Weil dieser Vorschlag aber viele Punkte unseres Forderungsteiles aufgreift, will ich diese Vorschläge von gestern Abend aus Sicht meiner Fraktion kurz bewerten. Die Gesamtmittelausstattung der Kohäsionspolitik wird
danach trotz des Brexit mit 331 Milliarden Euro oder etwa 30 % des EU-Haushalts der größte Ausgabenblock der EU sein. Verbunden mit dem stärkeren Engagement der Europäischen Union auf den Feldern Forschung, Digitalisierung und Innovation ist das sicherlich eine wichtige und richtige Weichenstellung für unser Industrieland als auch für unsere Nachbarregionen.
Für ganz Deutschland soll der Rückgang der Mittel bei circa 1,5 Milliarden Euro auf 17,7 Milliarden Euro liegen, also selbst unter Einbeziehung von Inflationseffekten bei etwa nur einem Fünftel. Ich sage das ausdrücklich, weil dieses Ergebnis angesichts unserer sehr positiven wirtschaftlichen Entwicklung und dem Ausscheiden des Vereinigten Königreiches so nicht zu erwarten war. Es ist also ein Korridor, der durchaus bei Verständigung auf Prioritäten und Kompensation durch Bund, Land und Wirtschaft gestaltbar erscheint.
Ebenso erfreulich ist: Auch zukünftig werden alle Regionen Mittel aus der Kohäsionspolitik erhalten. Dies war und ist eine unserer Forderungen. Konkret: Die angekündigte Erweiterung der Bruttoinlandsproduktgrenze auf 100 % für die Übergangsregion wird es überhaupt erst möglich machen, dass der Landesdirektionsbezirk Dresden auch in Zukunft höhere Mittel erwarten kann. Das ist ein Kompromiss, der für diese sechs Landkreise Sachsens mehrere 100 Millionen Euro ab dem Jahr 2021 wert sein dürfte.
Auch dass die Region Leipzig überhaupt noch EUStrukturförderung wird erhalten können, ist ein Ergebnis des gestern vorgestellten Vorschlages und mithin ein klarer Erfolg gemeinsamer Verhandlungen des Landes im Verbund der Regionen und des Bundes in Brüssel.
Den neuen Bundesländern wird es sicherlich zudem helfen, dass bei der Mittelverteilung auch Unterschiede innerhalb der Nationalstaaten über den Indikator Wohlstandsniveau, zum Beispiel die Höhe der Arbeitslosigkeit, berücksichtigt werden sollen oder weiterhin können. Ferner soll es die schon angesprochenen Verwaltungsvereinbarungen, insbesondere bei den Prüfverfahren –
Stichwort: Single-Audit –, und eine teilweise Verlagerung auf die regionalen Kontrollinstanzen geben.
Was heißt das? Die Kontrolle der Förderprojekte läge dann zum Beispiel beim Sächsischen Rechnungshof und somit auch die Aufgabe, unbürokratische Verfahren zu sichern. Es ist immerhin eine Chance. Ich gebe gern zu, ich bin mir nicht sicher, ob sich mancher dann nicht wieder die EU als Prüfbehörde wünscht. Aber wir haben hier eine Chance, in Sachsen Verfahren selbst zu vereinfachen.
Zurück zum Ernst des Vorschlages, denn dieser enthält einige, nicht gerade kleine Herausforderungen. Neben dem insgesamt leicht sinkenden Niveau bietet er eine Gefahr, und zwar die, dass die Wettbewerbsbedingungen innerhalb der Regionen, auch Sachsens, noch weiter auseinanderfallen. Während zum Beispiel die zwei Übergangsregionen Chemnitz und Dresden mit den Höchstfördersätzen von 55 % sogar den Rückstand zum Förderniveau der weniger entwickelten Regionen im Osten und Südosten Sachsens verringern können, wird der Abstand zur Region Leipzig um weitere 5 % steigen.
Um dies einmal konkret zu machen: Wenn ein Investor oder eine Kommune darüber nachdenkt, im überhaupt nicht mit öffentlicher Verwaltung wie Forschungseinrichtungen und auch mit wenig Geld gesegneten Landkreis Nordsachsen eine Investition zu tätigen, wird er auch noch mit einem bis zu 15 % niedrigerem Förderniveausatz als beispielsweise im infrastrukturell besser angebundenen Nachbarlandkreis Meißen konfrontiert sein. Oder nehmen wir das Beispiel unserer polnischen Nachbarregion, wo der Fördersatz bis zu 30 % höher sein wird.
