Jetzt sehe ich, dass es noch Redebedarf bei Frau Kollegin Dr. Muster gibt, einer fraktionslosen Abgeordneten. – Bitte, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die fraktionslosen Abgeordneten der blauen Partei werden den Antrag der LINKEN ablehnen. Die Kinderrechte sollen mit dem heutigen Antrag im Grundgesetz verankert werden. Einen ähnlichen Antrag hatten die LINKEN bereits zu Anfang der Legislaturperiode eingebracht, 2015. Er war dann im Ausschuss versackt.
Kinderrechte im Grundgesetz sind immer mal wieder Thema; ich möchte nur die letzten Vorstöße aufnehmen. Im März 2017 hat Nordrhein-Westfalen eine Bundesratsinitiative gestartet. NRW lieferte allerdings einen konkreten Wortlaut für eine Grundgesetzänderung.
Im November 2017 hat das Land Brandenburg einen Entschließungsantrag in den Bundesrat eingebracht. Genau diesen nebulösen Entschließungsantrag aus Brandenburg haben unsere sächsischen LINKEN jetzt aufgenommen und wiederholt. Der Wortlaut einer Verfassungsänderung ist diesem Antrag nicht zu entnehmen. Er wurde nicht vorgelegt. Sie haben lediglich darauf hingewiesen, dass der Bundesrat den Bundestag doch beauftragen soll oder ersuchen möchte, einen Wortlaut der Verfassungsänderung vorzulegen.
Sehr geehrte LINKE, das verwundert mich. Warum haben Sie keinen Gesetzestext für eine Verfassungsänderung vorgelegt, und warum haben Sie nicht einfach Ihre Kollegen von den LINKEN in der Bundestagsfraktion gebeten, einen Text vorzulegen? Für mich ist dieser nebulöse Antrag eine bloße Absichtserklärung, aber kein politisches Handeln.
Für die blaue Partei gibt es einen weiteren wichtigen Punkt, den ich betonen möchte. Die heutigen Regelungen im Grundgesetz sind völlig ausreichend. Herr Modschiedler hat das illustriert, André Wendt hat das illustriert. Ich möchte das bekräftigen. Das Grundgesetz ist das Fundament unserer staatlichen Ordnung. Es muss kurz und knapp gehalten werden. Die Grundrechte, speziell Artikel 1 bis 19 sind Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat.
Es geht nicht um Leistung. Dieser Antrag aber formuliert zusätzliche Ansprüche und zusätzliche positive Rechte zugunsten der Kinder und keine Abwehrrechte. Solche positiven Rechte werden klassisch in einfachen Gesetzen formuliert. Zunächst in § 1631 Abs. 2 BGB: Kinder haben einen Anspruch auf gewaltfreie Erziehung.
Es ist ebenfalls unstreitig: Unsere Kinder müssen vor Gewalt, Vernachlässigung, Ausbeutung, aber auch vor Kinderehen durch unsere Gesetze geschützt werden. Dafür brauchen wir aber keine Grundgesetzänderung. Das
originäre Erziehungsrecht liegt nach Artikel 6 Abs. 2 bei den Eltern, auch wenn manche Kollegen der LINKEN es wohl gern dem Staat übertragen würden. Der Staat muss grundsätzlich davon ausgehen, dass die Eltern am besten wissen, was ihren Kindern guttut. Er kann nicht alle Eltern unter Generalverdacht stellen. Wir wollen keinen Staat, der sich weitreichend als Anwalt der Kinder gegen seine Eltern aufspielt. Wir halten an einer starken Betonung des Elternrechts fest. Die strengen Voraussetzungen für Eingriffe in dieses Recht sind von alters her in Artikel 6 Abs. 3 Grundgesetz geregelt.
Es ist ein Markenkern konservativer Politik, darauf immer wieder hinzuweisen. Die blaue Partei lehnt aus diesem Grund auch die gleichgeschlechtliche Ehe ab. Wir sind schon sehr gespannt, ob die neue sächsische Regierung dieses verfassungswidrige Bundesgesetz zur gleichgeschlechtlichen Ehe gerichtlich überprüfen lässt. Unser neuer Ministerpräsident hatte im Bundestag jedenfalls gegen dieses Gesetz gestimmt.
Die Erweiterung des Grundgesetzes um Kinderrechte ist unnötig. Heute sind es die Kinder, die eines besonderen Schutzes bedürfen und Sonderregelungen brauchen, morgen sind es vielleicht Jugendliche, Familien, Senioren, Alleinerziehende, Männer, Frauen oder Soldaten.
Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Die Verfassung, unser Grundgesetz unterscheidet als Rechtsträger – hören Sie bitte zu! – Menschen, jedermann und Bürger. Bei dieser Unterscheidung sollten wir es belassen. Sie hat sich bewährt.
