Protokoll der Sitzung vom 14.03.2018

Würden Sie als GRÜNE tatsächlich die Bedürfnisse der Verurteilten im Blick haben, müssten Sie sich nämlich folgenden Problemen zuwenden:

(Unruhe bei den Fraktionen)

Eindämmung der Wohnungsnot, lieber Herr Gebhardt,

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Die Verurteilten, Herr Barth, welche Bedürfnisse haben die?)

Bekämpfung der Drogenkriminalität, Vermittlung sinnvoller Bildungsangebote in der Schule statt Genderforschung, Schaffung von Arbeitsplätzen und angemessene Bezahlung. Einer Zunahme der Ersatzfreiheitsstrafe in Deutschland begegnet man – das möchte ich zum Abschluss sagen – am besten, indem man Armut bekämpft, sich als Staat angemessen um seine Bürger kümmert, keine weitere Armut importiert

(Staatsminister Christian Piwarz:... und weniger redet! – Valentin Lippmann, GRÜNE, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

und keine Steuergelder für den Aufbau weiterer unnötiger Sozialstrukturen umverteilt.

Ich danke Ihnen recht herzlich.

(Beifall bei der AfD)

Herr Abg. Wurlitzer, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete! Bei der Behandlung dieses Themas muss zunächst eine Frage beantwortet werden: Worum geht es grundsätzlich bei Ersatzfreiheitsstrafen? Ganz einfach: Es geht um die Vollstreckung des Strafanspruches des Staates. Eine ganz überwiegende Strafsanktion in Deutschland ist die Geldstrafe. Über 80 % der ausgesprochenen Strafsanktionen beinhalten Geldstrafen. Die Verhängung einer Geldstrafe ergibt nur dann Sinn,

wenn der Staat auch seiner Pflicht nachkommt, die Strafe zu vollstrecken.

Der vorliegende Antrag geht von folgender Prämisse aus – ich zitiere –: „Die Ersatzfreiheitsstrafe trifft also in erster Linie Angehörige sogenannter sozialer Randgruppen, also Personen, die häufig schon vor Tatbegehung einen erhöhten Hilfebedarf ausweisen.“

Sehr geehrte Damen und Herren der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, was meinen Sie tatsächlich mit der sogenannten Randgruppe? Wen wollen Sie schützen? In aller Deutlichkeit: Jede Person, jedes Mitglied unserer Gesellschaft muss in gleicher Weise geltenden Normen unterworfen sein. Wer, bitte schön, ist besonders hilfebedürftig, sodass er in strafrechtlicher Hinsicht als verurteilter Straftäter eine Privilegierung erfahren soll?

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Dies sollte zunächst einmal genau beleuchtet werden; denn gerade Sie von den GRÜNEN und den LINKEN setzen sich ja vehement und überall für absolute Gleichbehandlung ein. Warum soll gerade hier, wenn es um die Vollstreckung von Strafen geht, eine Ausnahme gemacht werden?

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Weil die Strafe so nicht vollstreckbar ist!) (?)

Der Inhalt des Antrages gibt die tatsächlichen Gegebenheiten auch falsch wieder. So heißt es – ich zitiere –: „Die meisten Geldstrafen werden in Strafbefehlsverfahren nach Aktentage ohne Hauptverhandlung und durch Schätzung des Einkommens für die Tagessatzhöhe verhängt. Die tatsächliche finanzielle Situation der Täter wird bei diesen zumeist Bagatelldelikten außer Acht gelassen.“ Das ist nicht richtig.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Doch!)

Der Beschuldigte einer Straftat wird sehr wohl im Ermittlungsverfahren angehört und kann Angaben zu seinen Einkünften im Strafverfahren einbringen. Wenn er dies nicht tut, wird sein Einkommen geschätzt.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Richtig!)

Gut. Aber es ist ja freiwillig. Er kann ja etwas dazu sagen.

Benennt der Beschuldigte sein Einkommen, wird die Höhe des Tagessatzes der Geldstrafe genau nach seinem Einkommen angepasst. Schulden werden hierbei ebenfalls berücksichtigt. Die Behauptung der Außerachtlassung der finanziellen Situation des Beschuldigten ist eine glatte Lüge, ganz klar und deutlich.

Außerdem: Was meinen Sie, bitte, mit Bagatelldelikten? Die Geldstrafe ermöglicht Strafrahmen von bis zu 360 Tagessätzen und bei Bildung einer Gesamtstrafe bis zu 720 Tagessätzen. Bei Körperverletzung, bei Straftaten im Straßenverkehr, aber auch bei Straftaten wie Diebstahl, Betrug und Untreue sind Verurteilungen zu Geldstrafen

möglich. Was soll also der Verweis auf diese Bagatelldelikte?

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Weil das die Praxis ist!)

Bei der Lektüre des Antrages könnte man den Eindruck gewinnen, die GRÜNEN haben in den Fokus des Antrages gerückt, dass die genannten Randgruppen dem Staat ein ordentliches Hauptverfahren nicht wert sind. Es entsteht der Eindruck des leicht gemachten Abstempelns im Schnellverfahren. Genau das Gegenteil ist der Fall: Für den Beschuldigten ist das Strafbefehlsverfahren deutlich weniger belastend. Er muss sich nicht der Schande einer öffentlichen Hauptverhandlung stellen. Es werden keine Zeugen und keine Sachverständigen vernommen. Das Verfahren ist also damit auch weniger kostenintensiv. Der Ausspruch des Strafbefehls muss von keinem Beschuldigten akzeptiert werden. Er kann dagegen Einspruch erheben und sich im Rahmen eines öffentlichen Hauptverfahrens verteidigen.

