ging aber etwas anders aus und Leipzig beherbergt heute neben dem Bundesverwaltungsgericht lediglich den 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofes und eine Außenstelle des Generalbundesanwaltes. Das war eines der Ergebnisse der unabhängigen Föderalismuskommission, die der Deutsche Bundestag 1991 eingesetzt hatte, um Vorschläge für eine ausgeglichene Verteilung der obersten Bundesbehörden zu erarbeiten.

Zugunsten des Gerichtsstandortes Leipzig wurde aber noch mehr vereinbart, nämlich, dass neu zu schaffende Strafsenate des Bundesgerichtshofes in Leipzig entstehen sollen und dass für jeden neuen Zivilsenat, der am Stammsitz des Bundesgerichtshofes in Karlsruhe gebildet wird, ein bestehender Strafsenat nach Leipzig rutschen sollte.

Dieses Versprechen ist seit 25 Jahren nicht eingelöst worden. Diese sogenannte Rutschklausel ist bis heute nicht zum Tragen gekommen. Kein neuer Senat wurde beim Bundesgerichtshof eingerichtet, obwohl die Verfahrenszahlen beim Bundesgerichtshof in den letzten 25 Jahren in allen Rechtsgebieten angestiegen sind. Bis heute wurden die bestehenden Senate lediglich mit zusätzlichen Richtern ausgestattet, was die Arbeitsfähigkeit – auch das wurde heute schon gesagt – der unterdessen aufgeblähten Senate durchaus strapaziert. Deshalb ist es notwendig, beide Senate beim Bundesgerichtshof einzurichten. Nur so kann letztlich auch der Bundesgerichtshof nachhaltig entlastet werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein weiterer Strafsenat in Leipzig wäre nicht nur von großer Bedeutung für den Rechtsstandort Leipzig oder Sachsen, sondern es wäre auch ein sehr, sehr wichtiges Zeichen für alle Ostdeutschen, dass die neuen Bundesländer bei der Verteilung von obersten Bundesbehörden bedacht werden und vor allem gegebene Versprechen auch eingehalten werden.

Außerdem sieht der Antrag der Regierungskoalition vor: Die Staatsregierung solle sich dafür einsetzen, eine personelle, finanzielle und technische Stärkung der Außenstelle des Generalbundesanwaltes in Leipzig sicherzustellen und eine zusätzliche Dienststelle des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof am Standort Leipzig einzufordern.

Insoweit teilt die Staatsregierung die Auffassung der einreichenden Fraktionen; denn beide Forderungen sind im Hinblick auf die stark zunehmende Zahl extremistischer und staatsgefährdender Straftaten im Interesse einer zügigen Strafverfolgung und damit letztlich auch im Interesse der inneren Sicherheit in der Bundesrepublik Deutschland gerechtfertigt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die personelle Aufstockung der Außenstelle des Generalbundesanwaltes in Leipzig hätte noch einen ganz anderen Vorteil. Wie Sie alle verfolgt haben, hat der Generalbundesanwalt vor einigen Monaten die Bundesländer aufgefordert, mehr Staatsanwälte zu ihm abzuordnen. Ich kann Ihnen sagen: Interessenten für solche Abordnungen zu finden ist wirklich sehr, sehr schwer. Das hängt durchaus mit der Entfernung zusammen. Frauen und Männer, die im geeigneten Alter sind, an die Dienststelle zu gehen, wollen diesen weiten Weg nicht auf sich nehmen. Gäbe es die Möglichkeit, am Dienstsitz in Leipzig diese Abordnung zu vollziehen, dann würden wir mit Sicherheit eine ganze Menge Interessenten finden. Das ist mit Sicherheit nicht nur in Sachsen so, sondern das betrifft die übrigen neuen Bundesländer, mit Sicherheit auch norddeutsche alte Bundesländer. Ich bin mir ganz sicher, dass das tatsächlich dann zu einer Stärkung des Generalbundesanwaltes führen würde, denn es würde uns die Personalgewinnung extrem erleichtern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich sagen: Ich bin Ihnen sehr, sehr dankbar, dass es eine so

einhellige Unterstützung dieses Vorhabens gibt, und ich bitte Sie herzlich um Unterstützung und weitere positive Begleitung dieses Vorhabens und dieser Bemühungen.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD, des Abg. Klaus Bartl, DIE LINKE, und der Staatsregierung)

Für die Staatsregierung sprach unser Staatsminister Kollege Gemkow. Wir kommen jetzt zum Schlusswort. – Das wird nicht gewünscht; Kollege Modschiedler winkt ab.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Wir verzichten auch!)

