Aber schauen wir einmal auf den zweiten Teil des Antrags. Auch dazu ist schon einiges gesagt worden. Sie wollen wieder eine Überschrift haben, nämlich die Heimatkunde. Ich bin mir bei Ihnen nicht sicher, ob es tatsächlich die Heimatkunde aus DDR-Zeiten ist. Man sollte schon einmal in die Geschichte dieses Fachs hineinschauen. Sie fängt eben nicht in der Zeit der DDR an, sondern es gab schon früher das Fach Heimatkunde. Wenn wir in die zwölf dunklen Jahre Deutschlands schauen, da gab es dieses Fach genauso. Nur gab es da noch besondere Inhalte wie den Heldengedenktag, die Sonnenwendfeier oder Hitlers Geburtstag. Sie sollten ganz genau überlegen, welchem Gedankengang Sie dort folgen. Sie sollten sich mal mit dem auseinandersetzen, was tatsächlich an Schule passiert, was im Lehrplan des Fachs Sachkunde steht und wie wichtig dieses Fach ist.
Die Grundlage für die Bezeichnung des Fachs Sachkunde bildet der von der Gesellschaft für Didaktik des Sachunterrichts erstellte, bundesweit konsensfähige Perspektivrahmen, der aus fachdidaktischer Sicht Standards formuliert. Das Lernen im Spannungsfeld zwischen den persönlichen Erfahrungen der Schüler und damit Erfahrungen aus dem unmittelbaren Lebensumfeld sowie den inhaltlichen und methodischen Angeboten der Bezugswissenschaften wird ins Zentrum gestellt. Darüber hinaus sind die für die sächsischen Lehrpläne grundlegenden Ziele, nämlich Wissenserwerb, Kompetenzentwicklung und Werteorientierung, ebenfalls im Perspektivrahmen abgebildet. Er ist damit auch Leitfaden für den Lehrplan des Fachs Sachunterricht. Um die Ziele und Aufgaben des Fachs Sachunterricht altersspezifisch umsetzen zu können, ist ein kindgerechter und praxisnaher Bezug notwendig.
Der aus dem Lehrplan zitierte Satz – hören Sie genau hin – „Heimat hat zentrale Bedeutung für den Erwerb von Wissen und die Anbahnung von Weltverständnis“ hat damit durchaus Berechtigung; denn bei der Vermittlung von Kenntnissen stehen authentische Begegnungen, mit denen der Schüler sich selbst ein Bild von der Welt machen kann, im Vordergrund. Die Inhalte des Fachs gehen jedoch weit über die Aussage dieses Satzes hinaus, denn der Sachunterricht knüpft an die Lernvoraussetzungen im Elementarbereich an und legt zugleich den Grundstein für verschiedene Themen der Fächer Biologie, Physik, Gemeinschaftskunde, Geschichte und Geografie in den weiterführenden Schulen.
Eine Rückbenennung des Fachs Sachunterricht ist schon allein aus diesen Gründen ausgeschlossen. Insgesamt bitte ich das Hohe Haus, diesen unnötigen Antrag abzulehnen.
Herr Staatsminister Piwarz, die Sorge, die uns als Fraktion und auch mich betrifft, ist, dass Sie Gemeinschaftskunde ausbauen – unter anderem auch zulasten der MINT-Fächer. Das, was wir brauchen, sind im Hinblick auf die Digitalisierung 4.0 hochwertig ausgebildete Fachkräfte.
(Widerspruch bei der SPD und den LINKEN – Patrick Schreiber, CDU: Was hat Heimatkunde mit Digitalisierung 4.0 zu tun? – Jörg Urban, AfD: Hinsetzen, Herr Schreiber!)
Deshalb, Herr Piwarz, sind wir auch der Meinung, dass wir die MINT-Fächer in Sachsen weiterhin stärken müssen, weil das von der Wirtschaft gefördert wird und auch deshalb kommt von uns dieser Antrag.
(Widerspruch bei der CDU, der SPD, den GRÜNEN und den LINKEN – Cornelia Falken, DIE LINKE: So ein Unfug! – Zuruf des Abg. Patrick Schreiber, CDU)
Herr Barth, ich bin Ihnen ja dankbar für diese Kurzintervention. Ich wundere mich aber, dass Ihre Begründung so gar nicht zu der passt, die vorhin Frau Wilke vorgetragen hat. Sie müssten sich schon einmal entscheiden, was Sie wirklich wollen!