Kurzum: Ich verweise deshalb ausdrücklich auf den Forderungspunkt II c und d im Koalitionsantrag, der eben auch Aufgaben für die kommende Finanzarchitektur im Freistaat Sachsen definiert. Zudem – das ist vielleicht noch schwerwiegender – werden viele Investitionen, insbesondere der Kommunen, bei einem EU-Kofinanzierungssatz von – wie am Beispiel der Region Leipzig – nur noch maximal 40 % unattraktiver, wenn nicht der Freistaat oder der Bund diese Lücken kompensiert.
Meine Damen und Herren! Sie sehen, uns stehen noch schwierige Debatten ins Haus. Nichtsdestotrotz ist dies nur ein Vorschlag der EU-Kommission und im Ganzen als ein Etappenerfolg auf dem Weg zur nächsten Förderperiode zu sehen, der jetzt noch der Zustimmung von Rat und EU-Parlament bedarf.
Ich will ein Zwischenfazit ziehen: Die Kohäsionspolitik bleibt eine der wichtigsten Politiken der EU und das entscheidende Instrumentarium, um den Zusammenhalt zwischen den europäischen Regionen sowie deren wirtschaftliche und soziale Konvergenz zu unterstützen. Die Mittelverschiebungen, die uns erwarten, sind weniger drastisch als befürchtet, und erlauben weiterhin eine gestaltende Politik bei immer noch hohen Investitionsquoten, vor allem aber bei klarer definierten Prioritäten, zum Beispiel – neu – der Integration oder Innovation. Ja, wir müssen dennoch über alternative Fördermöglichkeiten
nachdenken, schon allein wegen der Disparitäten zwischen den sächsischen Regionen. Ich hatte gerade das Beispiel der klaffenden 15 % zwischen der Region Leipzig und den anderen beiden angesprochen, und das ist eine Herausforderung.
Sehr geehrte Damen und Herren! Wir wollen auch auf dieser Basis die Chancen, welche die EU zum Wohle der Menschen in unserem Land bietet, verstärkt auf dem Feld der Innovation, des Strukturwandels und der Integration nutzen. In diesem Sinn verhandelt die Staatsregierung und handeln auch unsere Vertreterinnen und Vertreter im Europäischen Parlament. Der nun vorliegende Vorschlag der Kommission zum mittelfristigen Finanzrahmen bietet hierfür eine gute Ausgangsbasis. Diese sollte nun gesichert werden, um ihn zeitnah mit klaren Prioritäten untersetzen zu können. Deshalb bitten wir um Ihre Zustimmung zu unserem Antrag.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Die Kohäsionspolitik stellt die wichtigste Investitionsstrategie der Union dar und ist ein wichtiger Faktor für die Schaffung von Arbeitsplätzen, nachhaltiges Wachstum und Innovationen in den verschiedenen Regionen Europas. Sie unterstützt den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt unserer Union. Trotz der wirtschaftlichen Erholung in Europa gibt es nach wie vor große Unterschiede zwischen und in den Mitgliedsstaaten. Heute benötigen die Mitgliedsstaaten und Regionen weitere Unterstützung, um neue und anhaltende Herausforderungen bewältigen zu können. Es gilt unter anderem, die Globalisierung zu meistern, den industriellen Wandel zu gestalten, Innovationen und Digitalisierung zu fördern, Migrationsströme nachhaltig zu steuern und den Klimawandel zu bekämpfen. Die kohäsionspolitischen Mittel, deren Verwaltung in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedsstaaten und Regionen erfolgt, werden auch weiterhin die wirtschaftliche Konvergenz und den sozialen Zusammenhalt vorantreiben. Zudem leisten sie einen Beitrag zur Verbesserung des Investitionsumfeldes in Europa.“
Das habe ich mir nicht selbst ausgedacht, sondern das sind die Erläuterungen der Kommission auf die Frage, warum regionale Entwicklung und Zusammenhalt eine Priorität sind. Selbstverständlich sehen wir das ganz genauso.
Die am 2. Mai veröffentlichten Vorschläge der Kommission für den Mehrjährigen Finanzrahmen 2021 bis 2027 haben nun ein Volumen von 1,13 Billionen Euro für Zahlungsverpflichtungen und 1,1 Billionen Euro für Zahlungsermächtigungen. Inflationsbereinigt ist das ein
kleiner Anstieg im Vergleich zum letzten Mehrjährigen Finanzrahmen. Mit den Vorschlägen soll den geänderten Bedingungen nach dem Brexit und den aktuellen Herausforderungen Rechnung getragen werden. Daher will und muss die EU auch haushalterisch neue Prioritäten setzen, zum Beispiel bei Migration, Grenzmanagement und Sicherheit, Außenbeziehungen und Verteidigung. Wenn gleichzeitig die Mittel in den Bereichen Jugend, Bildung, Forschung und Innovationen steigen – das begrüßen wir ausdrücklich –, müssen zwangsläufig an anderen Stellen Abstriche gemacht werden oder es bedarf deutlich mehr Einnahmen, und dies auch aus Deutschland.
