Vielleicht sollten wir endlich einmal aufhören, den Betreuungsschlüssel als das Nonplusultra in der Qualitätsdebatte zu sehen.
Getrieben von Bertelsmann scheint mit der Schlüsselabsenkung alles geklärt, alle glücklich und alle Ziele erreicht zu sein. Genauso scheint es auch DIE LINKE zu sehen; denn es ist das Einzige, das Ihr Gesetzentwurf fordert. Aber ich frage mich auch, ob Sie in den letzten Jahren hier im Haus anwesend waren, ob Sie gesehen und erlebt haben, wie der Schlüssel in den sächsischen Kindertagesstätten ankam, und ob Sie nicht erkannt haben, dass die Absenkung allein nicht ausreicht. Denn wer ehrlich und planvoll in der frühkindlichen Bildung agiert, der schaut über den Tellerrand von Bertelsmann hinaus und fragt sich auch, wie viele Fachkräfte in unseren Einrichtungen sind, wie viele Fachkräfte wir brauchen, wenn wir weitere Verbesserungen anstreben. Der fragt sich auch: Kann ich diese hohe Fachkraftquote dann noch realisieren und aufrechterhalten? Der fragt sich, welche weiteren Professionen wir in unseren Teams benötigen.
Dieser Entwurf erweckt den Anschein, dass mit der Absenkung des Schlüssels die Arbeitsbedingungen der Erzieherinnen und Erzieher besser werden würden, dass die Kinder besser betreut werden würden und dass Eltern und Kommunen Ihnen wahrscheinlich mit Begeisterung zustimmen werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, genau hier liegen Sie falsch.
Ihr Entwurf beinhaltet wieder das Problem, dass der ach so schön errechnete Schlüssel kein realer – Kollege Schreiber hat es schon erwähnt –, sondern nur ein rechnerischer ist, der auf dem Papier und dem Rechenschieber toll aussieht, aber der Realität in den Kindergärten eben nicht entspricht. Das ist übrigens ein Kritikpunkt, den Sie uns hier regelmäßig vorgetragen haben.
Was wir tun müssen – davon bin ich überzeugt –, ist, den Schlüssel endlich ehrlich zu machen; den Finanzierungsschlüssel so anzupassen, dass die Fachkraft-KindRelation, also der tatsächliche Betreuungsschlüssel, sinkt. Konkret bedeutet dies: In das Gesetz sollten Zeiten für Urlaub, Krankheit und Weiterbildung in die Berechnung einbezogen werden.
Es muss über eine Praxisanleiterfreistellung nachgedacht werden, und im ersten Schritt, den wir jetzt gehen werden, sollten Vor- und Nachbereitungszeiten für die Erzieherinnen und Erzieher finanziert werden. Das sind für mich weitere ehrliche Schritte, die einen enormen Finanzierungsbedarf hervorrufen, aber vermutlich wirksamer sind als der Überbietungswettbewerb um den kleinsten Schlüssel.
Zum Thema Vor- und Nachbereitungszeit, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir werden über das im Koalitionsvertrag Vereinbarte hinaus in frühkindliche Bildung investieren und unseren Erzieherinnen und Erziehern Vor- und Nachbereitungszeit finanzieren. Wir wagen hier einen flächendeckenden landesfinanzierten Einstieg. Nach fünf Jahren CDU-/SPD-Regierung in Sachsen werden wir also nicht nur den Schlüssel abgesenkt, sondern auch eine weitere qualitative Maßnahme ergriffen haben. Das zeigt doch nur allen allzu deutlich, dass wir die letzten Jahre die frühkindliche Bildung weder stiefmütterlich noch als
Thema zweiter Klasse betrachtet haben. Das zeigt vielmehr, welchen Stellenwert für uns die Kindertageseinrichtungen in Sachsen haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der LINKEN, wer in der Anhörung genau zugehört hat, der vermisst heute Ihren Änderungsantrag zum eigenen Gesetzentwurf. Einige Lücken hatte ich bereits aufgezeigt, aber die Sachverständigen haben auch das Thema Leitungsanteile und die Frage, wie wir in Sachsen Kindergärten mit besonderen Herausforderungen besonders unterstützen werden,
Und dann, werte Kolleginnen und Kollegen, schauen wir noch einmal zu denjenigen, die vertrauensvoll ihr Kind in unsere Kindergärten bringen und keinen unwesentlichen Teil davon mitfinanzieren. Zuletzt – so die Zahlen von 2017 – waren das über 304 000 Kinder. Deren Eltern zahlen gerade, Kollege Schreiber, nicht 30 %, rund 25 % eines Kita-Platzes. 25 % für einen Kindergartenplatz klingt vielleicht klein, jedoch steigen die absoluten Beiträge kontinuierlich, von knapp 100 Euro im Jahr 2009 etwa auf 116 Euro im Jahr 2016. Das macht 192 Euro nur in einem Jahr. Gerade Menschen mit einem niedrigen mittleren Einkommen, die eben gerade nicht beitragsbefreit sind, werden zunehmend finanziell belastet.
