Protokoll der Sitzung vom 28.09.2017

Wir werden in folgender Reihenfolge diskutieren: CDU, SPD, DIE LINKE, AfD, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile nun der CDU-Fraktion das Wort. Herr Abg. Dr. Meyer, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sprechen heute wieder einmal über die Innovationspolitik, etwas in die Zukunft Gewandtes im Freistaat Sachsen. Steve Jobs hat einmal Folgendes gesagt: „Innovation unterscheidet den Vorreiter von den Verfolgern.“ Das ist ein Zitat, welches wir in den Abschlussbericht der Enquete-Kommission des letzten Sächsischen Landtages, in dem wir uns mit Strategien für eine zukunftsorientierte Technologie- und Innovationspolitik befasst haben,

hineingeschrieben haben. Dieses Zitat ist Anspruch und Notwendigkeit zugleich.

Sachsen besitzt eine kleinteilige und mittelständisch geprägte Wirtschaft, die aber auch flexibel und innovativ ist. Wir haben zum einen exzellente Hochschul- und Forschungslandschaften und zum anderen eine große Dichte an ingenieurtechnisch geprägten außeruniversitären Forschungseinrichtungen sowie weitere Landes- aber auch weitere Industrieforschungseinrichtungen. Darum soll es heute gehen.

Die sächsischen Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen sind ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die engere Verknüpfung von öffentlicher Forschung und Industrie. Sie sind ein Garant dafür, dass

Wissenschaft und Innovationen auch langfristiges Wirtschaftswachstum ermöglichen. Veränderte Produktionsphilosophien führen dazu, dass man zunehmend mehr Forschungseinrichtungen in die Wertschöpfungskette integriert und letztendlich unsere KMU – kleinen und mittelständischen Unternehmen – davon profitieren. Es muss dazu kommen, dass wir den Faktor Forschung noch stärker nutzen. Wir haben nämlich in den kleineren Unternehmen keine großen Forschungsabteilungen.

Letztendlich kompensieren die Forschungseinrichtungen und die Industrieforschungseinrichtungen diesen Nachteil.

Freiberuflich und wissenschaftlich-technische Dienstleistungsunternehmen – dazu zählen die wirtschaftsnahen Industrieforschungseinrichtungen – tragen bislang zu gut einem Sechstel zur privaten Forschung und Entwicklung im Freistaat Sachsen bei. Dabei kompensieren diese gemeinnützigen Industrieforschungseinrichtungen diesen Nachteil der fehlenden Größe und ebenso der fehlenden Bündelung von Kapazitäten. Das führt im Endeffekt dazu, dass wir den Nachteil, der gegenüber Großunternehmen besteht, abdecken. Sie erhalten gegenwärtig aber keine Grundfinanzierung. Sie sind gleichzeitig ein wichtiger Bestandteil der sächsischen Wissenschaftslandschaft. Das möchten wir als CDU ändern, vor allem aber auch die Koalition. Wir möchten damit den Fortbestand und die Entwicklung dieser Industrieforschungseinrichtungen

verbessern.

Es soll darum gehen, dass Fördermöglichkeiten für ihre Forschungsstruktur sowie die Beteiligung an Forschungsprojekten ermöglicht werden, um die Industrieforschung in Sachsen wieder wettbewerbsfähiger zu gestalten. Es ist unser Ziel, dass Versuchsanlagen, Labor und Prüfgeräte aber auch Maßnahmen zur Erhaltung der Immobilien künftig auch durch den Freistaat Sachsen unterstützt werden.

Die Industrieforschungseinrichtungen sind in der ZuseGemeinschaft vertreten. Ich möchte ein paar Beispiele nennen: In Chemnitz ist beispielsweise die Textilforschung sehr ausgeprägt. Es gibt Energietechnologien in Freiberg. Weitere Beispiele sind auch der Musikinstrumentenbau in Klingental, die Kunststoffindustrie in Leipzig oder auch das Institut für Holztechnologie in Dresden. Diese stellen die Breite der Industrieforschungseinrichtungen dar.

