Protokoll der Sitzung vom 30.05.2018

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nun gibt es noch eine Wortmeldung von Herrn Abg. Wild. Herr Wild, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Abgeordnete! DIE LINKE will per Gesetz die Windenergienutzung stärken. Einmal abgesehen von dem ganzen Unsinn, die Windkraft weiter auszubauen, obwohl derzeit schon Unsummen für Ausfallvergütungen gezahlt werden, und bei immer häufigeren Störfällen mit abbrechenden Rotoren, umgestürzten Anlagen, die eine permanente Gefahr für Menschen, Tiere und die gesamte Um

welt darstellen, sollen jetzt Bürger, Kommunen und Zweckverbände noch ins finanzielle unternehmerische Risiko getrieben werden.

Was Sie hier beantragen, ist nicht bürgerfreundlich, sondern bürgerfeindlich. Sie können Menschen um ihre Ersparnisse bringen oder gar in den finanziellen Ruin treiben, wenn Sie zu der Finanzierung der Beteiligung auch noch Kredite aufnehmen. Aber dazu später mehr.

Beginnen wir mit der im Gesetz genannten Beteiligungsform. Der Gesetzentwurf der Linksfraktion schließt viele Beteiligungsformen von vornherein aus. Laut Gesetz müssen nicht näher benannte Gesellschaften gebildet werden, und die Anlagen sollen nicht zu Forschungszwecken oder Eigenversorgung dienen dürfen. Gesellschaftliche genossenschaftliche Beteiligungen entsprechend EEG sind nach Änderungsantrag einschließlich eingeschlossen, und den Bürgern im Umkreis von maximal 2 Kilometern – nach dem Änderungsantrag – müssen mindestens 10 % der Anteile angeboten werden, Gemeinden und Zweckverbänden ebenfalls.

Hier haben wir den ersten Konflikt. Lehnen die Gemeinden den Kauf der Anteile ab, ist in jedem Fall eine jährliche Ausgleichszahlung in Höhe von jetzt 1 % zu zahlen. Da im Gesetzentwurf nicht ausgeschlossen, gilt dies auch, wenn die Gemeinden zugunsten ihrer Zweckverbände ablehnen. Gemeinden werden somit in jedem Fall ablehnen. Dieser Kritikpunkt wurde in der Anhörung deutlich, ist aber im Änderungsantrag in keiner Weise berücksichtigt worden.

Dann – und das ist der Gipfel von allem – wollen Sie den Gemeinden auch noch per Gesetz vorschreiben, wofür sie diese Einnahmen verwenden dürfen. Gesellschaftliche Beteiligungen – das klingt harmlos –, Bürgerbeteiligung durch Kapitalanlage ohne Haftungsübernahme – ganz toll klingt das. Wenn die Haftung bei der GmbH liegt, bedeutet das nicht, dass die Einlagen der Investoren sicher sind. Es bedeutet doch nur, dass der Investor nicht noch zusätzlich das Risiko der Nachschusspflicht hat. In der Versicherung nennt man das, was Sie hier tun, Falschberatung. In der Politik gibt es aber keine Beratungshaftung, sonst könnte das noch sehr teuer werden.

Es kommt aber mit Ihrem Gesetz noch schlimmer. Die Bürger werden an dem jeweiligen Windpark oder der jeweiligen Anlage beteiligt. Es gibt keinerlei Risikostreuung. Selbst unter der Annahme, dass der Windpark rentabel geplant wurde, kann die Rendite schon aufgrund von weniger Wind stark sinken. Der ahnungslose private Investor kann die Risiken niemals vollständig überblicken. Ihre Beruhigungspille Wirtschaftsprüfer hilft dabei auch nicht weiter. Denn auch die müssen auf die vorhergesagten Prognosen zurückgreifen. Ob die jemals eintreffen, kann keiner garantieren. Es ist aber absehbar, dass die Firmen ihre Verkäufer losschicken, um dem Bürger jedes Risiko an der Beteiligung kleinzureden.

Nur ein Beispiel: Procon. Verkauft wurde mit Hochglanzprospekten nichts anderes als heiße Luft. Betroffen waren 75 000 Anleger mit zusammen 1,4 Milliarden Euro in

Form von Genussrechten. Die Procon Regenerative Energien GmbH wurde zahlungsunfähig, und es bestand eine Liquiditätsunterdeckung von 95 %. Da war nichts mehr zu holen. Statt der versprochenen 8 % Rendite war schlagartig das gesamte eingezahlte Geld weg. Na ja, weg war es nicht, es hatte nur jemand anderes; es hat legal den Besitzer gewechselt.