Das war die letzte Rednerin aus den Reihen der Abgeordneten. Ich kann jedenfalls keinen Redebedarf mehr erkennen. Jetzt hat die Staatsregierung das Wort. – Entschuldigung, Herr Staatsminister. Die einbringende Fraktion möchte eine zweite Rederunde eröffnen. Bitte, Frau Kollegin Schaper.
Hier wird nicht gestöhnt! – Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach so viel – ich weiß nicht genau – haben Sie mich gezwungen, noch einmal an das Rednerpult zu kommen. Ich versuche, es jetzt noch einmal zu erklären.
Kollege Modschiedler, Ihnen soll ich einen schönen Gruß von Herrn Bartl sagen. Er würde zu Ihnen sagen, dass Sie eher ein beratungsresistenter Mandant seien.
Wer sich heute nicht mit den Erwachsenen von morgen beschäftigt, verspielt die Zukunft unserer Gesellschaft. Diese Feststellung haben wir im November 2016 getroffen, als der Landtag über die Ergebnisse unserer Großen Anfrage zur Kinderarmut debattiert hat.
Nicht einmal in diesem Bereich, in dem Kinderrechte offensichtlich bedroht sind, hat sich in Sachsen irgendetwas zum Positiven verändert. Aber das wundert mich nicht. Das Thema Kinderarmut wird immer heruntergespielt und gebetsmühlenartig behauptet, dass Erwerbstätigkeit oder die sozialen Sicherungssysteme vor Armut schützen würden. Das zeugt davon, dass Sie der Realität nicht wirklich entgegenstehen, geschweige denn, dass Sie irgendetwas verändern wollen. Sie fliehen immer wieder in die Ausrede, das geht nicht oder unsere Forderungen würden Geld kosten. Dahinter können Sie sich aber nicht länger verstecken. Wir sind gespannt, ob es das Kabinett Kretschmer schafft, das Thema Kinderarmut als Problem anzuerkennen.
Warum sage ich das? – Herr Modschiedler, jetzt kommen wir zu des Pudels Kern. Das ist derzeit die gravierendste Bedrohung für Kinderrechte. Kinderarmut ist gleichwohl nur ein Teil dessen, worum es geht. Mit unserem Antrag heute – meine Fraktionskollegin hat das schon ausgeführt – wollen wir Sie ermutigen, sich den Bundesländern Brandenburg, Berlin, Bremen und Thüringen anzuschließen. Die wollen Kinderrechte im Grundgesetz verankern.
Ich kann Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition und ganz besonders bezogen auf die Debatte im November letzten Jahres, Herrn Krauß beruhigen, der jetzt für Sie im Bundestag sitzt: Die Zustimmung zu unserem Antrag heute würde weder Land noch Bund Milliarden kosten. Die Zustimmung kostet Sie nur ein wenig Überwindung, Überwindung, einem Antrag zuzustimmen, der nicht die Parteilogos der beiden Regierungsfraktionen trägt, dessen Ziele die mitregierende SPD-Fraktion – wie schon ausgeführt – in den genannten Bundesländern aber durchaus unterstützt, Überwindung, einem Antrag zuzustimmen, der für die Kinder in Deutschland und auch in Sachsen elementar wichtig ist. Denn dieser Antrag wäre heute der erste Schritt in die richtige Richtung. Wir wollen staatliche Schutzpflichten für besonders Schutzbedürftige – das sind nämlich, jetzt passen Sie auf! Kinder – im Grundgesetz rechtsverbindlich verankern. Dann wären sie nur schwer revidierbar.
Zwar sind selbstverständlich in erster Linie die Eltern dafür verantwortlich, ihren Nachwuchs zu schützen und ihm zu helfen. Doch das darf nicht dazu führen, dass sich der Staat immer mehr der Verantwortung entzieht. Umgekehrt gilt selbstverständlich dasselbe. Um das zu veranschaulichen – da es Ihnen ja offenbar an Fantasie in diesem Bereich fehlt –, stelle ich Ihnen eine einfache Frage: Was kann ein Kind dafür, dass seine Eltern in
Armut leben, weil ihr Erwerbseinkommen oder die Sozialleistungen nicht für das Nötigste reichen? Ich denke, wir sind uns alle einig, dass ein Kind überhaupt nichts dafür kann, in welche Verhältnisse es hineingeboren wird.
Das, Herr Kollege, hat damit zu tun. Genau aus diesem Grund müssen Kinderrechte im Grundgesetz verankert werden – das steht in Ihrem Parteiprogramm –,
damit der Staat, der die soziale Verantwortung für die Eltern mit Hartz-IV-Gesetzgebung schon längst abgestreift hat, wenigstens Verantwortung für die Kinder übernimmt.
