Protokoll der Sitzung vom 30.05.2018

Ach, Herr Wild, bitte schön. Entschuldigung!

Haben Sie mich vergessen, Frau Präsidentin?

Ja, ich habe Sie vergessen. – Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete! Die Freiheit als Grundwert, die

Menschenrechte unantastbar und Demokratie als Staatsprinzip. So wünschen wir uns unseren Nachbarn Russland und am besten die ganze Welt.

Das Problem? Es ist ein Wunschtraum und keine Realität. Die Lösung: einerseits die Beendigung der Wirtschaftssanktionen gegen Russland und andererseits die hiermit formulierte Forderung zur Beendigung der herrschenden politischen Agitation, die das Ziel verfolgt, Russland als Gegner oder besser als Angstgegner uns allen darzustellen.

Die deutsche Regierung sollte sich schnellstens darüber im Klaren werden, dass es keinen Sinn macht, die Mauer, die wir im Jahr 1989 abgerissen haben, an der russischen Grenze nun wieder aufzubauen. Die dem deutschen Volk gerade von russischer Seite damals gewährte Verantwortung hat die Wiedervereinigung Deutschlands überhaupt erst möglich gemacht. Allerdings macht uns, den fraktionslosen Abgeordneten der blauen Partei, eine andere Entwicklung große Sorgen.

(Zuruf von der AfD: Wem?)

Wie mag wohl Russland die auch von deutschen Politikern herausgeschriene Forderung nach den Vereinigten Staaten von Europa verstehen? So unsinnig diese Forderung aus unseren Augen auch sein mag: Sie verschreckt nicht nur viele Deutsche. Fragen Sie doch einmal, wie sich Russland fühlen würde, sollte es künftig einem derart fragilen Bündnis gegenüberstehen und mit ihm zusammenarbeiten müssen.

Bitte zum Ende kommen!

Denn Krieg wollen immer nur die anderen. Die Geschichte schreibt dann, wer der Sieger ist, wenn es denn überhaupt einen Sieger geben sollte.

Danke.

(Beifall bei den fraktionslosen Abgeordneten)

Jetzt gehen wir in die zweite Runde. Für die Linksfraktion Herr Abg. Stange.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Lippold, ich möchte mich zunächst für den verfrühten Zwischenruf entschuldigen und mich zumindest für eine bis dahin weitgehend sachliche Debatte bedanken.

Dennoch, glaube ich, gehören ein paar erläuternde Grundlagen dazu, damit wir tatsächlich gemeinsam auch das verstehen, was wir jetzt gehört haben.

Das heißt, es muss bei uns die Einsicht reifen, dass die Abtrennung des Kosovo mit dem Völkerrecht nicht vereinbar war und dass genau das der Steigbügel für den

technisch völkerrechtswidrigen Anschluss der Krim an Russland war.

Etwas anderes gehört aber ebenso dazu: Russland ist das flächenmäßig größte Land der Welt, es birgt enorme Naturressourcen in sich, und es ist nach wie vor – auch wenn im Schwarzen Meer das eine oder andere Kriegsschiff zwischenzeitlich zu rosten begonnen hatte – eine gigantische Militärmacht. Das muss man sich vor Augen halten, um zu verstehen, was im Jahr 2001 passiert ist. Der damalige amerikanische Präsident Obama hatte Russland zur Regionalmacht herabgestuft.

(Harald Baumann-Hasske, SPD: Das war nicht 2001!)

Wann war es?

(Zuruf des Abg. Harald Baumann-Hasske, SPD)

Bush. Nein, es war Obama. Dann war es 2002.

(Harald Baumann-Hasske, SPD: 2011!)

2011? Wir lesen nach; wir lesen gemeinsam nach.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Gemeinsam wird nachgelesen! – Weitere Zurufe)

Es ist richtig; Entschuldigung! – Aber es wurde zur Regionalmacht herabgestuft.

Das Angebot – jetzt kommt die richtige Zahl – 2001 von Wladimir Putin im Deutschen Bundestag – auf Deutsch –, eine Sicherheitsarchitektur unter Einbindung Russlands in Europa auf Augenhöhe und einen humanitären und wirtschaftlichen Raum von Lissabon bis Wladiwostok zu schaffen, ist leider nicht angenommen worden. Es ist eher mit Konfrontation beantwortet worden. Es ist mit dem beantwortet worden, was wir schon besprochen haben: mit militärischem Säbelrasseln und mit einem Raketenabwehrschirm gegenüber Russland. Das passt nicht zusammen, und so kann man Stabilität in Europa nicht gestalten.

Kollege Baumann-Hasske, Sie haben Willy Brandt zu Recht zitiert. Allerdings: Wer Wandel durch Annäherung gestalten will, darf nicht zunächst den Wandel fordern – –

Entschuldigung! Wandel durch Annäherung – so herum.

(Patrick Schreiber, CDU: Andersherum geht auch!)

Nein, nein, Wandel durch Annäherung. Der darf aber nicht zuerst den Wandel fordern, bevor man sich annähern kann. Diese Schwierigkeit der derzeitigen Auseinandersetzung wird uns mit allen Aktionen, die wir auf der Weltbühne erleben müssen, immer wieder vor Augen geführt. Wandel durch Annäherung ist das richtige Konzept.

Es hat damals zum Erfolg geführt; denn auch die Sowjetunion war für den Westen Europas mit Sicherheit nicht der Hort der Freiheit, der Menschenrechte und einer vertrauensvollen Außenpolitik. Dennoch war dieses Konzept richtig, und es ist aus unserer Sicht auch in der

heutigen Zeit richtig – bei allem, was man an den inneren Zuständen in Russland zu kritisieren hat.