Werte Linksfraktion, ist Ihnen eigentlich bewusst, dass Sie hier mit dem Geld der Bürger und Kommunen spielen, nur um den Wahn der Windkraft auszuleben? Jeder sollte und muss sich im Klaren darüber sein, dass es keine 6 bis 12 % Rendite ohne Verlustrisiko gibt. Bei dem, was Sie vorhaben, können Sie die Bürger auch gleich auffordern, an der Börse oder im grauen Kapitalmarkt zu zocken.

Herr Wild!

Fazit: Ihr Gesetzentwurf ist dumm, unnütz und ein großes Risiko für die Bevölkerung. Deshalb werden wir – die fraktionslosen Abgeordneten der Blauen Partei – diesen Unsinn ablehnen.

Danke.

(Beifall bei den fraktionslosen Abgeordneten)

Das nächste Mal bestehe ich auf dem Ende der Redezeit, Herr Wild. – Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde. Gibt es Redebedarf für eine weitere Runde? – Für die Fraktion DIE LINKE Herr Abg. Böhme, bitte.

Ja, Herr Präsident. Ich würde gern auf meine Vorrednerinnen und Vorredner reagieren. Um es einmal klarzustellen: Hier wird keiner gezwungen, kein Bürger, keine Kommune, irgendetwas zu kaufen. Es wird lediglich die Möglichkeit geschaffen, dahin gehend etwas zu tun.

Ich frage mich gerade bei CDU und SPD, warum Sie so scharf dagegenspringen. Was haben Sie in den letzten vier Jahren dieser Legislatur getan, damit es auch nur einem Windbauer, einer Windbauerin oder einem Projektierer hier besser geht? Was hat sich in Sachsen geändert? – Das Einzige, was sich geändert hat, ist, dass wir faktisch einen Ausbaustopp haben, dass keine neuen Windenergieanlagen in Sachsen gebaut werden können. Das ist das Resultat aus vier Jahren Regierung.

Zu den einzelnen Rednern: Herr Rohwer, Sie haben gesagt, dass, seitdem es das Gesetz in MecklenburgVorpommern gibt, das ein anderes ist als das, welches wir Ihnen vorgelegt haben, aber mit Bürgerbeteiligung und auch finanzieller Beteiligung ähnlich aufgeteilt ist, keine Windenergieanlagen mehr geschaffen wurden. Das ist vollkommener Quatsch. Allein im letzten Halbjahr 2017 sind 99 Megawatt entstanden. Das waren 33 Anlagen. In Sachsen waren es übrigens gerade einmal 31 Megawatt und zehn Anlagen, und das war nur Repowering.

Auch Ihre Behauptung, alle Sachverständigen hätten den Gesetzentwurf abgelehnt – ich habe hier das Protokoll der Sachverständigenanhörung und werde jetzt darauf eingehen, dass es eben nicht so ist. Vier Leute waren klar dafür. Herr Maslaton hat zwar nicht konkret zu unserem Gesetzentwurf gesprochen, aber er hat Ihre Energiepolitik genüsslich auseinandergenommen, wozu viele verschiedene Zitate passen.

(Staatsminister Martin Dulig: Sagen Sie bitte, was er zu dem Gesetzentwurf gesagt hat! Er klagt dagegen!)

Ich komme auch zu dem Gesetzentwurf. Zunächst sagte er bei der Sachverständigenanhörung: „Sie brauchen sich über Windenergie in Sachsen keine Sorgen mehr zu machen. Ob Sie den Entwurf haben oder nicht“ – also in dem Fall der Gesetzentwurf – „ist völlig egal. Es passiert nämlich nichts mehr in Sachsen“, sagte er.

Herr Böhme, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich bringe das Zitat zu Ende.

Bitte.

„Wir brauchen nicht mehr über Akzeptanz zu reden. Sachsen ist faktisch tot. Ich sage das einmal ganz detailiert. Wir sind im Flächenstaat diejenigen, die keine Anlagen mehr haben. Das ist ganz simpel.“ – Zitat von Herrn Maslaton.

Jetzt gestatten Sie die Zwischenfrage. Bitte, Herr Vieweg.

