Oliver Schenk, Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin den Fraktionen von CDU und SPD sehr dankbar für diesen Antrag und die heutige Debatte. Beides ist wichtig, und es kommt zur rechten Zeit; darauf ist schon hingewiesen worden.
Wir sind in der Tat in der heißen Phase der Verhandlungen über den mittelfristigen Finanzrahmen. Anfang dieses Monats wurde er vorgestellt. Gestern hat die Kommission die ersten Entwürfe der Verordnungen für einzelne Aufgabenbereiche vorgelegt, darunter jene für die Struktur- und Investitionsfonds, die für Sachsen außerordentlich wichtig sind.
In vier Wochen wird sich erstmals der Europäische Rat mit den Vorschlägen beschäftigen. Die Kommission selbst will die Verhandlungen über den MFR bis zum Gipfel in Sibiu im Mai nächsten Jahres abschließen, noch vor der Europawahl. Das ist zugegebenermaßen ein sehr ehrgeiziger Zeitplan. Ob es gelingt, wird man sehen. Wünschenswert – aus sächsischer Sicht – wäre es allemal, da so ein reibungsloser Übergang in die nächste Förderperiode gewährleistet wäre.
Meine Damen und Herren! Durch den Brexit verliert die EU den drittgrößten Nettozahler. Zugleich plant die Kommission, die Ausgaben in Teilbereichen beträchtlich zu erhöhen, auch um neue Aufgaben anzugehen. Im Bereich Migration und Schutz der Außengrenze plant die Kommission nahezu eine Verdreifachung des Budgets. Der Verteidigungsfonds wird deutlich aufgestockt. Ein deutliches Signal setzt die Kommission auch im Bereich Innovation und Forschung mit 64 % mehr Mitteln. Der Etat von Erasmus+ soll ebenfalls deutlich angehoben werden. Beides begrüßen wir ausdrücklich.
Dies geht jedoch zulasten der traditionellen Politikbereiche. Die Mittel für die Gemeinsame Agrarpolitik sollen laut Angaben der Kommission um 5 % gekürzt werden, die Kohäsionsmittel um etwa 7 %.
Richtig – das ist weniger als befürchtet. Dennoch: Kürzungen sind ganz klar das falsche Signal. Gerade der Brexit zeigt doch, dass die Union mehr für den regionalen Zusammenhalt tun muss, nicht weniger. Die Kohäsionspolitik ist ein starkes Instrument gelebter europäischer Solidarität.
Deshalb werden wir uns für eine Stärkung und Fortsetzung dieser Politik einsetzen. Das wird angesichts der skizzierten Ausgangslage jedoch nicht leicht. Zwar soll
der Gesamthaushalt nach dem Vorschlag der Kommission gegenüber dem aktuellen nahezu unverändert bleiben. Allerdings steigt das Volumen wegen des Brexits von jetzt 1 % der Wirtschaftsleistung pro Jahr auf 1,11 %. Das trifft nicht überall auf ungeteilte Zustimmung.
Das wird die Finanzverhandlungen einerseits nicht gerade leicht machen. Sie werden schwierig, manche sprechen von den schwierigsten aller Zeiten. Und auch der Zeitplan ist, wie gesagt, ehrgeizig. Andererseits hat über Jahrzehnte am Ende immer wieder der Wille zum Kompromiss zu guten Ergebnissen geführt.
Was heißt das für uns im Freistaat Sachsen? Eines ist seit gestern klar: Die Förderung wird für alle Regionen weitergehen, wenn auch auf niedrigerem Niveau. Das ist erst einmal gut für Sachsen, denn es gab auch ganz andere Szenarien im Vorfeld. Dieser absehbare Rückgang ergibt sich daraus, dass die Wirtschaftsleistung je Einwohner in Sachsen schneller gestiegen ist als im Durchschnitt der EU 28. Darauf können wir stolz sein. Es zeigt, dass Sachsen gut gearbeitet hat und das gibt uns ein starkes Argument in die Hand. EU-Mittel sind in Sachsen gut angelegt. Aber die Förderung darf in Zukunft nicht abreißen, sie ist für uns lebenswichtig. Unser Argument war immer, Sachsen ist noch lange nicht am Ende seines Aufholprozesses. Ziel muss auch weiterhin eine sich selbst tragende wirtschaftliche Entwicklung sein. Ein Ende der Förderung wäre fahrlässig und würde das bereits Erreichte gefährden und infrage stellen. Zudem ist es das erklärte Ziel der Kohäsionspolitik der gesamten EU, den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt zu fördern. Nicht nur wir haben so argumentiert, und das hat auch Früchte getragen.
