Protokoll der Sitzung vom 31.08.2017

Letzter Satz, bitte!

– sondern die Aktuelle Debatte, um dieses Thema mit Ihnen offen diskutieren zu können. Ich hoffe, dass wir diese Chance wahrnehmen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN – Dr. Jana Pinka, DIE LINKE, steht am Mikrofon.)

Kollege Günther hat für seine einbringende Fraktion eine weitere Rederunde eröffnet. Auf seinen Redebeitrag hin möchte, so vermute ich, Frau Dr. Pinka mit einer Kurzintervention reagieren.

Danke, Herr Landtagspräsident! Ich habe mir noch einmal die Pressemitteilung der GRÜNEN vom Dienstag vorgenommen, da ja nun zum zweiten Mal geäußert wurde, dass von den GRÜNEN mitnichten ein Zusammenhang zwischen den Grundwassermessstellenergebnissen und der Trinkwasserverordnung herbeigeführt werden sollte. Dem ist wirklich nicht so.

Ich kann es gern noch einmal zitieren, dass der Nitratwert nach der Trinkwasserrichtlinie von 50 Milligramm pro Liter in 41 Postleitzahlenbereichen überschritten worden ist, und das anhand der Ergebnisse der Grundwassermessstellen. Wenn sie hätten undifferenziert diskutieren wollen, dann hätten sie erst einmal aufzeigen müssen,

welche Art der Trinkwasserversorgung wir in Sachsen haben. Ich weiß es nicht genau, aber wir haben mit Sicherheit eine Versorgung zu 50 % aus Trinkwassertalsperren, also aus einem hoch reinen Niederschlagswasser. Die scheiden schon mal aus.

Wenn man wirklich exakt und ordentlich debattieren und nur über diese Hotspots, die wir in Sachsen haben, diskutieren sollte, dann macht man nicht solch eine Angstdebatte auf und geht undifferenziert vor. Ich halte das wirklich für grenzwertig.

(Beifall bei den LINKEN)

Das war die Kurzintervention von Frau Dr. Pinka. Möchten Sie darauf reagieren, Herr Kollege Günther? – Nein. Wir gehen weiter in der zweiten Rederunde, und das Wort ergreift für seine Fraktion, die CDU, Kollege von Breitenbuch.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schon im alten Griechenland war bekannt – die alten Philosophen haben sich damit beschäftigt –: Die Dinge sind im Fluss, es gibt Kreisläufe und stoffliche Veränderungen. Denen versuchte man sich zu nähern. Der Philosoph Heraklit nannte das: Alles ist im Fluss, alles fließt. Thales von Milet beschäftigte sich mit Luft, Wasser, Feuer und Erde als die Kernelemente, die sich immer wieder verändern. Schon die alten Griechen wussten, dass die Dinge komplex sind, und man versuchte sie zu durchdringen.

Das fehlt mir bei der ganzen Kampagne. Ich möchte das Wort von Andreas Heinz aufgreifen: Was hier zurzeit für den Bundestagswahlkampf der GRÜNEN im Lande abgefackelt wird!

Wie gesagt, schon die alten Griechen wussten es, und auch wir sollten es wissen. Deshalb möchte ich damit einsteigen: Nitrat ist ein Salz. Es erinnert mich an unsere Glyphosat-Debatte. Glyphosat ist auch ein Salz. Interessant! Wir brauchen dieses Salz, denn es ist lebenswichtig für Pflanzen, für Tiere und für uns Menschen. Es gibt selbstverständlich Kreisläufe. Im Boden selbst, im Humus, der darunter fällt, wandelt sich das Nitrat um und wird ausgewaschen. Auch dort gibt es natürliche Kreisläufe, die einfach vorhanden sind. Es ist dann auch für Pflanzen verfügbar. Natürlich ergänzt es der Mensch seit Jahrhunderten durch Mist, Gülle und tierische Abfälle, die letztendlich damit zur Nutzung kommen, in organischen Kreisläufen. Vor circa 150 Jahren gab es die großartige Erfindung des künstlichen Düngers und damit einer gezielten Pflanzenernährung für den Bedarf und zu dem Zeitpunkt, wenn es möglich war.

Der Grenzwert für Trinkwasser beträgt, wie bereits gesagt, 50 Milligramm pro Liter. Damit ist das Trinkwasser völlig ungiftig – ich will es noch einmal deutlich sagen –, obwohl 50 Milligramm Nitrat enthalten sind. Denn die GRÜNEN versuchen eigentlich mit ihrer Debatte klarzumachen: Jedes Gramm Nitrat ist Gift. Das stimmt

nicht, und deshalb will ich das noch einmal auf den Punkt bringen.

Die Landwirtschaft, die hier teilweise voll an den Pranger gestellt wird, hat in den vergangenen Jahren und auch schon eher viel getan. Mit Düngegesetzen und Düngeverordnungen hat der Gesetzgeber Einschränkungen vorgenommen. Durch umweltgerechte Bewirtschaftung etc. sind wir auf einem guten Weg.