Ja, Herr Böhme, eine Zwischenfrage von mir, weil Sie gerade betont haben, Herr Maslaton habe Ihren Gesetzentwurf gelobt und etwas Gutes an Ihrem Gesetzentwurf gefunden. Wissen Sie, dass Herr Maslaton die Windenergiebranche vor dem Bundesverfassungsgericht vertritt, was die Klage gegen Ihr Vorbildgesetz aus Mecklenburg-Vorpommern betrifft? Wissen Sie das, und wie bewerten Sie das?

Ja, Herr Vieweg, das weiß ich. Ich habe auch nicht gesagt, dass Herr Maslaton unseren Gesetzentwurf gelobt hat, sondern viele andere, und dass Herr Maslaton nicht auf unseren Gesetzentwurf eingegangen ist, sondern bei der Anhörung einzig und allein Ihre beiden Regierungskoalitionsfraktionen kritisiert hat, was ich gerade zitiert habe. Zur Verfassungsrechtlichkeit, also ob es rechtlich möglich ist oder nicht, komme ich gleich. Das wurde auch angesprochen.

Herr Vieweg, ich danke Ihnen, dass Sie bei der Anhörung am Anfang einen Auszug ähnlich wie heute gemacht, also ein Loblied auf die Windenergie gesungen haben.

(Gunter Wild, fraktionslos, steht am Mikrofon.)

Herr Böhme, lassen Sie sich nicht irritieren.

Gut. Dann nehme ich vielleicht die Anfrage gar nicht an, falls Sie das gleich sagen werden.

(Lachen bei den LINKEN)

Bringen Sie mich nicht in die Situation, dass ich Sie auf die Ordnung hinweise. Ich wollte bitte nur dazu beitragen, dass Sie Ihren Satz zu Ende sagen können.

Gut. Ich wollte Herrn Vieweg nur danken, dass er ein Loblied auf die Windenergie gebracht hat, auch heute wieder, und würde dann gleich wieder zur Sachverständigenanhörung kommen.

Und jetzt gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Gerne.

Ach, jetzt. Bitte sehr.

Vielen Dank, Herr Präsident! Herzlichen Dank, Herr Böhme. In Ihrem Gesetzentwurf bezeichnen Sie das finanzielle Risiko Anteilseigner bei einer Beteiligung an dem Vorhaben als gering. Des Weiteren schreiben Sie in Ihrem Gesetzentwurf: „So können höhere Erträge für Anteilseigner erworben und finanzielle Risiken begrenzt werden.“ Jetzt meine Frage: Warum weisen Sie mit keinem einzigen Wort, mit keinem einzigen Satz oder Zwischenton in Ihrem Gesetzentwurf darauf hin, dass für die Einlagen ein Totalverlustrisiko entstehen kann, nicht Nachschusspflicht, sondern ein Totalverlustrisiko der Einlagen? Darauf muss immer hingewiesen werden, wenn man so eine Anlage verkaufen will.

Herr Böhme, machen Sie das nicht?

Weil es nicht die Ombudsperson ist, die wir hier fordern. Diese hat eben genau die Aufgabe, die Bevölkerung. bzw. die Bürgerinnen und Bürger, die Gutachterinnen und Gutachter gemeinsam in einer Planungszeit über die Vor- und Nachteile einer Investition bei Windenergieanlagen aufzuklären. Natürlich ist jede Investition, egal ob bei einem Windrad oder bei einem Bauernhof oder bei sonst irgendetwas oder bei einem Aktiengeschäft, das Sie privat machen, immer mit einem Risiko verbunden. Noch einmal: Wir zwingen keinen Bürger, sich dort finanziell zu beteiligen. Wir erschaffen lediglich die Möglichkeit für Menschen, die das Interesse haben, sich dort zu beteiligen, dass sie das auch können, und zwar verpflichtend. Das hat etwas mit Vergesellschaftung zu tun. Die Gemeinden, die das nicht machen wollen oder nicht können, bekommen dann eine Ausgleichsabgabe, damit zumindest die Kommunen, in

denen das Windrad steht oder in deren Nähe es steht, auch finanziell etwas davon haben.

Herr Böhme, gestatten Sie noch eine weitere Zwischenfrage?

Gerne.

Eine kurze Nachfrage.

Einen ganz kleinen Moment. Die Frage war gestellt. Es wird erlaubt. Jetzt haben Sie das Wort.

Vielen Dank. Sie bezeichnen explizit das Risiko als gering. Erklären Sie mir doch einmal, warum Sie in Ihrem Antrag das Risiko der Beteiligung als gering bezeichnen.

Herr Böhme.

Das ist kein Antrag, das ist ein Gesetz.