Protokoll der Sitzung vom 15.03.2018

Wir sollten zweitens auch nicht so tun, als wenn Stickoxide oder Feinstaub vielleicht doch nicht so gefährlich wären, und das damit begründen, dass wir doch heute bei so vielen Autos trotzdem länger leben. Also allen, die an diese Argumentation glauben, möchte ich sagen: In den letzten 100 Jahren hat es auch einen technischen Fortschritt in der Medizin gegeben, der unser Leben verlängert. Das hat vielleicht gar nichts mit Stickoxiden zu tun. Wir haben die Arbeitsbedingungen der Menschen verbessert. Das verlängert auch das Leben.

(Uwe Wurlitzer, fraktionslos, steht am Mikrofon.)

Wir führen auf deutschem Boden zum Glück keine Kriege, und das verlängert die durchschnittliche Lebenserwartung auch. Deshalb lassen Sie uns bitte bei sachlichen Argumenten bleiben, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Wurlitzer?

Ja, sehr gerne.

Sehr geehrter Herr Homann, wissen Sie, dass die WHO-Studie aus dem Jahr 2013, die Sie gerade angeführt haben, Untersuchungen aus den Jahren 1982 bis 2001 zugrunde gelegt hatte und dass selbige in den USA und teilweise in China vorgenommen worden sind, dass also möglicherweise die dort herausgearbeiteten Ergebnisse für uns in Deutschland oder in Europa überhaupt keine Relevanz haben?

Ich glaube, dass Stickoxide in China und in den USA genauso wirken wie in Deutschland. Das sind genauso Menschen wie wir. Deshalb kann

ich Ihre Frage auf ihren sachlichen Grund nicht nachvollziehen.

(Carsten Hütter, AfD: Das ist eine Frage der Konzentration! – Uwe Wurlitzer, fraktionslos: Genauso wie bei Herrn Wild, vielen Dank!)

Deshalb würde ich mit meinem Redebeitrag fortfahren wollen. Sie sehen an dieser Stelle, dass wir es mit vielen Argumenten zu tun haben, deren sachliche Grundlage tatsächlich zu überprüfen ist. Deshalb ist es mir an dieser Stelle unglaublich wichtig, dass wir noch einmal über Glaubwürdigkeit sprechen.

(André Barth, AfD: Da ist euer ehemaliger Parteivorsitzender ganz spitze drin gewesen!)

Ich finde, unsere Grenzwerte sind glaubwürdig. Ich finde, die gesundheitliche Bedrohung ist glaubwürdig. Ich finde aber genauso, das Interesse am Erhalt von Arbeitsplätzen ist glaubwürdig. Deshalb sagen wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten auch: Wir wollen diese Fahrverbote nicht.

(André Barth, AfD: Dann können wir das tun, wenn die SPD das nicht will!)

Aber wir müssen dafür die richtigen Rahmenbedingungen schaffen, dass diese gar nicht erst infrage gestellt werden, gar nicht erst infrage kommen und diese gar nicht erst angeordnet werden. Und das funktioniert nicht, indem man die Grenzwerte erhöht, sondern indem wir jetzt auch in dieser Situation die richtigen Maßnahmen ergreifen.

Das Erste ist, um glaubwürdig zu bleiben: Wir dürfen an dieser Stelle die deutsche Autoindustrie nicht aus der Pflicht lassen. Ich finde, sie sind in der Verantwortung, die Diesel mit den Normklassen 5 und 6 technisch, das heißt, in Hard- und Software, nachzurüsten. Wir dürfen sie an dieser Stelle nicht aus der Verantwortung lassen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf der Abg. Janina Pfau, DIE LINKE)

Das Zweite ist: Wir müssen jetzt die richtigen verkehrspolitischen Weichen für die Zukunft stellen. Das bedeutet und ist auch eine Chance für den Industriestandort Deutschland: Wir brauchen eine Innovationsoffensive in der Industrie, um weiter moderne Antriebstechniken in Deutschland zu entwickeln und zu produzieren und damit auch Arbeitsplätze bei uns zu sichern.

Das Dritte ist: Wir müssen das verkehrspolitische Momentum nutzen. Das heißt – und das wurde an verschiedenen Stellen richtigerweise schon gesagt –, der Ausbau eines attraktiven und bezahlbaren Nahverkehrs ist notwendig.

Ihre Redezeit ist zu Ende.

Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist im Interesse unserer Handwerker, unserer Pendler, der Zukunft unseres Landes.

