Unter Ziffer 1 wird eine Anpassung des § 1 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz gefordert. Darin soll die Voraussetzung der dringenden betrieblichen Erfordernisse konkretisiert werden. Der Anknüpfungspunkt der dringenden betrieblichen Erfordernisse ist indes in § 1 Abs. 2 normiert. Dorthin würden entsprechende Änderungen gehören. Dies nur als kleiner Qualitätshinweis. Im Übrigen ist mit der Konkretisierung nichts gewonnen. Dazu sage ich später mehr.
Der Tatbestand der Massenentlassungen, die Sie mit Ihrem Antrag vorgeblich verhindern wollen, ist in § 17 Kündigungsschutzgesetz zu Recht ausführlich definiert. Der Arbeitgeber hat in diesem Fall unter anderem über die Gründe für die geplanten Entlassungen sowie über die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien die Arbeitsagentur sowie den Betriebsrat zu informieren.
Weiterhin kann der Betriebsrat einen Sozialplan erzwingen. Meine Damen und Herren, diese Ausführungen geben ausschließlich Auszüge der geltenden Rechtslage wieder, sie beinhalten keine politischen Wertungen. Es soll an dieser Stelle nur nicht der Eindruck entstehen, dass es in Deutschland keinen Arbeitnehmerschutz gäbe. Bei ökonomischer Betrachtung bin ich mir sicher, dass Sie den Arbeitnehmern in Deutschland mit Ihrem Antrag keinen Gefallen tun.
Meine Damen und Herren der Linksfraktion, Sie wollen Kündigungen bei anhaltender positiver Ertragssituation verhindern. So weit, so gut, könnte man meinen. Woran machen Sie aber „anhaltend positiv“ fest?
An Ihrem ideologiegetriebenen Wunschdenken? An den daraus resultierenden Vorgaben eines von der Sozialistischen Einheitspartei diktierten Fünfjahresplanes? Das jedenfalls führt anhaltend in den Abgrund, Massenentlassungen inklusive.
Wie soll denn ein Unternehmen reagieren, das über einen langen Zeitraum Gewinne in einer Unternehmenssparte macht, deren Geschäftsfeld in Zukunft völlig wegzubrechen droht? Was tun Klein- und mittlere Unternehmen, die nicht über Millionen und Milliarden Euro Rücklagen verfügen? Wollen Sie ganze Unternehmen in die Insolvenz und die Mitarbeiter in den Ihrerseits so heiß ersehnten sozialen Arbeitsmarkt führen? Ist das die neue Arbeitnehmerfreundlichkeit?
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sehen aktuell am Beispiel Siemens, wohin ideologisches Wunschdenken und die damit verbundenen staatlichen Eingriffe in die Wirtschaft führen. Bei der Bestattung der Arbeitsplätze erzürnt man sich medial wirksam und zeigt mit dem Finger auf die Unternehmer, um von der eigenen Mitschuld abzulenken.
Wer hat denn die katastrophale Energiewende eingeleitet? Wer feiert zulasten der Kraftwerksbauer enthusiastisch die Verabschiedung der Klimaziele? Wer verabschiedete die Russland-Sanktionen, in deren Folge russische Kraftwerke nun von anderen modernisiert werden? Unternehmer waren das jedenfalls nicht. Dieses Muster ist bekannt, und wenn wir uns nicht dagegenstellen, werden wir binnen weniger Jahre auch am Grab der deutschen Automobilindustrie stehen.
Sehr geehrte Damen und Herren der Linksfraktion, wenn Sie etwas für die Arbeitnehmer tun wollen, dann treten Sie zum Beispiel für eine Flexibilisierung der Arbeitszeit ein; aber stellen Sie sich gegen völlig überzogene europäische Mindeststandards, die eine 78-Stunden-Woche erlauben. So wären Maß und Mitte für Unternehmer und Arbeitnehmer gewahrt.
