Protokoll der Sitzung vom 13.12.2017

Auf Frau Kollegin Pfau, Fraktion DIE LINKE, folgt jetzt für die CDU-Fraktion Herr Modschiedler.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Antrag wird die Forderung aufgestellt, die Kinderrechte in das Grundgesetz, also in unsere bundesdeutsche Verfassung aufzunehmen. Also soll die Bundesregierung Vorschläge machen, wie die Rechtsstellung und das Schutzbedürfnis der Kinder klarer zum Ausdruck gebracht werden können. So schreibt der Antrag. Dazu meine Frage: Wo fehlt im Grundgesetz die Rechtsstellung der Kinder und wo muss das Schutzbedürfnis speziell der Kinder klarer – so der Antrag – zum Ausdruck gebracht werden? Dazu gibt der Antrag, wenn man sich das vor Augen führt, gar keine Antwort. Es wird nur allgemein darauf hingewiesen, dass man das tun soll. Die Änderungen im Grundgesetz müssen übrigens durch den Bundestag erfolgen. Eine Änderung der Sächsischen Verfassung wollen wir, das haben wir uns immer zur Prämisse gemacht, mit Bedacht vornehmen.

Das Grundgesetz ist unser großer Rahmen. Das sind die „zehn Gebote“, die wir uns als Deutsche gegeben haben. Das sind Freiheitsrechte, Gleichheitsrechte und das sind die Rechte und Pflichten der Menschen. Das sind alles Punkte, Frau Pfau, die Sie für die Kinder angesprochen haben. Das sind nämlich Jedermannsrechte und sie gelten für alle, Kinder, Alte jeglicher Couleur. Diese Rechte sind, wenn Sie das konsequent umgekehrt subsumieren, allesamt auch Kinderrechte. Sie sind im Grundgesetz enthalten. Die Kinder sind jetzt schon Grundrechtsträger. Sie sind wie alle Bürgerinnen und Bürger mit diesen Grundrechten ausgestattet. Für wen wollen Sie also noch etwas klarstellen? Was hier begehrt wird, ist, zumindest auf den ersten Blick, eine Symbolpolitik und vom Grundsatz her völlig nachvollziehbar, und ich finde sie auch richtig. Nur, und das ist meine Auffassung, gehört sie nicht ins Grundgesetz. Das Grundgesetz muss dort diese

Stellung nicht erläutern. Dafür ist meiner Ansicht nach der Grundgesetz nicht der richtige Ort.

(Klaus Bartl, DIE LINKE, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Die Forderung, die Sie aufstellen, kann man einfachgesetzlich regeln.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Kollege Bartl nähert sich mit einem gewaltigen Buch.

Die erste Hälfte ist geschafft, Herr Bartl. Herzlichen Dank.

(Heiterkeit bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Präsident. Vielen Dank, Herr Kollege Modschiedler. Meinen Sie, dass wir seinerzeit gefehlt haben, als wir Kinderrechte in die Sächsische Verfassung geschrieben haben? Expressis verbis in Artikel 9. War der Kinder- und Jugendschutz überflüssig oder war es ein Fehler, dass wir es in die Sächsische Verfassung aufgenommen haben, Herr Kollege?

Danke schön.

(Beifall bei den LINKEN)

Herr Bartl, zur Erläuterung. Wir beide haben unterschiedliche Auffassungen, was man in eine Verfassung reinschreibt. Das machen wir regelmäßig wieder, es macht auch Spaß, nur leider ist es heute schon ein bisschen spät. Ich bin nicht dafür, deklaratorisch alles in eine Verfassung zu packen, sondern ich bin ein Rahmengesetzgeber, der sagt, das Grundrecht ist ein Jedermannsrecht und dort ist alles drin, und ich muss nicht noch Weiteres erläutern. Wenn ich das Weitere erläutere – dazu komme ich gleich –, kriegen wir ein anderes Problem. Dazu werde ich gleich etwas ausführen. Sie können es reinschreiben, ich hätte es nicht getan, aber es ist nicht falsch. Okay?

