Protokoll der Sitzung vom 31.08.2017

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, es ist das erste Mal, seitdem ich hier im Landtag bin, dass ich den Redebeitrag von Frau Dr. Pinka fast gänzlich unterstreichen kann.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Da muss ich mir jetzt aber Gedanken machen!)

Ja? Warum?

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Ja,...!)

Denn wir laufen mit dieser Debatte Gefahr, die Verbraucher weiter zu verunsichern und in Panik zu versetzen. Herr Günther, ich schätze Sie sehr. Sie sind durch das Land Sachsen gezogen, haben zu dieser Problematik mit den Menschen gesprochen, aber mit dem Begriff „vergiftetes Trinkwasser“ usw. Ängste bei dem einen oder anderen hinterlassen.

Das ist grenzwertig, und ich denke, wir sollten diese Debatte nutzen – Herr Zschocke hat dazu Ansätze genannt

, um dieses Thema sachlich-objektiv zu betrachten. Es ist unsere Aufgabe, die Menschen aufzuklären und nicht unmittelbar den Nitratgehalt im Grundwasser mit jenem im Trinkwasser gleichzusetzen, denn dabei gibt es Unterschiede. Auch in anderen Landtagen haben es die Vertreter Ihrer Partei zu inszenierten Gespensterdebatten gebracht. Das sollten wir hier vermeiden.

Richtig ist, dass der Nitratgehalt im Grundwasser in einigen Regionen durchaus bedenklich ist. Es gab eine Klage der EU; Kollege Heinz ist darauf eingegangen. Darauf, was dann daraus gemacht worden ist, möchte ich nicht eingehen.

Ein Problem ist, dass es, wenn der Mensch zu viel Nitrat aufnimmt, für ihn gesundheitsschädigend ist. Die Wirkungen, auch bei Kleinkindern, sind bekannt. Aber das ist jetzt nicht unser Problem. Die Grenzwerte liegen bei 50 Milligramm. Ich möchte aber trotzdem noch einmal darauf hinweisen: Nitrat ist ein Salz der Salpetersäure, eine natürliche Verbindung, die aus Stickstoff und Sauerstoff besteht und im Boden vorkommt.

Pflanzen benötigen dauerhaft Stickstoff für ihr Wachstum. Es ist also erst einmal festzustellen, dass es ohne Nitrat kein Leben auf dieser Welt gäbe. Nitrat ist also natürlich – und so etwas von natürlich, dass man es natürlicher überhaupt nicht machen kann. Frau Dr. Pinka, das stimmt doch?!

(Beifall des Abg. Holger Gasse, CDU)

Nun ist es dem Grundwasser egal, ob Stickstoff von Kunstdünger, Leguminosen, Autoabgasen in der Stadt, Gewittern, Humusverwitterung oder toten Bakterien kommt. Natürlich kann man die Düngung mit höherem Nitratgehalt des Grundwassers auch der Landwirtschaft in einigen Bereichen zuschieben. Beispielsweise gibt es wissenschaftliche Darlegungen, dass dem bei übermäßiger Viehhaltung so ist. Aber es gibt auch Ausnahmen, die wiederum die Regel bestätigen. Die Besonderheit bei Gülle und Biogasgärresten ist, dass dort der Prozess etwas länger dauert und nicht kontrollierbar ist, inwieweit das Nitrat, das dort freigespült wird, dann auch im Grundwasser ankommt.

Wenn man sich die Verteilung der Nitratbelastung an den Messstellen in Deutschland anschaut, stellt man regionale Unterschiede fest. Genauso ist es in Sachsen. Die Situation ist hier auf den ersten Blick eigentlich relativ unproblematisch. Der Grenzwert konnte zwar bei 16,3 % der Messstellen nicht eingehalten werden, aber das ist von Region zu Region unterschiedlich. Es gibt Regionen, die besonders betroffen sind – ich denke dabei an die Landkreise Nordsachsen, Meißen oder Mittelsachsen –, aber, wie gesagt, nur regional bedingt.

Da diese Situation schon seit Längerem bekannt ist – Frau Dr. Pinka sagte es –, wurden bereits verschiedene Maßnahmen ergriffen. Ich nenne hierzu die Ausgleichszahlung für weniger Düngung in Trinkwassergebieten, den kooperativen Gewässerschutz und die flächenbezogenen Agrar-Umweltmaßnahmen. Mit der überarbeiteten Düngever

ordnung wurden nun weitere wichtige Weichen gestellt. Ich bin mir sicher, dass bei ordnungsgemäßer Umsetzung die Nitratbelastung flächendeckend reduziert werden kann. Dies sollte unser aller Ziel sein. Jedem ist bekannt, dass es anfänglich auch unter den Landwirten großen Widerstand gegen die Düngeverordnung gab.

