Protokoll der Sitzung vom 31.01.2018

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es tut mir leid, meine Herren: Sowohl Herr Wippel als auch Herr Heidan haben ihre Kenntnisse über die Polizeiliche Kriminalstatistik vortrefflich verbergen können. Meinen herzlichen Glückwunsch zu dieser Tat! Fakt ist: Auch Sie, Herr Wippel, haben es nicht verstanden, ansonsten hätten Sie einmal nachgelesen

(Lachen bei der AfD)

und festgestellt, dass sich Herr Heidan zwar den falschen Bereich angeschaut hat, aber die Grundaussage, dass die Zahlen rückläufig waren, richtig war.

(Carsten Hütter, AfD: Dann ist es eine 4+!)

Die AfD, liebe Kolleginnen und Kollegen, suggeriert mit dem Antrag eine besondere Sorge um besonders durch Kriminalität belastete Wirtschaftsbetriebe; ich verweise auf den Titel. Wer den Antrag dann in der Substanz prüft, ist mehr als verwundert darüber, dass es um Wirtschaftsbetriebe in Grenznähe geht – und ausschließlich um diese. Wirtschaftsunternehmen bzw. Betriebsstätten außerhalb einer grenznahen Zone von 30 Kilometern fallen nicht in die beabsichtigte Förderung, die von der AfD begehrt wird.

Aber warum nicht? Ein Blick in die PKS – ich löse das Rätsel auf – zeigt ein deutliches Bild in der Kategorie – darauf kommt es an, Kollege Heidan – „Diebstahl unter erschwerenden Umständen in Haus, Dienstbüro, Fabrikations-, Werkstätten und Lagerräumen, geordnet nach Fallzahlen auf 100 000 Einwohner“. Es sieht folgendermaßen aus: Im Jahr 1995, von der AfD in Bezug genommene Landkreise Sächsische Schweiz–Osterzgebirge – zusammengefasst, denn damals gab es den Landkreis so noch nicht –: Platz 6, Mittelsachsen: Platz 7, Görlitz: Platz 10, Erzgebirge: Platz 12, Vogtland: Platz 13, also

mehr im hinteren Bereich. 13 Landkreise und kreisfreie Städte haben wir, und wenn 13 genannt ist, ist das der letzte Platz, also ganz hinten.

(Jörg Urban, AfD: Ist das jetzt in absoluten Zahlen?)

2016 zum Vergleich: Görlitz: Platz 5, Vogtland: Platz 9, Sächsische Schweiz–Osterzgebirge: Platz 10, Erzgebirge: Platz 11, Mittelsachsen: Platz 13 – ebenfalls wieder ganz hinten, zur Erklärung.

Ein vergleichbares Bild ergibt sich genauso in den Jahren dazwischen. Das heißt, im vorderen Bereich der Kriminalitätsbelastungen liegen – Kollege Heidan, Treffer! – andere Landkreise und kreisfreie Städte, vornehmlich die drei großen: Leipzig, Dresden und Chemnitz, in unterschiedlicher Reihenfolge, je nachdem, von Jahr zu Jahr – –

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

, Ja, Herr Präsident.

Bitte Ihre Zwischenfrage, Kollege Wippel.

Herr Kollege Stange, unabhängig davon – – Egal, es muss ja eine Frage sein: Sie haben gerade über die Zahlen der Landkreise und kreisfreien Städte referiert. Das ist insoweit auch zutreffend. Haben Sie sich auch die Zahlen der entsprechenden Gemeinden angesehen, die wir hier erfassen?

Kollege Wippel, in der Polizeilichen Kriminalstatistik werden, so wie wir hier die Auswertung vorgenommen haben, die Landkreise erhoben. Fakt ist, wenn Sie sich die Zahlen von 1995 bis 2016 anschauen:

(Jörg Urban, AfD: Dann funktioniert es aber nicht! Das hat mit unserem Antrag nichts zu tun!)

Auf die Landkreise bezogen. – Wenn die Zahlen von weit über 200 auf deutlich unter 100 absinken, dann wird es vermutlich in den Gemeinden, auf die man Bezug nehmen könnte, nicht wesentlich größer ausfallen.

