Richtig ist – Herr Modschiedler ist darauf eingegangen –, dass im Grundgesetz bereits einige Aussagen über Kinder zu finden sind. In Artikel 6 wird geregelt, wer verpflichtet ist, für die Erziehung Sorge zu tragen, wann sie ihm entzogen wird, wenn er versagt hat, und dass Kinder unabhängig vom Familienstand ihrer Eltern die gleichen Bedingungen für ihre Entwicklung erhalten sollen.
Genau das ist es aber eben, was nicht ausreicht. Inzwischen sind in 14 von 16 Landesverfassungen Kinderrechte verankert worden. Im Jahr 2014 hat sich die Familienministerkonferenz dafür ausgesprochen, im Jahr 2016 – Herr Modschiedler hat es gesagt – die Justizministerkonferenz der Länder. Im April 2017 gab es die Initiative von NRW, jetzt erst wieder aus Brandenburg, Berlin, Bremen und Thüringen.
Die Zustimmung für dieses Vorgehen – das müssen wir doch alle sehen; das ist schon lange keine Einzelmeinung mehr – ist sehr groß. Ich frage mich doch schon, welche Argumente denn tatsächlich dagegen sprechen.
Oft hört man in den Debatten, die Elternrechte seien in Gefahr und es gebe zu viele Eingriffsrechte in die familiäre Souveränität. Das ist ganz ehrlich ein Argument, das verfängt nicht bei mir; denn wer, wenn nicht der Staat, ist denn im Zweifel der Anwalt der Kinder? Es darf doch nicht die reine Sicherung des Beziehungsgefüges über dem Wohl des einzelnen Kindes stehen.
Kollege Modschiedler, eine Frage trotzdem: Es geht um ein Jedermannsrecht – darauf sind Sie eingegangen. Wer war denn einmal nicht Kind oder ist Kind? Das ist doch eigentlich jeder Mann oder jede Frau. Darüber kann man mit mir gerne noch einmal juristisch diskutieren, aber das verfängt bei mir auch an dieser Stelle nicht.
In unserem Grundgesetz muss ein Platz zu finden sein, der die Rechte von Kindern sichert und sie als Individuen in den Mittelpunkt rückt. Sie haben ein Recht auf freie Entwicklung, sicheres und gefahrfreies Aufwachsen und tatsächliche Beteiligung.
Klar gehört zu den Kinderrechten der Schutz vor Gewalt und vor Vernachlässigung, aber auch das Recht des Kindes, seine Meinung angemessen und entsprechend seinem Alter zu äußern. An dieser Stelle muss man sagen, haben auch die Koalitionsfraktionen im Bereich der Kommunalgesetzesnovelle ganz klar gesagt, wir wollen die Kinder- und Jugendbeteiligung stärken, eben auch mit diesem Hintergedanken, dass wir sagen, Kinderrechte sind uns an dieser Stelle wichtig. Kinder sollen beteiligt werden.
Im Alltag werden Kinder jedoch immer noch auf vielfältige Weise benachteiligt. Um das zu verhindern, müssen Kinder als eigenständige Persönlichkeiten gestärkt und an gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen beteiligt
werden. Dabei geht es eben nicht nur um das bloße Zuhören. Es geht um das Anhören und auch um das Ernstnehmen.
Im Grundgesetz verankerte Kinderrechte stärken die Rechte und Interessen von Kindern gegenüber dem Staat und, ja, auch die Interessen der Kinder gegenüber den Eltern. Das ist auch der Kern der Debatte. Kinder sind eben nicht nur Objekte, die geschützt werden müssen, um die sich gekümmert werden muss oder für die gesorgt werden muss, nein, sie sind auch handelnde Subjekte, die ihre Persönlichkeit entfalten und teilhaben wollen.
Klar ist für uns auch: Mit der Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz werden wir ad hoc nicht ändern – Kollegin Pfau ist schon darauf eingegangen –, dass 21 % der Kinder in Deutschland in Armut leben. Wir werden damit auch leider nicht verhindern können, dass allein zum Beispiel im Jahr 2016 14 000 Kinder Opfer von sexueller Gewalt geworden sind. Wir werden damit auch nicht ändern, dass ca. 6 % die Schule ohne Abschluss verlassen.
Diese Debatte, die wir heute führen, 25 Jahre nach Verabschiedung der UN-Kinderrechtskonvention, zeigt, dass wir ganz dringend mehr als nur eine gesellschaftliche Debatte über Kinderrechte brauchen. Diese wurde und wird geführt in den Ländern, in den Verbänden. Hier in Sachsen fehlt uns bisher dafür – vielleicht ändert es sich bald, hoffe ich, nach dem Vorliegen der Ergebnisse – die politische Mehrheit.
