Protokoll der Sitzung vom 06.09.2018

Hierzu können die Fraktionen wieder Stellung nehmen. Es beginnt die AfD, danach folgen CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Frau Abg. Kersten und die Staatsregierung, wenn sie es wünscht. Bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Prioritätenantrag unserer

AfD-Fraktion lautet heute: „Eltern und Senioren entlasten – kostenlose Basisangebote für den ÖPNV im ländlichen Raum ermöglichen“. Die Freude war kurz, als die Bundesregierung in einem Brief an die Europäische Kommission im Februar dieses Jahres den ÖPNV zum Nulltarif ankündigte. Einen Tag danach wurde diese Aussage von

Regierungssprecher Steffen Seibert wieder zurückgenommen.

(Zuruf von der CDU: Weil es auch Quatsch ist!)

Das ist doch mal eine zielgerichtete und überzeugende Politik, oder?

Die Sächsische Staatsregierung stellte diesbezüglich auf meine Anfrage hin klar – ich zitiere –: „Eine hinreichende inhaltliche, konzeptionelle und finanzielle Umsetzung seitens des Bundes hat besagter Vorstoß bisher nicht erfahren. Gespräche zwischen Staats- und Bundesregierung zu diesem Zeitpunkt gab es nicht.“

Meine Damen und Herren! Werbe- und medienwirksame Bekundungen zum ÖPNV ohne Substanz und ohne Glaubwürdigkeit sind blanker Populismus, und zwar Populismus von der CDU- und SPD-geführten Bundesregierung.

Die AfD möchte Ihrem Populismus heute mit Inhalten begegnen,

(Lachen bei der CDU – Staatsminister Martin Dulig: War Populismus mit großem oder kleinem i geschrieben?)

damit Sie wenigstens theoretisch wissen, was Sie praktisch für den sächsischen Nahverkehr tun können und was die Bürger sich wünschen.

(Zuruf von der CDU)

Dann hören Sie jetzt einmal ganz genau zu.

(Andreas Nowak, CDU: Ich bin ganz Ohr!)

Wir warten bis heute vergeblich auf das bereits im Koalitionsvertrag 2014 verankerte sachsenweit gültige kostengünstige Bildungsticket. Das Schuljahr hat gerade begonnen – es war wieder nicht da. Wir warten bis heute vergeblich auf erste konkrete Umsetzungen der Handlungsempfehlungen der ÖPNV-Strategiekommission vom

Dezember 2017. Drittens warten wir bis heute vergeblich auf erfolgreiche Modellkostenrechnungen zum Bildungsticket.

Nun, nach dieser Ergebnislosigkeit Ihres Regierungshandelns, möchten wir mit unserem Antrag einen Weg aufzeigen, mit dem wir zügig und zum Vorteil der sächsischen Bevölkerung zu guten Ergebnissen kommen.

(Beifall bei der AfD)

Das haben die Sachsen, die auf den Nahverkehr angewiesen sind und sowieso schon eine knappe Lohntüte haben, einfach verdient.

Meine Damen und Herren! Wir legen Ihnen heute kein Verkehrskonzept der sächsischen AfD-Fraktion vor,

(Staatsminister Martin Dulig: Das hätten wir aber gebraucht! – Andreas Nowak, CDU: Weil Sie keins haben!)

sondern einen Antrag zu einem konkreten Punkt. Unser kostenloses Basisangebot soll die steuerzahlenden Fami

lien und Senioren im ländlichen Raum spürbar entlasten. Wir haben gemeinsam in der ÖPNV-Strategiekommission viel erarbeitet, und ich stehe auch zu diesen Handlungsempfehlungen. Nur wann kommen endlich die ersten Umsetzungen dieser Empfehlungen? Es gibt bekannte Koordinierungsprobleme zwischen dem Land Sachsen und der kommunalen Ebene. Dazu wurde von der Kommission eine Koordinierungsstelle empfohlen, die es aber auch immer noch nicht gibt. Unser Antrag fordert in diesem Zusammenhang im Punkt IV – ich zitiere: – „die Zusammenlegung der fünf Zweckverbände“, da dies den Koordinierungsbedarf schon einmal deutlich senken würde.