Unser derzeitiges System der Finanzierung kann dies auch mit steigenden Pauschalen nicht abfedern. Die gesetzlichen prozentualen Unter- und Obergrenzen der Elternbeiträge bedingen, dass jede Qualitätsverbesserung auf die Eltern mit umgelegt wird. Der Vergleich scheint beim Betreuungsschlüssel einfach zu fallen. Vielleicht macht man nun auch einmal einen Vergleich der Bundesländer, in welchen zunehmend Kita-Gebühren abgeschafft werden.
Gar zuletzt schafft es DIE LINKE, diejenigen außer Acht zu lassen, die eigentlich für unsere Kindertageseinrichtungen zuständig sind: die Kommunen als Träger. Der Gesetzentwurf bereinigt nicht im Ansatz die KitaPauschale, wie dies von SPD und CDU zum 01.07.2019 geplant ist. Er ist aber auch nicht valide durchgerechnet. Schon heute kann man sagen, dass allein in 2019 und 2020 eine Lücke von 5 bzw. 28 Millionen Euro besteht. Blickt man ins Jahr 2022, so wächst das kleine Delta mal eben auf 90 Millionen Euro Unterfinanzierung an – ein Betrag, der auf die Kommunen abgewälzt werden würde. War es nicht heute Morgen DIE LINKE, die noch die Unterfinanzierung der Kommunen beklagt hat? Auch in der Anhörung thematisiert, aber nicht aufgegriffen wurden Tarifsteigerungen und somit eine Dynamisierung der Landespauschale bzw. die Fehlannahme einer linearen Anpassung bei den Steigerungsbeträgen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir dürfen, wenn wir über Sachsens Kindergärten sprechen, nicht den Fehler machen, nur die eine Seite der Medaille zu betrachten, indem wir ausschließlich über Qualität sprechen. Nur
wenn wir Kinder, Erzieher, Eltern und Kommunen im Blick haben, können wir unserer Verantwortung gerecht werden. In einem solch komplexen System, in welchem wir Qualität, Fachlichkeit, Familienfreundlichkeit, Arbeitsbedingungen, Finanzierungsanteile der Kommunen sowie Eltern und allen voran unsere Kinder in Sachsen betrachten müssen, werden wir mit solch vermeintlich einfachen Antworten, wie sie uns heute vorliegen, nicht gerecht werden.