In den Agrarprodukten selbst steckt teilweise Nitrat: in Gemüse 1 bis 4 000 Milligramm pro Kilo Gemüsemasse. Das essen wir und schmeckt uns gut. Also gibt es auch hier eine gewisse Normalisierung. Der Mensch verträgt 150 Milligramm Nitrat pro Tag. Auch das untermauert meine Argumentation, dass es so einfach nicht ist.

Gestatten Sie die Zwischenfrage von Kollegen Günther?

Bitte, Herr Kollege.

Lieber Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, da Sie gerade über die Grenzwerte gesprochen haben, wie Grenzwerte zustande kommen; dass das politische Festlegungen sind, Vorsorgewerte – etwa in der DDR galt sogar ein Grenzwert von 40, also deutlich unter den 50 –, und dass dies gesundheitliche Auswirkungen hat? Wir sprechen ja heute immer viel von Differenzieren und nicht alles in einen Topf werfen. Es gibt einfach Folgen, etwa die Jodbindungsmöglichkeit – deshalb auch die Gefahren für Schwangere und kleine Kinder –, und darauf reagieren Menschen unterschiedlich. Wissenschaftlich kann man nicht sagen, dass es für eine konkrete Person mit 50 plus oder unter 50 ungefährlich oder schädlich ist, sondern man legt sich einfach fest im statistischen Mittel – ab 50 wird es gefährlicher und darunter eher nicht –, aber die einzelne Person kann man sich auswählen.

Die Frage!

Dieses Zustandekommen ist Ihnen bekannt – und wollen Sie vor diesem Hintergrund daran festhalten, dass es da keinerlei Gefährdungen geben kann?

Herr Günther, Sie haben sich verraten, weil Sie gesagt haben, das sind politische Festlegungen. Wir haben in Deutschland eine lange wissenschaftliche Tradition – und jetzt möchte ich auf Frau Dr. Pinka, die das ja auch letztendlich angetippt hat, verweisen. Es ist selbstverständlich so, dass wir ein Wissenschaftsland sind und letztendlich auch Behörden haben, die nach Risiken ermessen – und wie gesagt, die 50 Milligramm sind nicht politisch, sondern fachlich festgesetzt worden. Das ist ungefährlich. Punkt. Wenn Sie das Ganze hier darstellen oder meinen, Ihre Kampagne so zu fahren – das sind alles politische Grenzwerte –, dann

sind wir nämlich ganz schnell beim NOX. Wo ist da die politische Festsetzung?

Insofern geht es hier um sachliche Festsetzung, um die Gesundheit von Menschen und wir sollten uns dieses in unserem Lande auch bewahren – das halte ich für richtig.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Sachsen ist ein Land, das in den Strudel der Wahlen in Nordrhein-Westfalen gekommen ist. In NordrheinWestfalen sind Viehbestände von drei Großvieheinheiten je Hektar teilweise üblich. Dort hat man es mit ganz anderen Reststoffen – Gülle und Mist – zu tun, als es in Sachsen der Fall ist. Wir haben 0,5 Großvieheinheiten pro Hektar. Ein Hektar sind 100 mal 100 Meter, zwei Fußballfelder sind ein Hektar, und wir reden bei diesem Hektar in Sachsen von einer halben Kuh, vier Schweinen, 50 Ferkeln oder 50 Hühnern. In der Region Leipzig ist es teilweise zu den erhöhten Messwerten gekommen. Es gibt wenige Gegenden im Lande, wo so wenig Vieh auf den Höfen steht wie im Raum Meißen; das will ich ganz deutlich sagen.

Dieser Zusammenhang ist schwierig und ich verweise auf das Gutachten und letztendlich auf die städtische Belastung, die wir selbstverständlich mit im Auge haben müssen. Die Bauern haben seit Jahren schon Hoftorbilanzen erstellen müssen, welche sich selbst Rechenschaft geben wollten, was sie aufs Feld ausgebracht haben, wie viel sie geerntet haben und was als Rest im Boden wieder verfügbar ist. Insofern sind wir dort weiterhin modern in der Landwirtschaft unterwegs. Die Entwicklung ist positiv, diese Werte gehen auch zurück. Das ist ein Erfolg aller, aber auch der Landwirtschaft und der Landwirtschaftspolitik im Lande.

Jetzt möchte ich den Bogen spannen zu etwas Grundsätzlichem: zu analytischem Denken und wie wir mit einzelnen Verursachern umgehen, aber auch dazu, wie es komplex wird und wie wir damit umgehen. – Frau Dr. Pinka, Sie hatten es angesprochen. Was mich an Ihren Kampagnen ärgert – ob es Nitrat, Diesel oder Kohle ist –: Sie greifen sich einen Punkt heraus und auf dem wird herumgeritten. Den Rückschluss in die Komplexität blenden Sie aus. Ich nenne bei der Kohle die Grundlast, beim Diesel die Alternativen der Verbrennungsmotoren, die es auch sonst gibt und wo wir selbstverständlich mit dem Elektromotor zurzeit nicht die Mobilität, die im Land erforderlich ist, erhalten können, oder beim Nitrat blenden Sie auch die komplexen Kreisläufe völlig aus – ich habe auf die alten Griechen verwiesen –, und das ist ärgerlich.