Heute hoffe ich, dass die Staatsregierung nicht wieder reflexartig auf ihre Unzuständigkeit verweist, wie schon in ihrer Stellungnahme oder auch auf meine Kleine Anfrage. Wäre dies tatsächlich der Fall, dann sind die Themen Bildungsticket und auch der einheitliche Sachsentarif im Koalitionsvertrag aufgrund mangelnder Zuständigkeit ja eine glatte Wählertäuschung gewesen.

(Beifall bei der AfD)

Denn Sie hätten ja gewusst, dass für diese Entscheidung einzig die Landkreise und Verkehrsverbünde zuständig gewesen wären, und haben es aus Schönfärberei trotzdem in Ihren Koalitionsvertrag aufgenommen. Selbst wenn es rechtlich auch so ist, ist es politisch trotzdem falsch. Wenn Politik will, kann Politik immer Veränderungen zum Wohle der Bürger herbeiführen.

Meine Damen und Herren! Mit unserem Antrag möchten wir ein kostenloses Basisangebot für Schüler, Azubis und Rentner innerhalb ihres Landkreises einführen. Kostenlose Fahrten zu den Schulen, zu den Berufsschulen für Schüler und Azubis sind eine wichtige finanzielle Unterstützung für eine gute Ausbildung. Nur eine gute und sorgenfreie Ausbildung gewährleistet ein Leben ohne Hartz IV. Deshalb sind Steine wie unnötige Buskosten durch unsere Politik aus dem Weg zu räumen. Das ist ein wesentlicher Beitrag zur Chancengerechtigkeit.

Mit diesem Antrag wollen wir Familien mit kleinen und mittleren Einkommen entlasten.

(Staatsminister Martin Dulig: Aber sagen Sie einmal, wie Sie es machen wollen!)

Spiegelbildlich zu Schülern und Auszubildenden, die vor dem Erwerbsleben finanzielle Unterstützung benötigen, benötigen Rentner mit kleinen Renten, vor allem im ländlichen Raum, unsere finanzielle Unterstützung. Die Rentner sind häufig auf den Nahverkehr angewiesen, um zum Beispiel zum weiter entfernten Arzt, zur nächsten Einkaufsmöglichkeit oder zum Seniorentreff zu gelangen. Unser kostenloses Basisangebot berücksichtigt diese Realität und möchte den Senioren im ländlichen Raum mehr Mobilität und Lebensqualität zurückbringen.

Warum fordern wir so ein Angebot nur im ländlichen Raum und nicht in den kreisfreien Städten?

Die Begrenzung des Angebots auf den ländlichen Raum hat einen wichtigen Grund. Der ländliche Raum muss endlich attraktiver werden. Ein kostenloser ÖPNV auf dem Land kann die Marktplätze wiederbeleben und leer stehende Häuser wieder mit Leben füllen.

Aber, liebe GRÜNE und LINKE, bleiben Sie gelassen. Wir spalten Sachsen nicht.

(Sebastian Fischer, CDU: Doch!)

Das kostengünstige sachsenweite Bildungsticket für alle Schüler kommt bestimmt auch bald.

Zur Finanzierung und zur Umsetzung, Herr Minister Dulig, sage ich noch etwas im Schlusswort.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)

Für die CDUFraktion Herr Abg. Nowak.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Grimm, ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht so richtig, wo ich anfangen soll.

(Carsten Hütter, AfD: Das ist ja nichts Neues!)

Vielleicht fange ich damit an, dass wir doch etwas gemeinsam haben, nämlich etwas Geografisches. Gleich neben Ihrem Geburtsort ist nämlich meine Mama aufgewachsen, in Gierschdurf (Neugersdorf), wie man auf Äberlausitzsch sagt. Da war ich oft zu Besuch und habe in der DDR den schönen Satz gelernt: „Wie heißt Sozialismus auf Äberlausitzsch? – Wirrwarr!“ Das ist das Erste, was mir eingefallen ist, als ich Ihren Antrag gelesen habe. Entweder ist es Sozialismus, auf jeden Fall ist es aber Wirrwarr.

(Heiterkeit bei der CDU)

Ganz offensichtlich haben Sie bei der AfD die grundlegenden Regeln des Staatswesens nicht verstanden, jedenfalls nicht den Teil, wie der öffentliche Verkehr organisiert wird. Oder Sie haben ihn bewusst ignoriert.