Von den Branchen her, das passt auch auf unsere Wirtschaftslandschaft, sind maßgeblich die Datenverarbeitung, der Maschinenbau, die Dienstleistungen von Forschung und Entwicklung in Sachsen vertreten. Bezogen auf die Unternehmen können wir feststellen, dass gerade die Kleinen mit weniger als 20 Beschäftigten mit gerade einmal 11,9 % kontinuierlich Forschung und Entwicklung betreiben. Das ist zu wenig. Deswegen müssen wir die Netzwerke stärken, um dies voranzubringen. Fast 90 % der Unternehmen betreiben Forschung und Entwicklung und haben Kooperationsbeziehungen. Mehr als 70 % davon arbeiten mit den Hochschulen und fast 60 % mit Forschungsinstituten zusammen. Es gilt, Wege zu finden,

um die mittelständisch geprägte Wirtschaft noch enger mit der Wissenschaftslandschaft zu verzahnen. Das ist mit unserem Antrag und den im Haushaltsgesetz verabschiedeten Punkten beabsichtigt.

Wir möchten heute hier die Debatte darüber führen, um mehr Bewegung hineinzubringen. Die Bewegung seit dem Haushaltsbeschluss hält sich bisher in Grenzen. Wir möchten die gemeinsamen Anstrengungen bündeln und dazu kommen, dass innovative Produkte und Prozesse durch unsere Wirtschaft entstehen. Das dürfte sicherlich auch im Interesse der Wirtschaftspolitik der Staatsregierung und im gesamtgesellschaftlichen Interesse liegen, weil wir mit Forschergeist und Technikbegeisterung unser Land voranbringen und nicht nur negativ denken. Die Industrieforschung trägt daran einen wesentlichen Anteil.

Meine Kollegen Wirtschaftspolitiker werden im Nachgang noch darauf eingehen. Ich habe vor allem auch aus der Sicht der Wissenschaftspolitik und als damaliger Obmann der Enquete-Kommission gesprochen.

Ich möchte an dieser Stelle mit einem Zitat von Johann Wolfgang von Goethe schließen. Er soll einmal Folgendes gesagt haben: „Es ist nicht genug, zu wissen, man muss auch anwenden; es ist nicht genug, zu wollen, man muss auch tun.“ Das sage ich insbesondere auch mit Blick auf unseren Wirtschaftsminister, Martin Dulig, und die Wissenschaftsministerin, Frau Dr. Eva-Maria Stange, die sich bisher etwas schwer getan haben, den Wert der Industrieforschung in Sachsen, wie es unser Antrag vorsieht, hervorzuheben. Ich hoffe, dass die Debatte zeigt, dass die Wirtschaftspolitik das Ansinnen der Koalition auch mit Nachdruck unterstützen wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Für die SPDFraktion bitte Herr Abg. Mann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Was verbinden Sie mit dem Namen Konrad Zuse? Sicher den Konstrukteur des ersten frei programmierbaren Computers Z3 im Jahre 1941. Zuse war aber eben auch ein forschender Unternehmer, der maßgeblich dazu beitrug, die Grundlagen moderner Rechentechnik zu schaffen, die heute wiederum Voraussetzung für Entwicklung und Innovation sind.

Mit Konrad Zuse ist auch heute die Industrieforschung verbunden; denn vor knapp zwei Jahren haben sich 76 privatwirtschaftlich organisierte Forschungseinrichtungen zur bundesweiten Zuse-Gemeinschaft zusammenge

schlossen. Als Bindeglied zwischen Wirtschaft und Wissenschaft sind die Mitgliedseinrichtungen der ZuseGemeinschaft rechtlich und wirtschaftlich unabhängig. Sie gehören weder den institutionell gemeinsam durch Bund und Länder geförderten Großforschungsverbünden noch Unternehmen an.

17 dieser 76 Zuse-Mitglieder, also ein gutes Fünftel, kommen aus Sachsen. Das dokumentiert die starke

Industrieforschungslandschaft im Freistaat, die hier historisch gewachsen ist. Die 17 sächsischen Industrieforschungseinrichtungen haben bereits 2014 ihre Kräfte gebündelt und die Sächsische Industrieforschungsgemeinschaft e. V. – kurz SIG – gegründet. Deren Ziele sind unter anderem die Stärkung der gemeinnützigen Industrieforschungslandschaft, vor allem aber Kooperationspartner des sächsischen Mittelstandes für marktorientierte Forschung und Entwicklung zu sein wie auch Erhalt und Erweiterung des Leistungsspektrums bei hoher Flexibilität und Schnelligkeit für die Partner der KMU.

Die SIG-Institute sind aber nicht die einzigen Industrieforschungseinrichtungen in Sachsen. Nach meiner Kenntnis gibt es 27 solche Einrichtungen im Freistaat.