Es gab aber auch einen Sinneswandel, und viele Bauern sind nun der Meinung, dass es akzeptabel ist, diese neue Düngeverordnung anzuwenden. Man hat sich aufgrund dieses Anschlussdrucks aufeinander zubewegt. Wir als Fraktion der SPD finden diesen Druck gut und begrüßen natürlich auch die Länderöffnungsklausel. Ich gehe davon aus, dass entsprechende Verordnungen auch hier in Sachsen vorbereitet werden und unser Staatsminister Herr Schmidt noch einige Ausführungen dazu machen wird.

Was den Verbraucher und das Trinkwasser an sich betrifft, so werde ich in der zweiten Runde darauf eingehen und Ihnen erläutern, dass Trinkwasser nicht gleichzeitig Grundwasser ist.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Für die SPD-Fraktion sprach Kollege Winkler. Als Letzter in dieser Rederunde spricht für die AfD-Fraktion Kollege Urban.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! „Wasserbelastung durch Nitrat wirksam reduzieren – Umwelt und Verbraucher schützen“ – ja, dieses Thema hat tatsächlich aktuell Relevanz, aber nicht, weil Umwelt und Verbraucher akut gefährdet wären – es sind in Sachsen nur zwei Wasserversorger, die tatsächlich Probleme hatten, und auch die überwiegende Mehrheit der Verbraucher ist überhaupt nicht verunsichert, auch wenn sich das manche „Alarmisten“ wünschen.

Es ist relevant, weil – erstens – die EU ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen der Überschreitung der Nitratgrenzwerte im Grundwasser eröffnet hat, und – zweitens –, weil das neue Düngemittelgesetz, das die Bundesregierung jetzt durchpeitscht, vielen Landwirten aufgrund dieser Hast Umsetzungsprobleme bereitet.

Zu erstens, dem Vertragsverletzungsverfahren der EU gegen Deutschland, erlaube ich mir einmal den Vergleich mit dem NOX-Skandal bei Autoabgasen: Deutschland übertreibt es wieder mit den Messungen der Grenzwerte.

(Marco Böhme, DIE LINKE: Das hatten wir gestern schon!)

Bis 2014 stammten alle Messdaten für Nitrat aus Messpunkten, die an den absoluten Hotspots der Nitratmessung eingerichtet waren. So wurde ein völlig verzerrtes Bild der Nitratbelastung der Gesamtfläche vermittelt – und natürlich an die EU gemeldet.

Auch heute noch bestehen 13 % des Nitratmessnetzes aus solchen extremen Messpunkten, die das Gesamtbild

verzerren. Im Ergebnis dessen liegt Deutschland, obwohl es seit Jahren eines der strengsten Düngemittelgesetze hatte, das hierzulande auch kontrolliert und durchgesetzt wird, an vorletzter Stelle im EU-Ranking für Nitratbelastungen. Hier kann etwas nicht stimmen!

In Frankreich zum Beispiel wurden erst 2014 die Düngung auf vereisten und verschneiten Flächen sowie die Lagerung von Stallmist über Monate auf freiem Feld untersagt. Von „Hoftorbilanzen“, wie wir sie in Deutschland kennen, ist man in Frankreich noch weit entfernt; von anderen EU-Staaten möchte ich gar nicht sprechen.

Wie für das NOX der Dieselfahrzeuge, so ist es nun auch beim Nitrat für die Landwirtschaft: Deutschland misst mehr als vorgeschrieben. Deutschland erlässt immer neue eigene Gesetze, kontrolliert diese und bestraft die Landwirte bei Nichteinhaltung, während sich andere Länder jahrelang Zeit lassen, EU-Verordnungen umzusetzen, und so ihren Landwirten dauerhaft einen Wettbewerbsvorteil verschaffen.

Die Nitratbelastung in unseren Böden und im Grundwasser geht im Durchschnitt seit Jahren langsam zurück. Es gibt Gebiete – dies wurde hier schon angesprochen –, zum Beispiel im Umfeld von Trinkwassertalsperren, in denen der niedrige Nitratgehalt inzwischen sogar zum Problem wird, weil organische Substanzen, aber auch Phosphor und Schwermetalle ausgewaschen werden und dann wirklich Probleme bei der Trinkwasserherstellung bereiten.

Das ist natürlich keine pauschale Entwarnung. Es gibt auch in Sachsen Gebiete, in denen sich die Nitratbelastung noch signifikant verringern muss. Allerdings müssen Sachsen und Deutschland darauf drängen, dass europäische Richtlinien und Verordnungen auch europaweit durchgesetzt werden, nicht nur in Deutschland.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Mit Herrn Urban sind wir am Ende der ersten Runde angekommen. Die einbringende Fraktion GRÜNE eröffnet nun eine zweite Rederunde. Kollege Günther erhebt sich und schreitet zum Mikrofon.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Natürlich kennen wir als GRÜNE den Unterschied zwischen Grundwasser und Trinkwasser. Ich möchte auch den Vorwurf zurückweisen, dass wir pauschal davon sprechen, dass die Trinkwasserversorgung insgesamt oder Ähnliches gefährdet wären. Das ist mitnichten so, sondern Sie werden auch in den Texten, die wir dazu geschrieben haben, immer finden: Dort, wo es Probleme gibt, muss man sie anpacken.