Das wäre ein Ding aus dem Tollhaus. Vielleicht ist das in Ihrer Statistik so, aber in der des Freistaates Sachsen vermutlich – hoffe ich zumindest, Herr Staatsminister – nicht.

(Zuruf der Abg. Silke Grimm, AfD)

Ich darf fortfahren. Das heißt: Im vorderen Bereich ganz andere Landkreise, kreisfreie Städte, die großen drei vornweg. Es sind die am meisten belasteten Wirtschaftsunternehmen. Das kommt bei Ihnen gar nicht vor. Sie suggerieren etwas völlig anderes als das, was Sie fordern.

Warum sich die AfD-Fraktion auf die grenznahen Gebiete bezieht, verrät sie nicht einmal in der Begründung. Die AfD-Fraktion stützt ihren Antrag nicht auf die PKS, wie

eben dargestellt, sondern vielmehr auf Sicherheitsbefragungen der Handwerkskammer Dresden und auf eine Studie von Prof. Sterbling von der Fachhochschule der Sächsischen Polizei in Rothenburg. Das ist methodisch und damit inhaltlich insgesamt ein schwieriges Vorgehen. Sie sollten sich übrigens weniger mit einer solchen Studie oder Erhebung wie die der Handwerkskammer von 2016 befassen als vielmehr über die Präventionsprogramme aufklären. Es wäre eine gute Tat, wenn die Unternehmen diese Präventionsprogramme kennenlernen würden. Das wäre doch eine Hilfe.

Ich zitiere aus dieser Studie von 2016, und zwar von Seite 4: „Vonseiten der Handwerkskammer Dresden wurden 2 171 Handwerksbetriebe aus den Landkreisen Bautzen, Görlitz, Meißen, Sächsische Schweiz-Osterzgebirge

sowie der sächsischen Landeshauptstadt Dresden“ – nicht grenznah übrigens – „um Rückmeldung gebeten. Davon haben sich 200 Betriebe im Kammerbezirk Dresden an der Befragung beteiligt. Dies entspricht einer Rücklaufquote von 9 %“. In dieser Studie fehlen aber die Landkreise Mittelsachsen, Erzgebirgskreis und Vogtland gänzlich, das sind im Übrigen grenznahe Gebiete.

Die Datenbasis ist aufgrund des Vorgehens nicht repräsentativ. Es haben sich logischerweise ausschließlich Betriebe mit einem Anliegen gemeldet. Alle anderen meldeten sich nicht zurück, ob oder ob nicht oder wie auch immer. Untersuchungen wären an dieser Stelle durchaus zielführender. Das aber unternimmt die Handwerkskammer nicht.

(Carsten Hütter, AfD, steht am Mikrofon.)

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Notgedrungenerweise, Herr Präsident.

Bitte, Herr Kollege Hütter.

Vielen Dank. – Herr Stange, geben Sie mir recht, dass es, wenn ein Betrieb aus Dresden oder aus Leipzig oder aus Chemnitz grenznah Arbeiten ausführt, im Grunde in dem Moment eine Verlagerung der Betriebsstätte ist? Das heißt also, ich habe aus diesem Bereich Arbeiten, die ich grenznah durchführe, also habe ich in dem Moment eine Verlagerung der Betriebsstätte.

(Zuruf von den LINKEN: Häh?)

Ich versuche einmal – –

Na, ganz einfach: Wenn ich in Dresden einen Betrieb habe und arbeite an der Grenze, dann verlagere ich in dem Moment meine ausführenden Arbeiten, also meine Betriebsstätte mit allen Maschinen und Geräten, an die Grenze.

(Christian Hartmann, CDU: Das kommt darauf an! – Zuruf von den LINKEN)

Herr Hütter, ich kann auch bestätigen, dass in der Nacht die Sonne nicht scheint.

(Lachen bei den LINKEN)

Ja, das ist klar!

Da kann ich Ihnen genauso bestätigen, dass eine Verlagerung der Betriebsstätte eine Verlagerung der Betriebsstätte ist. Der Punkt ist aber, dass die PKS die Kriminalfälle dort erfasst, wo sie auftreten. Das sollten Sie sich merken. Dann sind Sie mit Ihrer Betriebsstättenverlagerung völlig auf dem Holzweg. Das ist ein völlig anderes Thema.