Und wenn Sie dem bisher Gesagten immer noch nicht folgen können, weil der Antrag von meiner Fraktion kommt, kann ich Ihnen noch abschließend ein Argument nennen, warum Sie diesem Antrag getrost zustimmen können. Vertrauen Sie doch einfach einmal derjenigen Organisation, die es am besten wissen muss, dem Deutschen Kinderhilfswerk. Mit seiner Pressemitteilung vom 12. Dezember 2017 fordert es mit dem Verweis auf die heutige Plenarsitzung und den Antrag unserer Fraktion klar und überzeugend – ich zitiere –: „Der Sächsische Landtag soll ein Signal für Kinderrechte setzen. Das Deutsche Kinderhilfswerk hofft, dass sich der Freistaat Sachsen in seiner morgigen Landtagssitzung der Bundesratsinitiative zur Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz anschließt. Die vom Land Brandenburg gestartete Initiative wird inzwischen auch von Berlin, Bremen und Thüringen mitgetragen. Sie fordert die künftige Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes vorzulegen, der die verfassungsrechtliche Verankerung von Kinderrechten vorsieht.“
Ich zitiere weiter: „Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Sie brauchen über die allgemeinen Grundrechte hinaus besondere Rechte. Alle Menschen durchlaufen das Kindesalter und benötigen in dieser Altersphase besondere Rechte, so wie sie in der UN-Kinderrechtskonvention normiert und von Deutschland mit Ratifizierung anerkannt wurden. Deshalb sollten die Kinderrechte auf Förderung, Schutz und Beteiligung sowie der Vorrang des Kindeswohls bei allem staatlichen Handeln im Grundgesetz festgeschrieben werden. Dies würde sich bei der Planung und Gestaltung in allen Politikfeldern positiv auswirken.“
Dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen. Geben Sie sich einen Ruck und damit der Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz eine wirkliche Chance.
Frau Kollegin Schaper hat für ihre Fraktion DIE LINKE eine zweite Rederunde eröffnet. Gibt es aus den Fraktionen weiteren Redebedarf? – Jetzt kann ich wirklich keinen erkennen. Jetzt kommt die Staatsregierung endgültig zu Wort. Bitte, Herr Kollege Staatsminister Gemkow.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Kinder sind besonders schutzwürdig, und ein behütetes Aufwachsen unserer Kinder legt den Grundstein für ihre Entwicklung und ist für ihr ganzes weiteres Leben prägend, letztlich wie keine andere Phase im Leben eines Menschen.
Hier liegt – das bringt auch das Grundgesetz in seinem Artikel 6 zum Ausdruck – nicht nur eine besondere Verantwortung bei den Eltern. Auch das gesamte Umfeld muss den besonderen Bedürfnissen unserer Kinder gerecht werden. Das betrifft Kindergärten, Schulen, Freizeiteinrichtungen, medizinische Einrichtungen,
Jugendämter oder auch Familiengerichte, um nur einige Beispiele zu nennen. Sie alle müssen sich in ihrer täglichen Arbeit damit auseinandersetzen, wie sie dem Wohl der in ihrer Obhut befindlichen Kinder am besten gerecht werden, wie sie ihre individuellen Entwicklungspotenziale fördern und wie sie auf ihre spezifischen Neigungen angemessen reagieren.
Es besteht kein Zweifel, dass hier der Staat in der Pflicht steht. Wir wollen einen starken Staat, der sicherstellt, dass Kinder vor Gewalt und Gefahren geschützt werden. Er muss letztlich der Garant dafür sein, dass alle Kinder gleiche Chancen auf eine gute Entwicklung, auf Gesundheit und auf Bildung haben.
Kinder sind die sensibelsten Glieder unserer Gesellschaft. Sie stehen deshalb unter dem besonderen Schutz nicht nur ihrer Eltern, sondern auch des Staates. Effektive gesetzliche Regelungen sind aus diesem Grund unabdingbar. Diese Regelungen müssen sicherstellen, dass die Interessen und Belange des Kindes nicht nur gehört werden, sondern dass ihnen bei allen Entscheidungen wesentliches Gewicht zukommt.
Wir sollten uns aber davor hüten, Regelungen zu schaffen, die lediglich als bloße Symbole taugen und nicht wirklich dem Wohl der Kinder dienen. Damit will ich nicht sagen, dass von einer Grundgesetzänderung nicht ein wichtiges Signal ausgehen kann. In Sachsen – es wurde schon in der Debatte angesprochen – haben wir dieses Signal im Artikel 9 unserer Verfassung längst gesetzt. Wir erkennen hier ausdrücklich an, dass jedes Kind schutzbedürftig ist und ein Recht auf eine gesunde seelische, geistige und körperliche Entwicklung hat.
Wir haben deshalb – auch das wurde schon angesprochen – auf der Herbstkonferenz der Justizministerinnen und Justizminister im letzten Jahr die Bedeutung der Kinderrechte und ihre normative Verankerung im Grundgesetz
erörtert. Wir haben uns dafür ausgesprochen, dass Kinderrechte in das Grundgesetz aufgenommen werden sollten, um die Rechtsstellung und das besondere Schutzbedürfnis von Kindern deutlich zum Ausdruck zu bringen. Deshalb haben wir gemeinsam mit der Jugend- und Familienministerkonferenz eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die die Aufnahme von Kinderrechten in das Grundgesetz prüfen soll.