Ihre Redezeit!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD – Beifall der Staatsministerin Dr. Eva-Maria Stange)

Das war Herr Homann, SPD-Fraktion. Und jetzt ergreift erneut für die Fraktion DIE LINKE Herr Böhme das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte darstellen: Hier geht es nicht um Bagatellen, hier geht es um den Gesundheitsschutz der Menschen. Ich möchte nicht in die Zeit zurückgehen, wie es vielleicht in der DDR war, in der es kaum Umweltgesetze gab, Sie aber scheinbar das ganz gut fänden, wenn es wieder so ist.

(Carsten Hütter, AfD: Aha, eben nicht!)

Ich finde Umweltgesetze und Gesundheitsschutz sehr wichtig, und letztendlich hat die deutsche Industrie auch einen sehr großen Vorteil daraus erschaffen. Wir sind heute führend, wenn es darum geht, moderne und saubere Technologien herzustellen. Das haben wir erreicht, weil es diese Gesetze gibt und die am Ende auch sehr viele Arbeitsplätze geschaffen haben.

Es geht aber heute in der Debatte auch um die Grenzwerte an sich. Verschiedene Redner haben das heute angesprochen, dass sie nicht glaubwürdig seien oder übertrieben oder sonst irgendetwas, oder dass, wie Herr Umweltminister Schmidt das in der Pressemitteilung mitgeteilt hat, Sachsen doch gar nicht betroffen ist von möglichen Fahrverboten, weil unsere Städte sauber genug sind und keine Fahrverbote kommen, weil wir die Grenzwerte einhalten.

(Andreas Nowak, CDU: Da hat er auch recht!)

Dazu möchte ich festhalten: Das war im Jahr 2017 das erste Mal so. Im Jahr 2016 beispielsweise und in den Jahren davor war in Leipzig immer die Überschreitung von Stickoxid erreicht, teilweise massiv. Das kann auch in diesem Jahr passieren, denn es gibt viele Faktoren, die dazu führen, dass die Grenzwerte erreicht werden. Das sind zum einen Wetterlagen, die dazu führen, dass die Emissionen, die durch den Verkehr ausgestoßen werden, in der Stadt bleiben und nicht weggeweht werden, was sogenannte Emissions-Wetterlagen sind. Natürlich ist zum anderen auch die Hintergrundbelastung, die hinzukommt, ausschlaggebend. Dazu könnte man zum Beispiel das Kraftwerk Lippendorf in Leipzigs unmittelbarer Nähe zählen.

Weil das so ist, ist es doch umso wichtiger, dass wir die Quellen, die Stickoxide erzeugen, reduzieren – und das ist nun einmal zu einem Großteil in den Ballungsgebieten der Verkehr und dort wiederum der Diesel –, damit wir eben nicht die Grenzwerte erreichen. Damit es eben auch bei Inversionswetterlagen, sogenannten Dunstglocken –

davon haben Sie wahrscheinlich alle schon einmal gehört –, nicht dazu kommt, dass die Grenzwerte erreicht werden.

(Uwe Wurlitzer, fraktionslos, steht am Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Wenn es sein muss, gern.

Herr Wurlitzer, bitte.

Vielen Dank, Herr Böhme. Könnte es auch sein, dass diese Emissionen erhöht werden, weil wir gerade überall in den Großstädten Unmengen von 30er-Zonen und gleichrangigen Straßen einführen?

Nein. Gut. Alles klar. Danke.

Wir können uns eben nicht darauf ausruhen, dass im Jahr 2017 das erste Mal die Grenzwerte erreicht wurden, denn das kann dieses Jahr auch wieder anders sein.

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Natürlich.

Bitte, Herr Kollege Pohle.

Herr Kollege Böhme! Gestatten Sie mir diese Frage, und zwar als jüngerer Abgeordneter und auch aus Leipzig: Wie sehen Sie eigentlich den Einsatz von Sprühdosen und deren Umweltverträglichkeit in diesem Verhältnis?

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und der AfD)

Ich weiß noch nicht, wie ich darauf reagiere, weil ich den Zusammenhang mit der Debatte überhaupt nicht verstehe.

(Georg-Ludwig von Breitenbuch, CDU: Das ist aber schlecht!)

Okay. Also, wenn Sie dagegen sind, dass Gebäude angemalt werden, dann müssen Sie es so sagen. Aber das hat mit der Debatte nichts zu tun. Ich verstehe das nicht.

(Widerspruch von der CDU)

Ich möchte in der Debatte weitermachen, Herr Präsident.