(Beifall bei den LINKEN – Jörg Urban, AfD: Schön an der Sache vorbeigeredet!)

Auch die Studie „Sicherheitslage im Wirtschaftsbereich Handwerk des Landkreises Görlitz 2016“ – übrigens von Herrn Sterbling – ist schwierig. Es wird nur ein Landkreis, und zwar Görlitz, abgefragt. Daraus kann man nicht schlussfolgern, dass grenznahe Regionen besonders stark von Eigentumskriminalität betroffen sind. Es gibt nämlich keinen Vergleich dazu.

Bei dieser Studie handelt es sich zwar um eine Vollerhebung, das Problem bleibt aber auch hier die postalische Abfragung: Vollerhebung – ich zitiere – unter 3 500 Handwerksunternehmen im Landkreis Görlitz im April 2016: Es haben sich 783 Handwerksunternehmen an der Befragung beteiligt. Dies entspricht einer Rücklaufquote von 22 %; immerhin schon ein bisschen mehr, aber eben nicht alle. Sie können nicht repräsentativ damit argumentieren, und außerdem ist nur ein Landkreis genannt.

Warum dieser Antrag so wichtig sein soll, dass der Sächsische Landtag ihm zustimmen sollte, ist für mich nicht nachvollziehbar. Wer die Studie der Handwerkskammer der vergangenen Jahre heranzieht – im Übrigen die Vergleichsjahre, wenn Sie schon so weit gehen wollen –, stellt fest, dass es keine besorgniserregende Explosion von Diebstählen aus den Unternehmen in den grenznahen Regionen gibt. Auch hier spricht die PKS eine deutliche Sprache. Wie eben schon dargestellt, ist sie rückläufig.

Fazit: Erstens, der Inhalt des Antrages stimmt nicht mit dem Titel überein. Das ist bei Ihnen nicht das erste Mal der Fall, wir sind es gewohnt. Zweitens, die empirische Datengrundlage ist mehr als mangelhaft und somit untauglich. Drittens, der Antrag kann nicht belegen, warum gerade jetzt eine besondere Förderung notwendig sei. Es gibt keine verschärften Notlagen. Viertens, der Antrag – das hat die Staatsregierung in ihrer Stellungnahme auch angeführt – ist teilweise rechtswidrig. Sie haben versucht, es mit einem Änderungsantrag zu heilen.

Herr Urban, Sie haben sich heute hingestellt – ich bin immer dabei, die Staatsregierung zu kritisieren – und gesagt, es sei Wahrheit geboten. Dann, bitte schön, sollten Sie bei sich anfangen mit der Wahrheit und nicht mit diesem Unsinn, den Sie hier betreiben – was auch immer

Sie betreiben wollen. – Ich komme zum Schluss: Es drängt sich das Gefühl auf, dass es hierbei nicht darum ging, Wirtschaftsunternehmen, die besonders kriminalitätsbelastet sind, zu unterstützen, sondern Ihre Ressentiments gegen die vermeintlich kriminellen Ausländer, die wegen offener EU-Grenzen in Grenznähe auf Raubzug sind, zum Besten zu geben, damit Ängste zu schüren und abstruse Lösungen anzubieten – völlig egal, was dabei herauskommt. Alles andere kümmert Sie nicht.

Wir werden diesen Antrag ablehnen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den LINKEN – Silke Grimm, AfD, steht am Mikrofon.)

Eine Kurzintervention? – Bitte.

Danke, Herr Präsident. Herr Stange, vielleicht haben Sie auch davon gehört, dass am letzten Wochenende in Herrnhut wieder ein Zimmereibetrieb ausgeraubt, alles auf den Transporter geladen wurde und über Nacht weg war. Das ist bei uns in der Region kein Einzelfall. Denken Sie einfach einmal, Sie wären Unternehmer und bekämen jede Woche Statistiken, die Sie ausfüllen müssten. Ich glaube nicht, dass Sie das alles schaffen würden. Diese füllen Sie dann auch nicht aus, das ist zu viel Bürokratie. Man kann es nicht an Statistiken festmachen. Gehen Sie in die Unternehmen und lassen Sie sich einmal schildern, was dort los ist.

(Beifall bei der AfD)