Der Vorschlag der Kommission sieht nun vor, die Mittel der Gemeinsamen Agrarpolitik um 5 % und die der Kohäsion um 5 respektive 7 % zu kürzen. Für die Kohäsionspolitik bedeutet dies konkret ein Absinken von 352 Milliarden Euro auf 330 Milliarden Euro. Kommissionspräsident Juncker und Haushaltskommissar Oettinger halten dies für vertretbar und versichern, dass keine Programme geschädigt werden. Das ist fraglich, aber sei es drum. Bleibt nun die Frage, wie die weniger werdenden Mittel verteilt werden.
Bereits bevor uns die für gestern Nachmittag angekündigten Gesetzgebungsvorschläge zur Kohäsionspolitik auf dem Tisch lagen, konnte man Folgendes im Agenturticker der dpa lesen: „Italien soll nach dem Willen der EUKommission künftig mehr Geld aus den Fördertöpfen der Europäischen Union bekommen, einige Länder im Osten der Union dagegen weniger. Für Länder wie die Slowakei, die baltischen Länder oder Polen sei im geplanten künftigen EU-Haushalt weniger Geld für die Kohäsionspolitik vorgesehen, weil sie wettbewerbsstärker geworden sind, weil sie wirtschaftlich zugelegt haben“, sagte EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger am Dienstag im EUParlament in Straßburg. Andere, die in den letzten Jahren länger in der Stagnation gewesen sind, zum Beispiel Italien, bekommen mehr Geld. Die EU-Kommission wolle erreichen, dass es weiterhin fair zugehe und dass es nicht bei Kohäsionspolitik zu große Gewinner und zu starke Verlierer gebe. – So weit Oettinger.
Der Vorschlag sieht nun vor, dass Deutschland in der nächsten Förderperiode 15,7 Milliarden Euro statt bisher 19,8 Milliarden Euro aus den Struktur- und Investitionsfonds erhält und strukturschwächere Regionen dafür mehr erhalten. – Ich hatte 15,7 gelesen, Kollege Mann. Wenn Sie 17,7 gelesen haben, dann ist es etwas anderes.
Um dies auszugleichen – Sie werden es ahnen – muss mehr Geld ins System. Die EU-Abgeordneten haben sich gegen die Kürzungen ausgesprochen und unterstützen die Pläne der Kommission für neue EU-Eigenmittel, und die Verhandlungen zum Mehrjährigen Finanzrahmen – auch das wurde schon ausgeführt – beginnen gerade erst.
Aber genau das, was Kommissar Oettinger sagt, wie sich das im Vergleich der Regionen zueinander verhält, ist der
Kern der Kohäsionspolitik. Regionen, die profitiert haben, wettbewerbsfähiger geworden sind und wirtschaftlich zugelegt haben – was sich an ihrem Bruttoinlandsprodukt messen lässt –, werden nicht mehr im Fokus einer Maximalförderung stehen. Wenn das Bruttoinlandsprodukt weiterhin – so ist der Vorschlag zu sehen – als ausschlaggebendes Vergleichsinstrument zwischen den Regionen im Vergleich zum Unionsdurchschnitt herangezogen wird, dann sind neben Leipzig auch Dresden und Chemnitz über kurz oder lang sogenannte stärker entwickelte – also weniger bedürftige – Regionen, auch wenn das vielleicht – Kollege Mann hat es ausgeführt – etwas später stattfindet, als bislang befürchtet.
Ganz ehrlich gesagt, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wenn es nicht die blühenden Landschaften allerorten sind, die von Altkanzlei Kohl seinerzeit versprochen wurden, kann sich das, was die Menschen hier erarbeitet und geleistet haben und was auch mithilfe der EU und mit europäischen Fördergeldern entstanden ist, sehen lassen. Sie können doch nicht einerseits stets und ständig erzählen, dass wir der tollste Freistaat auf der Welt sind, aber andererseits bei drohendem Wegfall von Fördergeldern Horrorszenarien an die Wand malen, dass nun alles Erreichte zusammenbrechen würde.