Der Beitrag, den sie in unserem Land leisten, wurde schon im Bericht der eben angesprochenen Enquete-Kommission „Strategien für eine zukunftsorientierte Technologie- und Innovationspolitik im Freistaat Sachsen“ dargestellt. Ich zitiere in diesem Fall aus dem damaligen Votum auch meiner Fraktion: „Die externen gemeinnützigen Industrieforschungseinrichtungen Sachsens kompensieren teilweise die bestehenden Nachteile fehlender gebündelter und interdisziplinärer Forschungs- und Entwicklungskapazitäten der bisher nur ansatzweise vorhandenen Großindustrie und der fehlenden Wertschöpfungsketten übergreifender Netzwerke.“ Das ist kein einfacher Satz. Aber in der Analyse ist er richtig.

„Diese Forschungseinrichtungen erhalten keine Grundfinanzierung.“ Sie wollen diese im Übrigen auch nicht. „Sie sind aber ein wichtiger Bestandteil der sächsischen Wissenschaftslandschaft und eine wesentliche Voraussetzung für die Weiterentwicklung der sächsischen Wirtschaft. Um ihren Bestand und ihre Fortentwicklung zu sichern, ist zu prüfen, ob aus Landesmitteln und Eigenkapital zusätzliche Fördermöglichkeiten für Forschungsinfrastruktur sowie eine Beteiligung an Forschungsprojekten bestehen. Darüber hinaus sind auch die gewerblichen Industrieforschungseinrichtungen wichtige Akteure des Innovationssystems und Partner bzw. Dienstleister kleiner und mittlerer Unternehmen in Sachsen.“

Sie sehen, genau an diese Debatte knüpfen wir mit dem heutigen Antrag an. Manchmal braucht es im parlamentarischen Verfahren etwas Anlauf. Aber uns ist es in der Großen Koalition gemeinsam gelungen, diese Analyse und Entschließung ins Ziel zu bringen. Im Doppelhaushalt 2017/2018 sind auf Initiative von CDU und SPD 7 Millionen Euro im SMWA-Haushalt für investive Zuschüsse an die Sächsischen Industrieforschungseinrichtungen eingestellt worden.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Da kann man sich schon einmal freuen.

Damit dieses Geld abfließen kann, bedarf es eines Konzeptes und einer neuen Förderrichtlinie. Hieran arbeitet das Haus von Wirtschaftsminister Martin Dulig bereits intensiv. Schließlich muss sich eine solche neue Förder

richtlinie in die bestehende Förderkulisse einpassen. So bestehen mit INNO-KOM, der GRW-Förderung und zum Teil auch der SMWK-Förderrichtlinie InfraPro mindestens drei Fördertöpfe in diesem Investitionsbereich. Die neue Richtlinie muss also zum einen Passfähigkeit herstellen und zum anderen EU-Beihilfe-rechtskonform sein. Die Förderung darf also nachweislich weder den Wettbewerb der privaten Wirtschaft verzerren noch sollten wir – und daran haben wir, glaube ich, gemeinsam ein Interesse – Landesgeld für Investitionen einstellen, die besser Bund oder EU fördern oder sogar bereits abdecken. Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben wir in diesen Antrag Punkt II aufgenommen, um dies öffentlich darzulegen und transparent zu machen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ziel unserer Initiativen ist es, in dem breiten Feld der Innovationen in Sachsen mit den verschiedenen Einrichtungen, sei es die Fraunhofer-Gesellschaft, die Hochschulen für angewandte Wissenschaften oder auch die jüngst von der Koalition gestärkte Berufsakademie Sachsen, Innovation nicht nur groß zu schreiben, sondern auch groß zu machen. Genau dazu wird die zukünftige Förderrichtlinie beitragen. Wir gehen als SPD-Fraktion davon aus, dass diese nun zeitnah erlassen wird, damit die Mittel umgehend abfließen können.

Da wir alle gemeinsam ein Interesse daran haben, bitte ich Sie um Zustimmung zu diesem Antrag.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Die Linksfraktion, Frau Dr. Pinka, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei dem vorliegenden Antrag handelt es sich um einen der typischen Koalitionsanträge.

(Zuruf von der CDU: Gut, nicht?)

CDU und SPD bitten die Staatsregierung um einen Bericht, warten das Ergebnis des Berichtes aber nicht ab.

Wozu also der Antrag? Nach eigenen Vorschlägen der Koalitionäre, über die wir hier diskutieren könnten, hält man vergeblich Ausschau. Warum warten wir nicht ab, bis der Wirtschaftsminister seinen Bericht vorlegt, und diskutieren dann auf der Grundlage des Berichts über die externe Industrieforschung?