Die gesamte CDU hat zugestimmt. Immerhin.

Das ist ja auch schön. Es ändert aber nichts an der Tatsache, dass wir unterschiedlicher Auffassung sein können und Unterschiedliches in ein Grundrecht packen wollen. Gut.

Also. Schauen wir uns einmal die Intention des Antragstellers an, wie ich sie verstehe.

Wenn wir das Grundgesetz jetzt ändern, dann immer auch die Rechte für alle Bürger. Wenn wir speziell die Kinder noch einmal klarer zum Ausdruck bringen wollen – das

war die Intention –, was die bestehenden Grundrechte für uns bedeuten, dann verlassen wir, Herr Bartl, das ist meine Auffassung, den Sinn und Zweck des Grundgesetzes und beginnen mit einer Einzelfallregelung, also mit einer deklaratorischen Einzelfallerläuterung.

Dann müsste Gleiches und Ähnliches für alle Personen und auch für alle Altersgruppen im Grundgesetz wiederum klarer zum Ausdruck gebracht werden. Wenn nicht, dann werden ja – in Ihrem Antrag findet sich dazu nichts – wieder verschiedene Gruppen benachteiligt, weil ich einen Teil konkret nenne und den anderen Teil nenne ich wiederum nicht mehr.

Es war der Sinn der Verfassungsväter, genau das nicht zu tun. Das ist doch aber nicht die Intention Ihres Antrags. Wollen Sie irgendjemanden benachteiligen? Das kann ich mir bei Ihnen nicht vorstellen.

Also. Gehen wir noch einmal einen Schritt weiter. Mit der dem Antrag zugrunde liegenden Intention würden wir uns aufschwingen, einen Rahmen dafür festzulegen, was die bestehenden Grundrechte für die Kinder zu bedeuten haben. Wir würden damit diese Rechte in ein enges Korsett zwängen, also Einzelfallregelungen treffen, und dadurch letztlich wieder beschneiden.

Wir würden aber auch unweigerlich – das ist ein großes Problem – die Balance im Zusammenspiel der Rechte der Kinder und der Rechte der Familie aus dem Gleichgewicht bringen und die Rechte der Familie damit auch noch beschränken. Das wollen wir doch gar nicht.

Uns sind unsere Grundrechte so wertvoll und es ist uns auch so wichtig, dass wir diese nicht mutwillig oder auch fahrlässig oder auf die Schnelle verantwortungslos beschränken. Damit würden wir sie auch entwerten.

In der Justizministerkonferenz – Frau Pfau, Sie hatten es angesprochen – vom 17. November 2016 haben sich die Justizminister dafür ausgesprochen. Sie wollten prüfen, ob, wie und wo die Kinderrechte verankert werden sollen und können. Das Ergebnis des Prüfauftrags haben wir noch gar nicht. Es gibt eine Arbeitsgruppe. Ich würde vorschlagen, dass wir erst einmal das Ergebnis dieser Arbeitsgruppe abwarten und dann mit Bedacht an das Ergebnis herangehen und dieses erörtern.

Die Kinder und ihre Rechte sind uns zu wichtig, als sie dadurch zu entwerten, dass man schnell einmal ein grundsätzlich bestehendes Verhältnis klarer stellen will. Das steht im Antrag. Ich möchte es einfach nur klarer stellen. Das Gegenteil von gut gemeint ist – und gut gemeint ist es –, dass es nicht gut gemacht ist.

Wir stehen zu den im Grundgesetz verankerten Grundrechten unserer Kinder, die bereits vorhanden sind. Deswegen werden wir diesem Antrag gerade aus dem Respekt heraus vor den Grundrechten der Kinder nicht zustimmen.

Herzlichen Dank.

(Einzelbeifall bei der CDU)

Auf Kollegen

Modschiedler folgt jetzt Frau Kollegin Pfeil-Zabel.

(Klaus Bartl, DIE LINKE, tritt an ein Saalmikrofon.)