An dieser Stelle bin ich nun doch bei Ihrem Antrag angekommen. Die Überschrift klingt gut. Ja, die Stärkung und der Zusammenhalt der europäischen Regionen durch die Kohäsionspolitik muss auch nach 2020 sichergestellt werden. Punkt I können wir sogar mittragen; denn all das, was Sie in Ihrem Antrag aufgeführt haben, trifft zu. Kohäsionspolitik ist ein wichtiges und wirkungsvolles Instrument. Der Freistaat hat nicht unerheblich davon profitiert, und nun kann es passieren, dass weitere Regionen Sachsens nicht mehr die höchste Förderung erhalten, die Mittel generell weniger werden und die EU andere Prioritäten setzen muss.
Unter Punkt II, liebe Kolleginnen und Kollegen, ersuchen Sie nun zum Ersten einen Bericht der Staatsregierung zum Beispiel über die Verhandlungen, den Mittelabfluss und die Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes.
Spannend wird es unter Punkt 1 g, welche strategischen Vorkehrungen die Staatsregierung im Hinblick auf die anstehenden Verhandlungen zum Mehrjährigen Finanzrahmen trifft. Diese würden uns allerdings auch brennend interessieren. Ebenso interessant könnten die Ausführungen der Staatsregierung zu den Debatten um Vereinfachung, Abstimmung mit anderen Ländern und den Konsequenzen daraus sein.
Aber warum, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben Sie eigentlich keine Stellungnahme der Staatsregierung gefordert? Mal sehen, was Herr Schenk uns im Anschluss noch dazu ausführen kann.
Bei Punkt 2 allerdings, liebe Kolleginnen und Kollegen, verlassen Sie endgültig die solidarische Ebene und lassen uns durch die Blume wissen, dass Sie gar nicht ernsthaft bereit sind, einen Rückgang der Mittel zugunsten anderer, weit weniger entwickelter, also durchaus bedürftigerer
Regionen in der EU zu akzeptieren, und ebenso nicht wirklich bereit sind, darüber nachzudenken, dass man auch mit eigenem Geld Infrastruktur und Regionalentwicklung fördern könnte. Stattdessen sollen andere EUProgramme wegfallende Strukturfondsmittel kompensieren.
Tja, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist sehr schade, aber da gut gemeint noch nicht gleich gut gemacht ist, können wir uns hier auch nur enthalten.
Genau, ich möchte die nutzen, um zum einen eine Verwirrung aufzuklären, warum wir zwar unterschiedliche Zahlen, aber trotzdem beide recht haben: Meine Zahl bezog sich auf die sogenannten laufenden Kosten, die Inflation einbezieht und damit auch zur vorherigen Förderperiode vergleichbar macht. Das ist die sachliche Klarstellung.
Im zweiten Teil meiner Kurzintervention möchte ich aber noch einmal von mir weisen, dass wir uns nicht bewusst sind, dass wir hier natürlich auch mit eigenem Geld kompensieren müssen. Genau deswegen habe ich meinen Wortbeitrag so gehalten und auf die Beschluss- und Forderungspunkte II c und d verwiesen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Parteifreund von Ihnen, werter Herr Schiemann, hat im Frühjahr dieses Jahres ziemlich unverblümt die Katze aus dem Sack gelassen. „Zeit online“ berichtet am 16. Februar, EUHaushaltskommissar Günther Oettinger erwarte von Deutschland höhere Beiträge zum EU-Haushalt. Mit einem Zuschlag von mindestens 3 oder 3,5 Milliarden Euro aus Deutschland könne man die Lücke schließen, die der Brexit hinterlasse, und zusätzliche Aufgaben finanzieren.
Diese Äußerung spricht Bände. Herr Oettinger kommt gar nicht auf die Idee, dass das Ausscheiden eines Mitgliedslandes zu Minderausgaben führen könnte. Ganz klar fällt mit Großbritannien ein Land aus, das mehr in den EUHaushalt eingezahlt hat, als es an EU-Mitteln zurückbekommen hat.
Im Jahr 2016 lag das Land mit einem Negativsaldo in Höhe von 6,2 Milliarden Euro hinter Deutschland und Frankreich auf dem dritten Platz der Nettobeitragszahler. Gleichwohl muss jede Familie Einschränkungen vorneh
men, wenn ihr weniger Geld zur Verfügung steht. Für die EU gilt das offenbar nicht. Dort steht allein die Frage, wo man neues Geld herbekommt. Herrn Oettinger mag man ja zugutehalten, dass er seit vielen Jahren in der Brüsseler EU-Welt zu Hause ist – eine gewisse Abgehobenheit ist da wohl unvermeidbar.