Offensichtlich geht es CDU und SPD nicht um eine Debatte im Parlament, sondern lediglich darum, dem Wirtschaftsminister eine Gelegenheit zu bieten, sich über die Aktivitäten auf dem Gebiet der außeruniversitären Forschung ausbreiten zu können.

Die Koalition tut so, als ob sie per Überschrift dieser Regierung einen Handlungsauftrag für die verbleibende Zeit mitgeben will. Aber weit gefehlt. Ich lese da, man solle berichten und man solle darstellen, dass... Nur was,

ist hier die Frage. Es liegen keine schriftlichen Berichte vor. Das heißt, Sie wollen sich heute mündlich berichten lassen. Eine Stellungnahme der Staatsregierung oder einen schriftlichen Bericht wollten Sie offensichtlich nicht einfordern. Diese hätten die SPD-geführten Wirtschafts- und Wissenschaftsministerien vielleicht nach Antragspunkt I.1 vorlegen können. Dann hätten wir alle etwas davon gehabt.

Den Beitrag der gemeinnützigen wirtschaftsnahen externen Industrieforschungseinrichtungen kennt dagegen sogar schon die Opposition eine geraume Zeit. Darüber braucht die Regierung den Landtag keinesfalls aufzuklären. Ich darf daher aus der abschließenden Diskussion der Ergebnisse der Enquete-Kommission „Strategien für eine zukunftsorientierte Technologie- und Innovationspolitik im Freistaat Sachsen“ vom 15. Mai 2013 und aus unserem gemeinsamen Minderheitenvotum, Herr Kollege Mann, nämlich dem der SPD, der GRÜNEN und der LINKEN, zitieren: „Wir sind im Unterschied zu Ihnen“ – das war die damalige Koalition aus CDU und FDP – „auch der Meinung, dass die wirtschaftsnahen Institutionen, die sächsischen Industrieforschungseinrichtungen oder unsere Technologie-Gründerzentren tatsächlich in die Lage versetzt werden müssen, die Schnittstellen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft ausfüllen zu können, um zum Beispiel auch zukünftige Gründer und Jungunternehmer inhaltlich zu begleiten und zu fördern.

Deshalb müssen wir zunächst verinnerlichen, Industrieforschungseinrichtungen bzw. Forschungs-GmbHs als Alleinstellungsmerkmal für Sachsen zu begreifen und sie als Standortvorteil entsprechend zu bewerben, dass wir konkrete Schritte zur Förderung der Forschungsinfrastruktur externer Industrieforschungseinrichtungen einleiten und sie auch bei der Anschaffung von Versuchsanlagen, Labor- und Prüfgeräten sowie bei der Erhaltung der Immobilien künftig unterstützen müssen. Ähnliches kann ich für die Technologie- und Gründerzentren im Freistaat formulieren. Wir müssen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass diese Einrichtungen qualifiziertes Personal dauerhaft binden und finanzieren können. Andernfalls bleiben im Freistaat Sachsen nicht einmal eine Handvoll Einrichtungen übrig, die diesen Anforderungen nach dem derzeitigen Stand der Dinge überhaupt gerecht werden können.“

Sie hätten der Regierung wie unter I.1 Zeit geben können, um die Einwerbung von Forschungsgeldern schwarz auf weiß auf einem Schriftstück darzulegen.

Die Unsinnigkeit eines als prioritär bezeichneten Antrages setzt sich leider in den Punkten II und III fort. Sie fordern eine Übersicht über Förderprogramme. Das kann man machen. Das geht aber auch mit einer Kleinen Anfrage. Sie fordern die Stärkung und Sicherstellung der Einrichtungen, aber nennen weder das Wie noch das Wann. Ob Ihre Brosamen von 7 Millionen Euro im Doppelhaushalt für Investitionszuschüsse tatsächlich ausreichen, kann ob eines fehlenden Berichtes hier überhaupt niemand einschätzen.

(Stephan Hösl, CDU: Doch …!)

Nach den Pressemitteilungen von Frau Ministerin Dr. Stange und Herrn Minister Dulig vom 25. August 2017 steigen zwar 2015 die Ausgaben für Forschung und Entwicklung in sächsischen Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Unternehmen in Sachsen auf erstmals insgesamt über 3 Milliarden Euro pro Jahr, aber nur 1,3 Milliarden Euro entfallen auf die sächsische Wirtschaft.