Jetzt sage ich Ihnen ganz ehrlich: Im Ziel sind wir uns durchaus einig, dass wir auch und gerade die Naturwissenschaften in prominentem Rahmen an den sächsischen Schulen besetzen müssen. Aber Naturwissenschaften, Mathematik und Technik sind nicht alles. Wenn ich Schüler heranbilde, dann brauche ich auch jemanden, der sich in der Gesellschaft orientieren kann, der weiß, wie Gesellschaft funktioniert und der partizipiert und teilhaben kann.
Dazu gehört selbstverständlich, dass man einen Geschichtsunterricht hat, der auf die Vergangenheit hinweist. Es gehört genauso dazu, dass man einen guten Geografieunterricht und einen guten Deutschunterricht, aber eben auch einen guten Gemeinschaftskundeunterricht hat, der es möglich macht, dass junge Leute früh lernen, miteinander Streit zu führen sowie Streit und unterschiedliche Meinungen auszuhalten. Das an dieser Stelle gegen die Naturwissenschaften auszuspielen, halte ich für höchst gefährlich. Das steht ja aber auch so gar nicht in Ihrem Antrag; dort haben Sie wesentlich niedrigere Beweggründe dargestellt. Also sollten wir vielleicht lieber darüber reden.
Lieber Herr Piwarz, lieber Herr Bienst, liebe Frau Friedel! An mich werden mit Sicherheit andere Dinge herangetragen als an Sie. Ich mache daher andere Erfahrungen, über die ich hier reden möchte.
Viele Sachsen sehnen sich nach Heimat, aber nicht nach einer Wiederauflage der DDR-Staatsbürgerkunde. Belehrungen von CDU, SPD, LINKEN und GRÜNEN, die Sachsen würden unter einem Demokratiedefizit leiden, erniedrigen alle hart arbeitenden Menschen in unserem Freistaat und entsprechen tatsächlich nicht der Wahrheit.
Politische Bildung ist nicht nur eine Aufgabe der Schule, sondern vor allem auch eine Aufgabe der Gesellschaft. Wenn die Sorgen und Nöte konsequent überhört werden und die Beteiligung der Bürger an demokratischen Prozessen keine Wirkung zeigt, dann denkt sich die Gesellschaft: Ich mache nichts mehr! Die Politiker machen doch eh, was sie wollen!
Es ist nicht allein Aufgabe der Schule, das Demokratiedefizit zu kurieren. Ein Mehr an Gemeinschaftskunde bekämpft nur die Symptome, nicht aber die Ursache. In der DDR-Grundschule mussten Kinder aufstehen, die zur Kirche gehen, und wurden von den Mitschülern dafür ausgelacht.
Heute gibt es wieder Lehrer, die sich aufgefordert fühlen, einen Feldzug gegen die AfD zu führen – unter anderem mit Aussagen,
Die Nichteinhaltung des Beutelbacher Konsenses und die Denunzierung einer demokratisch gewählten Partei wie
Erst gestern berichtete mir eine sehr besorgte Mutter von der Deutschlehrerin ihres Sohnes, die nicht konforme Schüler mit subtilen Methoden identifizierte und brandmarkte, woraufhin dieser auf dem Schulhof von den Mitschülern als „braune Hackfresse“ beschimpft wurde. Wo bleibt hier die Meinungsfreiheit, die Demokratie oder die Umsetzung des Beutelbacher Konsenses?
Wir fordern daher, erstens Gemeinschaftskunde nicht schon ab der 7. Klasse einzuführen, dafür aber die bishe
rigen Stundentafeln beizubehalten, sowie zweitens den Sachunterricht in Heimatkunde umzubenennen, damit das Heimatgefühl wieder gestärkt wird.
Meine Damen und Herren! Ich stelle nun die Drucksache 6/13054 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Damit ist die Drucksache 6/13054 überwiegend abgelehnt und nicht beschlossen. Ich schließe Tagesordnungspunkt 14.