Dass wir Probleme haben, ist wohl allen klar, und das hat auch niemand bestritten. Es ist wichtig, dass man solche Themen angeht. Zunächst zur Einordnung, weil wir jetzt

sagen, es würde pauschal auf die Landwirtschaft geschimpft: Wo kommen diese Probleme überhaupt her?

Ich habe hier die Zahlen des Umweltbundesamtes zu den Stickstoffkreisläufen in Deutschland. Sie gehen davon aus, dass jährlich 3 200 Kilotonnen hierherkommen. Das sind die 100 %. Davon sind aus mineralischen Düngemitteln, die wir herholen, 1 808, Import von Futtermitteln 372, biologische Stickstofffixierung der Landwirtschaft und im terrestrischen Ökosystem 300 Kilotonnen, überschreitender Import atmosphärischer Stickstoffverbindungen 260 und aus Verbrennungsprozessen mobiler und stationärer Quellen 514.

Zusammengefasst heißt das: Wir haben als Quellen Landwirtschaft, Industrie, aber auch private Haushalte und Verkehr. Dort kommt das her. Wenn ich das prozentual ansehe, ist die Landwirtschaft summarisch mit 2 480 dabei. Das sind 77,5 %. Wenn man diskutiert, wie man so etwas in den Griff bekommt, dann muss man natürlich schauen, wo man den größten Hebel hat, und dieser ist in weiten Teilen in der Landwirtschaft.

Aber man muss schauen – Kollege Heinz hat schon gesagt, mit Durchschnittswerten ist immer schwer zu arbeiten –, wo es die Probleme gibt, und diese sind ja identifiziert. Wir haben Böden in Sachsen, die wesentlich mehr Nitrat bräuchten. Es gibt aber auch Flächen und Wasserkörper – in Nordsachsen, wie schon angesprochen, auch in Mittelsachsen und in nördlichen Teilen des Freistaates –, wo die Werte deutlich überschritten sind. Wenn dem so ist, dann muss man handeln.

Nicht wir GRÜNEN denken uns aus, dass es ein Problem gibt, sondern der Aufschrei kommt seit Jahren kontinuierlich von den Wasserversorgern. Sie sagen, dass sie ein Problem haben, dass sie das nicht weiter allein stemmen und alles auf die Verbraucher umsetzen wollen.

Wir als Sachsen sind Teil der Bundesrepublik Deutschland. Wir können zwar sagen, vielleicht haben wir die Probleme nicht so gravierend wie in Niedersachsen oder woanders, aber wir haben sie eben auch. Das heißt dann wieder, dass wir unseren Teil zur Erledigung der Hausaufgaben schlichtweg beitragen müssen: keine Pauschalaussagen, differenziert vorgehen und an den Stellen, wo es die Probleme gibt, wirklich aktiv werden!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Was kann man tun? Keiner hat den Stein der Weisen zu den verschiedenen Eintragsmengen. Die Düngeverordnung wird sicher einen Beitrag leisten. Aber Sie wissen auch, welche Kritik es dafür gibt, nicht nur von der Landwirtschaft. Es wird für viele komplizierter; langsam gewöhnt man sich daran. Kritik kommt auch aus den Bereichen der Wasserversorger und der Umweltverbände. Sie sagen, das reiche nicht überall aus, da es im Prinzip eine pauschale Regelung ist, die für alle gilt.

Es ist möglich, dass man sagt: Konkret darauf, wo es Überschreitungen gibt, muss man sich fokussieren, auch als Freistaat. Man muss mit den entsprechenden Behörden schauen, wie man auf mögliche Verursacher zugeht. Dort

muss man an die gute fachliche Praxis heran und sie konkretisieren.

Natürlich ist ein Beitrag, die ökologische Landwirtschaft auszuweiten. Wir haben das schöne Beispiel des Wassergutes Canitz bei Wurzen, bei dem die Stadt Leipzig bereits vor 100 Jahren Landwirtschaftsflächen gekauft hat, um ihre Trinkwasserversorgung sicherzustellen. Sie machen im Prinzip Trinkwasserschutz und haben keine Probleme mit zu hohen Nitratwerten. Das kann man ausweiten. Das bedeutet, wesentlich mehr ökologische Landwirtschaft in Trinkwasserschutzgebieten zu betreiben.

Wir wissen aus anderen Bundesländern, zum Beispiel aus Niedersachsen und Bayern, dass man dort Wasserschutzberater hat, die Fütterungs- und Wasserschutzberatung für Landwirte durchführen. Punktuell, wo es die Probleme gibt, berät man die Leute, wie man den Betriebsablauf umstellen kann. Das ist komplex, denn wenn man die Reste bei bestimmtem Anbau, zum Beispiel von Raps, stehen lässt, –

Die Redezeit!

– dann ist viel Nitrat übrig, und das muss man berücksichtigen. In Österreich gibt es die Grundwassersanierungsgebiete. Auch das sind Ideen, die wir ansprechen. Ich möchte erinnern: Wir haben heute keinen diesbezüglichen Antrag eingebracht, –

Letzter Satz, bitte!