Als SPD-Fraktion haben wir bereits auch um Mehrheiten für das uns wichtige Thema geworben, bislang ohne Erfolg. So verbleiben ich und meine Fraktion heute mit der verbalen Unterstützung. Wir halten uns an dieser Stelle natürlich an die Regeln einer fairen Arbeit in der Koalition, die das gemeinsame politische Agieren zu Recht für sich vereinbart hat. Wir werden den Antrag daher ablehnen.
besonderem Maße für unsere Kinder einsetzen, werden wir Ihren Antrag, werte Linksfraktion, ablehnen, und zwar deshalb, weil es Ihren Antrag nicht braucht und wir damit vermutlich auch die Büchse der Pandora öffnen würden; denn Sie würden in der Folge mit Sicherheit versuchen, auch weitere Rechte unterzubringen, so zum Beispiel die Seniorenrechte, vielleicht Politikerrechte, und wer weiß, was sonst noch alles kommen würde. Aber ich sage Ihnen klar und deutlich: Dafür ist das Grundgesetz nicht ausgelegt bzw. nicht ausgelegt worden.
Fakt ist: Das Grundgesetz regelt doch die Rechte aller Menschen in Deutschland, ergo auch die Kinderrechte.
(Gegenruf von André Barth, AfD, an Susanne Schaper, DIE LINKE: Das ist absoluter Quatsch! Nicht immer Blödsinn erzählen!)
Sind unsere Kinder bei der Familie nicht dabei? Sind Kinder keine Menschen gemäß unserem Grundgesetz? Was soll denn diese unlogische Differenzierung zwischen Menschen und Kindern?
Kinderrechte sind doch beispielsweise extra in der UNKinderrechtskonvention, die übrigens in Deutschland ratifiziert worden ist, enthalten.
Diese Rechte umfassen beispielsweise den Schutz vor Gewalt und sexuellem Missbrauch, den Schutz der Privatsphäre und das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard. Wenn Sie in diese UN-Kinderrechtskonvention schauen, werden Sie feststellen, dass dort genau 69 Punkte aufgelistet sind, die sich mit dem Schutz unserer Kinder befassen.
Welches Recht würde sich der Staat herausnehmen dürfen und damit die Eltern unter Umständen entmündigen, wenn wir Ihrem Antrag zustimmten? Der Staat kann doch nicht den Eltern die Fähigkeit absprechen, selbst zu entscheiden, was gut für ihr Kind ist. Die schwarzen Schafe, die Kinder verwahrlosen lassen, sie misshandeln oder ihnen Nahrung vorenthalten, haben mit rechtlichen Konsequenzen zu rechnen; um sie kümmert sich das Jugendamt und die Staatsanwaltschaft, und das ist gut so.
Ich fasse zusammen: Ihr Antrag ist gut gemeint, aber unnötig. Deshalb werden wir diesen Antrag ablehnen. Es gibt bereits rechtliche Rahmenbedingungen, beispielswei
se das Grundgesetz, die UN-Kinderrechtskonvention, das SGB VIII und das Strafgesetzbuch. Auch wenn wir Ihren Antrag ablehnen, dürfte mittlerweile jedem bekannt sein, dass die AfD zu den kinderfreundlichsten Parteien in Deutschland gehört.
Deshalb bringen wir am morgigen Tag einen Antrag mit dem Titel „Für ein geburtenfreundliches Sachsen – Wohnortnahe Geburtshilfe sichern“ ein. Das sind Anträge, die unser Land braucht.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Bereits 1992 hat Deutschland die UN-Kinderrechtskonvention unterzeichnet und sich damit eben auch verpflichtet, diese konsequent umzusetzen. Deswegen zielt ja auch der Antrag der LINKEN genau in die richtige Richtung. Es wird in der Tat endlich Zeit, nach 25 Jahren die Kinderrechte auch im Grundgesetz zu verankern.
Auch wir GRÜNE haben dieses Thema schon seit vielen Jahren auf unserer Agenda. Bereits 2012 hat die grüne Bundestagsfraktion einen entsprechenden Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht. Die aktuelle Bundesratsinitiative wird von den GRÜNEN in Regierungsverantwortung genauso vorangetrieben, wie wir sie sozusagen aus der Opposition heraus unterstützen. Wir haben in unserem Bundestagswahlprogramm fest verankert, dass die Kinderrechte ins Grundgesetz gehören. Ja, Herr Modschiedler, auch bei den Sondierungsverhandlungen zwischen CDU, FPD und GRÜNEN waren die Kinderrechte Thema und sind dort verhandelt worden.