Sie verzichten auch; gut. – Dann können wir jetzt zügig zur Abstimmung schreiten.

Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Abstimmung und beginnen mit der Drucksache 6/10452, Antrag der

Fraktionen CDU und SPD. Ich stelle diese Drucksache zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Vielen Dank. Gibt es Gegenstimmen? – Keine. Gibt es Stimmenthaltungen? – Auch keine. Damit ist die Drucksache 6/10452 einstimmig beschlossen.

(Beifall bei der CDU, der SPD, des Abg. Klaus Bartl, DIE LINKE, und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Ich stelle nun die Drucksache 6/9903 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Danke. Die Gegenstimmen? – Danke. Die Stimmenthaltungen? – Vielen Dank. Drei Stimmenthaltungen.

Meine Damen und Herren! Damit ist die Drucksache 6/9903 nicht beschlossen und der Tagesordnungspunkt ist damit beendet.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 11

Stellungnahme „Armut und Reichtum in Sachsen –

Ziele und Vorhaben der Sächsischen Staatsregierung zum Abbau

sozialer Ungleichheit sowie von Armut und Ausgrenzung“ erstellen!

Drucksache 6/10440, Antrag der Fraktion DIE LINKE

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die Reihenfolge in der ersten Runde lautet DIE LINKE, CDU, SPD, AfD, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Für die einbringende Fraktion spricht Frau Kollegin Schaper.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Fünfte Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung offenbart: Seit der Jahrtausendwende sind die Einkommen in Deutschland immer ungleicher verteilt. Seit 2005 verharrt diese Ungleichverteilung auf einem relativ hohen Niveau.

Das kritisieren wir als LINKE schon lange, und Sie, meine Damen und Herren von CDU und SPD, wollen diese Tatsache offensichtlich nicht wahrhaben. Das sind Tatsachen, die nicht irgendwer betont, sondern die Bundesregierung, gebildet aus Vertretern Ihrer Parteien.

SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder verkündete in einer Regierungserklärung am 14. März 2003, was seither unter wechselnden Regierungskoalitionen von CDU/FDP und CDU/SPD im Bund gnadenlos durchgezogen wurde: die Agenda 2010. Die Agenda 2010 hat einer Entwicklung Vorschub geleistet, in deren Folge die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer geworden sind.

(Steve Ittershagen, CDU: Das haben Sie vorher aber auch schon gesagt!)

Ich zitiere aus dem Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung: „Trotz der guten wirtschaftlichen Lage und der deutlichen Beschäftigungszuwächse zeigt sich aktuell aber kein Rückgang der Armutsrisikoquote. Die Armen in unserer Gesellschaft profitieren bis heute viel zu wenig von dieser guten Konjunktur.“

Das, meine Damen und Herren von der Koalition, ist die wesentlichste Erkenntnis aus dem aktuellen Armuts- und Reichtumsbericht. Das ist das Ergebnis des größten Sozialabbaus in der Geschichte der Bundesrepublik, den Sie alle in wechselnden Rollen mit zu verantworten haben. Sie bringen den Sozialstaat an den Rand des Versagens. In einer der reichsten Volkswirtschaften überhaupt sind immer mehr und mehr Menschen von Armut bedroht. 2014 waren dies fast 16 % im gesamten Bundesgebiet. In Ostdeutschland liegt diese Armutsrisikoquote sogar bei etwa 21 %.

Für das Jahr 2015 wird vom paritätischen Gesamtverband für Sachsen eine Armutsquote in Höhe von 18,6 % ausgewiesen. Auch im Freistaat sind also mehr von Armut bedroht als im Bundesdurchschnitt.