Wir begrüßen die gestrige Empfehlung der Kommission, dass auch künftig alle Regionen gefördert werden sollen, so wie wir es schon lange fordern. Unser Ziel ist es nun, eine bestmögliche Mittelausstattung für den Freistaat zu erreichen. Deshalb haben wir uns bereits sehr frühzeitig in die Diskussion um die Zukunft der EU-Förderung eingebracht. Ich erinnere an die zahlreichen Stellungnahmen, die wir hier im Parlament und in den Ausschüssen diskutiert haben und die maßgeblich auf sächsische Initiativen und Ideen zurückgehen. Dazu gehört zum Beispiel der Bundesratsbeschluss vom Dezember 2016, ein Beschluss der Europaministerkonferenz, der maßgeblich auf Sachsen zurückgeht, ein Kabinettsbeschluss aus diesem Jahr und zuletzt die gemeinsame Konferenz der ostdeutschen Regierungschefs mit der Kanzlerin, in der sie die Positionen noch einmal deutlich gemacht haben. Auch in EUweiten Initiativen hat sich Sachsen eingebracht und beispielsweise im Ausschuss der Regionen für eine stärkere Kohäsionspolitik geworben. Unsere Botschaft war und ist: Es ist richtig, mehr für die äußere Sicherheit der Union zu tun, ebenso wichtig ist es, ihren inneren Zusammenhalt zu stärken gegen die Fliehkräfte, welche der Brexit aufgezeigt hat.
In den nächsten Wochen und Monaten werden wir nicht nachlassen, die sächsischen Positionen weiter intensiv in
Richtung Brüssel, aber auch Richtung Berlin zu kommunizieren und dafür zu werben. Das gilt auch für die Gemeinsame Agrarpolitik. Wir möchten das aktuelle Niveau gern beibehalten, um den ländlichen Raum weiter zu stärken.
Auch bei der GAP kommt es freilich auf die konkrete Ausgestaltung an. Gerade bei den angekündigten Kürzungen von 5 % müssen wir genau hinschauen, wie sich diese real auf Sachsen auswirken werden.
Geld ist aber nicht alles in der Debatte. Unsere Forderungen für die Kohäsionspolitik beinhalten auch konkrete Vorschläge für den Fördervollzug. Wir wünschen uns deutlich weniger Bürokratie, weniger Kontrollen und mehr Entscheidungsfreiheit vor Ort, denn sowohl für die Verwaltungsbehörden als auch die Begünstigten der Förderung hat es zuletzt einen unverhältnismäßigen Anstieg der Komplexität und Bürokratie gegeben. Hier muss die EU dringend gegensteuern. Ob die Vermengung mit Kriterien, die auch Frau Maicher angesprochen hat, uns an der Stelle helfen wird, müssen wir genau beobachten. Ich bin nicht sicher, ob das der richtige Weg ist, der da möglicherweise eingeschlagen wird.
Ich bin meinem Kollegen Thomas Schmidt sehr dankbar, weil er konkrete Vorschläge gemacht hat, wie man den Fördervollzug mit weniger Bürokratie gestalten kann.
Mit der Initiative eines ELER-Reset hat Sachsen einen umfangreichen Vereinfachungsvorschlag erarbeitet, der weit über die Grenzen unseres Freistaates hinaus mittlerweile Unterstützung findet. Auch die Kommission hat gestern signalisiert, den Bürokratieabbau voranzutreiben. Damit sind unsere Kernforderungen – erstens Fortführung einer starken Kohäsionspolitik und zweitens Verwaltungsvereinfachung und Bürokratieabbau – durchaus auf Gehör gestoßen. In den nächsten Monaten werden wir am Ball bleiben für maximale Mittelausstattung und weitere Fördervereinfachung. Im Übrigen nutzen wir auch das Argument, das im Antrag genannt ist. Die Projekte, die aus Kohäsionsmitteln finanziert werden, sind das freundliche Gesicht einer bürgernahen Union. Sie machen unsere Städte und Dörfer schöner, sie sichern Arbeitsplätze und ermöglichen unternehmerische Erfolge.