Ich bin mir sicher, wir alle werden spätestens zur nächsten Landtagswahl wieder entsprechende Vorschläge auf den Tisch legen. Welche Fragestellungen mich und meine Fraktion gerade bewegen, habe ich ja ausgeführt. Bis zur Wahl werden wir aber den Plan für die bestehende Legislaturperiode umsetzen. Wir werden am 01.08.2018 die vierte Stufe der Schlüsselabsenkung greifen sehen und in der Krippe auf 1,5 senken. In 2019 werden wir mit der Einführung von Vor- und Nachbereitungszeit einen weiteren qualitativen Schritt gehen. Das hat die Koalition in den letzten Jahren gemacht, mit viel Herzblut für unsere Kinder hier in Sachsen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Fraktion DIE LINKE verfolgt mit ihrem Gesetz dasselbe Ziel, das auch die AfD bereits seit Einzug in den Landtag verfolgt: die Verbesserung des Betreuungsschlüssels in Kindertagesstätten. Diesem Ansinnen können wir daher zustimmen, dem Gesetz selbst allerdings nicht. Das Gesetz würde im Jahr 2031 zu Mehrkosten in Höhe von 762 Millionen Euro führen. Das ist aber nur die Spitze des Eisberges, denn was die LINKEN gern vergessen zu sagen, ist, dass der Landeszuschuss nach § 18 des Sächsischen KitaGesetzes bereits jetzt über 600 Millionen Euro beträgt; Herr Schreiber hatte noch mehr ausgerechnet. In Summe würde das Gesetz im Jahr 2031 Kosten von insgesamt 1,2 Milliarden Euro verursachen. Lassen Sie sich diese 1,2 Milliarden Euro einmal auf der Zunge zergehen.
Die LINKEN haben auch vergessen – wie üblich –, die Mehrkosten durch eine entsprechende Gegenfinanzierung zu decken. Meine Damen und Herren von den LINKEN, auch wenn Sie es glauben – das Geld fällt jedoch nicht vom Himmel.
Wir haben gerechnet, wir müssten 15 000 zusätzliche Erzieher einstellen – Herr Schreiber kommt auf eine noch größere Zahl. Das wäre ein Plus von 63 % im Vergleich zum aktuellen Stand. Wir wissen aber doch, dass es im Bereich der Erzieher nicht besser aussieht als im Bereich der Lehrer. Der Arbeitsmarkt ist extrem angespannt.
Auch mit der dringend notwendigen Reform der Erzieherausbildung wäre es also in keinster Weise möglich, den Bedarf von 15 000 zusätzlichen Erziehern zu decken. Halt, hier muss ich mich korrigieren: Die Staatsregierung könnte natürlich auch hier auf ihr bewährtes Modell der Seiteneinsteiger zurückgreifen. Das ist wohl auch nur eine Frage der Zeit.
In der Anhörung zum Antrag waren sich die Sachverständigen übrigens einig, dass es gar nicht auf die absolute Zahl von Erziehern ankomme, sondern auf interdisziplinäre Teams mit einer hohen Methodenkompetenz. DIE LINKE stellt sich nach außen bekanntermaßen gern als soziale Partei dar – der Antrag beweist allerdings das genaue Gegenteil. Ist Ihnen eigentlich bewusst, dass dieses Gesetz bei Eltern und Kommunen zu höheren Belastungen führen würde? Nach § 15 Abs. 1 des Sächsischen Kita-Gesetzes erstatten die Kommunen den KitaTrägern die entgangenen Einnahmen wegen der Absenkung der Elternbeiträge für Alleinerziehende, Mehrkinderfamilien oder sozial Bedürftige. Die Elternbeiträge liegen zwischen 20 und 30 % der Gesamtkosten eines Kita-Platzes; Frau Pfeil-Zabel sprach von 25 %.
Wenn der Betreuungsschlüssel sinkt, steigen damit die Gesamtkosten für einen Kita-Platz. Ergo steigen auch die Beiträge für Eltern und Kommunen. Könnten dagegen mehr Kleinkinder in der Familie betreut werden – was ja viele Eltern durchaus wollen –, könnte der Betreuungsschlüssel problemlos verbessert werden, ohne immense Mehrkosten für Erzieher, die man gar nicht hat.
Halten wir im Ergebnis fest: Der Gesetzentwurf der LINKEN würde Eltern und Kommunen zusätzlich belasten. Die Mehrkosten belaufen sich auf über 700 Millionen Euro. Es existiert keine Gegenfinanzierung. Damit ist der Gesetzentwurf in keinerlei Hinsicht zustimmungsfähig.