Doch nun eine inhaltliche Betrachtung: Zu Ihrem Antrag „Umbenennung des Sachunterrichtes in Heimatkunde“. Wie Sie bereits wissen, bildet die Grundlage für die Bezeichnung der Faches „Sachunterricht“ der von der Gesellschaft für Didaktik des Sachunterrichts (GDSU) erstellte Perspektivrahmen, der aus fachdidaktischer Sicht Standards formuliert. Das Lernen im Spannungsfeld zwischen den persönlichen Erfahrungen der Schüler und damit Erfahrungen aus dem unmittelbaren Lebensumfeld und den inhaltlichen und methodischen Angeboten der Bezugswissenschaften wird ins Zentrum gestellt.
Ich nenne fünf Perspektiven: Sozialwissenschaftliche Perspektive – Politik, Wirtschaft, Soziales; naturwissenschaftliche Perspektive – belebte und unbelebte Natur; geografische Perspektive – Räume, Naturgrundlagen, Lebenssituationen; historische Perspektive – Zeit, Wandel; technische Perspektive – Technik, Arbeit.
Da die GDSU deutschlandweit agiert, ist es keine alleinige sächsische Angelegenheit. Zur Begründung zitiere ich aus der Antwort der Staatsregierung: „Die Perspektiven des Perspektivrahmens der GDSU finden sich in den Lernbereichen aller Klassenstufen der Grundschule wieder. So ist im Lehrplan Grundschule zu den Zielen und Aufgaben des Faches Sachunterricht ausgeführt: ‚Der Sachunterricht unterstützt die Schüler, ihr Leben und die Welt zu erschließen, verstehen und gestalten zu können. Er führt die Schüler von kindlicher Betrachtungsweise zunehmend zu wissenschaftsnaher Sachlichkeit, indem entsprechende Denk- und Arbeitsweisen entwickelt werden.‘ Unterricht in diesem Fach führt die Schüler damit altersangemessen an grundlegendes Wissen aus Gesellschaft, Natur und Technik heran.“
Um die Ziele und Aufgaben des Faches Sachunterricht altersspezifisch umsetzen zu können, ist ein kindgerechter und praxisnaher Bezug notwendig. Der aus dem Lehrplan zitierte Satz „Heimat hat zentrale Bedeutung für den
Bei der Vermittlung von Kenntnissen stehen authentische Begegnungen, mit denen der Schüler sich selbst ein Bild von der Welt machen kann, im Vordergrund. Die Inhalte des Faches gehen jedoch weit über die Aussage dieses Satzes hinaus.
Und weiter heißt es: „Der Sachunterricht hat eine doppelte Anschlussaufgabe. Er knüpft an die Lernvoraussetzungen aus dem Elementarbereich an und legt den Grundstein für verschiedene Themen der Fächer Biologie, Physik, Geschichte und Geografie in den weiterführenden Schulend.“ – So viel zu Ihrer Forderung der Umbenennung. Das, was in diesem Fach gelernt wird, dient als Wissensgrundlage bzw. als Voraussetzung für weiterführende Schulen.
Zum Punkt der Staatsbürgerkunde 2.0 versus Gemeinschaftskunde: Ich bin der Meinung, dass sich alle hier im Saal, die das entsprechende Alter aufweisen, erinnern, dass der Wunsch 1989 und davor nach einer Entideologisierung und der Demokratisierung der Schule riesig war und dass viele Menschen in der DDR gerade den Staatsbürgerkundeunterricht, der als das zentrale Instrument der politisch-ideologischen Erziehung im Sinne der SED galt, ablehnten.
Margot Honecker sprach noch im Juni 1989 davon, dass das Fach Staatsbürgerkunde als „ein in seiner Bedeutung für die sozialistische Erziehung, für die Vermittlung unserer Ideologie durch nichts zu ersetzendes Fach“ sei; ja, in einer Diktatur, in dieser sozialistischen Diktatur nachvollziehbar.
Meine Damen und Herren von der AfD! Wie kommen Sie dazu, dieses Ansinnen auf unsere demokratische Gesellschaft zu legen? Ich brauche wohl nicht noch einmal zu erwähnen, dass der Gemeinschaftskundeunterricht, wie jeder andere Unterricht – ich fokussiere nicht nur auf politischen Bildung –, seit der Verabschiedung des Beutelsbacher Konsenses im Jahr 1976 an das Kontroversi
tätsgebot, das Überwältigungsverbot und den Pluralismus gebunden ist, wobei Kritikfähigkeit und kritisches Denken in den Vordergrund gerückt werden.