Auch hier im Sächsischen Landtag haben wir GRÜNE in der letzten Legislaturperiode für die Ausweitung der Kinderrechte in der Sächsischen Verfassung gekämpft; denn wenn es um Kinderrechte geht, dann stehen in Sachsen zumeist die Schutzrechte und die Fürsorge im Vordergrund und eben nicht die Beteiligung und die Partizipation, auf die es ankommt und die eine wichtige Rolle spielen. Das soll sich und das muss sich ändern.
Richtig ist natürlich, dass mit der Ratifizierung der UNKinderrechtskonvention bereits einiges bewirkt wurde, zum Beispiel bei der Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe, zum Beispiel durch die Diskussion um Beschwerdemöglichkeiten oder durch die Einführung des Rechts auf gewaltfreie Erziehung oder im Familienrecht durch ein Recht auf beide Eltern nach Trennung, egal, ob sie verheiratet sind oder nicht.
Dennoch ist auf Bundesebene eine gesetzliche Verankerung längst überfällig; denn bis heute können Kinderrech
te in Deutschland nicht ihre volle Wirkung entfalten, weil es bei politischen Entscheidungen, die über Kinder- und Familienpolitik hinausgehen, oftmals ein Lippenbekenntnis der Erwachsenen bleibt, solange die Verbindlichkeit fehlt. Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes hat Deutschland zuletzt 2014 im Staatenbericht hinsichtlich dieses Punktes ganz klar kritisiert. Sie sagen nämlich, dass es eine ganzheitliche Kinderpolitik in Deutschland braucht, so wie es in anderen Ländern gang und gäbe ist. Deswegen sind wir GRÜNE auch davon überzeugt, dass Deutschland in der Pflicht ist, bei politischen Entscheidungen, die das Leben von Minderjährigen unmittelbar betreffen, die Kinderrechte mehr als bisher zu berücksichtigen. Ich möchte das noch einmal an drei Punkten deutlich machen.
In Artikel 12 der UN-Kinderrechtskonvention heißt es, dass Kinder bei politischen Entscheidungen in geeigneten Formaten beteiligt werden müssen. Wenn wir uns gerade hier in Sachsen umschauen, dann sind diese Mitwirkungsrechte angesichts der Demokratiedefizite mehr als notwendig. Morgen werden wir den Sachsenmonitor hier noch einmal etwas ausführlicher debattieren. Aber wenn ich dort auf die Ergebnisse der unter 30-Jährigen schaue, dann ist es wirklich ein gefährlicher Mix aus Unkenntnis über politische Prozesse einerseits und andererseits einer hohen Skepsis gegenüber Parteien, aber eben auch eine von rechts dominierte Jugendkultur.
Deswegen ist es so wichtig, dass politische Bildung hier vorangetrieben wird. Dabei ist es wichtig, die Kinder und Jugendlichen zu beteiligen, weil Demokratie von Beteiligung, von Mitmachen lebt, egal, ob es um alte oder um junge Menschen geht, egal, ob um Groß oder Klein.
Aber kommen wir zu einem weiteren Aspekt. In den Artikeln 10, 22 und 38 ist fest verankert, dass im Ausländer- und Asylrecht das Recht auf Kindeswohl mehr als bisher berücksichtigt werden muss. Das betrifft zum einen die Entscheidung über die Abschiebung. Kinder müssen vor Ausbeutung und Gewalt in ihrem Herkunftsland geschützt werden. Zum anderen müssen sie nach ihrer Flucht nach Deutschland hier gut versorgt und betreut werden. Das heißt, Kitas und Schulen müssen für geflüchtete Kinder, unabhängig von ihrem Asylstatus, offenstehen.
Das Nächste ist mir besonders wichtig: Bei getrennten Familien ist die Familienzusammenführung im Sinne des Kindes zu fördern, eben nicht so, wie es aktuell der neue Ministerpräsident macht, indem er dem eine klare Absage erteilt. Wir GRÜNE stehen da ganz fest für die Familienzusammenführung.
Ein letzter Punkt, den Frau Pfau schon angesprochen hat: Das Recht auf Leistungen der sozialen Sicherheit bedeutet eben auch einen besseren Schutz vor Armut der Kinder. Deswegen noch einmal ganz klar: Wir werden als GRÜNE den hiesigen Antrag der LINKEN unterstützen, und diejenigen GRÜNEN, die in Regierungsverantwortung sind, werden dieses Anliegen im Bundesrat vorantreiben.
Jetzt sehe ich, dass es noch Redebedarf bei Frau Kollegin Dr. Muster gibt, einer fraktionslosen Abgeordneten. – Bitte, Sie haben das Wort.