Oh, Entschuldigung, Frau Kollegin Pfeil-Zabel. Ich sehe gerade, es deutet sich eine Kurzintervention an. Bitte.

Vielen Dank, Herr Präsident. Ich habe einfach auf Herrn Kollegen Modschiedler und auf dessen Beitrag insoweit zu erwidern, dass in dem Antrag ganz klar gesagt wird, worum es uns geht, nebenbei bemerkt auch den Ländern, die es in den Bundesrat eingebracht haben, die sich dabei auch etwas gedacht haben.

Es geht darum, es in der Verfassung endlich einmal voneinander zu entkoppeln, dass Kinder gewissermaßen nur über Eltern oder über Erziehungsrechtsträger geschützt werden, und Kinder mit eigenen originären Rechten in die Verfassung aufzunehmen. Das ist letzten Endes Sinn und Zweck der Regelung. Es ist auch das Regelungsziel, das die Länder, die es in den Bundesrat eingebracht haben, beschreiben.

Es ist zumindest einen Disput wert, dass sich die Rechte von Kindern wie vor 30, 40, 50 Jahren nur davon ableiten, was Eltern gestatten oder was ihnen andere Erziehungsträger zugestehen. Sie haben originäre, eigene Rechte. Das hat auch die UNO mit der Kinderrechtskonvention festgestellt. Da wir der UNO angehören, sind wir in der Umsetzung eigentlich in der Pflicht, etwas zu tun.

Mitnichten können wir sagen, ich habe keinen Geschmack dafür und es ist nicht unbedingt mein Ansatz, sondern wir sind eigentlich in der Pflicht, die UNO-Kinderrechtskonvention umzusetzen – endlich, nachdem schon zwei Jahrzehnte ins Land gegangen sind.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Das war die Kurzintervention. – Kollege Modschiedler.

Schade, dass ich mich wiederholen muss. Ich sagte gerade, dass es sich um Jedermannsrechte handelt, dass es eine Balance gibt, dass sich unsere Verfassungsväter – ich sage auch Verfassungsmütter; ja, ich habe dazugelernt, Frau Kollegin –

(Sabine Friedel, SPD: Danke!)

weitreichende Gedanken gemacht haben und dass unser Grundgesetz genau das hergibt. Dass man andere Sachen noch zusätzlich hineinschreiben kann, ist klar. Aber zu behaupten, dass wir eine Menschenrechtskonvention hätten, aber für die Kinder nichts täten und dass das Grundgesetz das nicht hergäbe, ist schlichtweg falsch.

(Einzelbeifall bei der CDU)

Jetzt geht es weiter. Frau Kollegin Pfeil-Zabel, Sie können jetzt sprechen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich gebe zu, der Antrag der Fraktion der LINKEN macht es mir heute nicht ganz leicht und wahrscheinlich hätte ich es besser den Juristen überlassen sollen. Ich gebe ganz ehrlich zu, auch ich bin der Meinung, wir müssen Kinderrechte stärken. Es ist auch mir eine Herzensangelegenheit.

Ja, auch ich bin der Meinung, dass das Land Sachsen eine Bundesratsinitiative für eine Ergänzung des Grundgesetzes unterstützen oder gar selbst ergreifen sollte.

Auch ich sehe die Notwendigkeit, das Recht eines jeden Kindes auf Förderung seiner Entwicklung im Grundgesetz zu verankern.

Auch ich bin der Meinung, dass die besondere Berücksichtigung des Kindeswohls beim Handeln des Staates und die Beachtung des kindlichen Willens bei allen Belangen, die es betreffen, sichergestellt werden muss.

Richtig ist – Herr Modschiedler ist darauf eingegangen –, dass im Grundgesetz bereits einige Aussagen über Kinder zu finden sind. In Artikel 6 wird geregelt, wer verpflichtet ist, für die Erziehung Sorge zu tragen, wann sie ihm entzogen wird, wenn er versagt hat, und dass Kinder unabhängig vom Familienstand ihrer Eltern die gleichen Bedingungen für ihre Entwicklung erhalten sollen.