Aber als Freunde der europäischen Idee greifen Sie diese Zustände natürlich nicht an, Hauptsache, es ist europäisch und Deutschland zahlt wie immer die Zeche. Anstatt den Arbeitnehmerschutz sinnvoll anzupassen, wollen Sie den Kündigungsschutz erweitern – so ganz nebenbei auch
Meine Damen und Herren der Linksfraktion, wie eingangs gesagt: Ihr Antrag ist zwar kurz. Das macht ihn aber nicht gut. Deshalb werden wir ihn ablehnen.
Sehr geehrter Herr Präsident, eine Kurzintervention. Der Kollege Beger hat vom „Grab der deutschen Automobilindustrie“ gesprochen, und es ist mir wichtig, an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass wir von über 3,5 Milliarden Euro Investitionen von Volkswagen in den Automobilstandort Sachsen sprechen; und wenn jemand hier vom „Grab der deutschen Automobilindustrie“ spricht, dann ist das aus meiner Sicht eine Falschaussage à la AfD.
3,5 Milliarden Euro Zukunftsinvestitionen in Kolleginnen und Kollegen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, in den Automobilstandort Sachsen sind eine ganz gewaltige Summe. Insoweit war es mir wichtig, eine Richtigstellung zu der Falschbehauptung des Kollegen Beger vorzutragen.
Das war die Kurzintervention von Herrn Abg. Vieweg. Möchten Sie darauf reagieren? – Er möchte nicht darauf reagieren. Nicht, dass ich Sie immer nur hin- und herschicken will, Herr Abg. Dr. Lippold. Sie können jetzt bitte für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sprechen. Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben hier bereits mehrfach miteinander über die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen diskutiert, zuletzt in der schon angesprochenen Aktuellen Debatte zu den geplanten Werksschließungen bei Siemens in Görlitz und Leipzig; und Sie, liebe LINKE, versuchen hier, Schritte zu gehen, indem Sie eine Gesetzesinitiative im Bundesrat zur Anpassung von Kündigungsschutzgesetz und Betriebsverfassungsgesetz anregen.
Im Kern geht es doch um zwei Fragen: Erstens. Können Ihre Forderungen wirksam sein? Zweitens. Wäre die mögliche Wirkung geeignet, nachhaltig für mehr Beschäftigung und Gerechtigkeit zu sorgen?
Um tatsächlich wirksame Forderungen aufzustellen, hätten Sie diese noch erheblich weiter ausgestalten müssen. Gerade bei großen, globalen Unternehmen, aber auch bei weitverzweigten Unternehmensgruppen im Mittelstand werden die Gewinne eben oft nicht dort ausgewiesen, wo die Menschen ihren Arbeitsvertrag haben. Es gibt jede Menge Gestaltungsspielraum, um von Ihnen, liebe Linksfraktion, benannte Kriterien zu umschiffen.
Dasselbe gilt für Ihren Vorschlag, dem Betriebsrat des Unternehmens zur Umgehung des geforderten Kündigungsverbotes bei positiver Ertragssituation eine Zustimmungsoption einzuräumen. Auch hier müssten Sie einen Schritt weiter denken: Geht es dabei um den Gesamtbetriebsrat des Konzerns, oder meinen Sie den Betriebsrat eines Tochterunternehmens? Wie, denken Sie, würde ein Gesamtbetriebsrat entscheiden, wenn das Management vorrechnet, dass Einschnitte bei wenigen Tochterunternehmen mit ein paar Hundert Beschäftigten die Muttergesellschaft mit einigen Zehntausend Beschäftigten finanziell stabilisieren? Eine solche Zustimmung wäre dann wohl eher die Regel als die Ausnahme, und der Ansatz liefe erneut ins Leere.