Herr Kollege, wir haben ein kleines Zeitmessungsproblem – ich muss Sie mit der Hand stoppen. Ich bitte Sie, zum Ende zu kommen.

Ich dachte, ich habe noch eine Minute, aber gut, dann habe ich die Minute später.

Ja, Sie haben dann noch ganz viel Redezeit.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Das war Herr Kollege von Breitenbuch, CDU-Fraktion. – Wir haben ein Problem mit der Zeitmessung und müssen momentan mit der Hand stoppen. – Jetzt kommt eine Kurzintervention von Herrn Kollegen Zschocke an Mikrofon 4; bitte.

Herr von Breitenbuch, Sie versuchen uns hier eine Kampagne zu unterstellen. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass es in Ihrer Argumentation, die Sie hier führen, darum geht, eine Kampagne zu führen, nämlich GRÜNE pauschal zu diskreditieren, zum Beispiel mit solchen Aussagen, wir würden behaupten, dass jedes Gramm Nitrat Gift sei. Das Gegenteil habe ich gesagt: Nitrat ist im Boden wichtig, es ist ein wichtiger Nährstoff. Das sind Elemente einer Kampagne, was Sie hier machen: etwas zu behaupten, was der Angegriffene überhaupt nicht gesagt hat.

Sie haben behauptet, wir würden Bauern an den Pranger stellen. Ich habe gesagt, die Diskussion, die öffentlich gerade um das Thema Nitrat geführt wird, führt dazu, dass sich Verbraucher verunsichert fühlen und Bauern sich zu Unrecht an den Pranger gestellt sehen, und deswegen wollen wir hier eine sachliche Debatte darüber führen.

Was Sie hier machen, sind Elemente einer Kampagne gegen einen Gegner, indem ihm etwas unterstellt wird, was er nicht behauptet und sagt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das war eine Kurzintervention von Herrn Kollegen Zschocke, sie bezog sich auf den Beitrag von Herrn Breitenbuch – und er kann jetzt reagieren.

Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren – und so bestätigen sich für mich die Reaktionen auch aus der Landwirtschaft, die mich von dort erreichen –, dass die Bauern selbstverständlich das Gefühl haben, dass Sie mit dem Nitratbegriff oberflächlich umgehen und dass diese generelle Sicht auf die Dinge bei Ihrer Bundestagswahlkampfsituation nicht vorkommt.

Die Bauern fühlen sich an den Pranger gestellt, sie fühlen sich letztendlich dort auch belastet, fühlen sich trotz ihres fachlichen Wissens, das sie täglich umzusetzen versuchen, hier teilweise auch hilflos. Das ist die Situation, mit der Sie sich schon auseinandersetzen müssen.

Auch im Ökolandbau mit dieser einseitigen Begrifflichkeit mit Nitrat und was sich dann politisch umgesetzt hat in der Düngeverordnung, haben Ihre ökologisch wirtschaftenden Betriebe ein riesiges Problem. Früher war es so, dass der ökologische Betrieb bewusst in den Kreislauf gegangen ist. Es gab Vieh auf dem Hof, der Dünger wurde eingesetzt, es gab genau diese Kreislaufwirtschaft,

die vor 100 oder 150 Jahren gang und gäbe war. Das ist in den Viehbetrieben immer weniger möglich, weil auch die mit dieser Nitratdiskussion, die Sie führen, überhaupt nicht glücklich sind, denn das kommt alles so nicht mehr hin. Insofern sollten Sie sich schon Gedanken machen, auch als Partei, ob das der richtige Weg ist. Wir sind im Bundestagswahlkampf, und insofern werden wir das in aller Klarheit so sagen.

(Beifall des Abg. Volkmar Winkler, SPD)

Das war die Reaktion. Jetzt geht es weiter in unserer Rederunde und für die Fraktion DIE LINKE kommt Frau Dr. Pinka erneut zu Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe ja gesagt, ich will einmal die Stickstoffdiskussion unterbrechen und ein paar Beispiele nennen, wo wir in den nächsten Jahren wirklich qualitative und quantitative Grundwasserprobleme haben werden, die sich vielleicht auch auf das Trinkwasser auswirken.

Das erste Beispiel ist Sulfat. Wer mich kennt, der weiß, dass ich mich schon eine ganze Weile mit den Trinkwasserfassungen in den Braunkohlefolgegebieten befasse. Dort haben wir ja – insbesondere in der Lausitz durch die Flutungsprobleme – mit Sulfatbelastung zu tun. Im Gebiet von Weißwasser mussten schon in den Neunzigerjahren Wasserwerke außer Betrieb genommen werden – Schleife, Weißkeißel, Gablenz, Groß Düben usw.; Boxberg kämpft im Moment um eine Lösung; es ist noch nicht klar absehbar, ob man dort noch eine Wasserfassung ortsnah nutzen kann oder ob man Fernwasser herbeibringen muss.