(Zuruf des Staatsministers Christian Piwarz)

Aber zurück zum eigentlichen Kernpunkt des Antrags. Wie soll denn, bitte schön, der Staat der Vollstreckung des Strafanspruchs nachkommen, wenn nicht über eine Ersatzfreiheitsstrafe? Der Verurteilte hat die Möglichkeit, Ratenzahlung in Anspruch zu nehmen und die Geldstrafe durch gemeinnützige Arbeit abzuarbeiten. Was denn noch?

Die ausgesprochene Strafe am Ende eines langen Strafverfahrens, dem ein langes Ermittlungsverfahren vorausgeht, soll gerade als Strafübel empfunden werden. Es ist keine Belohnung, sondern eine Bestrafung. Diese wegen einer Straftat verurteilte Person soll dann eben diese Strafe auch ernsthaft spüren.

Ich nehme nochmals Bezug auf den vorliegenden Antrag und zitiere: „In der kurzen Inhaftierungszeit greifen zudem die für die Haft vorgesehenen Resozialisierungsmaßnahmen kaum. Vielmehr überwiegen die negativen Folgen der Haft für die Betroffenen. Sie werden unnötig aus ihrem familiären und gesellschaftlichen Umfeld gerissen und drohen dauerhaft, diese zu verlieren.“

Liebe GRÜNE, auch Personen aus den von Ihnen so genannten sozialen Randgruppen sind nicht aufgefordert worden, Straftaten zu begehen, sondern sie sollten sich vor Augen führen, dass Straftaten Sanktionen zur Folge haben. Noch einmal: Das gilt für alle. Wer diese dann bei Verurteilung zu einer Geldstrafe das Angebot zur Ratenzahlung und zur Begleichung oder zur Ableistung gemeinnütziger Tätigkeit nicht annimmt, der hat es eben nicht anders verdient. All jenen, die ernsthaft in Betracht ziehen, –

Bitte zum Ende kommen.

Jawohl, der letzte Satz.

die Ersatzfreiheitsstrafe in den offenen Vollzug zu verlegen, kann ich nur sagen: Wenn Sie auf der einen Seite sagen, dass die Menschen nicht in der Lage seien, diese Tätigkeit als gemeinnützige Arbeit abzuleisten, –

Herr Wurlitzer, bitte zum Ende kommen!

– wie kommen Sie dann auf die Idee, dass sie im offenen Strafvollzug diesem geregelten Tagesablauf nachkommen?

(Beifall bei den fraktionslosen Abgeordneten – Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Meine Damen und Herren, mir liegen keine Wortmeldungen vonseiten der Fraktionen mehr vor. Gibt es dennoch Redebedarf? – Das sieht nicht so aus. Somit bitte ich nun die Staatsregierung; Herr Staatsminister Piwarz, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Leider ist der Justizminister erkrankt. Gute Genesungswünsche von dieser Stelle!

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Er hat mich gebeten, seine Rede zu halten.

Meine Damen und Herren von den GRÜNEN! Mit dem vorliegenden Antrag fordern Sie die Staatsregierung auf, wirksame Maßnahmen zur Vermeidung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafen zu entwickeln, alternative Sanktionsmöglichkeiten zu prüfen und bestehende Instrumente der Haftvermeidung zu verbessern.

Ich möchte das deutlich machen: Wenn es um sinnvolle Verbesserungen geht, dann sind wir durchaus an Ihrer Seite. Aber wenn die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in ihrer Pressemitteilung vom 8. März 2018 behauptet, dass die Möglichkeit der Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen in Sachsen „kaum bekannt“ sei und durch die Staatsregierung „nicht aktiv gefördert“ werde, so kann ich dies seitens der Staatsregierung nur entschieden zurückweisen. Dies gilt im Übrigen auch für die Einschätzung – Zitat –, „die betroffenen Personen seien von den Gerichten zu einer Geldstrafe verurteilt worden, weil sie eben keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellen“.

Richtig ist: Die betroffenen Personen sind verurteilt worden, weil sie Straftaten begangen haben. Sie haben damit nachweisbar gegen die Sicherheit und Ordnung in unserem Land verstoßen. Diese Feststellung erscheint mir notwendig. Ansonsten haben insbesondere die Kollegen Modschiedler und Baumann-Hasske schon die wesentlichen Aspekte erwähnt, sodass es aus meiner Sicht nicht notwendig ist, dies nochmals ergänzend zu tun.

Ich möchte nur noch einige Zahlen beifügen, wie erfolgreich insbesondere das vom Kollegen Modschiedler zitierte Programm „Schwitzen statt Sitzen“ ist. Das beweisen ganz klar die Zahlen. Im Jahr 2016 wurden so

128 681 Hafttage abgewendet, im Jahr 2017 waren es 114 099 Tage. Wenn man einen Tageshaftkostensatz von 102,22 Euro zugrunde legt, so kommen dadurch Ersparnisse für den Haushalt in Höhe von über 13 Millionen Euro im Jahr 2016 und 11,6 Millionen Euro im Jahr 2017 dabei heraus. Dies zeigt, wie erfolgreich das Programm ist.

Bevor ich den Rest meiner Rede zu Protokoll gebe, will ich noch einmal die Beschlussempfehlung an das Hohe Haus darstellen. Eine völlige Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe ist aus unserer Sicht nicht sinnvoll. Für eine effektive Beitreibung der Geldstrafe ist die Ersatzfreiheitsstrafe als subsidiäres Druckmittel unverzichtbar. Der Rechtsstaat muss auch Stärke und Entschlossenheit zeigen können, sonst wird er nicht ernst genommen.

In diesem Sinne bitte ich um Ablehnung des Antrages und gebe den Rest der Rede zu Protokoll.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)