Auch zur zweiten Frage, wie die Wirkung Ihrer Forderungen aussehen könnte, möchte ich noch einige Sätze sagen, denn an dieser Stelle zeigen sich dezidiert Unterschiede in den wirtschaftspolitischen Ansätzen zwischen den Parteien und Fraktionen. Wir als GRÜNE stellen in jedem Bereich die Nachhaltigkeitsfrage. Nur vorausschauendes Unternehmertum ist nachhaltiges Unternehmertum, so wie nur vorausschauende Politik nachhaltige Politik ist. Auf dem Feld der Politik sehen Sie das häufig genauso, liebe LINKE. Sie selbst fordern genau das im Handeln der Staatsregierung immer wieder zu Recht ein: zu handeln, bevor die Konsequenzen des Nichthandelns gravierend und damit für jedermann sichtbar werden. Doch für die Wirtschaft verlangen Sie, größere strategische Entscheidungen – etwa zu Strukturen, Produktportfolios, Standorten, also Entscheidungen mit Personalwirksamkeit – so lange zu erschweren, bis die Krise, die Ertragskrise schon da ist. Dann fehlt aber in der Regel die eigene Kraft, sich wieder herauszuziehen.
Nun meinen Sie sicher, das stünde ja überhaupt nicht in Ihrem Antrag. Doch die Forderung in Ihrem – sicher gut gemeinten – Antrag, dass jede nicht in Person und Verhalten begründete Kündigung als sozial ungerechtfertigt gelte und damit unzulässig sei, solange es im Unternehmen eine anhaltende positive Ertragssituation gebe, bedeutet in Konsequenz genau das! Die anhaltende positive Ertragssituation ist nämlich immer ein Blick in den Rückspiegel. Unternehmerische Entscheidungen leiten sich aber aus dem Blick nach vorn, aus der Prognose ab. So bedeutet Ihre Forderung im Kern, aus der Vorausschau abgeleitete unternehmerische Entscheidun
gen mit Personalrelevanz erheblich zu erschweren, wenn es bisher gut gelaufen ist. Dies entspricht einem verständlichen Gerechtigkeitsempfinden, von einem Unternehmen, das hohe Gewinne einfährt, auch in besonderem Maße Verantwortung für das Gemeinwesen zu erwarten.
Es gibt auch eine Stelle, an der man vorhandene Hebel ansetzen kann, wenn man es nur möchte: Man muss endlich für Steuergerechtigkeit sorgen und Steuerflucht wirksam bekämpfen. Es kann nicht sein, dass der Buchhändler an der Ecke mehr Steuern zahlt als Amazon.
Auch drohender öffentlicher Reputationsverlust ist für ein Unternehmen ein ganz wichtiges und durchaus geldwertes Kriterium, was ja auch bei Siemens gewirkt hat. Engagierte Wirtschaftspolitik hat auch an dieser Stelle scheinbar weiche, aber dennoch wirksame Einflussmöglichkeiten.
Es gibt auch viele gute Begründungen, um sozial ausgerichteten Kündigungsschutz weiter zu verbessern und den Realitäten der globalisierten Industrie anzupassen. Doch ihn ausgerechnet damit zu begründen, dass es bisher im Unternehmen gut gelaufen sei, halten wir für falsch.
Wir erkennen an, liebe LINKE, dass Sie sich die Mühe gemacht haben, das von vielen Menschen als unverständlich und zutiefst ungerecht empfundene Problem von Standortschließungen und Arbeitsplatzabbau in Konzernen zu adressieren, die parallel Milliardengewinne schreiben. Auch wir fordern hier mehr Verantwortung.
Zugleich halten wir den in Ihrem Antrag formulierten Ansatz aber nicht für zielführend und werden uns deshalb bei der Abstimmung enthalten.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Dass die Linkspartei diesen Antrag „Verhinderung von Massenentlassungen trotz Gewinnsteigerung“ stellt, ist bezeichnend.
Brünler – in seinem Redebeitrag den Wegfall der DDR als sozialstaatliche Alternative. Das zeigt eindrucksvoll, wie sehr Sie sich immer noch die Planwirtschaft der DDR zurückwünschen.
Wir haben starke Gewerkschaften, und wir haben starke Betriebsräte. Da braucht es diesen Ihren Antrag nicht.