Die Staatsregierung setzt sich daher dafür ein, dass die EU weiterhin den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt stärkt und damit unsere sächsische Heimat und das Vertrauen in die EU. Wir streben eine maximale Mittelausstattung bei weniger Bürokratie an. Sachsens Zusammenarbeit mit Polen und Tschechien und unsere gute Nachbarschaft sollen gestärkt werden.
Ich danke allen hier für die Unterstützung in den letzten Monaten und setze darauf, dass der Landtag auch weiterhin bei den Verhandlungen hinter uns steht.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst bedanke ich mich für die Debatte. Ich möchte erstens eine Sache richtigstellen. Die Rechnung geht nicht auf. Wenn ich auf 16 Bundesländer Geld verteile, dann muss ich immer den Königsteiner Schlüssel anwenden. Wir haben 4 Millionen Einwohner und würden nie auf 4 Milliarden Euro kommen, die der Bund uns zuweisen würde. Die Zahl wäre weitaus geringer als das, was wir kriegen. Ich weiß zum Beispiel nicht, ob Sie wissen, wie viel Geld wir von der Europäischen Union insgesamt bekommen.
Ich hatte ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es uns weiter um die Strukturfonds EFRE und ESF geht, dass es uns um die Unterstützung im ländlichen Raum – ELER – geht, dass es wichtig ist, dass die grenzüberschreitende Zusammenarbeit finanziert wird, dass wir auch bei der Förderung im Hochschulrahmenplan eine Möglichkeit haben, weiter zu partizipieren, und natürlich ist es wichtig, dass wir die Direktzahlungen für die Landwirte einbeziehen. Da liegen wir bei fast 6 Milliarden Euro. Das würde in Ihrer Rechnung nicht funktionieren. Ich würde Sie bitten, das nicht so oberflächlich zu machen. Rechnen Sie erst einmal richtig nach.
Zweitens. Frau Kollegin Dr. Maicher hatte es angesprochen, es geht nicht nur um Geld, es geht schon auch um die Idee Europa. Da haben wir unterschiedliche Auffassungen. Wir als CDU-Fraktion sagen, wir wollen eine starke Europäische Union von Nationalstaaten. Es gibt andere im Raum, die wollen eine sehr starke Konzentration auf Europa haben, aber hier geht es um den Mehrjährigen Finanzrahmen, um ein Finanzinstrument, das die Europäische Kommission den Nationalstaaten, den Regionen, auch den unterschiedlichen Berufsgruppen zur Verfügung stellt. Dies zu nutzen war Anliegen dieses Antrags innerhalb der Koalition. Die SPD- und die CDU
Fraktion haben sich zusammengesetzt und im Diskurs mit der Staatsregierung versucht Wege zu finden, so viel wie möglich für unser Land herauszuholen. Wenn man das tut, so viel wie möglich für die Landsleute im Freistaat Sachsen zu erreichen, muss das ein lohnendes Ziel einer Regierungskoalition, der SPD- und der CDU-Fraktion, sein. Das ist ein gutes Anliegen gewesen.
Herr Staatsminister Schenk hatte angesprochen, dass es weiterer Bemühungen bedarf, jetzt klar Schiff zu machen, wo es langgehen wird, wenn wir die Details kennen. Ich möchte ausdrücklich die Europa-Abgeordneten, die aus dem Freistaat Sachsen ins Europaparlament entsandt sind, –
– bestärken und mich bei ihnen ausdrücklich bedanken für ihren Einsatz für die Arbeit im Freistaat Sachsen. Herzlichen Dank. Ich würde mich freuen, wenn Sie dem Antrag Ihre Zustimmung geben.
Ich stelle nun die Drucksache 6/13361 zur Abstimmung und wer seine Zustimmung geben möchte, zeigt das bitte an. – Vielen Dank. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Vielen Dank. Bei zahlreichen Gegenstimmen, zahlreichen Stimmenthaltungen hat dennoch die Mehrheit für den Antrag gestimmt. Damit ist der Antrag beschlossen.
Meine Damen und Herren! Die Aussprache erfolgt in der Reihenfolge: die Fraktion die LINKE als einbringende Fraktion, dann die CDU-, die SPD-, die AfD-Fraktion und
die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie Frau Abg. Kersten. Dann spricht die Staatsregierung, wenn sie das Wort wünscht.