Wir müssen uns in erster Linie darum bemühen, Stabilität zu erreichen, die Kriegsgefahr zu minimieren bzw. ihr zumindest nicht weiter entgegenzulaufen. Vor allem müssen wir uns – das ist die Aufforderung an die Sächsische Staatsregierung – auf allen Ebenen dafür einbringen, dass eine solche Politik sowohl in Berlin über den Bundesrat als auch in Brüssel über alle Kanäle in der Europäischen Union verständlich gemacht wird.

Es ist die zentrale Botschaft, die wir Ihnen mitgeben wollen, dass wir uns mit dieser Aufgabe auch im Sinne von „Nie wieder Krieg!“ und des Wandels durch Annäherung befassen sollten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Die CDUFraktion; Herr Abg. Otto.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich bin sehr dankbar für die Debatte zu diesem existenziell wichtigen Thema. Wir als Sächsischer Landtag sind zwar nur begleitend kompetent an dieser Stelle, aber es ist wichtig, sich darüber auszutauschen und seinen Standpunkt vorzutragen.

Frieden geht alle an. Frieden ist keine Selbstverständlichkeit und er muss bewahrt werden. Ich denke, darüber sind wir uns im Hohen Haus alle einig. Es ist deshalb kein Fehler, dieses Grundbedürfnis aller Menschen in diesem Haus noch einmal in den Blick zu rücken und auf die mögliche Eskalationsgefahr hinzuweisen.

Vor einiger Zeit habe ich das Buch des englischen Historikers Christopher Clark „Die Schlafwandler“ gelesen. Er beschreibt darin, wie die europäischen Mächte Stück für Stück in den Ersten Weltkrieg geschlittert sind, der schlicht als Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts bezeichnet wird. Damals, nach 43 Jahren Frieden von 1871 bis 1914, wusste man ihn offensichtlich nicht mehr genügend zu schätzen. Das sollte uns jetzt, 73 Jahre danach, nicht wieder passieren. Auf keinen Fall!

Ich muss gestehen, als vor drei Jahren der Abschuss des Fluges MH 17 über der Ukraine geschehen ist und sich die Kämpfe in der Ostukraine zuspitzten, hatte ich schon einige Sorgen und habe mich an all die Dinge erinnert, die beschrieben haben, wie sich Zustände zuspitzen, bis es zu einer Eskalation kommt. Ich hatte wirklich Sorge, und ich denke, gefühlt sind wir über diesen Zustand hinweg. Es gibt zwar immer noch eine Menge Baustellen, aber zum Glück ist diese Hochphase der Zuspitzung ein Stück weit überwunden.

Im Kongress der Gemeinden und Regionen des Europarates, in dem ich Sachsen vertreten darf, bekomme ich aber davon immer noch eine Menge mit. Dort erlebe ich die spannungsgeladenen Statements zwischen der russischen

und der ukrainischen Delegation. Es gibt noch viele andere Dinge, zum Beispiel wenn sich die Schotten zu Wort melden oder die Türken mit ihren Repressalien gegen missliebige Bürgermeister, die teilweise stattfinden. Jedenfalls geht es hoch her, und es tut weh zu beobachten, wie uneins die eigentlichen, sogenannten Brudervölker sind. So sitzt zum Beispiel ein Russe neben einem Ukrainer im Plenum und beide haben sich kein Wort zu sagen. Das ist schon bitter. Wir als deutsche Delegation sind vor Ort sehr engagiert unterwegs und bemühen uns um Deeskalation. Stück für Stück entspannt sich das. Ich denke, dass beide Seiten den Wunsch zur Rückkehr in die Normalität haben.

Meine Vorredner haben bereits ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich so etwas nicht wiederholen darf. Eine vertrauensvolle Partnerschaft mit Russland lag schon immer im deutschen und europäischen Interesse. Das gilt für Wirtschaft, Wissenschaft und Sicherheit.

Interessanterweise gibt es gerade im Internet bei Civey eine Umfrage. Viele von Ihnen machen bei solchen Erhebungen bestimmt hin und wieder mit und bringen sich da ein. Dort lautet eine Frage: Soll die NATO durch ein internationales Sicherheitsbündnis, unter Einbeziehung Russlands ersetzt werden? Bemerkenswerterweise haben sich 56 % von circa 100 000 Teilnehmenden dafür ausgesprochen, 7 % wäre es egal und 36 % wären dagegen. Man sieht an dieser Stelle, wie wichtig den Menschen der Frieden und die Sicherheit sind und dass Russland dabei als wichtiger Partner von unseren Bürgern angesehen wird.

Noch einmal zurück zur Frage im Debattentitel „Meinst du, die Russen wollen Krieg?“ Aus meinen persönlichen Beobachtungen heraus habe ich dort einen speziellen Einblick. Ich bin mit einer russischen Frau verheiratet und habe Russland mehrfach bereist. Ich habe, zum Beispiel bei Delegationsreisen, zu vielen Russen einen sehr angenehmen, herzlichen Kontakt erleben dürfen.

Nach meinen Beobachtungen kann ich sagen, die Russen lieben Deutschland, auch wenn sie der Sieg über den Hitlerfaschismus viele Opfer gekostet hat. Heute bewundert man unsere Leistungsfähigkeit, die reichhaltigen Kulturschätze, unsere hochwertigen Produkte – wenn es möglich ist, muss alles aus Deutschland kommen, von der Zahnpasta bis zum Auto –, aber natürlich auch das Organisationstalent und die Ordnung.

Die Russen wollen uns als Partner und ganz sicher keinen Krieg. Lassen Sie uns alle – jeder nach seinen Möglichkeiten – für Entspannung, Interessensausgleich und verbale Abrüstung hier eintreten, damit der Frieden in Europa dauerhaft erhalten werden kann!

Ganz herzlichen Dank.