Gerade eben haben Sie ja ausgeführt, dass Sie wissen, dass die Kommunen dafür zuständig sind und nicht der Freistaat Sachsen. Sie machen trotzdem einen Antrag, der in diese kommunale Selbstverwaltung hineinregieren soll. Warum, wieso und wie Sie das organisieren wollen, dazu findet man nichts. Dass Sie das auf Landkreise beschränken wollen und die kreisfreien Städte völlig ausblenden, ist schon deswegen fachlich völlig ungenügend, weil es ganz klare Verkehrsbeziehungen zwischen Stadt und Land gibt. Beides muss man zusammen denken. Wie Sie das in dem Antrag formulieren, ist es eine Spaltung des Landes und kein Zusammendenken.

Betrachten wir einmal im Einzelnen, was Sie aufgeschrieben haben.

Unter Punkt I fordern Sie ab dem nächsten Schuljahr die kostenlose Beförderung für alle Schüler und Azubis. Wer

das bezahlen soll, schreiben Sie nicht. Fachlich gesehen – wenn man die rechtlichen Rahmenbedingungen, über die wir gerade gesprochen haben, nicht berücksichtigt – ist das verkehrspolitischer Unfug und inkonsistent. Sie wollen allen Schülern und Azubis innerhalb des jeweiligen Landkreises ein kostenloses ÖPNV-Ticket schenken. Das ist schon deswegen untauglich, weil Sie Schüler und Azubis aus den kreisfreien Städten ausschließen und das wohl kaum dem Gleichheitsgrundsatz genügen würde.

Was machen Sie eigentlich mit denen, die im Landkreis wohnen und in der kreisfreien Stadt in die Schule oder Berufsschule gehen? Was machen Sie zum Beispiel mit den Azubis in Leipzig, die in Borsdorf, mithin im Landkreis Leipzig, im überbetrieblichen Ausbildungszentrum der Handwerkskammer ausgebildet werden? Was machen Sie mit den Azubis im Fahrdienst der Dresdner Verkehrsbetriebe, die zur landesweiten Berufsschule nach Leipzig pendeln? Was machen Sie mit Schülern und Azubis, die zwar in dem einen Landkreis wohnen und ihren Ausbildungsbetrieb haben, aber zur Berufsschule in den Nachbarlandkreis müssen oder darüber hinaus? MechatronikerAzubis aus Delitzsch arbeiten beispielsweise bei Porsche und BMW in Leipzig, im Ford-Autohaus in Delitzsch oder in der freien Autowerkstatt in Rackwitz. Zur Berufsschule müssen sie über mehrere Landkreisgrenzen hinweg. Die sollen dann also kostenlos zur Landkreisgrenze fahren. Ab da müssen sie dann bezahlen, für die Fahrt zum Betrieb oder für die Fahrt zur Berufsschule. Das ist organisatorischer Unsinn oder – um es auf Äberlausitzsch zu sagen – Wirrwarr.

Sie schaffen neue Tarifgrenzen, anstatt das System einfacher, durchlässiger und niedrigschwelliger zu machen. Es ist das Gegenteil dessen, was wir in der Koalition wollen und weshalb wir die ÖPNV-Strategiekommission eingerichtet haben.

Zu den Kosten sagen Sie auch nichts. Haben Sie sich eigentlich einmal mit den Landräten unterhalten, die als Aufgabenträger den Schüler- und Auszubildendenverkehr organisieren und bezahlen müssen? Haben Sie einmal ausgerechnet, was Ihre sozialistischen Freifahrttickets kosten? Dazu habe ich überhaupt nichts von Ihnen gehört. Sie sagen in dem Antrag auch nichts darüber, wer das bezahlen soll und wie das organisiert wird. Die Kommunen können Sie jedenfalls nicht verpflichten. Da steht nämlich die kommunale Selbstverwaltung entgegen. Der Freistaat könnte das Geld zwar bereitstellen, aber umsetzen müsste es trotzdem wieder die Kommune. Wie wollen Sie die denn rechtlich dazu zwingen? Auch dazu lese und höre ich nichts von Ihnen.