Danke, Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Anhörung zum Gesetzentwurf der LINKEN am 2. März 2018 hat gezeigt, dass die Verbesserung des Betreuungsschlüssels nach wie vor eine Kernforderung ist, wenn es um die Verbesserung der Qualität der frühkindlichen Bildung geht. Ich glaube, das ist unumstritten, wie sich auch in der heutigen Debatte gezeigt hat.
Prof. Viernickel hat es in der Anhörung auf den Punkt gebracht, indem er sagte: „Die Verbesserung der strukturellen Rahmenbedingungen führt zu einer Verbesserung der Prozessqualität.“ Konkret heißt das: Je günstiger der Personalschlüssel, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass positive pädagogische Interaktionen stattfinden, bildungsanregende Impulse gegeben, Aktivitäten entfaltet
und vielfältige und entwicklungsangemessene Materialien bereitgestellt werden. In der Folge wirken sich diese positiven Bedingungen – und auch das kann man als wissenschaftlich abgesichert ansehen – auf die kognitive und soziale Entwicklung von Kindern aus, also auf die Ergebnisqualität.
Insofern, liebe Kollegin Pfeil-Zabel, finde ich es nicht ganz richtig, so zu tun, als hätte der Betreuungsschlüssel sozusagen überhaupt keine Auswirkungen mehr auf die Qualität der frühkindlichen Bildung und man sollte sich endlich von diesem Thema lösen. Ich teile Ihre Auffassung nicht.
Man könne nach der Anhörung also tatsächlich sagen: Die Verbesserung des Personalschlüssels ist nicht alles, aber ohne die Verbesserung des Personalschlüssels geht es eben auch nicht.
Die bisherigen Schlüsselverbesserungen – darauf hat Kollegin Junge hingewiesen – sind im System tatsächlich verpufft. Sie waren zu klein. Derjenige, der im System unterwegs ist und sich mit den Kita-Leuten unterhält, der hört, dass letztlich zwei oder drei Minuten bei den Kindern angekommen sind, dass die Unzufriedenheit nach wie vor groß ist und die Umsetzung des sächsischen Bildungsplans tatsächlich nur dem großen Engagement der Erzieherinnen und Erzieher zu verdanken und nur unter hoher Belastung der Erzieherinnen und Erzieher möglich ist.
Insofern unterstützen wir den Gesetzentwurf der Fraktion der LINKEN vom Grundsatz her. Das habe ich auch im Ausschuss für Schule und Sport so gesagt.
Insgesamt greift das sich ausschließlich auf den Personalschlüssel fokussierende Stufenmodell nach unserer Auffassung aber auch zu kurz. Wir kritisieren grundsätzlich, dass sich im Freistaat Sachsen stets von Haushalt zu Haushalt gehangelt wird, ohne dass klar wird, was das eigentliche Ziel ist und wohin die Reise geht.
Deshalb haben wir einen Antrag vorgelegt, der einen Masterplan einfordert – so haben wir es bezeichnet –, also eine mittelfristige Strategie zur Verbesserung der Qualität der frühkindlichen Bildung. Darin sollen auch andere Maßnahmen – einige sind hier schon genannt worden, zum Beispiel eine Personal- und Ausbildungsoffensive – Platz finden.
Ich muss noch einmal etwas sagen: Kollegin Pfeil-Zabel, Sie haben davon gesprochen, dass Sie sich in der Regierungskoalition von CDU und SPD seit Beginn dieser Legislatur – das haben Sie wörtlich gesagt – mit viel Herzblut der Verbesserung der Qualität der frühkindlichen Bildung gewidmet haben
Eines muss man hier aber klar feststellen: Wäre dieser Druck aus den Kitas nicht gekommen, wäre dieser Druck
von den vielen Initiativen, von den Erzieherinnen und Erziehern nicht gekommen, hätte es noch lange gedauert, ehe es hier, in diesem Land, zu einer Bewegung gekommen wäre.
Dieser Druck ist nach wie vor da. Die Leute sind nicht zufrieden. Deswegen reicht es eben nicht, sich hier hinzustellen und zu sagen: Also, wir sind ja eigentlich gut. Wir machen das.